Meine Soldatenzeit 1942 bis 1945
Kapitel 1, Teil 2
Schulabschluss und Einberufung
Doch zuvor noch Einzelheiten zu dem bisher Ausgeführten. ‒ Wir, die wir den Einberufungsbefehl erhalten hatten, kannten uns alle aus der Schul- bzw. Hitlerjugendzeit. Einige der Betroffenen verabredeten sich zu einer Fete im HJ-Heim. Dieses Heim
bestand aus einer etwas größeren Holzbaracke, die auf dem Grundstück Brümmer
in der Tannenhofstraße, etwa Haus-Nr. 22 stand und die man uns, der HJ, für unsere Zwecke überlassen hatte.
Ich bekleidete damals, soweit ich mich erinnere, das Amt eines Gefolgschaftsführers und mein Schulkamerad Bruno D. war einer der Zugführer. Wir waren gerade dabei, im Dienst Weihnachtsspielzeug für die Kinder bedürftiger Familien herzustellen. Durch die Einberufung musste diese Tätigkeit aber eingestellt werden.
An der Abschlussfeier nahmen u.a. teil: Bruno, Gerhard, Karl-Heinz und ich; natürlich waren auch einige ehemalige Mitschülerinnen dabei, u.a. Gilda. Gilda und Gerhard kamen sich etwas näher, was nicht ohne Folgen blieb. Gerhard hat aber seinen Abkömmling nicht mehr kennen gelernt, er fiel in Russland. Er gehörte auch nicht zu der Gruppe, deren Einberufungsziel Neumünster, Hindenburg-Kaserne war. Dorthin wurden einberufen Albin, Wilhelm, Karl-Heinz, Werner‚ Kurt und aus Friedrichsgabe Hans und Edwin. Auch Richard gehörte dazu.
Vor dem Kasernengebäude angekommen, erwartete man uns schon und trieb uns zur Eile an, sich in einer Reihe aufzustellen. Dann wurde abgezählt, immer acht Mann und dann ab aufs Zimmer. So wurden die vorgenannten ‒ bis auf Richard ‒ alle auf eine Stube verteilt, hinzu kamen Joachim und August aus Westdeutschland. Richard kam auf die Nachbarstube.
Unser Unteroffizier hieß Schubauer und war ein umgänglicher Mann. Unser Stubenältester war aus Kiel, hatte ein Einzelbett im Zimmer und hatte anscheinend Probleme mit seiner Ehefrau. Wir Rekruten schliefen in übereinander montierten Etagenbetten. ‒ Hier möchte ich etwas einflechten, was eigentlich ganz an den Anfang gehört: die Musterung. Diese erfolgte einige Wochen vorher. Ich fuhr mit dem Fahrrad bei herrlichem Sonnenschein zum Musterungslokal. Wo es war, entzieht sich meiner Erinnerung. Es könnte der Gasthof Grüner Jäger
in Renzel gewesen sein. Der Musterungsarzt - so hörte ich später ‒ soll ein praktischer Arzt aus Harksheide gewesen sein. Eigentlich wollte man mich noch gar nicht. Doch auf meinen Protest hin, wurde ich k.v.
(kriegsverwendungsfähig) geschrieben. Ich als HJ-Führer konnte mir doch keine Zurückstellung erlauben und außerdem wäre der ganze Haufen
auseinander gerissen worden!
Mein jüngerer Nachfolger im Amt des Gefolgschaftsführers Hans, Bruder von Jürgen, dem ich im Amt folgte, machte es anders. Er ließ sich zurückstellen und ist ‒ so meine ich ‒ gar nicht mehr eingezogen worden. Ein Wort noch zu Dr. H.: Als praktizierenden Arzt habe ich ihn nur einmal in Harksheide (Segeberger Chaussee) aufgesucht. Warum ihn und nicht meinen Hausarzt Dr. B., weiß ich nicht mehr. Dr. H. hatte einen Sohn, der etwas älter war als ich. Er soll in Russland gefallen sein. Er hat das Feuer seiner Leute aus dem Graben gelenkt und ist, um den Feind besser einschätzen zu können, auf die Grabenkante gesprungen. Aufrecht stehend, das Glas vor den Augen hat Leutnant H. den Einsatz gelenkt, als ihn plötzlich ein russisches Geschoss den Kopf vom Leib trennte! Ich meine ihn früher einmal im Rahmen der weiteren Ausbildung gesehen zu haben; kann mich aber an Einzelheiten nicht erinnern.
Die sogenannte Grundausbildung erfuhren wir auf dem Kasernenplatz. Da wurde marschiert und gelaufen, sogar richtig stehen mussten wir lernen und dabei die Arschbacken zusammenkneifen. Um nach sechs Wochen das Kasernengelände verlassen zu können, mussten wir auch den soldatischen Gruß lernen. Da standen wir dann gruppenweise hintereinander und das Kommando lautete in etwa: Üben des soldatischen Grußes. Rechte Hand an den Mützenrand. Der Nächste folgt, wenn der Erste vorbei ist. Der Erste ‒ anfangen!
