Betrachtungen über Getränke - Gestern und Heute
1. Kapitel
Alkoholfreie Getränke
Das Trinken lernt der Mensch zuerst - viel später erst das Essen, drum soll er auch aus Dankbarkeit das Trinken nicht vergessen“. Bei diesem Zitat unbekannter Herkunft denkt man meist an alkoholische Getränke, doch trinken ist lebensnotwendig, mehr noch als essen. Aber man trinkt nicht nur, um den Durst zu stillen, darüber hinaus ist es auch Genuss. Besonders bei alkoholischen Getränken wird der Zusammenhalt einer Gruppe durch einen Toast – auf den Jubilar, das Leben, die Liebe oder anderes Erfreuliches – gefestigt. Über die verschiedenen Getränke und wie diese auch der Mode unterworfen sind, habe ich mir Gedanken gemacht und auch entsprechend recherchiert. Wenn im folgenden Text namentlich Produkte erwähnt sind, ist es nicht als Werbung gedacht, sondern um Erinnerungen wiederzubeleben, die untrennbar mit diesen Produkten verbunden sind.
Getränk Nummer Eins ist und bleibt das Wasser
Wasser
Früher, das heißt in meiner Kindheit, war es üblich, dass man, wenn man Durst hatte, den Wasserhahn öffnete und direkt vom Hahn in die hohle Hand das Wasser trank. Manchmal wurde das Wasser auch in einem Krug veredelt
mit Himbeer- oder Waldmeistersirup. Mit Zucker und ein paar Spritzern aus der Plastikzitrone – frische Zitronen waren zu teuer – wurde es zur Zitronenlimonade.
Das sogenannte Kranwasser
war damals ziemlich gefährlich, denn viele Wasserleitungen waren aus Blei. Wir erfuhren erst später, wie giftig dieses Material ist. Heute könnte man es unbedenklich trinken, aber wir trinken jetzt Mineralwasser aus heimischer Quelle, abgefüllt in Glasflaschen. Weil das aber eine ziemliche Schlepperei ist, greifen viele auf Wasser in Plastikflaschen zurück, was den Plastikmüllberg vergrößert, und nicht zu vergessen, die im Wasser der PET-Flaschen gelösten Weichmacher, die ähnlich wie Hormone wirken und multiple Krankheitsbilder erzeugen können. Für manche muss das Wasser aber von sehr weit herkommen, wie Gletscherwasser aus Kanada, vulkanisches Wasser aus Island, Wasser aus den Tiefen der Vogesen, oder Regenwasser aus Tasmanien – so edel und teuer wie Champagner. Passt ausgezeichnet zum Rindersteak mit Blattgold.
Über das Getränk Nummer Zwei gibt es unterschiedliche Aussagen. Je nach geografischer Lage ist es Kaffee, Tee oder Bier.
Kaffee
Wie früher bei uns zu Hause steht der Kaffee auch jetzt an zweiter Stelle. In den 1950er Jahren war er noch absoluter Luxus und wurde als Guter Bohnen-Kaffee
So war das in der Nachkriegszeit; alle Genuss- und Lebensmittel, auf die man in den Kriegsjahren verzichten musste, bekamen jetzt das Adjektiv GUT
vorangestellt. Gute Butter
, Guter Bohnen-Kaffe
… bezeichnet. Getrunken wurde meistens Kaffee-Ersatz wie Lindes
und Kathreiner
, später dann Caro Instant
-Kaffee, den auch wir Kinder trinken durften. Der echte
Kaffee wurde bei meiner Oma in einer richtigen Zeremonie hergestellt. Die frischen Kaffeebohnen wurden mit einer handbetriebenen Holzkaffeemühle gemahlen. Danach kam für jede Tasse ein Teelöffel Kaffeemehl in die vorgewärmte Kanne und zum Schluss noch zusätzlich ein Teelöffel für die Kanne
hinzu. Anschließend wurde über die Kanne ein gehäkelter Kannenwärmer gestülpt und der Kaffee musste sich eine gewisse Zeit setzen
. Dann wurde der Kaffee durch ein Kaffeesieb in die bereitstehenden Sammeltassen gegossen. Damit die gute Damasttischdecke nicht litt, wurde über den Ausguss der Kaffeekanne noch ein Tropfenfänger aus Schaumstoff gehängt.
