Beschwerliches Reisen
Manchmal gibt es auch einen traurigen Anlass für eine Reise, so z.B. im Februar des Jahres 1988, als meine Schwester mit knapp 44 Jahren gestorben war. Sie hatte in Berlin mit Ehemann und ihren beiden kleinen Töchtern gelebt.
So machten wir uns also schweren Herzens auf den Weg nach Berlin.
Wir, das waren meine Eltern, mein Bruder aus Schweden, meine Schwester und ich, jeweils mit Ehepartnern.
Meine Ehefrau und ich hatten den weitesten Anmarschweg zum Treffpunkt auf dem Autobahnrastplatz in Gudow und kamen aufgrund vereister Fahrbahn nicht zügig voran. Von dort ging es dann mit 3 Pkws im Konvoi Richtung Grenzübergang.
Bei der üblichen eingehenden, eigentlich schikanösen Personen- und Passkontrolle dauerte es wie immer recht lange. Trotzdem machten wir freundliche Minen und gaben bereitwillig Auskunft.
Meine Eltern erhielten ihre Papiere zurück, ich ebenfalls, nur mein Schwager wurde aufgefordert, rechts heraus zu fahren. Meine Eltern und ich wurden zur Weiterfahrt aufgefordert, durften dann aber doch warten, als wir erklärten, dass wir ein gemeinsames Fahrtziel hätten.
Das Personal an der DDR-Grenze zum kapitalistischen Ausland hatte ein Problem, welches in der Art noch nie aufgetreten war. Und zwar saß in dem Pkw meines Schwagers nicht nur mein Bruder als Mitfahrer, sondern auch seine Ehefrau, eine Schwedin! Mein Bruder hatte weiterhin seine deutsche Staatsangehörigkeit behalten, da er nach seinen Angaben von einem Wechsel weder Vor- noch Nachteile gehabt hätte.
Meine Schwägerin als Schwedin durfte nicht über den Grenzübergang einreisen, der für BRD-Reisende vorgesehen war. Sie hätte also den für Ausländer vorhandenen Grenzübergang benutzen müssen. Also wurde in Erwägung gezogen, dass sie zu Fuß die Grenze passiert! Nein, dieses geht auch nicht, es dürfen sich innerhalb der Kontrollanlage keine Fußgänger bewegen. Mein Schwager hätte sie zum Ausländer-Übergang fahren sollen, danach selbst zurückkommen und den BRD-Übergang passieren müssen. Anschließend hätte er unsere Schwägerin wieder aufgenommen. Auch dieses ging nicht, denn so hätte ja die Ausländerin ihren Übergang zu Fuß überqueren müssen. Es war doch nur eine Einreise mit dem Auto möglich, aber nicht als Fußgänger!!
Es wurde telefoniert, es wurden Anweisungen studiert, es kamen immer ranghöhere Uniformträger, man kam zu keinem Entschluss.
Ja, wenn meine Schwägerin als Schwedin mit einem in Schweden zugelassenen Pkw hätte einreisen wollen, dafür gab es eindeutige Vorgaben, aber hier, bei diesem vertrackten Sachverhalt?
Nach und nach setzten sich die hohen Herren achselzuckend ab und überließen dem armen kleinen Grenzer die gar nicht so leichte Entscheidung.
Nach nochmaliger Rücksprache mit seinem Wachhabenden und einem tiefen Seufzer der Erleichterung, endlich diese schier unüberwindliche Hürde genommen zu haben, übergab er die Papiere, hierbei recht hilflos wirkend, und wir konnten mit viel Zeitverlust die Fahrt fortsetzen.
Die Rückreise ergab keine Schwierigkeiten mehr. Hatte es Anweisungen gegeben, dass dieses Problem nicht als Problem anzusehen ist?
Wir wissen es nicht.