Mein Elternhaus: Es war einmal …
Vor einigen Tagen schickte mein Bruder Harro mir ein Foto… und so sieht es heute aus aufs Handy von unserem Elternhaus in Bad Oldesloe. Als wir fortzogen, war er sieben, mein Bruder Günther elf und ich 13 Jahre alt – es ist lange her und doch hat es uns oft in unsere
Straße gezogen, wenn wir aus irgendeinem Grund in der Nähe waren. Auch mit unserer Mutter habe ich einige Male davor gestanden, es hat Erinnerungen geweckt und mich inspiriert, über unsere Kindheit in Oldesloe zu schreiben. Nun stand es da, unser Haus
, mit großen toten Augen.
Was war passiert? Die Leute, die es damals – vor über 60 Jahren – von unserem Vater gekauft hatten, lebten wohl nicht mehr. Vor einigen Jahren hatten sie mich hineingebeten, als ich vor dem Haus stand. Es hatte sich sehr verändert – nicht nur von außen, auch von innen.
Das neue Foto machte mich neugierig. Ich fuhr nach Oldesloe, um meine Cousine zu besuchen. Das war eine Gelegenheit, nach dem Haus zu sehen. Traurig sah unser Haus
mich an – hier war kein Leben mehr. Ich träumte mich zurück:
Hier hatten wir unsere Kindheit verbracht, Oma und Opa wohnten mit im Haus. In Kriegsnächten haben wir im Keller geschlafen. Geburtstage haben wir hier gefeiert, waren mit Cousinen und Cousins durchs Haus getobt. An der Südseite des Hauses wuchs ein Pfirsichbaum mit herrlich süßen Früchten. Umrandet war der Vorgarten mit einer wunderschönen Blaukissenkante. Viele Jahre habe ich versucht, eine in meinem Garten anzulegen, sie ist nie so schön geworden.
Ich wollte wissen, wie es hinter dem Haus aussieht. Der Weg zum Hühnerstall war noch so krumpelig uneben wie früher. Im Winter hatten wir ihn zur Rodelbahn gemacht – sehr zum Kummer unserer Mutter. Der Hühnerstall steht noch, aber es gibt keinen Auslauf mehr. Hier haben Hühner, Tauben und Kaninchen gelebt und sogar mal ein Schwein.
Der Apfelbaum hängt voller roter Äpfel. Ich möchte mir einen pflücken, aber sie hängen zu hoch. Ob es noch der Herbstprinz von früher ist? Wo ist der Pflaumenbaum? Wannenweise haben wir geerntet und Pflaumenmus gekocht. Ich habe gern bei der Gartenarbeit geholfen, jetzt ist der Gemüsegarten verwildert. Hier wuchsen damals Erbsen, Bohnen, Erdbeeren, Johannisbeeren, Sauerampfer, Spinat usw., nach dem Krieg sogar Tabak zum Tauschen gegen Lebensmittel. Nun gedeiht hier nur noch Unkraut.
Langsam gehe ich zu meinem Auto, packe die Erinnerungen ein und fahre zu meiner Cousine.
Werde ich beim nächsten Besuch noch einmal durch unsere
Straße fahren? Ich weiß es nicht. Mein Bruder Günther sagte: Ich guck mir das nicht an, es ist doch schon lange nicht mehr
unser Elternhaus
. Es war einmal …