Der verschwundene Kuchen
Mein lieber Mann spielt gerne Skat, und so hat er in unserer Nachbarschaft seit einigen Jahren eine Runde gefunden, die sich alle vier Wochen reihum zusammenfindet, um diesem Denksport zu frönen. Die jeweilige Ehefrau ist an diesem besonderen Abend dann dafür zuständig, für das leibliche Wohl der Männerrunde zu sorgen. Vier gestandene Männer treffen sich an diesem Abend um 19 Uhr, um zuerst etwas Leckeres zu essen, anschließend ein wenig die neuesten Neuigkeiten auszutauschen, und danach wird es Ernst. Vier Herren konzentrieren sich mächtig zum Grand, zum Nullspiel, Ramsch, Kontra und Re, und es geht manchmal hoch her.
Als Einsatz gibt jeder Spieler im Durchschnitt 5 €uro, gestaffelt nach den erreichten Plätzen. Mit den auf diese Weise pro Abend eingespielten 20 €uro wird dann einmal im Jahr zusammen mit uns Ehefrauen ein Ausflug gemacht, ein Theater aufgesucht oder auch in ein Restaurant eingeladen. So werden wir Frauen für unsere Bemühungen belohnt, die wir bei den Essenszubereitungen an den Herrenabenden auf uns genommen hatten. Natürlich kann man nur zu dritt Skat spielen, das ist ja allgemein bekannt, aber bei vier begeisterten Kartenspielern muss einer der Herren dann eben ein Spiel warten, bis er beim nächsten Austeilen der Karten zu seinem Einsatz kommt.
An einem dieser Abende hatte ich für die Skatmänner eine leckere Gulaschsuppe gekocht, und es gab Brot dazu und zum Nachtisch Eis mit Sahne. Mein Mann servierte seinen Mitstreitern die Suppe, alles war in Ordnung, und so zog ich mich langsam zurück, da sich der Abend wie üblich bis kurz vor Mitternacht ausdehnen würde.
Am folgenden Tag hatten wir Besuch eingeladen von einigen Verwandten, und so hatte ich den Nachmittag dazu genutzt, um auch noch gleichzeitig einen Schokoladen-Topfkuchen zu backen.
Am nächsten Morgen fand ich die Küche recht aufgeräumt wieder, die Suppenteller waren ordentlich in der Geschirrspülmaschine verstaut, und mein Mann hatte die Spuren der Nacht, die obligatorischen Erfrischungsgetränke samt Gläsern, fortgeräumt. Ich wollte nun eigentlich den Verwandtenbesuch vorbereiten und erinnerte mich an den Kuchen für die Nachmittagsgesellschaft. Nur, wo hatte ich ihn hingestellt, denn ich konnte ihn bei allem Eifer nirgends finden und zweifelte allmählich an meinem Verstand. Hatte ich ihn nicht gebacken oder wollte ich ihn erst backen? Ich fand keine einzige Spur, die mir klarmachte, welche Vorbereitungen ich am Vortage getroffen hatte. Die Backform lag ordentlich und sauber im Schrank und nichts deutete darauf hin, dass ich den Kuchen gebacken hatte.
Letztendlich sorgte aber mein Mann doch für die Auflösung dieses für mich so seltsamen Geschehens. Nach dem Abendessen und einem erfolgreichen Skatabend bekamen die vier Männer angesichts des Kuchens in der Küche doch noch einmal Appetit, und so kannten sie keine Hemmungen, den Kuchen gemeinsam zu verputzen. Sie kamen dann auf die Idee, alle Spuren zu beseitigen, was ihnen auch exzellent gelungen war und mich an meinem Verstand zweifeln ließ. Für den Verwandtenbesuch haben wir beim Bäcker Ersatz gekauft, denn zum Backen fehlten mir an diesem Tag die Lust und auch die Zeit.
Anmerken möchte ich noch, dass mir heutzutage eine solche Überraschung nicht mehr passieren würde, denn die immer noch Skat-Begeisterten sind inzwischen in die Jahre gekommen
und achten nun alle sehr auf ihre Figur. Eine Extraportion Kuchen gegen Mitternacht wird daher rigoros abgelehnt.