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1949 bis 1989 - 40 Jahre DDR

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Leben in der DDR — 40 Jahre Diktatur
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Diesen Artikel können Sie sich auch von Suzanna M. Farkas vorlesen lassen. Steuern Sie die Wiedergabefunktion mit den Bedienelementen des Players.

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Intershop in BerlinIntershop auf einem U-Bahnsteig des Bahnhofs Berlin Friedrichstraße, nur von West-Berlin aus zugänglich – Foto: Kyle JeanMichelle [Public domain], via Wikimedia Commons Einkaufscheck für IntershoplädenForumscheck, Einkaufscheck über eine DM – [Public domain], via Wikimedia Commons Intershop-RechnungsformularIntershop-Rechnungsformular – By Stefan Kühn [CC0], via Wikimedia Commons Intershop an der TransitautobahnIntershop und Wechselstelle an der Transitautobahn, Bundesarchiv / B 145 Bild-00165386 / CC-BY-SA, via Wikimedia Commons

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Intershop
oder:
Wunsch nach einem roten Lolli

In der DDR gab es wahrlich keine große Auswahl an Läden. Wollte man Lebensmittel kaufen, ging man in die geordnete Kaufhalle. Suchte man Bekleidung, ging man ins überschaubare Kaufhaus. Einige privilegierte Bewohner der DDR hatten aber das große Glück, dass sie von ihren Verwandten aus der BRDBRD für Bundesrepublik Deutschland - der Teil Deutschlands im kapitalistischen Westen oder Gott weiß woher, Westgeld zur Verfügung hatten. Einige mehr, andere weniger. Je nachdem.

Dieses Geld wurde dann vom Staat einkassiert und in neutrale Papierscheine, die eher irgendwelchem Spielgeld glichen, umgetauscht. Wichtig ist es vielleicht noch zu wissen, dass es so etwas wie Kleingeld nicht gab. Wer also beim Einkauf nicht gut rechnen konnte und Ware im Wert von zum Beispiel 18 Mark und 40 Pfennig gekauft hatte, verschenkte entweder die restlichen eine Mark 60 Pfennig, oder kaufte an der Kasse schnell noch Kleinigkeiten, die den Einkaufswert dann auf genau 20 Mark steigen ließ. Nun, mit diesen Geldscheinen und ohne Kleingeld konnten dann die Menschen in den sogenannten Intershop-Läden einkaufen gehen. Der Intershop war ein Laden, in dem es Ware aus dem Westen gab. Hier wimmelte es nur so von Westschokolade, Kaugummis, Waschpulver, Konserven, Bekleidung, Schuhen und allem, was es sonst in der DDR gar nicht, oder in dieser Form und Auswahl nicht gab. Ich selbst mochte diese bunten Läden, denn in der Luft lag immer ein Duft von feinem Weichspüler und Seife. Es roch in allen dieser Läden verführerisch nach Sauberkeit und Wohlstand.

Intershop-Läden gab es nicht viele, aber es gab sie und einer davon befand sich in Karl-Marx-Stadt genau auf dem großen Platz, auf dem sich auch das Opernhaus befand. Dank der Tätigkeit meiner Eltern verbrachte ich einen Großteil meines Lebens im Opernhaus und hatte es deshalb auch nicht weit bis zum duftenden Laden, dem Intershop. Da wir selbst aber kein Westgeld besaßen, konnte ich mir in diesem Duftpalast auch nichts kaufen. Aber was ich konnte, war die Leute beim Einkauf zu beobachten und zu hoffen. Zu hoffen, dass sich einer der Käufer meiner erbarmt und mich fragt, ob ich denn auch etwas haben will. Es gab ja kein Kleingeld und fast jeder musste an der Kasse noch dies und das kaufen. Somit standen meine Chancen gar nicht so schlecht. Dachte ich.

Einmal stand ich mehrere Stunden dort. Und zwar direkt an der Kasse, sodass jeder, der bezahlen musste, auch an mir vorbei musste. Nein, ich habe nicht gebettelt. Aber fast. Denn ich fixierte, gleich einem bettelnden Hund, der nur seine Leckerlis im Visier hat, die roten Lollis, die neben der Kasse standen. 10 Pfennig! 10 Pfennig haben sie nur gekostet und ich war mir sicher, dass einer der Käufer mich fragen wird und mir für das bisschen Geld so einen Lutscher kauft. Ich musste nur lange genug warten können. Und das habe ich auch getan.

Gewartet und fixiert. Eigentlich hätte jeder Blinde sehen können, warum ich da stand. Doch diese Käufer waren mehr als blind, denn es geschah einfach nichts. Keiner fragte sanft auf mich herunterblickend: Na du, warum stehst du denn hier? Keinem konnte ich dann lieb antworten: Ich möchte so gern so einen roten Lolli haben! und keiner sagte dann lächelnd: Ach, das willst du haben! Komm, ich kauf dir so einen roten Lolli.

Wie gern hätte ich dann freudestrahlend Danke gesagt. Wie gern!

Und noch lieber hätte ich vom roten Lolli das durchsichtige Papier abgemacht und dann den ausgepackten Lutscher genüsslich verzehrt. Vor meinem geistigen Auge sah ich wirklich schon alles ganz genau. Selbst meine Zunge freute sich über den süß-sauren Geschmack, mein Herz jauchzte vor Freude. Die Vorfreude war groß.

Meine Enttäuschung aber auch, denn irgendwann hielt ich das sinnlose Warten nicht mehr länger aus und ging traurig, aber klüger ins Opernhaus zurück.

Ich habe begriffen, dass die Menschen nur an sich denken. Vielleicht war es nur an diesem Nachmittag so. - Vielleicht hätte man mich an einem anderen Tag angesprochen und gefragt. - Vielleicht.

Doch es war kein anderer Nachmittag, sondern genau dieser.
Ich weiß auch nicht, ob dieser Geiz, den ich empfand, ein Wesenszug der DDR-Bürger war.

Sicherlich hatten sie selbst auch kaum etwas. Sie selbst waren froh, wenn sie mal einen anderen Geschmack im Mund haben durften. Sicherlich. Doch das Verhalten dieser Menschen, an diesem Nachmittag stimmte nicht mit dem überein, was ich zu der Zeit in der Schule über den Sozialismus lernte.

Das egoistische Denken war ein Merkmal des kapitalistischen und nicht des sozialistischen Denkens und Lebens. Im Sozialismus half man den Anderen, beutete sie nicht aus. Im Sozialismus gab man den Anderen und nahm nicht weg.
Das immer nur haben wollen war ein Merkmal des kapitalistischen Denkens. So lehrte man es uns.

Im Sozialismus wollten die Menschen nicht immer alles haben, haben, haben. Oder doch?
Sicherlich war es einfach, nichts haben zu wollen, wenn es nichts gab. Aber wie verhielten sich die Menschen, wenn es etwas gab, was man auch haben wollen konnte? Für mich war nach diesem Ereignis klar, dass auch diese Menschen geizig werden konnten, sobald es etwas gab, was sie haben wollten.

Der sozialistische Gedanke wurde vor der Eingangstür des Intershops abgelegt. Und viele Jahre später wurde er dann ganz vergessen.


  • Autorin: Suzanna M. Farkas, im Mai 2018
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