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80er, 90er Jahre; das 21. Jahrhundert

1980
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Die 80er bis 90er und das 21.Jahrhundert
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SchlaraffenlandIm Schlaraffenland - Impressionen nach einem Gemälde von Pieter Brueghel dem Älteren

Die heiße Schlacht am kalten Büffet

Gemurmel dröhnt drohend wie Trommelklang, bald stürzt eine ganze Armee die Treppe hinauf und die Flure entlang, dort steht das kalte Buffet. Zunächst regiert noch die Hinterlist, doch bald schon brutale Gewalt. Da spießt man, was aufzuspießen ist, die Faust um die Gabel geballt. Mit feurigem Blick und mit Schaum vor dem Mund kämpft jeder für sich allein und schiebt sich in seinen gefräßigen Schlund, was immer hineinpasst, hinein.
Bei der heißen Schlacht am kalten Buffet, da zählt der Mann noch als Mann und Auge um Auge, Aspik um Gelee, hier zeigt sich, wer kämpfen kann, – hurra – hier zeigt sich, wer kämpfen kann.

Da blitzen die Messer, da prallt das Geschirr mit elementarer Wucht auf Köpfe und Leiber und aus dem Gewirr versucht ein Kellner die Flucht. Ein paar Veteranen im Hintergrund tragen Narben auf Hand und Gesicht quer über die Nase und rings um den Mund, wohin halt die Gabel sticht. Ein tosendes Schmatzen erfüllet den Raum, es grunzt und es rülpst und es quiekt, fast hört man des Kellners Hilferuf kaum, der machtlos am Boden liegt, bei der heißen Schlacht am kalten Buffet, da zählt der Mann noch als Mann und Auge um Auge, Aspik um Gelee, hier zeigt sich, wer kämpfen kann, – hurra – hier zeigt sich, wer kämpfen kann.

Da braust es noch einmal wie ein Orkan, ein Recke mit Übergewicht wirft sich aufs Buffet im Größenwahn, worauf es donnernd zerbricht. Nur leises Verdauen dringt noch an das Ohr, das Schlachtfeld wird nach und nach still, unter Trümmern sieht angstvoll ein Kellner hervor, der längst nicht mehr fliehen will. Eine Dame träumt lächelnd vom Heldentod, gebettet in Kaviar und Sekt, derweil sie, was übrigzubleiben droht, blitzschnell in die Handtasche steckt. Das war die Schlacht am kalten Buffet, von fern tönt das Rückzugsignal. Viel Feind, viel Ehr und viel Frikassee, na denn: Prost, bis zum nächsten Mal, – hurra – na denn: Prost, bis zum nächsten Mal.

Das war die Schlacht am kalten Buffet und von dem vereinnahmten Geld geh′n zehn Prozent, welch noble Idee, als Spende an Brot für die Welt, – hurra – als Spende an Brot für die Welt. Songwriter: Reinhard Mey Lyrics


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Margot Bintig

Die heiße Schlacht am kalten Büfett

Während meiner Berufstätigkeit bin ich mit sehr unterschiedlichen Menschen und deren Eigenheiten zusammengekommen. Durch meinen Umzug vom Süden in den Norden des Landes konnte ich ganz besonders die MentalitätsunterschiedeLesen Sie auch meine Geschichte: Kulturschock, nach dem Umzug vom Süden in den Norden Deutschlands lernte ich die Mentalitätsunterschiede kennen.[Klick ...] zwischen den verschiedenen Landesteilen Deutschlands feststellen.

Doch nicht nur regional, sondern auch zwischen den verschiedenen Branchen konnte ich unterschiedliche Verhaltensmuster erkennen.

Durch meine Tätigkeit im Personalwesen, heute inhuman Human Resources (HR) genannt, was übersetzt menschlicher Rohstoff bedeutet, war es mir möglich, bei größeren Firmen in allen Sparten zu arbeiten. Dies habe ich häufig genutzt, um im Beruf voranzukommen.

