Als Fremdarbeiter in Deutschland
Kapitel 5
Kriegsende und Neuanfang in Polen
Die Front war schon ganz nah. Da ging ein Deutscher durch das Dorf und befragte alle, ob jemand etwas gegen die Bauern vorzutragen hätte. Unsere Jungens beschwerten sich über zu wenig Essen. Der Deutsche ging durch das ganze Dorf und sammelte die Beschwerden ein. Der Sinn dieser Aktion lag darin, Lynchjustiz zu vermeiden. Nach dem Rundgang kam der Deutsche zurück und hielt den Bauern ihre begangenen Sünden vor, unserem natürlich auch: Du hast den Leuten genug Essen zu geben!
An diesem Tag gab es schon reichlich Mittagessen, alle wurden satt. Trotz aller Geschehnisse hegte keiner von uns großen Groll gegen den Bauern.
Eines Tages kamen drei Soldaten mit einem Auto vorgefahren und sagten: Wir wüssten gern, welche Leute zu dem Besitzer dieses Grundstücks gehören.
Wir erklärten ihnen, dass wir hier arbeiten würden. Es klang schier unglaublich, als sie uns dann sagten: Wir übergeben Euch dieses Auto zu Eurer Verfügung.
Sie fragten dann, wo sie es abstellen könnten. Wir öffneten eine zweitürige Garage und ließen sie dort das Auto hinbringen. Eine Stunde später kam der Spion in Begleitung zweier Kollegen und fragte nach dem Auto. Als wir die Schenkung bestätigten, meinte er frech: Wir wollen damit wegfahren!
Ich selbst hatte in diesem Augenblick keinen Mut, aber meine Kollegen waren umso energischer und auch mutig. Sie umstellten ihn und seine Begleiter und sagten: Verlasst sofort den Hof, so lange Euch noch nichts passiert ist!
Und zu dem Spion: Deine Zeit ist vorbei!
Und dann fragten sie den in Pelz Gekleideten: Woher hast Du die Bekleidung?
und ihre Blicke gingen scharf in Richtung Kopf und Augen. Er rechtfertigte sich mit der Behauptung, den Pelz von seinem Meister erhalten zu haben. Sie schnappten sich ihn daraufhin und brachten ihn zu seinem Meister. Der Deutsche rief: Jungens, rettet mich! Er hat mich geschlagen und mir alles weggenommen!
Daraufhin haben ihn die Kollegen ganz mächtig verprügelt. Der Kragen war vor lauter Blut nicht mehr erkennbar. Er musste alles ausziehen, seine alte Bekleidung anlegen und aus dem Dorf verschwinden. Aber ein solcher Schurke hat doch immer wieder Glück: Er wurde in einem ungefähr 60 km entfernten Straflager Kommandant. Wenige Tage nach diesem Ereignis verabschiedete ich mich von der Familie Trinker und fuhr weg.
Wir wurden jetzt vom Militär betreut, das unter dem Kommando von General AndersWładysław Albert Anders (* 11. August 1892 in Krośniewice-Błonie; † 12. Mai 1970 in London) war ein polnischer General und Politiker.Klick für Wikipedia stand. Man behinderte meine Rückkehr in die Heimat und schlug mir stattdessen vor, nach England, Amerika, Frankreich zu gehen oder in Deutschland zu bleiben und weiterhin bei einem Bauern zu arbeiten. Außerdem könnte ich mich ja auch irgendwie geschäftlich betätigen. In die Heimat zu gehen hieße, sich in die Klauen der Russen zu begeben. Darüber entstand allgemeine Verwirrung, denn im Radio hatte man geschrien: Kommt zurück! Jedes Kreuz, jeder Stein am Wegesrand hat Euch in Erinnerung! Glaubt nicht an das, was im Westen über Radio verbreitet wird. Hier bei uns gibt es keinen einzigen Russen!
Die westlichen Nachrichten brachten das, was auch sichtbar war: die Verbindung zur Heimat war unterbrochen. Und wir alle hatten große Sehnsucht.
Die Rückkehr war keine einfache Sache. Zunächst musste man sich von einem westlichen in ein östliches Lager ummelden und registrieren lassen. Die Russen nahmen diejenigen nicht auf, die aus Warschau, Posen oder Danzig kamen. Nur diejenigen, die aus dem russischen Teil Polens stammten oder entsprechende Angaben machten - was einem Selbstbetrug glich -, durften zurück. Als wir über die englisch - russische Zonengrenze kamen, näherte sich ein mit lauter Orden behangener Russe, der sagte: Hier hereinfahren, die Tore sind breit, die Rückkehr hat angefangen.
Und so transportierten uns die Russen angeblich dorthin, wo ihre Besetzung endete. Uns wurde klar, dass es sich um etwas Unangenehmes handeln musste. Wir waren etwa 125 Leute, und allmählich begriffen wir, um was es ging. Statt in die Heimat ging es nach Ostpreußen in das für Polen bestimmte Gebiet - zum Getreide-Dreschen! Wir wählten drei der Besten von uns aus, die zum Chef
gehen und ihm klarmachen sollten, dass wir Polen waren und in die Heimat zurückkehren wollten. Der Russe wollte wissen, wie groß die Gruppe sei. Wir konnten im Moment keine genauen Angaben machen, betonten jedoch, dass es ungefähr 150 Leute sein müssten. Daraufhin riet er uns: Geht etwa anderthalb Kilometer zurück. Dort wird in Kürze ein Güterzug nach Warschau abfahren, steigt ein und fahrt mit!
Fünf Tage dauerte die Reise, die wir streckenweise auch als Anhalter bewältigten. Dann war ich endlich am Ziel - ich war wieder zu Hause.
Dort stellte ich fest, dass unsere Gebäude komplett abgebrannt waren; der Zaun war auch verschwunden. Meine Geschwister hatten den Krieg zu Hause überlebt, mein Vater war bereits vor meiner Zwangsarbeit an Asthma gestorben, meine Mutter war bei bester Gesundheit und lebte noch bis lange nach dem Krieg.
Diese Zeit war für uns, aber auch für die Deutschen quälend und schwer. Nun überlasse ich die Beurteilung darüber, wer dieses Elend herbeigeführt hat, dem geneigten Leser. Jemand musste es ja gewesen sein - war es Stalin, war es Rydz-Smigly, war es Hitler? Neben den Polen waren auch viele andere Völker und selbst die Deutschen betroffen. Ich bin kein Politiker, daher kann nicht ich, sondern können nur Historiker darüber urteilen.