HEIMAT
Veele Lüd glövt jümmers, HEIMAT
, dat is op'n Dörp mit ne Kark in de Mitt un een groten Lindenboom, um den de Kinner danzen doot. Man de Stadt kunn dor nich mitholln mit ehrn Larm, de grote Hüüs un de Minschen, de nich mit'nanner snackt. Aber dor hett ehn Uhl seeten. Ik bün in Hamborg op de Welt kamen, also een richtige Hamborger Deern, un ik leev mine Heimatstadt un ik heff in minen wisslich nich korten Leben jümmers, wenn ik woanners wär un ik sä, dat ik ut Hamborg bün, ne gewisse Bewunnerung bi de Lüd rutsehn; nur nich in Amerika; de kunnen disse Stadt op'n Atlas gor nich finnen. Dat langte, wenn man ut Old Germany
käm. Un dor seh man de glike Bewunnerung rut. De einzige Stadt, mit de se wat anfangen kunnen, wär Heidelberg un viellicht noch Munich
(München).
As Kinner speelten wi op de Stroot Kippel, Kappel
, Messersteck
, Himmel und Erde
un veeles annere mehr. An leevsten speel ik mit annere Kinner Geschichtenball
. Wi mussen den Ball an de Hüserwand smeten un vertelln dorbi utdachte Geschichten bit de Ball rünnerfiel, denn käm de Nächste dran un vertell sine Märchen. Jedereen kenn de Speelregeln genau un se wörn ok pingelig inholln. Op de Fohrstroot speelten wi Völkerball
, un wenn alle por Stünn een Auto vorbi käm müssen wi Platz moken. Spooß harrn wi ok doran, as wi lesen un schrieben kunn, an eene Strotenkrüzung to sitten, un de Autonummern un -Marken op een Zettel to schrieven. Ik glöv nich, dat so wat de Kinner von hüt noch Spoß maken dä.
As ik tein Johr old wär, güngen wi ok mol int Kino, wovon dat veele gäv, grote un lütte, un de Lütten wärn meist an de Stroteneck mang de Wohnhüser. As Kinneer harrn wi besünners geern de Filme mit Sherly Temple, aber wi wulln ok geern mol annere sehn, de aber für Jugendliche nicht erlaubt
wärn. Een ganz besünneren Film harrn mine Kusine un ik uns utsocht: Der grüne Kaiser
mit Carola Höhn, Hilde Hildebrandt, Rene Deltgen und Gustav Diesel. Dat wär een Krimi un nich för Kinner! Wat mokt wi nu?? Mine Kusine, de noch en Johr jünger wär as ik, harr schon ehren Haarpony mit ne Spang trüchholn, un ik, um mine Zöpfe to verbargen, set mi mitten in Sommer een Kopfdook op. Een Lippenstift kunnen wi uns von unsre Modder nich geben loten wiel dat se so wat gor nich harrn, wi nähmen eenfach Buntstifte (damals noch Wachsmalstifte). De Nomeddagsvorstellung kost dörtig Penn - dat heff ik mi tosomenspoort. Wenn ik mol een Groschen för de Strotenbon bekäm, bün ik to Foot gohn, un schon harr ik een Groschen öber. Wi beiden Deerns stellen uns mang de Schlange för de Kasss un harrn bannig veel Bammel in de Büx, dat wi nich rinkämen. Un - wat schull ik seggen - dat güng allens klor un mit hochrode Köpp slichen wi uns, as de Film to Enn wär, wedder rut un ik kann gor nich mehr erinnern wat opregender wär: De Film oder dat wi rinkamen wärn.
In September op een Freidag käm min Modder mit Entsetzen in de Oogen in uns Kinnerzimmer un sä: Kinder es ist Krieg
. Ik funn dat gor nich so tragisch wie min Modder dat moken dä, denn opn Stutz veränner sik ja nix un wi mussen wedder wie jümmers no School. Wenn ik wussen hätt, wat dorbi rutkäm, harr ik wahrschinlich nich so dacht, wieldat de Krieg slimmer wör, as se den ersten Weltkrieg belevt hätt. Eers as de Bomben runnerkämen mark ik, dat dat keen Speelerei wär un ik bi den ersten Alarmton bibbernd bi mnin öllern ant Bett stunn un in Luftschutzkeller wull.
Wie dat Enn wär, weet jedereen un ik kann ok nich begriepen, dat jümers noch so veele Kriege in de Welt sind.
HEIMAT
Viele Leute glauben immer, HEIMAT
, das ist auf dem Dorf mit einer Kirche in der Mitte und einem großen Lindenbaum, um den die Kinder herumtanzen. Die Stadt kann da nicht mithalten mit ihrem Lärm, den großen Häusern und den Menschen, die nicht miteinander sprechen. Aber Pustekuchen! Ich wurde in Hamburg geboren, bin also eine richtige Hamburger Deern, wie man hier sagt, und ich liebe meine Heimatstadt. In meinem gewiss nicht kurzen Leben habe ich immer, wenn ich woanders war und gesagt habe, dass ich aus Hamburg komme, eine gewisse Bewunderung bei den Leuten gespürt; nur nicht in Amerika; die konnten die Stadt nicht im Atlas finden. Dort reichte es, wenn man aus Old Germany
kam. Das löste bei ihnen die gleiche Bewunderung aus. Die einzige Stadt, mit der sie was anfangen konnten, war Heidelberg und vielleicht noch Munich
(München).
