Teil 6 - Hauslehrerzeit 1874 bis 1875
Kapitel 3
Gastfreundschaft im Hause des Prinzen
Im Hause des Prinzen wurde weitgehende Gastfreundschaft geübt, und ich habe auf diese Weise manche interessante Bekanntschaft gemacht. Der häufigste Gast war der Freiherr von Rotenhan aus dem nahe gelegenen Buchwald, nach dem man die vorhin erwähnten, dem Park zunächst gelegenen Höhen überstieg, in einer Viertelstunde kommen konnte, und seine Gemahlin, die seit einem Wochenbette, ähnlich wie meine Kusine
Hedwig von Wißmanngeb. von Roon, Tochter von Albrecht von Roon und Anna Rogge [14], gelähmt war. so dass sie im Tragstuhl liegen musste. Die Herrschaften kamen oft zum Tee, und in den Esssaal und aus demselben wurde die Baronin von Zweien getragen. Der Freiherr trug das Fußende, während am Kopfende der Diener anfasste. Einmal war der Diener gerade nicht zur Stelle, und da fasste ich am Kopfende an. Es war doch eine tüchtige Last, und ich musste, besonders da es über verschiedene Schwellen und Stufen ging, meine Armkräfte gründlich anspannen. Ich zittere immer noch bei dem Gedanken, was ich angerichtet haben würde, wenn ich nachgelassen hätte. Andererseits sehe ich noch den denkbaren Blick, den mir die Baronin zuwarf, als ich an Ort und Stelle den Stuhl behutsam niedersetzte. Mit der Familie Rotenhan bestanden verwandtschaftliche Beziehungen. Die Mutter des Freiherrn, Baronin Marlein von Rotenhan, die damals noch lebte und häufig auch mit zum Besuch kam, war Nichte und Erbin der
Gräfin RedenFriederike Gräfin von Reden (1774-1854) war die Gattin des preußischen Ministers Friedrich Wilhelm Graf von Reden. Wegen ihres sozialen Engagements wurde sie auch die Mutter des Hirschberger Tales
genannt. Sie war die Präsidentin der Buchwalder Bibelgesellschaft.Siehe Wikipedia.org [15] und seit dem Tode ihrer Tante Vorsitzende der Buchwalder Bibelgesellschaft, die unter anderem die Hirschberger Bibel vertrieb. Alljährlich wurde das Jahresfest gefeiert mit Gottesdienst in der Kirche, Generalversammlung im Park und nachfolgendem Diner im Schloss. Ich wurde damals auch Mitglied und habe meinen Beitrag lange Jahre hindurch bezahlt, bis es über anderem, das mich mehr in Anspruch nahm, in Vergessenheit geriet.
Eine andere Familie, die ich häufig sah, war die des Herrn von Küster auf LomnitzIm Jahr 1835 kaufte der preußische Legationsrat Carl Gustav Ernst von Küster das Schloss und die Herrschaft Lomnitz.Siehe Wikipedia.org [16], ebenfalls geistlich angeregt. Ein oft und gern gesehener Gast war außerdem der Landrat von Grävenitz, dessen ich mich von der Arnsdorfer Zeit her noch sehr wohl entsann, ein außerordentlich energischer Beamter. Auch Graf Schaffgotsch, der größte Grundbesitzer des Hirschberger Kreises, dem unter anderem auch das Areal der Schneekoppe gehörte, war wiederholt zu Gast.
Besonders waren natürlich auch Glieder der weitverzweigten und hier und da im Riesengebirge ansässigen Familie Reuß und der mit derselben vielfach verschwägerten und eng verbundenen Familie Stolberg da. So habe ich mehrere Male den Grafen Konstantin zu StolbergGraf Constantin zu Stolberg-Wernigerode (1843-1905) war ein deutscher Politiker. Er war Oberpräsident in der preußischen Provinz Hannover und Fideikommissherr auf Jannowitz in Schlesien.Siehe Wikipedia.org [17] auf JannowitzJannowitz (heute: Janowice Wielkie) ist ein Ort im Powiat Hirschberg im Riesengebirge in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien und Sitz der gleichnamigen Landgemeinde.Siehe Wikipedia.org [18] mit seiner Gemahlin gesehen, den ich später als Oberpräsidenten von Hannover wiedersah, ein oder einige Male auch den Grafen Udo zu StolbergGraf Udo zu Stolberg-Wernigerode (1840-1910) war ein deutschkonservativer Reichstagsabgeordneter.Siehe Wikipedia.org [19] auf KreppelhofSchloss Kreppelhof (polnisch: Zamek Grodztwo) war ein Schloss in Kamienna Góra (Landeshut) in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen. Heute ist nur noch eine Ruine erhalten.Siehe Wikipedia.org [19], nachmals Oberpräsident von Ostpreußen und hervorragender Parlamentarier. Eine besonders anziehende Gestalt war die Witwe des Grafen Eberhard, geb. Prinzess Reuß, eine hohe, wahrhaft fürstliche Erscheinung, bei der ich immer an die Heilige Elisabeth denken musste, dabei so schlicht und herzlich in ihrem Wesen. Es war eine besondere Art, die Reuß und Stolbergs mit ihrer Jahrhunderte zurückreichenden ererbten Familienfrömmigkeit, die doch nichts bloß Gewohnheitsmäßiges hatte, sondern die Person durchtränkte. Wiederholt hat sich mir der Kontrast gegenüber andern vornehmen Persönlichkeiten, die ich kennen lernte, aufgedrängt.
[15] Friederike Gräfin von Reden (1774-1854) war die Gattin des preußischen Ministers Friedrich Wilhelm Graf von Reden. Wegen ihres sozialen Engagements wurde sie auch die
Mutter des Hirschberger Talesgenannt. Sie war die Präsidentin der Buchwalder Bibelgesellschaft.
[16] Im Jahr 1835 kaufte der preußische Legationsrat Carl Gustav Ernst von Küster das Schloss und die Herrschaft Lomnitz.
[17] Graf Constantin zu Stolberg-Wernigerode (1843-1905) war ein deutscher Politiker. Er war Oberpräsident in der preußischen Provinz Hannover und Fideikommissherr auf Jannowitz in Schlesien.
[18] Jannowitz (heute: Janowice Wielkie) ist ein Ort im Powiat Hirschberg im Riesengebirge in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien und Sitz der gleichnamigen Landgemeinde.
[19] Graf Udo zu Stolberg-Wernigerode (1840-1910) war ein deutschkonservativer Reichstagsabgeordneter.
[20] Schloss Kreppelhof (polnisch: Zamek Grodztwo) war ein Schloss in Kamienna Góra (Landeshut) in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen. Heute ist nur noch eine Ruine erhalten.