Ab in die Heide
Am Sonntag, den 20. August, um 10.15 Uhr bin ich am Hauptbahnhof in den Metronom gestiegen und Richtung Bremen losgefahren. Ich wollte in die Lüneburger Heide, wo im August die lila Erika blüht.
Ich liebe es, herumzufahren und zu wandern, es ist für mich die beste Medizin gegen Einsamkeit. Ich nehme meinen Rucksack und setze mich in den Zug, wo ich gemütlich mein Buch lese. Ich besuche an der Ostsee verschiedene Orte von Flensburg bis Rostock oder fahre zur Nordsee nach Cuxhaven oder Husum. Und natürlich in die Lüneburger Heide, wo man Berge finden kann, die mir in Schleswig-Holstein fehlen.
In Tostedt wollte ich den Bus, der Heide-Shuttle
heißt, nehmen, um nach Undeloh zu kommen. An der Haltestelle haben sich ungefähr ein Dutzend Menschen versammelt. Und dann ist ein Taxi gekommen und der Fahrer hat uns mitgeteilt, dass der Weg nach Undeloh gesperrt ist, und der Bus fällt aus. Ich wollte den Tag nicht verlieren, bin zur Bahn gelaufen und eine Haltestelle zurückgefahren – nach Buchholz. Von dort fährt die Heidebahn, der Zug Erixx
.
In zehn Minuten kommt die Haltestelle Büsenbachtal. Von dort habe ich ein paarmal schon meine Wanderungen angefangen.
Ich hatte Nordic Walking-Stöcke mit. Im TV hat man mir versprochen, dass nur am Abend ein Schauer zu erwarten sei, aber ich habe trotzdem einen Regenschirm eingepackt, und es stand dort noch, dass Menschen mit heller Haut nicht länger, als 40 Minuten sonnenbaden dürfen, also hatte ich Sonnencreme mitgenommen. Im Rucksack waren noch Sandalen, eine Flasche Wasser, eine kleine Packung Kekse und eine Banane.
Also, ich bin losgegangen, zuerst entlang des Büsenbachs, dann führt der Weg zum Pferdekopf. Der Berg ist nicht hoch, aber von dort hat man eine wunderschöne Aussicht auf die Heide. Der Berg ist immer gut besucht, besonders am Sonntag. Die meisten Leute kommen in die Heide mit eigenen Autos, weil der öffentliche Transport viel Zeit erfordert.
Die Sonne hat sich hinter Wolken versteckt. Es hat angefangen zu tropfen, dann zu regnen. Ich bin vom Gipfel heruntergelaufen und habe mich unter einer Kiefer versteckt. Ein paar Leute versteckten sich höher, unter einer kleineren Kiefer. Es hat angefangen zu schütten, ich habe meinen Schirm aufgemacht. Als ich nach oben guckte, konnte ich die Leute kaum noch sehen, alles war weiß, so hat es gegossen. Ich stand so recht lange, der Regen ist schwächer geworden. Mit offenen Schirm in einer Hand, die Stöcke in der anderen, bin ich durch die Erika nach unten gelaufen, habe etwas wie einen Pfad gefunden. In wenigen Minuten waren meine Sneakers ganz nass und die Jeans auch. Der Schirm verträgt sich schlecht mit Stöcken, aber ich war froh, dass ich sie hatte, sie halfen mir, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ich kam zum Waldweg, aber statt zurück zur Station die drei Kilometer zu gehen, was klüger gewesen wäre, habe ich mich entschieden, meinen Plan zu erfüllen und die sieben Kilometer bis zur Station Sürup durchzuwandern. Recht blöd bei solch einem Wetter.