Als Kinder spielten wir auf der Straße Kippel-Kabbel
, Messersteck
, Himmel und Erde
und vieles andere mehr. Am liebsten spielte ich mit anderen Kindern Geschichtenball
. Dabei warfen wir einen Ball immer wieder an eine Häuserwand und erzählten dazu so lange ausgedachte Geschichten, bis der Ball nicht gefangen wurde und runterfiel. Dann kam die nächste dran und erzählte ihre Märchen. Alle Kinder kannten die Spielregeln und beachteten sie gewissenhaft. Auf der Fahrstraße spielten wir Völkerball
, nur wenn alle paar Stunden ein Auto vorbeikam, mussten wir Platz machen. Als wir lesen und schreiben konnten, hatten wir Spaß daran, an einer Straßenkreuzung zu sitzen und die Autonummern und -Marken auf einen Zettel zu schreiben. Ich glaube nicht, dass so etwas heute noch Kindern Spaß macht.
Als ich zehn Jahre alt war, gingen wir auch mal ins Kino, es gab viele davon, große und kleine, die kleinen waren meistens an einer Straßenecke zwischen den Wohnhäusern. Als Kinder hatten wir besonders gerne die Filme mit Sherly Temple, aber wir wollten auch gerne mal andere sehen, die aber für Jugendliche nicht erlaubt
waren. Einen ganz besonderen Film haben meine Cousine und ich uns ausgesucht: Der grüne Kaiser
mit Carola Höhn, Hilde Hildebrandt, Rene Deltgen und Gustav Diesel. Das war aber ein Kriminalfilm und nicht für Kinder! Was nun? Meine Cousine, noch ein Jahr jünger als ich, hatte ihren Haarpony nach hinten mit einer Spange festgemacht, und ich, um meine Zöpfe zu verbergen, setzte mir mitten im Sommer ein Kopftuch auf. Einen Lippenstift konnten wir uns von unserer Mutter nicht geben lassen, weil sie gar keinen hatte, wir nahmen einfach unsere Buntstifte, damals noch Wachsmalstifte zum Schminken. Die Nachmittagsvorstellung kostete dreißig Pfennige, die hatte ich mir zusammengespart. Wann immer ich mal einen Groschen für die Straßenbahn bekam, bin ich zu Fuß gegangen und schon hatte ich einen Groschen über. Wir beiden Mädchen stellten uns also in die Schlange vor der Kasse und hatten mächtig Fracksausen
, dass man uns nicht reinlässt. Und, was soll ich sagen, es ging alles gut. Mit hochroten Köpfen schlichen wir uns, als der Film zu Ende war, wieder raus und ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was aufregender war: Der Film oder wie wir hereingekommen sind.
Im September, auf einen Freitag, kommt meine Mutter mit Entsetzen in den Augen in unser Kinderzimmer und sagt Kinder, es ist Krieg
. Ich fand das gar nicht so tragisch wie meine Mutter, denn von jetzt auf gleich veränderte sich ja nichts und wir müssen wie immer zur Schule. Wenn ich damals gewusst hätte, wie das ausgeht, hätte ich wahrscheinlich nicht so gedacht, weil dieser Krieg viel schlimmer war, als meine Mutter den Ersten Weltkrieg erlebt hat. Erst als die Bomben fielen merke ich, dass das keine Spielerei mehr ist und ich stand beim ersten Alarmton mit schlotternden Knien bei meinen Eltern am Bett und wollte in den Luftschutzbunker.
Wie der Krieg zu Ende ging, weiß heute jeder und ich kann nicht verstehen, dass es immer noch so viele Kriege in der Welt gibt.
Randglosse:
Kibbel Kabbel:
Auf der Erde wurde eine Rille ausgehoben, dann wurde ein Stück Holz (ungefähr zehn Zentimeter lang) an den Enden angespitzt und quer über die Rille gelegt. Mit einem längeren Stock hat man versucht den kleineren in die Höhe zu schleudern. Eventuell konnte der andere Spieler den Kleinen auffangen, dann kam derjenige dran, wenn nicht, wurde der angespitzte Stock mit dem größeren so weit wie möglich weg geschleudert. Dann zählte man die Schritte bis zur Ausgangsrille ab und so viele Punkte bekam man.
Messersteck:
Als Messer nahmen wir ein Kartoffelschälmesser oder eine Dreiecksfeile und ritzten ein Rechteck auf den Erdboden. Jedes Kind bekam davon ein Feld, dann versuchte ein Mitspieler in das gegnerische Feld ein Messer zu schleudern. Und wenn es stecken blieb _ und nur dann - trennte er mit einem Strich das Teil zu seinem Feld.
Fiel das Messer um, kam der Nächste dran. Bis einem der Kinder das ganze Land gestohlen war
.
Himmel und Hölle:
Es wurde ein Rechteck mit etlichen Feldern auf die Erde gemalt und dann versuchte man, mit den verschiedensten Fußstellungen jedes Feld mit einem Hüpfsprung zu berühren.