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Körperpflege in meiner Kinderzeit (1930)

Ich bin in der Bergstadt Bad Grund im Harz aufgewachsen, in einer Werkswohnung für die höheren Bergbeamten und das Aufsichtspersonal (Steiger). Ein Badezimmer gab es in keinem dieser Häuser. Bei uns im Keller stand ein graues Zementungetüm von badewannenähnlichem Aussehen, was statt Freude Schrecken hervorrief, allein wäre wohl niemand herein oder heraus gekommen, ich weiß bis heute nicht, ob es als Badewanne gedacht war.

Die Reinlichkeit war offensichtlich seinerzeit kein vorherrschendes Thema. In der Woche wusch man sich eher flüchtig. Meine Mutter stellte einen Stuhl neben den Ofen, darauf kam die einfache Waschschüssel, daneben die Seifenschale, das Handtuch über die Stuhllehne. Das Wasser wurde auf dem Herd, später auf einem kleinen Gaskocher oder Gasherd aufgewärmt. Gesicht, Hals, Arme und die stinkenden Teile wurden mit dem Waschlappen gewaschen. Am Sonnabend wurde gebadet.

Dazu wurde ein hölzerner Waschtrog in die Küche gestellt und die wöchentliche Prozedur lief genau so ab: Die Kinder wurden nacheinander im gleichen Wasser gebadet, oft folgten dann noch die Eltern, das war bei uns aber nicht der Fall. Am Sonntag wurde die Wäsche gewechselt, das war allgemein üblich.

Ich erinnere mich noch ganz genau, mit welcher Freude der Einbau einer Badewanne, eines Badezimmers begrüßt wurde. Bei uns ging das ohne Probleme, denn unsere Toilette war außergewöhnlich groß, der Badeofen und die große Wanne fanden darin leicht Platz. Bei den meisten Familien musste die Speisekammer oder ein anderer kleiner Raum dafür geopfert werden. Der Badeofen musste natürlich noch vorher angeheizt werden, damit es heißes Wasser gab. Aber trotzdem, was für ein Luxus!

Aufklärung

Die Aufklärung der jungen Mädchen war mehr als dürftig. Beim Auftreten der ersten Menstruation kam meine Mutter mit einem Gürtel und Binde und zeigte mir den Umgang damit. Sie sagte: das hast du nun alle vier Wochen — fertig.

Die Binde war aus Stoff und wurde nach Bedarf in einem Eimer mit Wasser eingeweicht, ausgewaschen und bei der nächsten großen Wäsche ausgekocht. Ein Riesenfortschritt, als es später Camelia-Binden gab, die wurden sehr diskret in Zeitungspapier eingewickelt gekauft. Man war doch wirklich sehr prüde.

Die große Wäsche

Dass es einmal pro Woche saubere Wäsche gab, wird verständlicher, wenn man die Prozedur der sogenannten großen Wäsche kennt, schließlich gab es noch keine Waschmaschinen. Am Vortag wurde die Wäsche eingeweicht. Halb in der Nacht der große Waschkessel angeheizt. Bei uns übernahm das immer die Oma. Früh am Morgen ging es dann los. Die eingeweichte Weißwäsche wurde ausgewrungen und mit Seife oder Waschpulver in dem großen Kessel gekocht. Danach kamen die Wäschestücke zur weiteren Bearbeitung auf den großen Holztisch, um mit Seife und Bürste bearbeitet zu werden, bevor sie zum Ausspülen in große Holzbottiche kamen.

In der Zwischenzeit wurden im Garten, im Winter auf dem Dachboden, Wäscheleinen gespannt. Die fertige Wäsche wurde aufgehängt und mit Wäscheklammern aus Holz befestigt. In die Waschlauge kam nun noch die Buntwäsche. Bei uns waren meine Mutter, meine Tante Adele und meine Großmutter den ganzen Tag beschäftigt.

Da die nasse Wäsche recht schwer war, mussten lange Stangen, mit einer Gabel an der Spitze, die Leinen in der Mitte anheben, sonst wären sie zu tief gesunken und die Wäsche gleich wieder schmutzig geworden.

Am Waschtag gab es bei uns meist Graupensuppe, die entweder am Vortag gekocht wurde oder am Morgen des Waschtages. Dann wurde der Topf in ein Geschirrtuch eingeschlagen, ins Bett, in dicke Federbetten gestellt zum fertigkochen.

Bei sonnigem Wetter konnte man zwischendurch schon trockene Wäschestücke abnehmen und zum Plätten, so nannten wir das Bügeln, in den Wäschekorb legen. Geplättet wurde wirklich alles, selbst die Taschentücher. Das durfte ich schon mit meinem Kinderbügeleisen.

Im Winter bei starkem Frost war die Wäsche brettsteif gefroren und benötigte lange Zeit, um zu trocknen. Wen wundert es, wenn die Frauen am Ende des Waschtages sogenannte Waschfrauenhände hatten und einen steifen Rücken.