Kairo 1961-1966,
Kapitel 4
Der Tagesablauf im Schülerheim
Im Hochparterre in der Halle hing an der Wand ein tellergroßer GongSiehe Foto: Die Aufhängung stellt eine Uräusschlange (Ägyptische Kobra) dar. Das ist die Schlange, die Kleopatra vom Leben zum Tode befördert haben soll. Man kennt sie auch als alt-ägyptisches Königssymbol, z. B. auf der Stirn der Totenmaske des Tutanchamun. aus Messing[1] (Foto). Das war genau so einer wie die, die sich die Touristen in der Muski, dem überdachten Basarviertel in Alt-Kairo, kauften. Er bestimmte unseren Tagesablauf. Um 6.15 Uhr ertönte der Gong zum Wecken, denn um 7.50 Uhr begann der Schulunterricht. Für den Schulweg brauchten wir nur eine knappe Viertelstunde.
Der Unterricht ging bis 13 Uhr, und um halb zwei gongte es zum Mittagessen. Aus meiner heutigen Sicht war das Essen bestimmt ordentlich. Die Hauswirtschafterin Frau Weber hatte etwa ein Dutzend von der Jahreszeit abhängige Gerichte, die sich regelmäßig wiederholten. Alle neuen Heimschüler aßen diese Mahlzeiten gern. Aber nach einiger Zeit schmeckte uns das Essen immer gleich langweilig und wir mäkelten daran herum. Ein besonders gutes Essen gab es, wenn der Direktor der Schule, zu der das Heim gehörte, zum Kontrollbesuch kam, was aus unserer Sicht leider viel zu selten vorkam. Dann gab es auch mal statt Pudding oder einer Handvoll frischer Datteln eine Mango zum Nachtisch, die damals noch stark gelb färbte. Wehe, wenn man den Saft an die Kleidung bekam. — In den heutigen Mangos scheint dieser Farbstoff weggezüchtet worden zu sein.
Nach dem Essen hatte im Heim Ruhe zu herrschen, weil das Heimleiter-Ehepaar, das im Hochparterre links wohnte, seinen Lehrermittagsschlaf
halten wollte. Die Freizeit nutzten wir meistens, um in den Gezira Sporting Club zu gehen.
Um 16 Uhr gab es Tee mit einem Stück Kuchen zu zwei Piaster von Simonds. Das war ein kleiner Laden um die Ecke, bei dem man allerlei Schnökerkram kaufen konnte. Simonds war sozusagen unser Stammlokal
. Wir wunderten uns immer augenzwinkernd, dass Simonds nicht pleite war, wenn wir aus den dreimonatigen Sommerferien zurückkamen.
Gelegentlich kauften wir uns auch Esch FulFul (arabisch فول fūl für
auf der Straße, eine Art ägyptisches Fast Food. Das waren gekochte Dicke Bohnen mit Salat in einem Fladenbrot. Es schmeckte sehr lecker. Manchmal kauften wir uns auch ein Stück Zuckerrohr von einem der fliegenden Händler. Das kaute man so vor sich hin.Sau-
oder Favabohne
), auch Foul Medammas, Foul Medammes oder Ful Mudammas (über Feuer gekochte Bohnen
) genannt, ist ein einfaches, im gesamten arabischen Raum verbreitetes Gericht, das aus Saubohnen (auch Favabohnen oder dicke Bohnen genannt) hergestellt wird.Siehe Wikipedia.org
Von 17.00 bis 18.45 Uhr war Arbeitszeit, in der wir unsere Hausaufgaben machten. Wir konnten aber auch z. B. Briefe schreiben, jedenfalls mussten wir am Schreibtisch sitzen. Auf keinen Fall durften wir auf dem Bett liegen und lesen! Am Schreibtisch ja, aber sonst ist der Teufel los.
Um 19 Uhr gab es Abendbrot. Danach hatten wir Freizeit. Meistens erledigten wir die restlichen Schularbeiten, denn als Schüler der Oberstufe arbeitet man ja schon aufs Abitur hin. Ab 22 Uhr war Heimruhe. Wir sollten das Licht ausmachen. Aber je älter man war, desto laxer wurde diese Regel gehandhabt.
[1] Die Aufhängung stellt eine Uräusschlange (Ägyptische Kobra) dar. Das ist die Schlange, die Kleopatra vom Leben zum Tode befördert haben soll. Man kennt sie auch als alt-ägyptisches Königssymbol, z. B. auf der Stirn der Totenmaske des Tutanchamun.