Meine Kriegsmarinezeit
Kapitel 2 — Teil 5
Erprobungsfahrten mit U-466
Im Frühjahr 1942, es kann März oder April gewesen sein, wurde ich zur Baubelehrung des U-Bootes U-466 zur deutschen Werft in Kiel-Gaarden kommandiert. Ich glaube, dass ich vorher Heimaturlaub nach Osterode in Ostpreußen bekam und dort 14 Tage war. Die Urlaubstage verbrachte ich mit meiner damaligen Freundin Ulla, gewohnt habe ich in der Maerkerstraße 33 bei meinen Eltern. Ich hatte damals irgendwo einen Radioapparat
Volksempfänger, Typ DKE38 (gebaut von 1938 bis 1944), Quelle: Wikimedia Commons gekauft, den ich den Eltern mitbrachte. Hätte ich das mal nicht getan, denn Vater hörte gern heimlich fremde deutschsprachige Sender ab, so den englischen BBC. So wusste er von Verlusten Deutschlands oft schon lange bevor diese offiziell bekannt gegeben wurden.
Das hätte für ihn tödlich sein können, da das Abhören von Feindsendern
mit Todesstrafe bedroht wurde. Vater war dem Naziregime nicht gewogen und auch zunächst nicht in die NSDAP eingetreten. Erst kurz vor Kriegsende 1944 trat er in die Partei ein, weil der Druck zu groß geworden war und seine berufliche Karriere gefährdete. Er wäre ohne Lohn gewesen und man hatte ihm mit KZ gedroht. Die Parole der Nazis war: Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns
!
Mit Ulla bin ich viel spazieren gegangen in den nahen Wald, zum Ehrenfriedhof Buchwalde und nach Grünortspitze oder Pillauken. Es war Vorfrühling aber noch recht kühl. Im Hause Fischer, Roonstraße 25 war ich oft eingeladen und wurde von Ullas Mutter im Skatspiel unterrichtet, bis ich zusammen mit Ullas Vater Max Fischer und Ullas Mutter Frieda Fischer, geborene Wenzel Skat spielen konnte. Zuerst noch nicht so gut, aber es wurde mit der Zeit immer besser. Wir spielten aber nur zur Unterhaltung, nie um Geld. Ulla spielte mit, obwohl sie beim Ausreizen der Karten noch nicht richtig berechnen konnte, aber es wurde immer besser, bis bei ihr der Groschen fiel
. Es war meist eine fröhliche Runde, zumal auch oft selbstgemachter Wein auf den Tisch kam.
Nach Urlaubsende bin ich von Osterode zum neuen Bordkommando U-466 nach Kiel-Gaarden gefahren. Ich wohnte in einer Holzbaracke außerhalb des Werftgeländes, gegenüber dem Eingangstor zusammen mit allen Teilnehmern der Baubelehrung. Unser Dienst fand auf der Helling an Bord des entstehenden U-Bootes statt. Wir wurden mit den Teilen des Bootes, seiner Konstruktion, der Lage aller Teile und Teilsegmente bekannt gemacht. Wir beobachteten den Bau der Tauchzellen, der Brennstoffzellen, der Torpedorohre und den Einbau der Motoren und Umformer, der Elektromotoren und Batterien. Es war schon interessant. Als letztes kam die Ausrüstung des Funkraumes mit den Empfängern und Sendern. Wir bekamen einen 800 Watt-Kurzwellensender und einen 200 Watt-Langwellensender, sowie einen Notsender, ein 40/70 Watt-Gerät. Gegenüber dem Raum des Kommandanten gleich neben dem Funkraum lag der Horchraum. Dort wurde ein Horchgerät (GHG)Das Gruppenhorchgerät war ein Hydrophon, das auf deutschen U-Booten im Zweiten Weltkrieg verwendet wurde.[1] eingebaut. Nebenan war die Zentrale des Bootes mit den KugelschottsDie Zentrale in der Mitte des Bootes wurde durch zwei druckfeste Kugelschotts vom vorderen und hinteren Teil des Bootes abgetrennt. Dadurch entstanden insgesamt drei druckfeste Abteilungen; allerdings war das U-Boot bei nur einer überfluteten Abteilung nicht mehr schwimmfähig.[2]. Nach rechts ging es durch den Offiziersraum, den Oberfeldwebelwohnraum zum Unteroffiziersraum, der Kombüse in den Dieselmaschinenraum, anschließend in den Elekromaschinenraum, wo auch unsere Funk-Umformer eingebaut waren. Auf der linken Seite ging es durch die Zentrale und das vordere Kugelschott in den Bugraum, der auch gleichzeitig Wohnraum für Mannschaften und Lager für die Reservetorpedos, sowie Ziehraum
für die Torpedos war.
