Über Extrasensen und Weltraum Energie
1978 fand im Kaukasus in den Bergen ein Symposium für Biokybernetik statt.
Ich habe solche Workshops sehr gern gehabt. Sie wurden in der Regel in Pensionen durchgeführt, an interessanten Orten, manchmal war Skifahren dabei, wenn es im Winter passierte. Und außerdem konnte man alle täglichen Sorgen und den Haushalt für ein paar Tage in Moskau lassen, sich ausruhen. Neue Menschen kennen lernen, Neuigkeiten aus der Branche erfahren, interessante Fragen besprechen, und am Abend noch Partys genießen. Die Symposien für Biokybernetik unterschieden sich noch dadurch, dass das Publikum dort sehr bunt war. Es kamen immer Personen, die sich mit allen Arten nicht-traditioneller Medizin beschäftigten, mit Telepathie, mit sonderbaren Erscheinungen, und ExtrasensenMenschen mit außergewöhnlicher Sinneswahrnehmung, die mit Energie aus dem Weltall heilten und andere Wunder herstellen konnten.
Natürlich haben sie keine Vorträge gehalten und durften nicht in Werken auftreten, aber bei den abendlichen Diskussionen war es manchmal möglich, Sätze wie Nun, ich habe ihm ein paar schwarze Bälle in die Leber geschickt
und Spekulationen über Informationsspuren im Raum zu hören. Diese Leute wurden von der offiziellen Medizin kategorisch abgelehnt, von den Physikern auch, und die Biokybernetik war eine neue Wissenschaft, sie hatte keinen strengen Rahmen, und die Leute wollten sehr gern in der Wissenschaft mitspielen.
Auf diesem Symposium habe ich Klara Borisovna kennen gelernt. Sie kam aus Sotschi und hat sich mit Akupunktur beschäftigt. Akupunktur war damals von der offiziellen Medizin nicht anerkannt und sie war als Physiotherapeutin angestellt, aber im Bereich Akupunktur bekannt. Nach Sotschi kamen reiche Männer mit der Hoffnung, dass Klara ihnen die Potenz wiederherstellen wird, denn Viagra gab es damals noch nicht. Klara erzählte, dass ein berühmter Dirigent mehrmals zu ihr kam und ihr dann einen Heiratsantrag machte, aber sie wollte ihre Freiheit nicht verlieren. Und jetzt bereute sie es, weil er schon verstorben ist, denn sie wäre jetzt eine reiche Witwe und hätte in Moskau gelebt.
Zwei Jahre später kam Klara geschäftlich nach Moskau und ist in unser Labor gekommen. Sie wollte gern ihren Artikel in unserem Sammelwerk sehen, aber dabei konnte ich nicht helfen, ihr Thema passte nicht. Klara hat mir angeboten, mit ihr zusammen ein Labor für nicht-traditionelle Medizin zu besuchen.
Damals wurde in Moskau viel über UFOs und Aliens spekuliert, im Umlauf waren Dokus über philippinische Magier, die aus dem Bauch des Patienten mit bloßen Händen eine Niere herausnahmen, so, dass keine Narbe blieb. Ich war materialistisch erzogen und ausgebildet und habe alle solche Sachen kategorisch abgelehnt. Aber es wäre doch interessant gewesen, so bin ich am Abend mit Klara mitgegangen. Ich wusste gar nicht, dass es in Moskau ein Institut für Radioelektronik auf freiwilliger Basis gab, das unter seiner Schirmherrschaft verschiedene Labore hatte.
Von der U-Bahn war es nicht weit, wir kamen zu einem hölzernen Haus, zwei Etagen hoch. Was mich gewundert hat, war die strenge Kontrolle am Eingang. Klara zeigte ihren Ausweis, sagte, sie sei aus Sotschi und beschäftigt sich mit Akupunktur und ich bin Ingenieurin und helfe ihr, und wir wollen ins Labor der Heilerin Musa (den Nachnamen habe ich vergessen). Wissenschaftler aus Moskau und Journalisten waren wegen ihrer Kritik hier unerwünscht und wurden nicht hereingelassen.