Später erfand dann Frau Melitta den Kaffeefilter, und die nächsten Jahrzehnte gab es nur Filterkaffee. Die später erfundenen Kaffeemaschinen brühten auch nur Filterkaffee. Nach den Italienurlauben kam dann der Espresso hinzu. Wir brachten italienische Espressokocher, die man auf den Herd stellen kann, und die dazugehörigen kleinen Tassen aus dem Urlaub mit.
Heute ist eine neue Generation von Kaffeetrinkern herangewachsen. Eine Kaffeebestellung ist hier jetzt genauso schwierig wie in Österreich, wo man sich zwischen Schwarzem
, Braunem
, Verlängertem
, Einspänner
und vielen anderen Sorten entscheiden muss. Jetzt darf
man auch hier wählen zwischen Espresso, Cappuccino, Latte Macchiato, Café Latte, Cafe Crema und auch noch Filterkaffee.
Jetzt gibt es auch Kaffeemaschinen mit verschiedenen Kapseln, die alle Kaffeewünsche erfüllen. Jede Tasse eine Kapsel! Dieser Kaffee ist unverhältnismäßig teuer im Vergleich zu gemahlenem Kaffee und zudem umweltschädlich wegen des unnötigen Aluminium- oder Plastikmülls. Die Alternativen sind die Kaffee- und Espressomaschinen für den Haushalt. Diese sind inzwischen ein Statussymbol für die moderne Küche. Für eine gute Maschine mit dem richtigen Druck, die auch den Kaffee frisch mahlt, muss man schon einen vierstelligen Betrag hinlegen.
Eine gute Tasse Kaffee ist ein Genuss. Sie gehört für mich zu einer Pause, zum Abschalten und Wohlfühlen oder zu einem guten Gespräch mit netten Menschen, wozu dann auch ein Stück Gebäck gehört. Aber das ist heute nicht das Thema. Ich kann einfach nicht verstehen, warum Coffee to go
in Mode gekommen ist. Kaffee trinken aus einem Papp- oder Plastikbecher, im Laufen und dabei noch das Handy am Ohr, dabei viel befahrene Straßen überqueren und in den Bus springen, ist für mich der Inbegriff von Stress. Dabei sind doch jetzt Wellness
und Müllvermeidung im Trend.
Tee
Tee hatte bei uns zu Hause keinen großen Stellenwert. Meistens gab es schwarzen Tee zum Abendbrot, hin und wieder auch mal Pfefferminztee, zubereitet mit Teebeuteln, die kurz in heißes Wasser gehalten wurden. Fühlte man sich krank, gab es Kamillentee. Heute trinke ich abends häufig grünen Tee. Im Winter, wenn es sehr kalt ist, auch mal schwarzen Tee mit Rum. Nach meinem Umzug nach Norddeutschland merkte ich, dass Tee hier eine größere Rolle spielt. Die ostfriesische Teekultur ist sogar 2016 als Immaterielles Kulturerbe
in Deutschland anerkannt worden. Die Teezeremonie ist ähnlich, wie ich es eingangs bei Omas Kaffeezubereitung beschrieben habe. Es gibt aber hier noch viele individuelle Zubereitungsarten: Mit oder ohne Kandis, hell oder dunkel, mit oder ohne Milch, die Zeremonie kann endlos erweitert werden. Die vielen Teesorten hier aufzuzählen, sprengt den Rahmen. Auch wird sehr viel Wert auf das richtige Teeservice gelegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier im Norden einmal Tee to go
akzeptiert wird.