Das ganze Boot war mit seinen 750 Tonnen Wasserverdrängung eine Kampfmaschine, in der Menschen nur provisorisch Platz hatten. Kojen waren nur für die Hälfte der Besatzung vorgesehen, so dass immer nur die Freiwache Schlaf- und Ruheplätze fand. Als Toiletten galten zwei Shaps, die mit Pumpgeräten ausgerüstet waren. Damit wurden unter Wasser die Fäkalien außenbords gepumpt. Es war auch ein Druckluftanschluss vorhanden, so dass sowohl per Hand als auch mit Druckluft gepumpt werden konnte. Alle Kabel, die im Boot verlegt wurden, waren gepanzert, das heißt mit Metalldraht umsponnen. Die genaue Führung der für unseren Funkraum notwendigen Kabel wurde uns bekannt gemacht. Ich wusste genau, welche Kabel zu welchem Gerät gehörten.
Während unserer Baubelehrungszeit wurden Kiel und auch die Werften oft von Bombern der RAFRoyal Air Force (RAF) angegriffen und bombardiert. Wir wurden mehrmals zum Löschen brennender Gebäude in Kiel-Gaarden eingesetzt. Meist waren die Angriffe nachts, oft erst nach Mitternacht. Zum Ausschlafen war wenig Zeit und tagsüber waren alle müde, trotzdem musste Dienst gemacht werden. Es durften keinerlei schriftliche Notizen über die Konstrunktion des Bootes gemacht werden, um mögliche Spionage zu erschweren.
Dann war das Boot fertig und wurde von der Helling, die in einem leeren Trockendock aufgebaut war, zu Wasser gelassen. Nach mehreren Erprobungsfahrten der Werft, die wir bereits mitmachten und bei den es gutes Essen und Bier gab, war der Tag der Indienststellung des neuen Bootes gekommen. Die Indienststellung fand in feierlicher Form in Kiel-Wieck statt. Unser Boot lag im Wiecker Hafen vertäut an der Pier, die gesamte Besatzung war an Deck angetreten, der Kommandant Gerhard Thäter, Oberleutnant zur See machte dem Flottillenchef der 27. U-Flottille Meldung. Die deutsche Kriegsflagge wurde gehisst und der Flottillenchef hielt eine Ansprache, in der er U-466 in Dienst stellte. Dieser Tag war für alle ein besonderer Feiertag. Des Kommandanten Vater, Admiral Thäter, damals Chef der technischen U-Bootsausbildung, war erschienen und feierte mit dem Kommandanten zusammen auf einem Wohnschiff General Osorio
Die General Osorio der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) war das letzte Schiff, das die Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg für ihren Südamerika-(Ostküsten)Dienst bauen ließ. Nach Kriegsausbruch 1939 befand sich das Schiff in der Heimat und ging durch Bombentreffer im April 1945 endgültig verloren.[3] in Wieck.
Dann begann in der Ostsee zwischen Danzig und Kiel die eigentliche Erprobung und Ausbildung der U-Bootsbesatzung. Festgestellte Unstimmigkeiten wurden sofort abgestellt. Der erste Tauchversuch fand in der Außenförde statt, dann ging es aus dem Kieler Raum nach Danzig-Neufahrwasser, wo wir vorläufig unseren Liegeplatz an der Pier hatten. Wir lagen ganz in der Nähe der Werft und des Neufahrwasser Eisenbahnhofs. Es wurde Kriegswache im Zweierstop gegangen. Wir hatten Küstenwelle Ostsee geschaltet und ich hatte die Leitung der Funkstation übernommen, gleichzeitig war ich im Sanitätsbereich für alle Vorfälle zuständig. Mein zweiter Funkmann war Wilhelm Schmidt (Schmitz), 1922 geboren, und er stammte aus Köln oder Umgebung. In technischer Hinsicht war ich für alle Geräte und ihre einwandfreie Funktion verantwortlich. Unsere beiden Funkgasten waren Kurt Gruhn aus dem Wuppertaler Raum und Günther aus dem Erzgebirge. Beide waren im Funkraum mit dem Führen der Funkkladde beschäftigt und lernten mit allen Geräten umzugehen. Für ihre Ausbildung war unter anderem ich zuständig. Für U-Bootfahrer war die Voraussetzung gutes Hören und Geben, sowie schnelles Schlüsseln, weil alle Funksprüche nur chiffriert abgegeben werden durften. Unverschlüsselter Text durfte nur gehört werden, das waren im Krieg die Pressemeldungen, die abends gehört und anschließend, mit Maschine aufgeschrieben, dem Kommandanten vorgelegt wurden. Von dort nahm die Pressemitteilung ihren Weg von Hand zu Hand durch das Boot.
