Schneekatastrophe 1978/79
Am Tag vor Silvester hat es gegossen wie aus Eimern. Ich verschob den Einkauf für die Silvesterfeier auf den nächsten Morgen. Wir hatten Besuch aus Berlin – Cousine Helga mit Tochter Susanne – und machten es uns gemütlich. Spätabends ging der Regen in Schneetreiben über, der Schnee war aber noch sehr nass. Als wir am nächsten Morgen aus dem Fenster sahen, trauten wir unseren Augen nicht: Das Auto war unter einer Schneewehe versteckt und die Straße unpassierbar. Unsere Tochter Katja machte sich auf den Weg zu einem mit uns gut bekannten Bauern und holte ein Pony mit Schlitten. So konnten wir im Dorf das Nötigste einkaufen. Die Silvesterfeier war gerettet.
Am Neujahrstag wollten wir mal die Lage auf den Hauptstraßen peilen
: Nach Ellerau zur Bahn war kein Durchkommen. Dicke Schneewehen versperrten die Straße, nur über die Felder hätte man gehen können. Der Wind hatte Berge von Schnee auf die Straße geweht und dort aufgetürmt.
Am 2. Januar mussten Helga und Susanne zurück nach Berlin. Die Durchsagen im Radio waren wenig ermutigend, denn die Züge blieben überall im Schnee stecken. Über die B4 schafften wir es mit meinem VW dank der Winterreifen bis nach Quickborn zur AKNDie AKN Eisenbahn AG (Eisenbahn Altona-Kaltenkirchen-Neumünster) ist ein regionales Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen mit Sitz in Kaltenkirchen. Die AKN betreibt Strecken im südlichen Schleswig-Holstein und in Teilen Hamburgs. Diese Bundesländer sind auch die Anteilseigner der Gesellschaft.. Die Strecke zum Hauptbahnhof war befahrbar. Als wir am nächsten Morgen Helga endlich telefonisch erreichten, seufzte sie nur: Nie wieder komme ich im Winter nach Alveslohe.
Der Zug hatte zwölf Stunden gebraucht, war immer wieder stecken geblieben und eiskalt, so dass ein Einschlafen bei der endlosen Nachtfahrt nicht möglich war.
Nach ein paar Tagen mit herrlichen Spaziergängen durch die verschneite Landschaft beschlossen wir, uns Langlauf-Skier zu kaufen. Katja und ich fuhren mit der Bahn nach Hamburg und besorgten zwei Paar Skier und Schuhe dazu. Ich höre uns noch, wie wir mit unserem Einkauf über die Mönckebergstraße gingen und gesungen haben: Hey, hello wir sind verrückt wir beide…
Nun konnten wir vor der Haustür die Skier unterschnallen und los ging es über die verschneiten Felder. Wir hatten Jahre vorher einmal Ski-Urlaub in Seefeld/Tirol gemacht und ein bisschen Abfahrtslauf gelernt.
Jetzt mussten wir richtig arbeiten, denn Abfahrten gab es nicht, nur ebene Felder. Aber es machte uns einen Riesenspaß. Eigentlich fehlte ein drittes Paar Skier, aber so weit hatte das Geld nicht gereicht. Nun teilten wir ein: Morgens lief ich mit Katja, mittags liefen Katja und Monika und nachmittags lief ich noch einmal mit Monika – oder so ähnlich. Es wurde gerecht aufgeteilt. Dass wir die Skier noch richtig brauchen, hatten wir zu der Zeit noch nicht geahnt, denn im Februar kam es noch viel dicker. Es schneite Tag und Nacht, schippen war hoffnungslos. In der Lohestraße war eine riesige Schneewehe, die bei Dunkelheit nicht zu erkennen war. Bauer Boldt hatte zu tun, um die stecken gebliebenen Autos mit dem Trecker rauszuziehen und auf dem Hof zu parken. Mein VW war nun total unter einer Schneedecke verschwunden, die Feldstraße und die Hauptstraßen unpassierbar. Wir Nachbarn halfen uns so gut es ging, denn die Kühltruhen hatten wir nach dem Silvester-Schnee gut aufgefüllt. Und mit unseren Skiern und Rucksack konnten wir im Dorf Fehlendes einkaufen, solange es noch etwas gab. Nachschub kam nicht durch nach Alveslohe. Nachmittags gab es immer irgendwo Kaffee und Kuchen. Zur Arbeit konnte niemand mehr.
Unter dem Balkon war eine riesige Schneewehe. Unsere Töchter Monika und Katja hatten eine Idee, sie kletterten über das Geländer, zögerten zwar noch, aber dann ging es abwärts, immer hinein in den tiefen Schnee. Das Treppenhaus war patschnass vom getauten Schnee, aber ich gönnte ihnen den Spaß. Allmählich sackte der Schneeberg in sich zusammen.
Panzer kamen, um die Straße zu räumen – wir brachten Kaffee zum Aufwärmen. Nach ein paar Tagen war der Spuk vorbei, jedenfalls konnte man wieder mit dem Auto nach Kaltenkirchen oder Ellerau durchkommen und der Schnee-Urlaub
hatte ein Ende.
Jahrelang habe ich bei den ersten Schneeflocken sofort angefangen zu schippen, um nicht wieder unter Schneebergen zu ersticken. Aber nur selten hat der Schnee für ein paar Tage zum Skilanglauf gereicht.