Bier
Dieses alkoholische Getränk ist in Deutschland ein anerkanntes Kulturgut. Aktuell hat der Deutsche Brauerbund die deutsche Brauart sogar auch als Immaterielles Kulturerbe
bei der UNESCO angemeldet. Allgemein sagt man über Bier, es sei flüssiges Brot
, weil der Hauptbestandteil Getreide ist, in Bayern ist es ein Grundnahrungsmittel
. Das Deutsche Reinheitsgebot ist das älteste Lebensmittelgesetz der Welt, auf das die Deutschen besonders stolz sind; am 23. April 1516 wurde das Reinheitsgebot zum Brauen von Bier in Ingolstadt erlassen.
Es gibt zahlreiche Biersorten wie Hell, Dunkel, Pils, Weizen, Bock, Craft und auch unzählige Brauereien. In einem Lokal in der Elbphilharmonie gibt es sogar einen Biersommelier, der dem Namen alle Ehre macht, die Bierkarte kann mit jeder Weinkarte mithalten.
Die Meisten haben eine Lieblingssorte, der sie treu bleiben. Mein Mann schwört auf die Flasche mit dem Plopp
aus Flensburg. Andere verlangen nach ihrer Knolle
, so nennt man in Hamburg das Astra-Bier wegen der Flaschenform. Da ich kein Flaschenbier mag und deshalb zu Hause selten Bier trinke, habe ich mich während des Corona-Lockdowns nach einem frisch gezapften Bier mit einer schönen Schaumkrone gesehnt. Das erste gezapfte Bier in einer Außengastronomie, nachdem der Lockdown gelockert wurde, war ein Hochgenuss.
In den 1950er und 1960er Jahren wurde auf Biertrinker oft herabgeschaut und sie wurden als Proleten
bezeichnet. Ich kann mich an Großveranstaltungen erinnern, bei denen es Weinzwang
gab. Nein, man sollte nicht weinen, man wurde gezwungen, Wein, in diesem Fall Flaschenwein, zu bestellen. Wenn ein Mann unbedingt ein Bier trinken wollte, musste er ein Herrengedeck
bestellen. Das bestand aus einem Pils und einem Weinbrand, je nach Preisklasse der Veranstaltung gab es auch echten Cognac. Das Gedeck überstieg dann den Preis einer Flasche Wein. Die dazugehörige
Frau bekam dann ein Damengedeck
, das war eine kleine Flasche Sekt oder Champagner und ein Gläschen Likör. Für Frauen war Bier nicht vorgesehen, es wäre schon mutig gewesen, wenn sie trotzdem eins bestellt hätte, denn sie wäre als ordinär
abgestempelt gewesen. Deshalb tranken Frauen damals in der Öffentlichkeit kaum Bier. Die Bierwerbung war und ist auch heute noch ganz auf den Mann zugeschnitten. Frauen dürfen das Bier und die Maß
aber selbstverständlich servieren.
Milch
Milch spielt heute keine große Rolle mehr bei den Getränken. In meiner Jugend war das anders. Es gab viele Milchbars, in denen auch wir Jugendliche an der Bar sitzen und einen Milchshake bestellen konnten. Diese waren dekoriert wie ein Cocktail und wir fühlten uns sehr erwachsen mit so einem Getränk am Tresen, dazu die neueste Musik aus der Jukebox. Durch den Slogan Milch macht müde Männer munter
fühlen sich auch die Jungs hier wohl, ohne Angst zu haben, als Milchbubi
verlacht zu werden.
Im Zuge der neuen Ernährungsideologie hat sich der Verzicht auf Milchprodukte schon zu einem Hype entwickelt. Es gibt die Alternativen wie Soja-, Hafer- oder Mandelmilch. Bei der Bewertung, ob diese Milchersatzprodukte ökologisch besser sind, gibt es unterschiedliche Meinungen bei den Fachleuten, lediglich die Hafermilch hat eindeutig eine bessere Ökobilanz, denn Hafer ist hier heimisch. Es macht auch keinen Sinn, in Südamerika den Regenwald abzubrennen, um auf den freiwerdenden landwirtschaftlichen Flächen Soja anzubauen, über den Atlantik zu transportieren, um dann hier umweltfreundliche
Sojamilch zu trinken oder veganen Tofu zu essen.