Im Zimmer, wo Musa herrschte, waren noch etwa zehn Personen, ihre Schüler und Kollegen. Wir haben uns vorgestellt und Klara bat uns zu zeigen, was Musa so kann. Zuerst hat Musa ihr die Diagnose gestellt. Sie führte ihre Hände um Klara und sagte, dass Klara eine sehr starke Aura und ein starkes drittes Auge habe. Alle Anwesenden bestätigten, dass sie die Aura sehen könnten, manche sahen sie grün, manche braun. Die Aura ist OK, aber die Leber… Klara sagte, sie hat wirklich jetzt Probleme mit der Leber wegen des schlechten Essens in der Kantine. Ein Mann hat geschrien: Ich habe ihre Leber gefühlt, als sie noch auf der Treppe war!
Musa sagte, sie wird gleich die Leber therapieren.
Klara setzte sich auf den Tisch, die Stiefel hat sie nicht ausgezogen. Musa fing an, ihre Hände so um Klaras Fersen zu bewegen, als ob sie aus der Flasche einen Korken zieht. Gleich wird es ihnen besser gehen
, sagte sie, und Klara bestätigte es. Dann hat Musa einen Ring an einer Schnur genommen und hat ihn wie ein Pendel über Klaras Handgelenk bewegt. Damit konnte sie die Werte des Blutdrucks, des Pulses und das spezifische Gewicht des Urins feststellen. Den Blutdruck fand sie zu hoch, sagte, sie wird es gleich reparieren, machte wieder Bewegungen mit den Händen, und nahm wieder den Ring, dann sagte sie ihr, dass der Blutdruck jetzt 140 zu 80 ist, also beinahe normal.
Musa sagte auch, dass Klara SkolioseEine Skoliose (deutsch Krümmung
) ist eine Seitabweichung der Wirbelsäule von der Längsachse mit Rotation (Verdrehung) der Wirbel um die Längsachse und Torsion der Wirbelkörper – begleitet von strukturellen Verformungen der Wirbelkörper. (Wikipedia) und OsteoсhondroseDie Osteochondrose oder Osteochondrosis (inter)vertebralis (vertebra
= Wirbel) ist eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule. Betroffen sind der Knochen (osteo
) der Wirbelkörper und der Knorpel (chondro
) der Bandscheiben. (Wikipedia) hat und dass sie wahrscheinlich Schmerzen fühlt. Klara bestätigte, dass sie nach einem Arbeitstag Schmerzen im Rücken und den Händen hat. Musa sagte, es tut ihr leid, dass Klara nicht in Moskau lebt, sonst hätte sie sie geheilt.
Dann haben sie sich gegenseitige Komplimente gemacht, Klara nannte Musa eine Zauberin, und Musa sagte, dass Klara mit ihrer Aura und der Akupunktur echte Wunder erreichen kann. Beide waren miteinander sehr zufrieden.
Dann war ich an der Reihe. Es hat sich herausgestellt, dass meine Aura sehr schwach sei und das dritte AugeDas Dritte Auge, auch bekannt unter dem Ausdruck Inneres Auge
, ist eine mystisch-esoterische Begrifflichkeit. Damit ist ein vermeintlich unsichtbares Auge gemeint, das eine Wahrnehmung haben soll, die über das normale Sehen hinausgeht. In gewissen Dharma-bezogenen spirituellen Traditionen, wie z.B. dem Hinduismus, wird das Dritte Auge auch Stirnchakra oder Ajna Chakra genannt. In der Theosophie wird es mit der Zirbeldrüse gleichgesetzt. Das Dritte Auge steht auch für die Pforte, durch welche man in innere Welten und in Räume höheren Bewusstseins eintreten kann. sich überhaupt nicht anfühlt und ich für die nicht-traditionelle Medizin uninteressant sei. Aber vielleicht hat Musa in meinen Augen Skepsis bemerkt. Übrigens, könnte ich der Klara auch die Diagnose stellen: Eine nicht mehr junge Dame, mit Übergewicht, der Rücken und die Haltung lassen zu wünschen übrig, das Weiße des Auges gelblich – da braucht man gar kein Extrasense zu sein.
