Meine Kriegsmarinezeit
Kapitel 2 — Teil 4
Abkommandiert zur U-Boot-Waffe
Wieder an Bord des Kreuzers Nürnberg wurde ich zum Unteroffizierslehrgang nach Flensburg-Mürwik kommandiert.
Dort war ich drei Monate und bestand den Lehrgang gut. Ich wurde zum Funkmaat befördert. Wir stellten uns in einer Reihe auf und zählten ab. Bis zehn links raus: Ab zur U-Boot-Waffe. Bei den anderen wurden einige für Hilfskreuzer ausgezählt, aber fast alles waren Bordkommandos. Ich bekam Order nach Neustadt in Holstein zur U-Bootsschule. Ab April-Mai 1941 bis zum Herbst war ich als junger Funkmaat zur U-Bootsausbildung in Neustadt. Einige meiner Kameraden meldeten sich auf Anfrage freiwillig als Ausbilder für geringere Soldaten. Sie wurden entsprechend untergebracht und ausgebildet. Ich wurde im TauchtopfDer Tauchtopf in Neustadt wurde dazu erbaut, U-Boot-Besatzungen auf den Notfall vorzubereiten. Die Aufstiegsausbildung erfolgt schrittweise aus sechs, zehn und zwanzig Metern Wassertiefe, bis hin zu einem Aufstieg aus einer original nachgebauten U-Boot-Sektion in 32,5 Metern.[1] geschult und hatte sonst viel Freizeit, in der war ich viel in der Umgebung von Neustadt meist mit Kameraden unterwegs war. Oft sind wir bis nach Niendorf an der Küste lang gegangen, auf der Ostseite bis nach Pelzerhaken.
Bei einer Einkehr im Strandrestaurant Strandhalle
in Neustadt lernten wir zwei Mädchen kennen, es waren die Schwestern Ruth und Christel Marsen. Es ergab sich, dass ich mit Ruth Marsen, geboren am 6.10.1919 sympathisierte, während mein Kamerad mit der etwas jüngeren Schwester vorlieb nahm. Wir verließen nach einem Bier zusammen mit unseren neuen Freundinnen das Lokal und gingen nach Pelzerhaken am Strand entlang. Ruth war Büroangestellte und Buchhalterin bei der Glücksklee-Milchfabrik, die Dosenmilch und andere Milchprodukte herstellte. Die Fabrik lag unweit der U-Bootsschule und Kaserne. Ich konnte mich gut mit Ruth unterhalten und sie machte einen guten Eindruck auf mich. Wir verabredeten Treffzeiten und Treffpunkte, so blieben wir die ganze Freizeit zusammen, unternahmen gemeinsame Wanderungen an der Ostseeküste bis Niendorf, Pelzerhaken und andere Orte. Auch spielte das Wetter meist gut mit, so gab es viel Sonne und wenig Regen. Für mich war das ein guter Ausgleich für den manchmal anstrengenden Dienst in der Kaserne.
Mein Kamerad hat sich nie wieder mit Ruths Schwester Christel getroffen. Wahrscheinlich war sie nicht sein Fall. Ruths Vater Marsen war Lotse und hatte sein Haus Am Strand 10
errichtet. Ich glaube er war damals schon pensioniert und immer im Hause. Über nähere Umstände haben wir aber nie gesprochen. Am Tage vor dem Angriff deutscher Truppen auf Russland waren Ruth und ich hinter Haffkrug am Strand als eine Marineabordnung erschien und erklärte: Alle Soldaten haben sofort und auf schnellstem Wege ihre Unterkünfte aufzusuchen. Somit war unser Ausflug beendet und wir gingen schnell zu Fuß zum Ausgangspunkt Neustadt zurück.
In der Kaserne wurden wir angewiesen, ab sofort in der Unterkunft zu bleiben, es sei Alarm
für alle Streitkräfte, weil Deutschland gegen die Sowjetrepublik mit kriegerischen AktionenUnternehmen Barbarossa
— Deutsch-Sowjetischer Krieg, in Russland Großer Vaterländischer Krieg Er begann am 22. Juni 1941 mit dem Angriff des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion und endete nach der Schlacht um Berlin am 8./9. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht.[2] antritt. Über den genauen Zeitpunkt des Angriffs wurde nichts bekannt. Ich machte mir meine eigenen Gedanken darüber, zumal jetzt ein Zweifrontenkrieg daraus werden würde, den die Führung doch vermeiden wollte. Am frühen Morgen des folgenden Tages war dann bekannt geworden, dass deutsche Truppen in die Sowjetunion einmarschiert ware. Nach den Nachrichten, die aus dem Radio kamen, schien es vorwärts zu gehen. In der ersten Zeit war jeglicher Ausgang gesperrt.