Limonaden und Säfte
Limonaden und Säfte nehmen einen großen Teil der Standfläche im Supermarkt ein. Es besteht ein großer Wirrwarr, wie man was einordnen kann. Limonaden und Obstsäfte sind meistens Zuckerbomben. Die Werbung der Lebensmittelindustrie versucht dies zu verschleiern, indem sie unter anderem Fruchtsäfte ohne Zuckerzusatz
anbietet. Dabei soll ausgeblendet werden, dass Fruchtsäfte ohnehin schon einen hohen Fruchtzuckeranteil haben.
Es gibt aber auch eine große Auswahl an zuckerfreien Limonaden, die mit Süßstoff gesüßt sind. Ob Süßstoffe gesundheitsschädlich sind, darüber gehen die verschiedenen Forschungsstudien auseinander. Ausschlaggebend sind hier die Auftraggeber der Studien.
Grundsätzlich sind alle Limonaden und Obstsäfte nicht gesund. Obst ist in der Naturform wegen der enthaltenen Ballaststoffe die bessere Alternative.
Aber wer will sich immer nur gesund ernähren? Die Mehrheit eindeutig nicht. Sonst wäre der Spitzenreiter unter den Limonaden – Coca-Cola – früher wie heute nicht weltweit so erfolgreich.
Für uns Kinder war Coca-Cola verboten, weil ungesund. Die Eltern meiner Freundin aber hatten damals einen Getränkehandel. In deren Kellerbar konnten wir Coca-Cola trinken, soviel wir wollten. Mit der Schulklasse besichtigten wir eine Coca-Cola-Abfüllstation am Ort. Hier wurden wir wie Erwachsene behandelt. Man nennt es Markenbindung für das ganze Leben
. Neben Coca-Cola ist McDonald`s hier ein Vorreiter dieser Verkaufstaktik. Coca-Cola gab es so viel wie wir wollten, und es gab dazu – was wohl? – zwei belegte Brote, eins mit Schinken, eins mit Ei.
Kennen Sie auch noch das Endloslied, das bei Wandertagen laut und auch endlos gesungen wurde?
♫ ♪Eisgekühlte Coca-Cola, Coca-Cola eisgekühlt, Eisgekühlte Coca-Cola, Coca-Cola eisgekühlt,
und dazu zwei belegte Brot mit Schinken, zwei belegte Brot mit Ei, zwei mal zwei das sind vier Brote, zwei mit Schinken, zwei mit Ei,
und dazu eisgekühlte Coca-Cola, Coca-Cola eisgekühlt … ♫ ♪
Die Toten Hosen
dichteten es 1983 erfolgreich um in Eisgekühlter Bommerlunder
, blieben aber bei den Broten mit Schinken und Ei.
Die deutsche Afri-Cola konnte trotz der witzigen und aufwendigen Werbung, die den damaligen Zeitgeist traf – Sexy-Mini-Super-Flower-Pop-op-Cola – alles ist in Afri-Cola
- nicht mit Coca-Cola konkurrieren.
Auch das billige Klickerwasser
vom Kiosk verschwand bald wieder. Hier wurde die Flasche durch eine innen sitzende Kugel verschlossen, die durch Drücken in den Flaschenhals geöffnet wurde. Dann konnte man die Himbeer- oder Waldmeisterbrause aus der Flasche trinken, was manchmal nicht einfach war, weil die jetzt freischwimmende Kugel den Flaschenhals wieder von innen verstopfte.
Wenn ich mit meinen Eltern mal ein Restaurant besuchte, was selten genug vorkam, durfte ich mir eine Flasche Sinalco oder Bluna bestellen. Das geschah immer mit der Aufforderung, nicht zu schnell zu trinken und noch einen Rest in der Flasche zu lassen, denn sonst sitzt du
.leer
da und eine zweite Flasche gibt es nicht