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Zweiter Weltkrieg, 1939 bis 1945

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Zweiter Weltkrieg, Flucht und Vertreibung, 1939 bis 1945
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Als Fremdarbeiter in Deutschland
Kap. 1 - Nach Deutschland deportiert

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  1. Nach Deutschland deportiert
  2. Ernteeinsatz in Steintal, Ostpreußen
  3. Mit dem Flüchtlingstreck nach Westen
  4. Fremdarbeiter in Schleswig-Holstein
  5. Kriegsende und Neuanfang in Polen

Epilog

Immer noch fühle ich mich meinem Heimatdorf Steintal verbunden und habe mir zur Aufgabe gemacht, solange ich lebe, die Erinnerung an die Flucht und Vertreibung bei der nachwachsenden Generation wachzuhalten. Seit Jahren knüpfe ich die Verbindung zu den Menschen, die jetzt in unserem Dorf leben, versuche Brücken zu bauen, um das Verhältnis zu den Polen zu verbessern.

Dazu soll auch der Fluchtbericht eines polnischen Arbeiters beitragen, der zusammen mit den Dorfbewohnern von Steintal den Leidensweg über das Haff angetreten hat. Aus dem Probsteier Herold, einer Zeitung für Schönberg und die Probstei, übernehme ich die Einleitung aus Anlass der 550 Jahrfeier von Steintal vom 14. September 1986, die in Kurzform alles über die Flucht aussagt. Der Fluchtweg der Steintaler vom 23. Januar bis 26. März 1945 war 1.100 Kilometer lang. Der Treck bestand aus 45 Wagen und wurde angeführt von Bürgermeister Friedrich Weiß und dem Ortsbauernführer Friedrich Trinker.

Beim Lesen des von Lehrer Roeder aus Groß Warnau geführten Tagebuches kann man die seelischen Qualen der Steintaler nur erahnen. Es war bitterkalt, die Straßen oft ohne erkennbaren Grund hoffnungslos verstopft, dazwischen immer wieder Tieffliegerangriffe, Tote und Verletzte, erfrorene Kinder, Krankheiten, Familien gingen verloren, verletzte und kranke Pferde und immer wieder die große Angst, von den nachrückenden Russen überrollt zu werden. Einen Teil des Trecks traf dieses Schicksal dann am 6. Februar 1945 vor Landsberg. Die Männer wurden abtransportiert und die Frauen nach Steintal zurückgeschickt. Dort bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Fast alle zurückgebliebenen Einwohner waren von den Russen ermordet worden.

Der übrige Teil des Trecks marschierte unter der energischen Führung von Friedrich Trinker über das Haff, entlang der Nehrung über Schwerin nach Lübeck bis nach Stakendorf Kreis Plön.

Es war der 26. März 1945. Paul Trinker


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Als Fremdarbeiter[*] in Deutschland
Kapitel 1
Nach Deutschland deportiert

Ich heiße Karol Gorski, und ich bin Pole. Ich gehöre zu den Jahrgängen, die durch den Zweiten Weltkrieg entscheidende Eindrücke und Erlebnisse - gute wie böse - erfahren haben. Die Erinnerungen der frühen Jahre sind - wie bei Menschen meines Alters durchaus üblich - mehr und mehr präsent. Sie drängen sich danach, erzählt zu werden, und ich komme diesem Drängen nach und werde über meine Zeit als Fremdarbeiter in Deutschland berichten, und zwar aus zweierlei Gründen: zum einen bedeutet es für mich Entlastung, mir die Erfahrungen aus dieser Zeit von der Seele zu schreiben, und zum anderen hoffe ich, dass mein Bericht dazu beiträgt, kommenden Generationen die Grausamkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung bewusst zu machen. Ich hoffe und wünsche sehr, dass die Menschen alles in ihrer Macht Stehende nutzen, dass ein solch mörderisches Ringen auf europäischem Festland nicht wieder möglich wird.

Nun erlebe ich im Alter das Glück mit meiner Enkelin Magdalena Fuchler, die mir geduldig zuhörte und meinen Bericht zu Papier brachte. Ich danke ihr dafür.