Dann hat Musa uns in ein anderes Labor geführt, wo die Diagnose mit Hilfe einer Fotografie gestellt wurde. Die Fotografie konnte auch erzählen, ob der Mensch noch am Leben ist. Dann gingen wir noch zu einer Dame, die ihre Fachbehandlung über große Distanzen machte. Sie erzählte, dass sie eine herzkranke Patientin in Murmansk hat. Wenn die Frau einen Anfall bekommt, ruft ihre Tochter an, und die Heilerin schickt ihr einen Energieimpuls, dann geht der Anfall vorbei.
Also, der Abend war gelungen, für mich war es recht amüsant.
Nach ein paar Tagen hat Klara angerufen, um sich zu verabschieden. Ich fragte, wie es ihrer Leber geht. Ach, schlimm. Schon am Abend kamen wieder die Schmerzen. Zu Hause mach ich eine Diät
. Über Musa hatte ich nicht nachgefragt.
Aber ich war so erstaunt über das, was ich an dem Abend sah, dass ich in unserem Labor vor einem interessierten Publikum, größtenteils weiblich, meine Eindrücke mitzuteilen begann. Ich erzählte, dass Musa bei mir eine starke Aura gefunden habe und dass ich auch vieles kann. Ich nahm einen Ring an einer Schnur und begann meinen Kolleginnen den Blutdruck zu messen. Unserer Sekretärin sagte ich, dass sie 140 zu 90 hatte und sie staunte nur, wie richtig es sei. Eine andere Kollegin beklagte sich über Kopfschmerzen, und ich begann, über ihrem Kopf die Hände zu bewegen. Damen aus anderen Laboren gingen durch den Korridor, sie sahen durch die Glastür unsere Versammlung und traten fasziniert ein. Ich habe bei niemandem abgelehnt, den Druck zu messen, und wenn das Opfer Zweifel äußerte, erklärte ich das Ergebnis mit ihrer Aufregung. Selbst an dem spezifischen Gewicht des Urins zweifelte niemand, weil keiner es besser wusste. Ich konnte das Ganze nicht lange ertragen und sagte, das alles sei ein Witz. Die Damen waren sehr enttäuscht.
Nach einem Jahr sollten unsere Kollegen aus der Medizin einen Vortrag halten über die Steuerung eines künstlichen Herzens und mein Chef hat mich gebeten das anzuhören. Der Vortrag sollte im selben Institut für Radioelektronik stattfinden. Ich kam aus der U-Bahn und ging zu dem Haus. Aber ich konnte und konnte es nicht finden, es war wie von der Erde verschluckt. Es war dunkel und keiner konnte mir helfen. Ich war ganz verwirrt und kehrte zurück. Zwei Männer intelligenten Aussehens kamen mir entgegen, und auf meine Frage sagten sie, die Sitzung werde in der Nähe, im Kulturraum stattfinden und sie gehen auch dahin.
Der große Saal war voller Leute, kaum ein freier Platz war zu finden. Zuerst haben zwei Vortragende erzählt, wie man mit einer Weidenrute, die in den Händen eines Extrasensen zu vibrieren beginnt, Wasser oder Erz unter der Erde findet. Die Diskussion war sehr aktiv, Skeptiker waren nicht aufgetreten. Dann kam ein Vortrag über Informationsspuren, die jeder Gegenstand im Raum hinter sich lässt. Und damit kann man alle Erfolge der Extrasensen erklären. Im Saal entflammte eine stürmische Auseinandersetzung, das meiste Publikum kam mir ganz komisch vor. Die Luft wurde stickig, ich bekam Kopfschmerzen, erinnerte mich, dass ich noch eine Tochter habe, und ging nach Hause.
Ich bin Materialistin, halte mich von Extrasensen fern, aber vielleicht gibt es doch ein Etwas, irgend eine Weltraum-Energie, die zum Beispiel vor mir das Haus versteckt hat?