Die Waldwege waren furchtbar geworden – schlammig, glitschig mit riesigen Pfützen. Wenn der Regen stark war, machte ich den Schirm auf, sonst hing er am Ellenbogen und störte. So habe ich die Heide niemals erlebt, sie war immer trocken und sandig. Auf meinem Weg habe ich jetzt wenige Leute getroffen, alle Klugen sind nach Hause umgekehrt. Nach anderthalb Stunden war ich auf dem Brunsberg, dem höchsten Berg im Norden der Heide. Von dort ist eine schöne, weite Aussicht, aber jetzt war es grau und trüb. Auf der Bank dort saß ein Paar und es waren die letzten Leute auf meinem Weg.
Vom Brunsberg führt der Heidschnuckenweg Richtung Heidebahn, er ist gut markiert mit einem H
. Er führt durch die Höllenschlucht und dort hat das Zeichen nach oben gezeigt. Es hat wieder stark geregnet, ich bin auf allen Vieren hinaufgeklettert, aber oben zeigte mir das H
eine Richtung, die mir falsch vorkam. Also, bin ich nach Gefühl gegangen. Ich ging und ging und plötzlich bin ich ausgerutscht und im Matsch gelandet. Zuerst habe ich mich auf die Knie erhoben und bin dann mit Hilfe der Stöcke aufgestanden. Aber dreckig war ich – die Jeans, die weiße Jacke, der Rucksack. Und die weißen Schuhe – schwarz! Was machen? Weitergehen. Ich ging und es kam mir vor, dass ich schon eine Ewigkeit gehe. Ich dachte: Was tut man in solcher Situation? Meine Freundin hat in der Wohnung die Hüfte gebrochen. Gut, ich habe nichts gebrochen. Aber wenn? Wer kann mir hier helfen? Soll ich die Polizei per Handy anrufen und bitten, sie sollen, wie in Krimis, mein Handy orten, und sagen, ob ich in richtiger Richtung gehe? Schande! Ich gehe den Weg, irgendwohin wird er mich bringen.
Und wirklich, irgendwann wurde es vorn heller und ich überquerte einen Asphaltweg. Von dort waren noch drei Kilometer bis nach Sürup.
Mein Erixx
musste in zehn Minuten kommen. Ich setzte mich auf die Bank, fühlte, wie nass meine Hosen waren, und habe meine Sandalen mit weißen Söckchen angezogen. Den ganzen Weg nach Hause war es mir peinlich wegen meiner dreckigen Klamotten. Zuhause musste ich meine Jeans und Jacke zuerst lange spülen, bevor ich sie in die Waschmaschine steckte. Aber mit meiner Leistung war ich sehr zufrieden!
Vielleicht ist es doch gefährlich allein loszugehen weit vom Haus, wo man den Weg verlieren kann?
Aber schon am Mittwoch, den 23. August bin ich wieder nach Tostedt losgefahren. Es war ein wunderschöner sonniger Tag. Der Shuttle kam, und es war eine Überraschung für mich: der Bus war groß und voll, und hinten hatte er einen großen, breiten Anhänger, der Fahrer half, dort die Fahrräder zu lagern. In Undeloh bin ich ausgestiegen. Undeloh ist ein großes Dorf, eher ein Kurort, mit vielen kleinen Hotels, Pensionen und Gaststätten. Und viele Bauern betreiben Pferdekutschen. Mit den Kutschen fahren die Gäste nach Wilsede, einem alten Dorf, eine Sehenswürdigkeit, den man mit dem Bus nicht erreichen kann. Von dort ist es nicht weit zum Wilseder Berg, dem höchsten Berg der Heide (nur 169 m). Bei gutem Wetter kann man von dort Hamburg sehen, auf einem runden Schild findet man Zahlen, die anzeigen, wie weit es nach Hamburg, Paris, Moskau oder Peking ist.
Der Heidschnuckenweg 3 führt von Undeloh über den Wilseder Berg, nach Niederhaverbeck, den bin ich auch gegangen. Und die größte Sehenswürdigkeit für mich war eine riesige Herde von Schafen, Heidschnucken, die einen Stau auf dem Heideweg verursachten und alle Kutschen, Radfahrer, Fußgänger mussten lange warten.
Ich rate allen, die lila Heide zu besuchen!