Start ins Leben 1939 in einem kleinen Eifeldorf
Kapitel 4
Nachhaltigkeit nach dem Krieg
Das Wort Nachhaltigkeit
hört und liest man fast täglich, mahnend, fordernd, gut gemeinte Ratschläge, sinnvoll, weniger sinnvoll.
Nach dem Krieg 1945 kannten wir das Wort noch nicht. Es war normal, aus dem Wenigen was vorhanden war, etwas zu machen. Alles wurde verarbeitet, sogar die Kartoffelschalen, unter Wasser und Mehl gemischt ergab das einen Kartoffelpfannkuchen. Im Mai 1945 kehrten wir in unser zerstörtes Dorf Eicherscheid zurück. Papa kam im Dezember, wie im ersten Kapitel erwähnt, aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück, ausgehungert und krank mussten wir nun für mehr Essen sorgen. Getreide haben wir noch vorgefunden unter Strohhaufen in der Scheune. Mein Großvater hatte im Mai noch Saat ausgesät und wir konnten im Herbst das Getreide ernten. Mit der Sense wurde das Getreide geschnitten und zu Garben gebunden, zum Trocken aufgestellt und später in die Scheune gebracht. Mein Großvater hatte ein herrenloses Pferd eingefangen, das wir Frieda nannten und das uns nun bei der Ernte helfen sollte. Er hatte einen Wagen aus Holz mit großen Eisenwagenrädern gebaut. Das Holz kam aus unserm Wald, die meisten Bäume waren ohnehin nur noch Feuerholz. Im Krieg waren viele Wälder zerstört und verbrannt. Elektrizität gab es nicht. Mit der Handmühle wurde das Getreide gemahlen. Zum Glück hatten die Alliierten das Getreide nicht gefunden und wir konnten Brot backen.
Mein Großvater und später mein Patenonkel Josef, mittlerweile auch aus dem Krieg zurück, haben diese Aufgabe übernommen. Sauerteig wurde drei Tage angesetzt. Roggenmehl mit Wasser verrührt und drei Tage hintereinander mit Mehl gefüttert
, so nannten sie den Vorgang. In einem Holzbacktrog wurde das Mehl mit dem Sauerteig gemischt, der sich über Nacht verdoppelte. Draußen, in einem Steinofen, wurde mit Buchenholz ein Feuer gemacht. Nachdem der Brotteig nochmals schweißtreibend von Hand geknetet und in Form gebracht wurde, musste der Teig nochmals ruhen.
Inzwischen war der Ofen heiß genug. Mit einem nassen Strohbesen wurde das verbrannte Holz heraus gefegt. Das war nun Holzkohle. Die vorgefertigten Brote wurden nun mit einem langen Holzschieber in den Ofen geschoben. Es war ein köstlicher Geruch, der sich langsam über den Hof verbreitete. Später, wenn das Brot genügend abgekühlt war, wurde es angeschnitten. Bevor das Brot angeschnitten wurde, machte meine Mutter mit dem Messer immer ein Kreuzzeichen, damit dankte sie für das tägliche Brot, das nicht selbstverständlich war. Aus der Stadt kamen täglich Menschen und baten um Essen. Meine Mutter hat nie einen Menschen abgewiesen. Ein Stück Brot gab es immer. Wasser gab es im Hofbrunnen, damit wurden einige Haushalte mitversorgt. An einer langen Kette hing ein Eimer, mit dem das Wasser aus dem Brunnen geholt wurde.
Abends wurde mit der Petroleumlampe ein Zimmer beleuchtet oder wenn vorhanden, Kerzen angezündet. Meine Mutter nähte auf einer Nähmaschine, die wir unter dem Schutt gefunden hatten. Es war eine Maschine mit Tretantrieb und nach einigen Reparaturen war sie wieder funktionsfähig. Aus alten Sachen wurde unsere Kleidung genäht. Wie in Kapitel zwei erwähnt, wurde auch mein Kleid zur Einschulung aus der Hitler Fahne mit weißem Kragen genäht. Nach der ersten Wäsche verfärbte sich alles. Für Putzlappen war der Stoff ungeeignet und so landete mein Kleid im Lumpensack. Hemdkragen und Manschetten wurden gewendet, aus alt wurde wieder neu.
Gegen kalte Füße im Winter schnitten wir aus mehrlagigem Zeitungspapier Einlagen und legten sie in Gummistiefel oder Schuhe. Wenn ein Kleidungsstück nicht mehr tragbar war, schnitten wir die noch vorhandenen Knöpfe ab. Der Rest kam in den Sack. Der Lumpensack stand in der Werkstatt. Mein Vater hatte dafür immer Verwendung. Schuhe und Kleidungsstücke wurden von den kleineren Geschwistern aufgetragen, nicht immer ohne Tränen. Meine ersten Laufschuhe wurden später von meinen vier Geschwistern getragen. Die Schuhe haben den Krieg überlebt, ich besitze sie heute noch.
Unsere Generation ist so aufgewachsen, Nachhaltigkeit ist in uns verankert. Wir müssen uns keine Vorwürfe machen. Natürlich leben wir heute alle besser und wollen unseren Kindern ein lebenswertes Leben auf unserem Planeten hinterlassen. Leider sieht die Wirklichkeit momentan anders aus. Vorwürfe, unsere Generation sei schuld an der Entwicklung, weise ich zurück.
Unsere Wegwerfgesellschaft muss sich ändern. Früher hat man kaputte Dinge repariert und nicht einfach weggeworfen,entsorgt, wie man heute sagt.
Meine Strümpfe stopfe ich heute noch, was sicherlich von Manchen belächelt wird.