Als Antennen dienten beide NetzabweiserDer Netzabweiser war eine Stahltrosse auf deutschen U-Booten des Typs VII aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie war vom Bug über den Turm bis zum Heck gespannt. Der Netzabweiser diente dazu, Netzsperren beim Unterfahren durch das Boot nach oben hin abzuweisen
. Er wurde zusätzlich auch als Funk-Antenne verwendet.[4], die an Oberdeck jeweils von achtern zum Turm und von dort nach vorn zum Bug verliefen und aus gedrehtem feuerverzinkten Stahldraht bestanden. Am Bug war ein Netzschneider installiert, der Netzstreben durchschneiden sollte. Bei Vorausfahrt unter Wasser sollte damit ein zerstörtes Feindnetz durch die Abweiser gehoben werden, damit das Boot darunter hindurch fahren konnte. Mich interessierten sie Abweiser hauptsächlich wegen ihrer Funktion als Sende- und Empfangsantennen.
Die Sendefrequenzen unserer benutzten U-Bootwellen wurden von mir in einer Kladde bezeichnet und dann auch nach Proben die genauen Einstellungen der vorgesehenen Abstimmung eingetragen, sodass jede Welle sofort richtig auf höchste Energieabstrahlung eingestellt werden konnte.
Unser Boot blieb in der Erprobungsphase und an jedem Tag waren andere Erprobungen und Übungen vorgesehen. So haben wir unsere Artillerie, eine 8-cm-Kanone, die auf dem Deck vor dem Turm montiert war, eingeschossen und unsere Flak, die erstmals aus einer Doppel-Lafette 2 cm bestand, da für mehr nicht auf dem Turm Platz war, zumal dort die Ausguckwache stand. Es wurde ständig Alarmtauchen geübt. Wir versuchten in immer geringerer Zeit zu tauchen. Dazu gehörte auch die Zeit, die erforderlich war die mehrköpfige Wache durch das Turmluk ins Innere des Bootes zu bringen. Der Niedergang im Turm ging steil in die Zentrale und hatte zwei Laufschienen an beiden Seiten der Stahlleiter, die als Rutsche für beide Hände diente und den Wachemitgliedern erlaubte, schnell in die Zentrale zu rutschen. Der letzte machte den Lukendeckel zu und verriegelte ihn von innen. Dabei durfte das Verschlussrad nicht zu fest zugedreht werden, zumal der Wasserdruck von Außen beim Tauchen und Tiefergehen immer größer wurde und den Lukendeckel stark niederdrückte. Es ist geschehen, dass ein Mann mal den Drehverschluss in getauchtem Zustand weiter festdrehte und es nach dem Auftauchen des Bootes nicht möglich war, den Verschluss zu öffnen. Dann musste noch einmal getaucht werden bis sich der Verschluss drehen ließ.
Ein Öffnen der Lukendeckel in getauchtem Zustand war unmöglich, bevor nicht der Druck zwischen Innen und Außen ausgeglichen war. Wir hatten in Neustadt im Tauchtopf Aussteigen
geübt für den Fall, dass ein bis zu 100 Meter tief getauchtes Boot aufgegeben werden musste unter Zuhilfenahme des Tauchretters, der Sauerstoff atmen ließ während man aus dem Boot an die Meeresoberfläche stieg. Das ist uns aber erspart geblieben. Erst wenn das Boot völlig geflutet war, konnte der Lukendeckel geöffnet werden. Der äußere Wasserdruck auf den Druckkörper des Bootes betrug pro getauchten Meter circa eine Atmosphäre.
An der dänischen Insel Bornholm wurden Abhörübungen der Motoren an Bord und aller Umformer vorgenommen. Im Hafen von Rönne lagen wir mehrere Tage und Nächte. An Land gab es noch Lebensmittel frei zu kaufen. So erwarb ich dort einen kleinen Rollschinken, den ich meinen Eltern per Post sandte.
Unser Smut oder Koch war nicht seefest und trug eine größere leere Dose um den Hals gehängt für den Fall, dass er sich übergeben musste. Ich lag auf meiner Koje und konnte direkt die kleine Kombüse einsehen, da sie neben dem Unteroffiziersraum lag. Er kochte einen Eintopf und ich glaube gesehen zu haben, wie er sich übergab und nicht alles in seiner leeren Dose landete, sondern ein großer Teil auch im Topf mit dem Mittagessen. Deshalb habe ich von dem Eintopf, der gut geschmeckt haben soll, nichts gegessen, aber auch nicht den Grund meiner Weigerung genannt.