Dann marschierte man los und grüßte den Ausbilder. Das wurde wiederholt, bis es endlich saß.
Für die praktische Ausbildung gingen wir ins nahe gelegene Gelände. Da wurde dann Stellungswechsel
und Laufwechsel
am MG geübt. Die nötige Schießausbildung erhielten wir auf dem fünf Kilometer entfernt gelegenen Schießstand in Bostedt, zu dem wir etwa einmal wöchentlich marschierten. Dort wurde mit Gewehr und MG scharf geschossen und an der MP erhielten wir Nahkampfausbildung.
Natürlich erhielten wir in den ersten Wochen auch die erforderlichen Impfungen. Dazu marschierten wir in die etwa 20 Minuten entfernte Sanitätskaserne und ließen uns pieksen
. Es war die Kaserne, in die mein Papa gleich zu Beginn des Krieges als Sanitäts-Unteroffizier einberufen wurde. Dann ging es ab zum Einsatz in Polen, unter anderem nach Kalisch! Nach dem Polenfeldzug hielt er sich einige Zeit in Viersen bei Krefeld auf, um dann im Weiteren in Grömitz, Seedorf und Timmendorf in den Lazaretten tätig zu sein. In Grömitz und Seedorf haben Mama und ich, als ich noch kein Soldat war, ihn per Fahrrad besucht.
Bei einer der Impfungen erwischte es auch mich. Wir standen in langer Reihe hintereinander, als ich dem Gefühl nach nur noch mit den Knochen in den Stiefeln stand und diese kaum vorwärts schieben konnte. Ich fing schon an zu schwanken, als plötzlich ein Kamerad rief: Pass auf, der kippt gleich!
. In dem Moment, als mein Hintermann mir seine Hände auf die Schultern legte, war ich wieder voll da und konnte die zweite Impfung über mich ergehen lassen.
Einmal wurde ich auf dem Kasernengelände von oben her angerufen. Es war mein Chef von der Gemeindeverwaltung Garstedt, Rudolf. Er hing in seinem Kasernenblock gerade im Fenster und putze es mit Zeitungspapier blank, als er mich erkannte. Schnell wurden einige Worte gewechselt. Lange wird er nicht dabei geblieben sein, denn auf einem Auge war er fast blind.
War Freizeit angesagt, so besuchten wir gern den Rendsburger Hof
in der Stadt, weil es dort gute Bratkartoffeln gab, die wir in der Kaserne nicht erhielten. Sonst war das Kasernenessen eigentlich nicht zu beanstanden. Unsere Stube hatte den Vorteil, dass sich fast alle gut kannten und dass vier Mann HJ-Führer waren. Wie fielen bald durch besondere Zackigkeit bei Meldungen
und so weiter auf. Das hatte zur Folge, dass die Vorgenannten und Werner nach Ablauf der eigentlichen Ausbildung zu KOB‘s (Kriegsoffiziersbewerber) ernannt wurden und später auf den Schulterklappen zwei silberne Streifen erhielten. Ich glaube, im ganzen Regiment wurden sechs Bewerber ernannt!
Allerdings musste eine Art Prüfung oder Befragung abgeleistet werden, um die Anerkennung zu erhalten. Wir wurden auf das Gelände zurückgerufen, mussten uns sauber anziehen und dann im gegenüberliegenden Offizierskasino erscheinen. Ich hatte das Pech, dass mir am Lagerfeuer meine Stiefel verbrannt waren. Durch die Hilfe meines Stubenältesten bekam ich dann vom Kammerbullen ein Paar Neue. Die Leitung des Vorganges oblag dem Regimentskommandeur Major Kopenhagen. Im Zivilberuf war dieser Direktor eines Internats in Uetersen. Man ging recht ordentlich mit uns um. Anerkennung fand er für unseren Volksschul-Rektor, von dem er meinte, er habe uns eine sehr gute Schulbildung zukommen lassen.
Es kann sein, dass Werner nicht bei uns, sondern in der 13. berittenen Kompanie war, da er sich mit Pferden auskannte, weil er auf einem Bauernhof aufgewachsen war. Ich weiß allerdings nicht mehr, wer dann noch der Achte in unserer Stube war. Bruno war es nicht, der wurde zu den Fallschirmjägern eingezogen. Wir anderen gehörten zur 12. Kompanie, der schweren Kompanie. Die Bewaffnung bestand aus den schweren Maschinengewehren und den Granatwerfern. Es war immer eine elende Schlepperei, wenn man hinausmarschierte. Die Grundplatte des Werfers und die Lafette des MG‘s waren richtige Monstren, etwa 40 kg schwer. Unser Zugführer war Feldwebel Fandrei, ein ruhiger Typ, den wir kaum bemerkten. Den Spieß machte Oberfeldwebel Stegemann‚ raue Schale, etwas weicherer Kern, und unser Kompanieführer war der Oberleutnant und spätere Hauptmann Leineweber, ein cooler Typ.