Nachdem ich zuletzt in meinem Heimatort bei einer LederwarenfabrikLesen Sie auch meine Geschichte: Spontane Erinnerungen, mein Berufswunsch stand damals fest: Ich werde Schokoladenverkäuferin. mit über tausend Mitarbeitern beschäftigt war, in der sich jeder allein durch Leistung beweisen musste, fing ich in der neuen Heimat bei einem großen Chemiekonzern an. Hier zählten plötzlich auch Statussymbole und MarkenbewusstseinLesen Sie auch meine Geschichte: Aller Anfang ist schwer, bei einer Firma der chemischen Industrie.. Auch die Wohnanschrift des Einzelnen spielte eine große Rolle, denn sie sagte viel über den sozialen Hintergrund aus. Doch diese Oberflächlichkeiten waren nicht der Hauptgrund, warum ich nach einiger Zeit zu einem kleineren Betrieb in Hamburg wechselte, denn ich bevorzugte kleinere Firmen mit einer flachen Hierarchie.

Ab 1980 arbeitete ich nun für eine Raiffeisengenossenschaft. Hier lernte ich einen ganz anderen Menschenschlag kennen. Meine Kollegen und Kolleginnen waren überwiegend freundlich, aber viele erschienen mir schon damals wie aus der Zeit gefallen. Die meisten waren sehr konservativ – Männer trugen dunkle Anzüge und Krawatten und legten höchstens bei über 30 Grad mal das Jackett ab. Die Frauen bevorzugten Faltenröcke, bei Hosentragenden wurde die Nase leicht gerümpft.

Eine Kollegin, die mir besonders in Erinnerung blieb, pflegte das hanseatische Understatement durch Zurückhaltung und ließ doch ihre Bildung durch gewählt formulierte Sätze heraushängen. Wenn sie ein Thema als unangenehm oder gar anrüchig empfand, wechselte sie es mit dem Codewort Zuckerdöschen. Inspiriert wurde sie von Thomas Manns Roman Buddenbrooks, in dem er die Konsulin Buddenbrook dieses Codewort sagen ließ. Doch wenn der Vorstandsvorsitzende einen deftigen Witz erzählte, lachte sie am lautesten.

Das Gebäude in dem ich arbeitete, war ein altes Kontorhaus mit großen Räumen und einem imposanten Treppenhaus. Die Büros waren alle groß und zweckmäßig eingerichtet. Der Vorstandsvorsitzende hatte mehrere Räume in dem Gebäude, die jedoch vornehm und antik eingerichtet waren. Konsul Buddenbrook hätte sich hier wohlgefühlt. Moderne Technik wurde hier diskret versteckt. Es gab auch eine große Kantine, einfach eingerichtet, jedoch mit einer ausgezeichneten Küche. Hier kochte eine festangestellte Köchin mit zwei Hilfskräften.

Einmal im Jahr traf sich der gesamte Vorstand der Bauernverbände mehrerer norddeutschen Bundesländer bei uns.

Es war jedes Mal ein großer Aufstand, bis alles so hergerichtet war, damit man die erlauchten Herren empfangen konnte. Damen waren keine dabei. Die große Kantine, deren Wände einfach weiß getüncht waren, wurde mit Stoffbahnen in den Farben der teilnehmenden Bundesländer verkleidet. Darauf wurden die jeweiligen Landeswappen befestigt. Unsere Kantinentische und Stühle wurden ausgeräumt und durch edles Mobiliar ersetzt. Ein Luxus-Büfett aus einem der besten Hotels Hamburgs wurde bestellt.

Am Vortag des Ereignisses bekamen alle Mitarbeiter die Anweisung, dass keiner am nächsten Tag auf dem firmeneigenen Parkplatz sein Auto abstellen dürfe. Wir mussten uns alle einen Parkplatz auf der Straße suchen. Den neuen Mitarbeitern wurde unter der Hand zugeflüstert, dass sie Frischhaltedosen mitbringen sollten, denn vom Büfett würde noch eine Menge übrigbleiben. Es sollte sogar Kaviar satt geben.

