De Welt vun witte un swatte Tasten
Us schööne oolte Klaveer harr Moder vun Grootmoder arft un in ’t erinnern klüng an so mancheen Daag ehr Spill mit klassische Musik vun Mozart, Beethoven un anner grote Namens dörch us Huus. Ok as Organistin in Süsels Dörpskark harr se in düsse Johren vun 1936 bit 1945 ok noch bi Gottesdeenste ehr Plichten.
Mien ölleren Süstern schullen dat Spill op de witten un swatten Tasten denn ok liehren. Ik ok, harr avers tomeerst anner Grappen in ’n Kopp un begreep, dat dat Klaveerspill wat mit bannig veel öven to doon harr.
Vör me weer dat scheten mit Piel un Flitzbagen, mit Katapult un Steen, avers ok dat toven vun Heuböön in ’t utdöschte Kaff to springen veel interessanter. Düsse kommoden Kinnertieden mit Angelee an ’n See, klau’n vun Appeln, Kirschen un Plummen in Pastoors Goorn un anner Dummtüüg blievt mi unvergeten in dormalige Tieden.
Eenes Daags nöhm mien öllere Süster mi mit to ehr Klaveerlierersch in us Naverdörp un Moders Anwies: Pass goot op Dien lütten Broder op, he schall een Proovstunn kriegen!
Dor seten nu all de mi goot bekannten Dörpsdeerns mit Slöpen un Schörten as de Orgelpiepen op oolte Polsterstöhl in de gode Stuuv
. - Een swatte Steinwayflögel
stünn in de Meern vun ’n Ruum un dorför throon op ehr Klaveerbank in ooltmoodsche Kleedasch de teemlich füllige Klaveerlierersch.
Ehr pechswatte Hoor weern to Zöpp flochten un decken as Snickenkringel beide Ohren af. Ik dach in düssen Momang an so ’n Moder Hex
un verkrööp mi achter Süster Hannas Rüüch, as de Lierersch to mi sääh: Komm bitte mal zu mir, mein Junge!
Ik verkrööp mi achter Süster Hannas Rüüch. Also, du bist der kleine
Dolfi
(Koseform Adolf) aus Süsel? Komm, setz dich mal zu mir auf den Stuhl, ich will mal sehen, ob deine Hände für die Übungen auf den Tasten schon groß genug sind?
So bün ik an de witten un swatten Tasten kommen mit de Opgaav, Dag för Dag in mien Frietiet an Moders Klaveer mit dat ungeleefte Tonleddern-öven to verbringen. Und immer in die Noten gucken und die Übungen langsam wiederholen!
mahn se mi -Und nichts aus dem Kopf spielen
, drauh achteran. Ik spöör opsternaatsche Geföhle gegen düsse pechswatten Hoorsnicken op ehr Ohren un sünnerlich ok Dag för Dag nu dat dösige Noten lesen.
Ut ’n Kopp spelen, dat möök mi bannig veel mahr Spooß un so kööm dat denn ok bi dat neegste monatliche Vorspill mit all de Dörpsdeerns to düsse Situatschoon! - De Lierersch fröög mi, vun de Dörpsdeern hör man bloots ünnerdrücktes kucheln: Na, Dolfi, hast Du auch zu Hause gut geübt? Mien Süster Hanna keek mit verdreihte Ogen an de Stuvendeck.
Spiel mir mal die Czerny Etüde vor!
In düssen Momang wüß ik fuurts: Hüüt geiht dat mit dat Noten-lesen in de Büx. Vertwiefelt versööch ik, de Noten to lesen, de ik to Huus ni nich övt harr un sööh denn drauhen Schadden neven mi. Noch einmal bitte
, sääh de Lierersch mit scharpe Stimm, Und spiele bitte das, was du da siehst!
Mien tweete Versöök brööch ok keen verbetern un mien Hannen kregen suutje dat bevern un sööh denn op’n maal denn Rohrstock achter ehr’n Rüüch un hör düssen Befehlston: Sofort stehst Du auf und öffnest deine beiden Hände!
Un bevör ik dat jichtenswo begreep, slöög se jewiels dree Witschers in beide Hannen. Und nun stehst du Faulpelz auf und stellst dich mit dem Gesicht zur Wand dahinten in die Ecke und schämst dich!
Dat weer mien letzte Ünnerrichtsstunn bi düsse Klaveerliehrersch in Saken Klassik un ok mien Süster güng dor ni nich mehr hen. Vertellt hebben wi domaals ni nix dorvun, wielat düt Beleefnis för Spinneree vun Kinner halen würr. (So een beleefte Lierersch slöcht keen lüttje Kinner?) Beten wat vun de verhasste Överee mutt woll backen bleven sien, denn een Leven lang würrn de witten un swatten Tasten as een Levens-Elixier för mi …
Die Welt der weißen und schwarzen Tasten
Unser schönes altes Klavier hat Mutter von der Großmutter geerbt und in der Erinnerung klingt an so manchem Tag ihr Spiel mit klassischer Musik von Mozart, Beethoven und anderen großen Komponisten durchs Haus. Auch als Organistin in Süsels Dorfkirche hat sie in den Jahren 1936 bis 1945 auch bei Gottesdiensten ihre Pflichten.
