Seefahrtszeiten …
Kapitel IV
Über den Äquator nach Buenos Aires
Zwei Mal ging es noch nach New Orleans, ohne das Schaukeln in den langen Atlantik-Wellen konnte ich gar nicht mehr schlafen.
Von Rotterdam ging es nun nach Buenos Aires, drei Wochen auf See, drei Wochen blauer Himmel, ruhige, langgezogene Wellen, morgens fliegende Fische an Deck, abends Bier trinken an Luke drei und der dritte Offizier, Herr Mohr, erklärt uns den Sternenhimmel. Der alte Bootsmann erzählt von seiner Segelschiffzeit.
Kann das Leben schöner sein?
Langsam nähern wir uns dem Äquator. Da an Deck und in der Maschine so ziemlich alle Arbeiten erledigt sind, ist der nächste Höhepunkt die Äquator-Taufe. Von unseren 32 Besatzungsmitgliedern sind zwölf noch nie über den Äquator gefahren. Von den tagelangen Basteleien und Besprechungen sind die Neulinge ausgeschlossen.
An Deck ist alles für die Taufe vorbereitet, ein Wasserbecken, der Pastor mit Pult, zwei Polizisten, der Arzt, der Barbier und natürlich Neptun und seine Frau. Als erstes werden wir in der Mannschaftsmesse eingeschlossen, die Heizungen sind voll aufgedreht und die Handräder entfernt, bei 30 Grad Außentemperatur. Nach einer halben Stunde werden wir rausgelassen und mit einem Seewasserschlauch kalt abgeduscht. Nun müssen wir durch ein Fernglas gucken, welches aus zwei zusammengebundenen Flaschen besteht, die mit Salzwasser gefüllt sind. Da man nun kaum noch sehen kann, führen einen die Polizisten zum Arzt. Hier gibt es jetzt Pillen zum Reinigen der inneren Organe, bestehend aus Pfeffer, Salz, Fischmehl und anderem Schweinkram. Nun ggeht es zum Barbier, eingeseift mit stinkendem Schaum dann weiter zu Neptuns Frau. Ihr muss man die Füße küssen, auf denen Schmierseife ist, die sie einem in den Mund haut. Als letztes ist der Pastor dran, man muss geloben, sich auf der südlichen Halbkugel anständig zu benehmen und als Ablass für seine Sünden einige Kisten Bier für die Besatzung ausgeben. Je nachdem wie die Spende ausfiel, wird man nun im Taufbecken von dem Schmutz der nördlichen Halbkugel befreit. Aber mindestens gefühlte zehn Liter Salzwasser muss man schlucken. Derweil sitzen der Kapitän und alle Offiziere auf dem Bootsdeck und amüsieren sich köstlich mit dem von uns erpressten Bier!
Der La Plata, schon weit draußen auf See, wenn noch nicht mal der Lotse an Bord ist und überhaupt kein Land in Sicht ist, verfärbt das Wasser in eine gelb-braune Brühe, obwohl es bis Buenos Aires noch 400 Kilometer entfernt ist. Nach 20 Stunden Manöverfahrt endlichen im Hafen. Der Hafen liegt mitten in der Stadt, was uns als Seeleuten natürlich sehr gefällt. Mit dem dritten Offizier gehe ich zur Deutschen Botschaft, um einige Schiffspapiere vorzulegen. Gegenüber der Botschaft ist ein Restaurant, das uns empfohlen wird. Da wir beide kein Spanisch können, machen wir es nach Art der Seeleute, Augen zu und auf ein Gericht tippen. Wir bekommen in Streifen geschnittenes Filet, in so einem Berg, wie ich es vorher und hinterher nicht noch einmal gesehen habe. Obwohl wir beide jung waren, haben wir es nicht geschafft.
Aber es kam noch besser. In Buenos Aires gab es wohl den besten Seemannspastor der Welt! Er wollte uns nicht in seine Kirche locken, sondern organisierte für uns Ausflüge. Zuerst fuhren wir mit der Bahn zum Club der ehemaligen Österreicher. Eine wunderschöne Anlage ungefähr 50 Kilometer außerhalb der Stadt. Ein Clubhaus wie ein kleines Schloss, Golf, Tennisanlagen und ein Rasenplatz zum Fußballspielen. Wir haben zwar Null zu … weiß ich nicht mehr … verloren, aber die Party war gelungen.
Und es kam noch besser! Herr Pastor in einem Bus mit zwölf Mädchen aus seinem Kirchenchor, alle sehr südamerikanisch, lange, schwarze Haare, braune Augen, tolle Figur, in schicken Kleidern und alle im heiratsfähigem Alter, holten uns zu einem Ausflug auf eine Estancia ab. Es ging weit in die Pampa auf ein riesiges Anwesen. Nach der Begrüßung durch den Patrón mit etlichen Flaschen Rotwein, spielten wir gegen die Mannschaft eines englischen Schiffes Fußball. Endlich haben wir auch mal gewonnen und die Engländer fuhren wieder ab. Für uns ging die Party aber erst richtig los. Auf dem Hof waren lange Tische aufgestellt mit Bergen von Rindersteaks und jede Menge Rotweinflaschen. Uns wurde erklärt, dass alle Steaks, die nicht schmecken oder zu zäh sind, nach hinten geworfen werden, wo sich dann ein Dutzend Hunde darum balgten. Alle leeren Rotweinflaschen wurden durch neue ersetzt. Da durch unser sehr dürftiges Englisch und dem für uns unverständlichen Geplapper der Mädchen keine vernünftige Unterhaltung zustande kam, wurde ein Versuch mit Singen unternommen. Aber auch hier hatten wir schlechte Karten, die Mädchen hatten Lieder ohne Ende und wir konnten noch nicht mal die zweite Strophe unserer Volkslieder. Auch später habe ich oft erlebt, dass alle anderen Nationen ihre Heimatlieder besser konnten als wir — Peinlich!
Der Pastor hatte ein wachsames Auge auf seine Mädchen. Es waren, wie wir später erfuhren, Mädchen aus reichem Hause, alle streng katholisch, die sich einen Weißen, möglichst Deutschen angeln sollten. So wurde meine Aufmerksamkeit auf eine andere Attraktion gelenkt:
Pferde. Da ich die Ferien in meiner Kindheit immer auf dem Bauernhof meiner Tante verbracht hatte, kannte ich mich mit Pferden recht gut aus. Hier waren nun ein Dutzend Pferde zur freien Verfügung für uns angebunden. Mit Schafsfell und einem Gurt mit Steigbügeln. Nachdem ich mir einen schönen Fuchs ausgesucht hatte, ging es ab in die Pampa. Erst gemütlich im Schritt, dann in einen langsamen Trab, bis wir an eine Fernstraße kamen. Ich hatte schon gewendet, als ein blöder Truckfahrer auf sein Überlandhorn drückte.
Der Gaul schoss los wie verrückt und suchte sich den nächsten Baum aus, unter dem er noch durchpasste, aber ich nicht! Mit Schafsfell und ein bisschen schwindelig fand ich mich im Staub der Pampa wieder. Ungefähr wusste ich ja die Richtung zur Estancia , hatte ich mich doch zuvor darauf verlassen, dass der Gaul schon weiß, wie es zurückgeht. Nach eineinhalb Stunden, vollkommen durchgeschwitzt, mit dem Fell auf der Schulter, hatte ich die Estancia dann endlich gefunden. Der Gaul stand schon da, ich glaube, das Aas hat gegrinst. Aber keinem war aufgefallen, dass das Pferd ohne Reiter zurück gekommen ist.