An nächsten Morgen beobachtete ich das Schauspiel. Etliche große schwarze Limousinen kamen angefahren. Unser Pförtner, der an diesem Tag feierlich einen schwarzen Anzug tragen musste, wies den Fahrzeugen den Parkplatz zu, je höher der Rang, umso näher am Eingang, – Graf kam vor Freiherr. Nach dem Einparken stieg der Fahrer in Livree aus, setzte seine Dienstmütze auf und öffnete seinem Chef die Tür. Die Herrschaften – im wahrsten Sinn des Wortes – gingen nun die Freitreppe hinauf in unsere festlich dekorierte Kantine. Die Fahrer hatten für die nächsten Stunden frei. Wir mussten unser Essen von zu Hause mitbringen und am Schreibtisch essen.

Nach dem Ende der Sitzung konnten wir Angestellten das restliche Büfett plündern. Ich hatte aufgrund des Ratschlags vom Vortag ein paar Plastikdosen mitgebracht. Doch als ich die Kantine betrat und das Büfett sah, war ich entsetzt. Es war noch sehr viel übriggeblieben, doch ich habe selten so etwas Unappetitliches gesehen. Es sah aus, als wäre eine Horde Barbaren darüber hergefallen. Jede vorher liebevoll dekorierte Platte war durcheinander gematscht, vieles war verkleckert oder auf dem Boden gelandet. In der halbvollen Kaviarschale, die auf Eis stand, lag die Dekoration von anderen Platten. Mir kam der Verdacht, dass die teuren Lebensmittel mit Absicht unbrauchbar gemacht wurden.

Ich habe meine Kunststoffdosen wieder leer mit nach Hause gebracht und in den Folgejahren nicht wieder an der Resteverteilung teilgenommen.

Nach ein paar Jahren habe ich erneut die Firma gewechselt. Auch hier musste ich mich wieder auf einen ganz anderen Menschenschlag einstellen. Hier waren im Angestelltenbereich außerhalb der Verwaltung hauptsächlich Ingenieure und im handwerklichen Bereich Monteure, die weltweit zum Einsatz kamen, beschäftigt. Die Monteure kamen vom Maschinenbau und aus der Schifffahrt.

Hier herrschte ein klarer und schnörkelloser Ton. Es war eine große Umstellung für mich, doch ich habe mich bald eingewöhnt. Frau Zuckerdöschen hätte hier keine Chance gehabt.

Während meines ersten Jahres in dieser Firma hatte ein Monteur sein vierzigjähriges Betriebsjubiläum. Das wollte er mit allen feiern und bestellte ein großes kaltes Büfett, das wieder in der Betriebskantine aufgebaut wurde. Doch dieses Mal ohne große Umgestaltung des Raumes, doch auch mit erlesenen Delikatessen. Die Firma hatte die Kosten übernommen, denn vierzig Jahre Betriebstreue ist nicht alltäglich.

Einige Kollegen brachten auch wieder Plastikdosen für die Reste mit. Ich wollte jedoch keine Abfälle mehr vom Büfett mit nach Hause nehmen und verzichtete auf Behälter zum Einpacken.

Zu meiner Überraschung bediente sich jeder am Büfett so, dass auch der Nächste noch mit Appetit auswählen konnte. Es war wie immer mehr als genug bestellt worden, doch die Überreste sahen noch so gut aus, dass es schade gewesen wäre, sie verkommen zu lassen. Meine neuen Kollegen waren schlauer als ich und nahmen sich die leckeren Delikatessen mit. Schade, ich ging dieses Mal leer aus, da ich einfache Arbeiter mit der damaligen sogenannten feinen Gesellschaft über einen Kamm geschoren hatte.

Ich blieb bei dieser Firma noch fast 25 Jahre, bis zu meinem Renteneintritt. Und obwohl ich viele verschiedene Menschen und Eigenarten kennengelernt habe, bleiben mir die heißen Schlachten an den verschiedenen kalten Büfetts im Gedächtnis.


  • Autorin: Margot Bintig, im August 2024
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