Auch wurde mit dem Boot beim Probelauf der Motoren über die Meile
gefahren, das war meist zwischen Memel und Danzig eine dafür vorgesehene Strecke. Mit den Flakwaffen wurde auf eine von einem Flugzeug gezogene Scheibe geschossen und die Anzahl der Treffer registriert. Horchübungen und Bestimmung der Geräusche waren unsere funktechnischen Übungen. Die Flotte nannte unser Ausbildungskommando U-Bootsausbildungskommando und U-Bootserprobungskommando. In getauchtem Zustand wurden in der Nähe des Bootes Handgranaten geworfen, um uns an das Geräusch von detonierenden Feindbomben zu gewöhnen. Das waren aber Knallbonbons im Vergleich zu den später gehörten Wasserbomben. Unser Unterwasserfunkgerät wurde ausprobiert, indem ich mit der Morsetaste Zeichen sendete, die von Schiffen registriert und gehört wurde. Allerdings war es das einzige Mal, dass dieses Gerät benutzt wurde. Es war auch hauptsächlich für Notfälle gedacht. Unter Wasser war Längstwellenempfang möglich. So tauchte das Boot zu den Programmzeiten der Längstwelle und die Funksprüche von allen Kurzwellen, die für U-Boote vorgesehen waren, wurden hier registriert und einmal gegeben. Für Übungen nahmen wir alle Funksprüche auf, jedoch brauchten diese nicht entschlüsselt zu werden, da wir kein Frontboot waren. Entschlüsselt wurden nur Sprüche von unserer Küstenwelle, die meist inhaltslose sogenannte Füllfunksprüche waren, die zur Täuschung des Gegners gesendet wurden, um viel Verkehr vorzutäuschen.
Vor Beginn der taktischen Übungen erhielt ich Heimaturlaub. Es war September bis Oktober 1941. Vorher hatte ich von Ruth Marsen aus Neustadt, mit der ich in freundschaftlichem Briefverkehr stand, einen denkwürdigen Brief bekommen, in dem sie mir eine endgültige Entscheidung abverlangte. Sie schilderte, dass sie in Oldenburg jemanden kennengelernt hatte, der sie in Kürze heiraten wolle und dass es nun von mir abhinge, wie sie sich entschiede. Da wir aber vorher nie von Liebe oder Heirat gesprochen hatten, kam mir ihr Antrag übereilt vor. Ich entschied mich daher für eine negative Antwort und wünschte ihr viel Glück zu ihrer Entscheidung, wobei ich die freundschaftlichen Beziehungen nicht abbrechen wollte.
Ich bin dann völlig unbeschwert nach Osterode in Ostpreußen in den Heimaturlaub gefahren, habe bei meinen Eltern gewohnt und bin bei Familie Fischer gewesen, sofern Ulla auch anwesend war. Wir wurden uns einig, dass wir beide zusammenbleiben und eine eheliche Gemeinschaft gründen wollten. Ganz förmlich fragte ich Herrn Fischer eines Tages Anfang Oktober, ob ich ihm als Schwiegersohn angenehm wäre und bat um die Hand
von Ulla. Er sagte zu, indem er mir eine kleine Rede hielt und als Tag der offiziellen Verlobung wurde der 25. Oktober 1941 ausgewählt. Nun mussten zuerst die Genehmigung meiner Vorgesetzten und ein Nachweis arischer Abstammung beigebracht werden, damit wir auch heiraten konnten. Deshalb blieb das Datum der Eheschließung noch offen. Unsere Verlobung feierten wir an 25.10. im Hause Fischer mit meinen Eltern und Freunden.
[1] Das Gruppenhorchgerät war ein Hydrophon, das auf deutschen U-Booten im Zweiten Weltkrieg verwendet wurde.
[2] Die Zentrale in der Mitte des Bootes wurde durch zwei druckfeste Kugelschotts vom vorderen und hinteren Teil des Bootes abgetrennt. Dadurch entstanden insgesamt drei druckfeste Abteilungen; allerdings war das U-Boot bei nur einer überfluteten Abteilung nicht mehr schwimmfähig.
[3] Die General Osorio der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) war das letzte Schiff, das die Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg für ihren Südamerika-(Ostküsten)Dienst bauen ließ. Nach Kriegsausbruch 1939 befand sich das Schiff in der Heimat und ging durch Bombentreffer im April 1945 endgültig verloren.
[4] Der Netzabweiser war eine Stahltrosse auf deutschen U-Booten des Typs VII aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie war vom Bug über den Turm bis zum Heck gespannt.
Der Netzabweiser diente dazu, Netzsperren beim Unterfahren durch das Boot nach oben hin abzuweisen
. Er wurde zusätzlich auch als Antenne verwendet.