Meine älteren Schwestern sollen das Spiel auf den weißen und schwarzen Tasten denn auch lernen. Ich auch, habe aber meistens andere Flausen im Kopf und begreife, dass das Klavierspiel etwas mit mächtig viel Üben zu tun hat.
Für mich war das Schießen mit Pfeil und Flitzbogen, mit Katapult und Steinen, aber auch oben vom Heuboden in die abgedroschene Spreu zu springen, viel interessanter.
Diese unbeschwerten Kinderzeiten mit Angelei am See, Äpfel, Kirschen und Pflaumen klauen aus Pastors Garten und anderes dummes Zeug in damaligen Zeiten bleibt mir unvergessen.
Eines Tages nahm meine ältere Schwester mich mit zu ihrer Klavierlehrerin in unser Nachbardorf und Mutter wies sie an: Pass gut auf deinen kleinen Bruder auf, er soll eine Probestunde kriegen!
Da saßen nun alle mir gut bekannten Dorfmädchen mit Schleifen und Schürzen wie die Orgelpfeifen auf alten Polsterstühlen in der guten Stube
. Eine schwarzer Steinway-Flügel stand in der Mitte des Raums und davor thronte auf ihrer Klavierbank in altmodischer Kleidung die ziemlich füllige Klavierlehrerin.
Ihr pechschwarzes Haar war zu Zöpfen geflochten und deckten wie Schneckenkringel beide Ohren ab. Ich dachte in diesem Moment an so eine Mutter Hexe
und verkroch mich hinter Schwester Hannas Rücken, als die Lehrerin zu mir sagte: Komm bitte mal zu mir, mein Junge!
Ich versteckte mich hinter Hannas Rücken. Also, du bist der kleine
Dolfi
(Koseform von Adolf) aus Süsel? Komm, setz dich mal zu mir auf den Stuhl, ich will mal sehen, ob deine Hände für die Übungen auf den Tasten schon groß genug sind?
So bin ich an die weißen und schwarzen Tasten gekommen, mit der Aufgabe, Tag für Tag in meiner freien Zeit an Mutters Klavier mit dem ungeliebten Tonleiter-Üben zu verbringen. Und immer in die Noten gucken und die Übungen langsam wiederholen!
mahnte sie mich. Und nichts aus dem Kopf spielen
, gleich hinterher. Ich spürte aufsässige Gefühle gegen diese pechschwarzen Haarschnecken auf ihren Ohren und besonders auch gegen Tag für Tag das dumme Noten lesen.
Aus dem Kopf spielen, das machte mir sehr viel mehr Spaß und so kam es dann auch beim nächsten Vorspielen mit all den Dorfmädchen zu dieser Situation: Die Lehrerin fragte mich, von den Dorfmädchen hört man bloß unterdrücktes Kichern: Na Dolfi, hast du auch zu Hause gut geübt?
Meine Schwester Hanna guckte mit verdrehten Augen an die Stubendecke. Spiel mir mal die Czerny Etüde vor!
In diesem Moment wusste ich sofort: Heute geht das mit dem Notenlesen in die Hose. Verzweifelt versuchte ich, die Noten zu lesen, die ich zu Hause gar nicht geübt hatte und sah den drohenden Schatten neben mir. Noch mal bitte
, sagte die Lehrerin mit scharfer Stimme, Sund spiele bitte das, was du da siehst!
Mein zweiter Versuch brachte auch keine Verbesserung, und meine Hände fingen langsam an zu beben, da sah ich auf einmal den Rohrstock hinter ihrem Rücken und hörte diesen Befehlston: Sofort stehst du auf und öffnest deine beiden Hände!
Und bevor ich das irgendwie begriff, schlug sie jeweils drei Mal auf meine Hände. Und nun stehst du Faulpelz auf und stellst dich mit dem Gesicht zur Wand dahinten in die Ecke und schämst dich!
Das war meine letzte Unterrichtsstunde bei dieser Klavierlehrerin in Sachen Klassik, und auch meine Schwester ging da nicht mehr hin. Erzählt haben wir damals nichts davon, weil das Erlebnis für Spinnerei von Kindern gehalten worden wäre. So eine erfahrene Lehrerin schlägt doch keine kleinen Kinder? Ein bisschen was von der verhassten Überei muss wohl doch haften geblieben sein, denn ein Leben lang waren die weißen und schwarzen Tasten wie ein Lebens-Elixier für mich …