Ich weiß das Datum nicht mehr als ich nach Gotenhafen zur weiteren U-Ausbildung in Marsch gesetzt wurde. Es müsste aber im September 1941 gewesen sein. Ich meldete mich an Bord des dort als Wohn- und Ausbildungsschiff am Kai liegenden K.d.F.-Schiffes Wilhelm Gustloff
Die Wilhelm Gustloff war ein Kreuzfahrtschiff der nationalsozialistischen Organisation Kraft durch Freude (KdF). Ihre Versenkung durch das sowjetische U-Boot S-13 vor der Küste Pommerns am 30. Januar 1945 ist mit möglicherweise mehr als 9000 Opfern der verlustreichste Schiffsuntergang der Weltgeschichte bezogen auf ein einzelnes Schiff. und erhielt dort eine Kammer unter Deck, die ich zusammen mit weiteren drei Kameraden bewohnte. Es lagen noch weitere Wohn- und Ausbildungsschiffe im Hafen, es waren die Oceana
Die Oceania war ein Kreuzfahrtschiff, das die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) 1927 aus Italien ankaufte, um es neben den vor allem den amerikanischen Markt bedienenden Resolute und Reliance für europäische Kunden einzusetzen. Ab 1934 wurde die Oceana für KdF-Fahrten der DAF eingesetzt, an die das Schiff auch 1938 verkauft wurde., Hansa
Die Hansa war ein im Zweiten Weltkrieg unter der Benennung Schiff 5 für den Einsatz bei der Kriegsmarine vereinnahmtes britisches Handelsschiff. Es war ursprünglich das britische Frachtschiff Glengarry und gehörte zur Glenearn-Klasse der Glen Line. Unter der Bezeichnung Handelsstörkreuzer wurde das Schiff als Hilfskreuzer vorbereitet, dann aber als Kadettenschulschiff genutzt. und kleinere Fahrgastschiffe. Der Hafen von ehemals Gdingen, jetzt Gotenhafen war meist mit einer aus Beton gegossenen Mole abgegrenzt. Eine Seeausfahrt bestand in Richtung Hela, die immer offen war, solange ich dort stationiert war. Die Ausbildung fand zum Teil auch auf anderen Booten und Schiffen statt, wo wir in U-Bootsabwehr, Minenlegen und Minenräumen unterrichtet wurden. Ich machte noch einen Sanitäterlehrgang, der circa vier Wochen dauerte, weil es als Funkmaat meine Aufgabe an Bord eines Frontbootes war, Sanitätsdienste zu versehen. Da ich keinen Heimaturlaub bekam, schrieb ich meinen Eltern und meiner Freundin Ursula Fischer und bat um ihren Besuch. Ulla und Mutter kamen dann auch und wir verlebten ein paar Tage gemeinsam in Gotenhafen, indem wir spazieren gingen und so die Stadt samt Umgebung kennenlernten, natürlich immer in meiner freien Zeit. Ich hatte immer eine vielseitige Korrespondenz mit Freunden, Verwandten und Bekannten und schrieb auch sehr gerne lange Briefe.
An Bord der Wilhelm Gustloff
wurde auch Infanterieausbildung betrieben. So sind wir einmal monatlich zum Schießplatz nach OxhöftDas Fischerdorf Oxhöft ist seit 1926 ein Stadtteil von Gdingen (Gdynia) in Polen. Hier befand sich ein Marinestützpunkt.[3] marschiert. Es wurde mit dem Karabiner 98K, Maschinengewehr MG36 und mit Maschinenpistole geschossen. Ich erinnere mich an einen besonders kalten Dezembertag, die Temperatur war um zwanzig Grad Minus, als ich beim Marschieren beobachtete, dass die Ohrläppchen meines Vordermanns ganz weiß wurden. Ich sagte es ihm und er rieb die Ohren mit Schnee ab und durfte dann solange außer der Reihe bleiben, bis die Ohren wieder durchblutet wurden und normal aussahen. Die Temperaturen sind damals bis auf Minus achtundzwanzig Grad gefallen, es war ein harter Winter, auch für unsere Truppen in Sowjetrussland, wo es nach den Radionachrichten immer vorwärts ging. Ich wurde dann noch vor Weihnachten 1941 zum Bordkommando U-Tender Isar
kommandiert, der an der Pier in Gotenhafen lag. Mit mir wurde auch der Kamerad Funkmaat Otto Karell an Bord der Isar kommandiert. So traten wir gemeinsam den Dienst an Bord an und meldeten uns beim Offizier vom Dienst, dem Kommandanten und im Funkraum beim Oberfunkmeister.
Die Isar
war ein ehemaliges Bananenmotorschiff mit drei Schrauben. Ich erhielt eine Kammer im Achterschiff, direkt über den Antriebsschrauben. Hier gab es eine Backskiste, die uns als Schlafstatt diente. Der Funkraum war mittschiffs und normal ausgerüstet mit mehreren Empfängern und drei Kurzwellensendern, einer Rundfunkanlage mit Verstärkern für alle Räume. Es waren acht Matrosen, Funkgasten an Bord, die als U-Boot-Funker ausgebildet werden sollten. U-Tender Isar
war auch als Wohn- und Ausbildungsschiff für die Kommandantenausbildung der italienischen U-Bootsflotte zuständig. Ständig war das italienische U-Boot Giuliano
, mit seinem Kommandanten Gio Vanini
bei uns und lag meist an der Backbordseite längsseits vertäut, wenn wir im Hafen lagen. Während der Ausbildungszeiten für die italienischen Offiziere fuhren wir zusammen mit dem U-Boot in die Ostsee und waren immer in der Nähe. Später war ich als Verbindungsfunker an Bord des U-Bootes mit Sprechfunkgerät in ständiger Verbindung mit U-Tender Isar
, solange das Boot über Wasser fuhr. Für das U-Boot war U-Tender Isar
gegebenenfalls das Zielschiff.