Es war der 4. April 1942, als ich zur Arbeit nach Deutschland abtransportiert wurde. Das Ziel hieß Lissen, Kreis Angerburg, in Ostpreußen, wo ich bei Arend Rodies beschäftigt wurde. Er lebte in einem Haus von imponierender Größe. Um zwei Flure lagen viele Zimmer wie Wohn-, Ess-, Schlafzimmer und Kammern. Auch ich hatte dort mein Schlafzimmer.

Als die Ostfront näher kam, wurde ich zum Schützengrabenbau abgestellt. Mir wurde ein Fuhrwerk zugeteilt. Als Gespannführer hatte ich Ladungen zum gesamten Grenzabschnitt zu transportieren. Nach Beendigung der Arbeiten trieb man uns nach Lötzen/Ostpreußen.

Es waren insgesamt 82 Gespanne. Da eine neue Arbeitszuteilung nicht erfolgte, kümmerte sich niemand um uns. Hunger war angesagt für Mensch und Tier. Über zwei Tage bekamen wir nichts zu essen. Dann lud man zwei Anhänger Heu für die Pferde ab.
Irgendwann kam ein etwa zehn Jahre alter Junge zu mir und fragte, ob wir schon gefrühstückt hätten. Ich erklärte ihm, dass wir seit einigen Tagen keinen Bissen im Mund gehabt hätten. Daraufhin bat er mich im Namen seiner Mutter zum Frühstück zu sich nach Haus. Ich ging mit ihm und wurde von der Deutschen höflich empfangen. Sie fragte nicht, sondern stellte das Frühstück auf den Tisch. Ich aß mich satt, dankte Gott und auch ihr für diese Mahlzeit. Sie schnitt dann noch zwei Scheiben von dem großen Brot ab, belegte sie mit Wurst und sagte: Nimm, das ist für später!

Satt und zufrieden ging ich nach meinem Fuhrwerk zurück. Aber die Ungewissheit blieb, was mit mir geschehen würde. Jedoch wäre alles zu ertragen gewesen, wenn nicht das Heimweh gewesen wäre. Das war das Schlimmste. Kein Tag verging, an dem ich mich nach dem Aufstehen nicht dem Osten, der Heimat, zuwendete. Jeder kleinste Wind, der aus dem Osten wehte, duftete so schwer, dass mir der Atem stockte. Aber das mussten wir eben ertragen!

Plötzlich tauchte ein Deutscher auf einem Motorrad auf. Er erklärte uns, dass der Einsatz beim Bau der Schützengräben beendet sei und dass er uns nun aus der Stadt zum Ernteeinsatz herausführen werde. Er befahl uns, hinter ihm herzufahren. Überall waren die Menschen dabei, den Hafer einzubringen. Er verteilte uns auf verschiedene Bauernhöfe, wobei er uns anwies: Ihr werdet jetzt bei der Ernte helfen!

Ich war keiner von den ganz jungen Burschen, daher beschloss ich, das Beste aus der Situation zu machen. Ich wollte versuchen, auf einen kleinen Hof oder auf einen zu kommen, auf dem viele Frauen waren. Zunächst versuchte ich, für gute Stimmung zu sorgen. Da ich eine lockere Zunge habe, redete ich viel und erzählte auch Witze. Ich hatte bis dahin allerdings keine Ahnung, dass der auf dem Motorrad nebenherfahrende Deutsche mein Bauer werden sollte.

An einem Feldweg ließ der Deutsche die Kolonne halten. Er erklärte mir, dass er hier drei Gespanne für die Arbeit auf seinem Hof nehmen würde. Er wies mir den Weg zu seinem Anwesen, ordnete an, dass dort die Pferde auszuspannen und von dem Jungen in den alten Garten zu bringen seien und dass wir uns im Wohnhaus bei der Frau zu melden hätten. Wir sollten ihr sagen, sie möge uns etwas zu essen geben. Dann zählte der Deutsche drei Gespanne ab. Hinter mir fuhr ein weißrussischer Junge, der mir schon bekannt und mit dem ich immer zusammen war. Er sollte weiterfahren. Damit war ich aber nicht einverstanden. Daher sagte ich zu dem Deutschen: Hinter mir fährt mein Bruder - entweder wir fahren zusammen nach dem Hof, oder es geht gemeinsam für uns weiter. Der Deutsche sah mich schmunzelnd an und meinte: Er ist Dein Bruder genauso wie er auch mein Bruder ist. Aber schon gut, mach wie Du willst! Er schickte einen vor uns stehenden Wagen weiter und befahl uns dann, zusammen abzubiegen.

