Meine Soldatenzeit 1942 bis 1945
Kapitel 1, Teil 6
Zwei silbernen Balken
In diese Zeit fiel auch mein Lazarettaufenthalt vom 10. bis zum 23. August 1943 in der Kronsforder Allee. Ruhrverdacht lautete
die Diagnose. Möglicherweise war es nur
ein schlimmer Magen- und Darmkatarrh. Kurz vor meiner Entlassung hatte ich Besuch von der Mama. Mama und Papa waren auch bei der Besichtigung (Abschlussübung) in Lübeck. Am 30. August 1943 waren wir dran.
Unsere Abschlussübung sah unter anderem einen Übergang über die Wakenitz
vor, aber ohne Brücken und Stege ‒ wir mussten schwimmen. Zusammen mit einem anderen Kameraden habe ich das auch gut
geschafft. Nur die vollgelaufenen Stiefel zogen nach unten und der Stahlhelm fiel bei jeder Schwimmbewegung ins Gesicht. Die Kameraden, die nicht ganz sicher im Schwimmen waren, bauten sich ein kleines Floß, insbesondere für die Waffen, und hielten sich beim Übergang
an diesem fest. Soweit ich mich erinnere, hatte unser Kleinster, der Rudi gewisse Schwierigkeiten
bei dieser Aktion.
Auf der anderen Uferseite angekommen, sammelten wir uns, marschierten zur Landstraße Mölln - Lübeck und stiegen dort, mit Sitzverbot in einen Bus, der uns zur Kaserne brachte. Ein Fußmarsch hätte mindestens eine Stunde gedauert. Insofern war unser Oberleutnant Dose in Ordnung. Irgendwann haben wir dann Essen gefasst und durften uns ausruhen und trocknen.
Es gab dann auch noch eine Abschlussfeier im Kasernenblock, bei der ich meine Zauberkünste in einem Leihfrack zum Besten geben durfte. Von der Ehefrau unseres Oberleutnants hatte ich mir dessen total verbogene Geländemütze
geben lassen (großes Geheimnis!) und sie abends mit großem Knall in einem Zylinder wieder erscheinen lassen. Der Knall rührte von einem Knallkörper her, wie er in Übungshandgranaten verwendet wird. Ich glaube, man war zufrieden mit mir. Im Anschluss gingen wir alle vor des Herrn Hauptmanns Wohnung, in unserer Kaserne und brachten vor der Türe ein Gute-Nacht-Ständchen. Der Herr Hauptmann öffnete die Tür und dirigierte unsere Sangeskunst im Nachthemd, umgeschnallt und Stahlhelm auf. Das war übliches Ritual. Danach ging es auch für uns ins Bett.
Am 3. September wurden wir, die mit zwei silbernen Balken
dekorierten neuen Gefreiten des Lehrganges, zur ersten Kompanie in der Meesen-Kaserne versetzt
und fungierten dort als Hilfsausbilder. Vom 6. bis 14. September lag ich dann noch einmal krank im Revier
.
Einige Zeit später, vom 21. bis 23. September 1943, hatten wir im Rahmen unserer gesamten Kompanie eine Geländeübung im Raum Schönberg/Mecklenburg. Unser R
-Haufen hatte kaum Aktivitäten, es war also stinklangweilig. Am späten Nachmittag wurden wir in Carlow einquartiert
. Wir hatten Glück (Wir
sind einige aus unserem Lehrgang, die ich namentlich aber nicht wiedergeben kann), wir wurden bei einem Bauern untergebracht und mit Kaninchenbraten und Apfelmus köstlich bewirtet.
Abends fand in der gegenüber liegenden Gastwirtschaft die Abschlussveranstaltung statt. Da habe ich ebenfalls gezaubert. Mein Koffer mit all meinen Sachen, dazu gehörte auch wieder ein Leihfrack für 25.-- RM, war rechtzeitig eingetroffen. Auch Albert Sturm, ein schon älterer und erfahrener Zaubererkollege, den ich aber leider nie direkt und persönlich kennen lernte, zauberte dort mit seinen Papierleitern und ‒palmen, die er etliche Meter in die Höhe schießen ließ. Er war natürlich viel routinierter als ich, ich glaube aber, auch gut angekommen zu sein.
Auch Walter trug etwas vor: Vom Sanitätsgefreiten Neumann
, eine Kommis-Zote, die wohl bei der Bevölkerung des Ortes, die ebenfalls eingeladen war, nicht gut ankam. Werner wurde arg getadelt und musste den Lehrgang vorzeitig verlassen. Ich habe nichts davon bemerkt, da ich in der Kabine mit dem Packen beschäftigt war, aber es sprach sich rum.
Unser Spieß in der ersten Kompanie war aus Süddeutschland, aus Hessen oder Baden, und hatte seine sprachlichen Eigenheiten, die uns sehr amüsierten. So sagte er stets die wo
, wenn er etwas sortieren wollte. Zum Beispiel: Alle, die wo keinen Stahlhelm haben, rechts raus
. Sonst war er aber sehr in Ordnung.
Im August durften wir an der Abschlussübung des Lehrganges P1
– P2
teilnehmen. Das war sehr interessant; die hatten gute Abläufe einstudiert und vorgetragen. Auf jeden Fall verging kein Tag, an dem wir keine eigenen Aktivitäten darzubieten hatten.
Während des Aufenthaltes in der ersten Kompanie fand auch eine Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten statt, im Kommis-Jargon: Schwanzparade
. Da stand ich junger Spund nun, ebenfalls splitternackt unter gestandenen Männern. Einer fiel auf, um es vorsichtig auszudrücken. Und seine Freundin, die ihn besucht hatte, wartete auf dem Flur der Kaserne. Wie sich dann herausstellte, kannte ich das Mädchen. Es war die ältere Schwester meines Schulkameraden Friedel, Anneliese, ein eigentlich nettes Mädchen. Die Familie wohnte an der Ohechaussee etwa 200 m von meinem Elternhaus entfernt.
Ein anderes Ereignis
begab sich dann am 21. Oktober 1943. Werner, Walter und ich waren mit unseren Eroberungen
auf dem Weg zur Kaserne. Es war nach 22.00 Uhr (Zapfenstreich). Das Ganze spielte sich in der Nähe des hinteren Tores ab, welches nicht dauernd kontrolliert wurde. Wir standen alle in der Nähe, um das Tor zu beobachten, um es im richtigen Moment zu übersteigen. Einer wusste aber vom anderen nichts. Nur ich, der dem am Tor am nächsten im Schutze eines Bäumchens stand, hatte die Entwicklung kommen sehen. Als Erster lief nach der Verabschiedung von seiner Flamme Walter an und überstieg flüssig das Tor, wir hatten Übung, es war nicht das erste Mal. Dann folgte Werner und dann ich. Werner hatte mich noch bemerkt, wusste aber nicht, mit wem er es zu tun haben könnte. Er rannte auf die zweite Tür ‒ also nicht unsere ‒ des Kasernenblocks zu, während ich die erste anlief. Oben auf der Stube angekommen, saßen beide da und keuchten aus vollem Halse. Da war also einer vor dem anderen weggelaufen
. So kann es kommen.