Die Übungstorpedos wurden jedoch tiefgehend angeschossen, so dass sie unter dem Schiff durchschwammen und dann erst an die Oberfläche kamen und Signal gaben. Für gewöhnlich dauerten die Ausbildungsfahrten eine Woche und wir nannten diese Zeit Nudelzeit, weil es täglich Spagetti gab. Mit dem italienischen Funker Muti Federico aus Milano hatte ich ein fast freundschaftliches Verhältnis, zumal er gut die deutsche Sprache beherrschte und versuchte, mir das Italienische beizubringen, so dass ich wenigstens Einiges sinngemäß verstehen konnte.
Wenn keine Ausbildung war, wohnte die italienische Bootsbesatzung bei uns auf U-Tender Isar
. Für die Besatzung und die auszubildenden Offiziere wurde extra gekocht. Unsere Verpflegung bestand aus Konserven, die schon eine Feindfahrt auf einem Frontboot mitgemacht hatten, und Frischgemüse. Diese Verpflegung war auch für alle anderen Wohn- und Ausbildungsschiffe vorgesehen. Die Frontboote bekamen immer frische Konserven mit. U-Tender Isar
war auch für die taktischen Übungen der deutschen Frontboote vorgesehen. Bei diesen Manövern reihten wir uns dann in die Ansammlung von Schiffen ein, die wie feindliche Geleitzüge fuhren und die übenden Boote fuhren auf uns Scheinangriffe. Einmal erlebten wir bei starkem Seegang, wie ein U-Boot beim Auftauchen in Schwierigkeiten geriet und auf Grund ging. Ich weiß nicht mehr, ob die folgende Rettungsaktion erfolgreich war.
Mit uns war meist auch das Flakschiff des Verbandes Wilhelm Bauer
Die Wilhelm Bauer war ein U-Boot-Begleitschiff der deutschen Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg. Sie war benannt nach dem Pionier des U-Boot-Baus Wilhelm Bauer und war das erste von insgesamt acht geplanten Schiffen ihrer Klasse, von denen allerdings nur vier auf Stapel gelegt und nur drei fertiggestellt wurden, neben dem Typschiff Wilhelm Bauer nur noch die Waldemar Kophamel und die etwas größere Otto Wünsche. Die drei Schiffe waren die größten Flottentender der Kriegsmarine.. Ich musste mehrere Male als Funker auf der Wilhelm Bauer
fahren und erlebte dort einmal böse Schikanen, wie sie auf sogenannten Dickschiffen
an der Tagesordnung waren.
Bei den Einsätzen auf der Ostsee wurde die Küstenwelle (Kurzwelle) besetzt und Kriegswache im Zweiertörn gegangen, also von 7 bis 19 Uhr und von 19 bis 7 Uhr. Für alle Decks wurde Musik durchgeschaltet, nur bei Alarm
war es verboten. Weihnachten 1941 waren alle Besatzungsmitglieder traurig, weil es keinen Heimaturlaub gab. Am 24. Dezember tranken die Matrosen Bier und zerschlugen die leeren Flaschen aus Protest darüber am Oberdeck. Der Kommandant zeigte aber Verständnis und bestrafte niemanden.
In der Kantine von Oxhöft gab es oft auch Likör im Ausschank. Otto Karell hatte immer eine gute Nase dafür und wir gingen gemeinsam Schnaps trinken. Zum Betrinken reichte es aber nie, doch es war mal etwas Abwechslung. Im Frühjahr 1942, es kann März oder April gewesen sein, wurde ich zur Baubelehrung des U-Bootes U-466 zur deutschen Werft in Kiel-Gaarden kommandiert.
[1] Der Tauchtopf in Neustadt wurde dazu erbaut, U-Boot-Besatzungen auf den Notfall vorzubereiten. Die Aufstiegsausbildung erfolgt schrittweise aus sechs, zehn und 20 Metern Wassertiefe, bis hin zu einem Aufstieg aus einer original nachgebauten U-Boot-Sektion in 32,5 Metern.
[2] Unternehmen Barbarossa
— Deutsch-Sowjetischer Krieg, in Russland Großer Vaterländischer Krieg Er begann am 22. Juni 1941 mit dem Angriff des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion und endete nach der Schlacht um Berlin am 8./9. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht.
[3] Das Fischerdorf Oxhöft ist seit 1926 ein Stadtteil von Gdingen (Gdynia) in Polen. Hier befant sich ein Marinestützpunkt.