Der kleine braune Krug
Auf Reisen habe ich gerne Erinnerungsstücke gekauft, am liebsten kleine Krüge. Sie stammen aus Polen, vom Rhein, von der Mosel, aus Frankreich oder von Flohmärkten. Es sind keine Wertgegenstände, einfach kleine Andenken. Nur ein Krug hat eine Geschichte:
Vor etwa 70 Jahren begann ich meine Lehre in Hamburg in der Brandstwiete. Auf dem Weg dorthin kam ich an einem Kunstgewerbeladen vorbei. Im Schaufenster stand ein kleiner handgearbeiteter Krug, dunkelbraun mit einem hellen Rand. Er kostete eine Mark und zehn Pfennige. So viel Geld hatte ich nicht, aber ich wollte ihn meiner Mutter schenken, von meinem ersten, selbst verdienten Geld. Jeden Tag sah ich nach, ob der kleine Krug noch im Fenster stand. Ich hatte Glück, niemand hat sich für den Krug interessiert. Und als ich endlich mein erstes Lehrlingsgehalt bekam – damals in bar –, kaufte ich ihn und überraschte Mutti mit meinem Geschenk. Mutti hat sich sehr gefreut über die kleine Gabe, sie wusste, wie sparsam ich mit Geld umgehen musste.
Viele Umzüge hat der Krug überstanden. Das zeigt mir, dass Mutti ihn geschätzt hat, er stand immer im Glasschrank. Seit einigen Jahren steht er nun bei mir und erinnert mich an mein erstes Lehrlingsgehalt und ganz besonders an meine Mutter, der ich damit eine Freude machen konnte.


