Unser Viehzeug
Der erste Hund meines Vaters war ein Dobermann, er wurde sehr schnell zurückgegeben, er ließ niemanden an meinen Kinderwagen heran, nur meine Mutter, dies fanden alle viel zu gefährlich. Ich glaube‚ dass man ganz allgemein seinerzeit in solch einem kleinen Ort nicht viel über Hundehaltung, Erziehung und Ernährung wusste. Als Hund Nummer zwei kam dann später der reinrassige Boxer Bella von der Schröderburg
zu uns. Er, oder besser sie, wurde unser heiß geliebter Kinderhund. Wir konnten wirklich alles mit ihr machen, sie anziehen, in den Puppenwagen legen, spazieren fahren, sie war geduldig mit uns Kindern.
Einmal durfte sie Welpen bekommen. Ich sehe sie noch vor mir, mit ihren dicken Verbänden. Ohren und Schwanz waren kupiert worden, das ist heute nicht mehr erlaubt. Die Welpen wurden dann, als sie groß genug waren, in Grund verteilt. Einer ging zum Wirt von Laubhülle, einen bekam der Wirt des Kurhauses, einer ging nach Osterode und einen Rüden erhielt der Tierarzt, ein Freund meines Vaters.
Inge wünschte sich zum dritten oder vierten Geburtstag ein Schäfchen, und natürlich bekam sie auch eins. Es kam im Rucksack und Inge packte es glückselig aus. Leider stellte sich heraus, dass Lotte
ein Bock war und dann wurde es etwas schwierig. Inge und auch die Oma konnten sich nur vor ihm retten, indem sie sich schnell hinhockten. Das verblüffte wohl den Bock, er kam aber irgendwann zum Schäfer zurück. Essen mochten wir alle unsere Tiere nicht, eine Ausnahme bildeten nur die Schweine.
Mein Vater hatte schon als ganz junger Mann eine erste Tiererfahrung mit einem Papagei gemacht. Lora
soll sogar einige Wörter gesprochen haben. Rechts, links, vielleicht war sie bei einem Soldaten gewesen. Was aus Lora geworden ist, weiß ich nicht, das war vor meiner Geburt.
Im Laufe der Jahre haben wir die verschiedensten Tiere gehabt. Kaninchen, Meerschweinchen, Enten, Tauben, Puten und den Puter Peter
, den man so schön ärgern konnte.
In der Wohnung hatten wir erst Kanarienvögel, die sogenannten Harzer Roller
, dann Wellensittiche.
Als der Krieg begann, kam unser Milchstudent, eine Ziege namens Rosel
, zu uns und ich lernte das Melken. Rosel zog mit dem Ziegenhirten, der morgens zum Aufbruch blies, auf die Weide und kam abends zurück. Allerdings verlief sie sich häufiger.
Für die Versorgung mit frischen Eiern wurden Hühner angeschafft. Viele unserer Tiere waren zahm und hörten auf ihre Namen. Zu einer etwas peinlichen Situation kam es durch das Huhn Mathilde. Wir konnten uns mit ihr unterhalten, zuweilen auch recht laut, manchmal zärtlich oder schimpfend. Onkel Albert und Tante Adele zogen damals gerade aus. Onkel Albert hatte eine Obersteigerstelle erhalten und sollte im Werk wohnen. Dafür zogen Herr und Frau Lehmann unten in die freigewordene Wohnung ein. Was wir nicht ahnten, Frau Lehmann hieß mit Vornamen Mathilde. Mit unseren Hühnerdebatten wurden wir etwas vorsichtiger, als wir davon erfuhren.
Für die Versorgung mit Fleisch und Wurst wurden Schweine angeschafft, eins, manchmal hatten wir auch zwei. Während der Schweinekoben ausgemistet wurde, liefen die Schweine draußen frei herum. Die Oma war bei der Versorgung der Tiere immer sehr von Nutzen, kannte sie doch alle anfallenden Arbeiten aus ihrer Jugendzeit. Eines Tages passierte es, Fükschen
brach mit der morschen Holzabdeckung der Jauchegrube ein. Die Großmutter war allein im Stall und schrie um Hilfe nach mir, ich spielte wohl im Garten. Als ich in den Stall kam, kniete die Oma neben der Jauchegrube und hielt das Schwein an den Ohren fest, damit es nicht untergehen und ersaufen konnte. Hol Tante Adele, schnell!
, rief sie mir zu. Ich stürmte los und Tante Adele in ihrer zupackenden Art wusste auch sofort, was nötig war. Sie holte einen schweren Meißel und schlug den Zementboden auf, schob ein breites Brett in die Grube und rettete so Fükschens Leben vor dem Jauchetod. Gerochen haben wir drei nicht besonders gut nach dieser Aktion.
In späteren Jahren gab es noch die Dackelhündin Susi, danach noch einen Rauhaardackel, aber da wohnte ich schon nicht mehr in Grund.