Gefasst machten wir uns auf den beschriebenen Weg. Und so kamen wir drei auf dem Hof an. Der Junge aus Weißrussland war groß, korpulent und etwas schüchtern. Der dritte war ein Junge aus Suwalki, der noch nie in Deutschland war. Er verstand nicht die Sprache, so dass ich mich um alles kümmern musste. Wir kamen bei dem Hof an, der in hügeligem Gelände auf dem Abbau lag. Es war ein sehr großer Platz, eingezäunt und mit einem eisernen Tor versehen, es herrschte sehr viel Grün, Sträucher und Bäume, und der nahegelegene Wald gehörte auch zum Hof.

Wir gingen ins Haus und suchten die Hausfrau, der wir dann mit einem Gruß von ihrem Mann erklärten, dass wir zur Arbeit auf dem Hof ausgesucht seien. Sie solle die Pferde in den alten Garten lassen und den Ankömmlingen Vesper geben. Mit einem Lächeln nahm sie die Rede entgegen, obwohl ich sehr direkt war. Geh, Bruno, sagte sie zu einem etwa 14-jährigen Jungen, lass die Pferde in den alten Garten und kommt gleich wieder! Wir brachten die Pferde weg und kamen dann zum Essen ins Haus zurück. Die Hausfrau wies uns danach in das kleine Wohnhaus ein und nötigte uns, auf den Hausherrn zu warten. Wie gesagt, so getan. Ob wir an diesem Tag noch gearbeitet haben, entzieht sich meiner Erinnerung.

Am Abend rief man uns zum Abendessen. Wir kamen in mehreren Gruppen über den Hofplatz, wobei ich - wie auch schon beim Vesper - nach Frauen Ausschau hielt. Am Tisch nahmen Platz: Fünf Jungen, eine junge Frau, eine Frau im mittleren Alter und eine alte Oma. Mit Ausnahme dieser Oma sprachen alle polnisch; der Bauer war noch nicht zurück.

Ich war sehr neugierig und wollte daher wissen, wie die Frau mittleren Alters auf den Hof gekommen war. Dies sind alles junge Leute, die man nach Deutschland zur Arbeit gebracht hat. Aber Sie sind schon älter, wie sind Sie hierher gekommen? Als ich das sagte, fingen plötzlich alle an zu lachen, und die Frau antwortete mir: Ich bin doch die Hausfrau, mit der Du vorhin bereits gesprochen hast! Schnell entschuldigte ich mich bei ihr und erklärte ihr, dass ich bei einem Bauern in einem Dorf 80 km von der Grenze entfernt gearbeitet und dass dort niemand im Dorf polnisch verstanden hätte. Sie aber sprechen ein sauberes Polnisch! Die Frau betonte, dass sowohl sie als auch ihr Mann polnisch sprechen könnten, dass ihr Mann jedoch nur deswegen nicht polnisch mit mir gesprochen hätte, weil ich sogleich selbst angefangen habe, deutsch zu sprechen.

[*] Zwangsarbeit im NS-Staat

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts war der Begriff FremdarbeiterSiehe Lexikon der alten Wörter und Begriffe eine übliche Bezeichnung für ausländische Arbeitskräfte in Deutschland. Während der Herrschaft des Nationalsozialismus wurden Ausländer im Zweiten Weltkrieg mit Gewalt zur Arbeit in und für Deutschland gezwungen. Es waren Millionen ausländische Arbeitskräfte, welche als Zivilarbeiter aus ihren Heimatstaaten nach Deutschland deportiert wurden. Zwangsarbeiter aus Osteuropa, insbesondere aus der Sowjetunion, wurden im Sprachgebrauch des Nationalsozialismus meist als OstarbeiterSiehe Lexikon der alten Wörter und Begriffe bezeichnet. Wikipedia.de


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  • Autor: Karol Gorski, 10. Mai 1999, EWNOR August 2020
    aufgeschrieben von seiner Enkelin Magda Fuchler
    deutsche Bearbeitung Doris Randschau, 9. April 2000
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