Corona-Chronik, Januar 2021
Die Chronik dieser Pandemie hier zum Nachlesen in gesammelten Pressemeldungen.
Geschäft mit der Pandemie
Der Patentschutz auf die Coronaimpfstoffe muss ausgesetzt werden.
Inzwischen stehen mehrere Corona-Impfstoffe zur Verfügung, aber sie reichen längst noch nicht für alle. Das ist bekannt. Etwa 50 Millionen Menschen wurden bereits weltweit geimpft. Während den armen Ländern der Peripherie kaum Impfstoff-Lieferungen in Aussicht stehen, haben die kapitalistischen Metropolen im Westen und Nordamerika dagegen mehr bestellt, als sie brauchen – und zwischen diesen haben die USA, Großbritannien und Israel einen üppigen Vorrat gegenüber den europäischen Ländern gesichert, die wiederum untereinander Auge um Auge feilschen.
Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im April vergangenen Jahres noch gesagt, es handele sich um ein globales öffentliches Gut, einen Corona-Impfstoff zu produzieren und ihn dann auch in alle Teile der Welt zu verteilen
. Von wegen: Es handelt sich vielmehr um Impfstoffnationalismus zugunsten der durch Patente geschützten Pharmakonzerne.
Auf diesen bis zu 20 Jahre gesicherten Patentschutz durch das TRIPS-Abkommen, das auf Druck großer Pharmakonzerne die WTO-Staaten in den 1990er Jahren geschlossen haben, bestehen die Pharmakonzerne in der aktuellen Situation. Kein Wunder. Analysten rechnen damit, dass allein der US-Konzern Pfizer und Biontech mit ihrem Impfstoff nur in diesem Jahr mehr als 15 Milliarden Euro erwirtschaften wird. Dabei wäre es jetzt mehr als nötig, den Patentschutz auf die Mittel auszusetzen und einen offenen Zugang zu Daten sowie Informationen zu gewährleisten, damit auch andere Unternehmen die Impfstoffe herstellen können. Dadurch stünde schneller mehr zur Verfügung – auch für Deutschland, aber auch die Welt, gerade weil die Haupttreiber der beispiellosen Forschungsanstrengungen zu Covid-19 durch Steuern in Milliardenhöhe finanziert werden und die Forschungsgrundlagen für die schnelle Corona-Impfstoff-Entwicklung jahrzehntelang an öffentlich finanzierten Universitäten geschaffen wurden. Rechtlich wäre der Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn (CDU), zur Aussetzung des Patentschutzes befugt. Doch er sieht davon ab und bekräftigt mit leeren Worten, dass im Sommer jeder sein Impfrecht verwirklichen kann. Wie das mathematisch aufgehen soll, weiß wohl niemand außer er. Tausende Menschen sterben täglich durch das Virus, Lebenszusammenhänge werden schleichend durch politisches Versagen zerstört, psychische Hochbelastung gleichgültig mit hohlem Wir-Gerede hingenommen, Zukunftsperspektiven für die Jugend vermauert und die Bundesregierung offenbart einmal mehr den Klassencharakter des Staates, indem er aus der Pandemie ein Geschäft unter Monopolkapitalisten macht. Das ist das widersinnige Resultat von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung im Kapitalismus.
Auf den Kultur-Lockdown folgte der soziale Lockdown. Der wurde bekanntlich bis Mitte Februar verlängert. Ob ein solidarischer Wirtschafts-Lockdown mit sozialplanerischer Umrahmung und Aussetzung des Patentschutzes nicht sinnvoller wäre, wurde nicht einmal erwogen. Aber dafür müsste man die Systemfrage stellen, was die aktuelle Periode der geschichtlichen Entwicklung ohnehin schon unmissverständlich tut. Diese zu missachten, zwingt zum zynischen Vorrang der Profite des Großkapitals gegenüber dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der arbeitenden Klassen. Die Rede von einer Abwägung ist von vornherein eine Lüge. Es geht um objektive Klasseninteressen. Auch wenn die menschliche Gattung durch die Seuche in Gänze angegriffen wird, es ist das kapitalistische Privateigentum an den Mitteln der Produktion, welches herrscht und im Zweifel die Gattung ruiniert. taz, Kommentar von Mesut Bayraktar
Mehr als 12.000 Neuinfektionen in Deutschland - 7-Tage-Inzidenz sinkt weiter
In Deutschland sind binnen eines Tages mehr als 12.000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus verzeichnet worden. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Samstagmorgen unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden weitere 12.321 Ansteckungsfälle registriert. Die Gesamtzahl der nachgewiesenen Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Deutschland seit Beginn der Pandemie stieg damit auf 2.205.171.
Nach Angaben des RKI wurden zudem 794 Todesfälle im Zusammenhang mit Coronavirus-Infektionen innerhalb von 24 Stunden gezählt. Die Gesamtzahl der verzeichneten Corona-Toten in Deutschland erhöhte sich damit auf 56.546.
Die Zahl der von einer Corona-Infektion genesenen Menschen bezifferte das RKI auf rund 1.911.800. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz ging weiter zurück und lag am Samstag bei 90,9. Am Donnerstag war dieser Wert erstmals seit drei Monaten unter die Marke 100 gesunken.
Die Sieben-Tage-Inzidenz geht seit Wochen zurück, ihren bislang höchsten Stand hatte sie am 22. Dezember mit 197,6 erreicht. Bei der Sieben-Tage-Inzidenz handelt es sich um die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb dieses Zeitraums. Ziel der Bundesregierung ist es, den Wert auf unter 50 zu drücken. Der derzeitige harte Corona-Lockdown in ganz Deutschland gilt laut Beschluss von Bund und Ländern vorerst noch bis zum 14. Februar. AFP
Intensivmediziner sieht keine Entspannung in Corona-Pandemie
DIVI-Prädiumsmitglied Felix Walcher fordert einen harten Lockdown, um die Lage auf den Intensivstationen deutlich zu entspannen. Er fürchte, dass die Menschen angesichts von Impfungen und Lockerungsdiskussionen nachlässiger würden, sagte der Vertreter der Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI) der Augsburger Allgemeinen
. Wenn das passieren sollte, dann werden wir eine dritte Welle mit Virusmutationen erleben, deren Folgen unabsehbar sind.
Eine Entspannung auf den Intensivstationen gebe es nicht. Die Lage ist nach wie vor sehr angespannt.
Er fürchte, dass wegen Überbelastung viel Personal das Handtuch werfen werde. "Das Pflegepersonal ist maximal belastet, die Menschen können einfach nicht mehr", sagte Walcher der Zeitung. Reuters
Astrazeneca-Vertrag mit der EU veröffentlicht
Im Impfstoffstreit hat die EU-Kommission am Freitag ihren Rahmenvertrag mit dem Pharmakonzern Astrazeneca veröffentlicht. Wichtige Passagen des Dokuments vom August 2020 wurden allerdings unter Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse geschwärzt. Darunter sind auch die für das erste Quartal vorgesehenen Liefermengen, um die seit Tagen ein heftiger Streit tobt.
Die EU-Kommission begrüßte gleichwohl die Bereitschaft des Unternehmens zu mehr Transparenz. Dies sei wichtig, um Vertrauen der Europäer aufzubauen und sicherzustellen, dass sie sich auf Wirksamkeit und Sicherheit der Corona-Impfstoffe in der EU verlassen könnten. Die Kommission hoffe, alle Verträge mit Impfstoffherstellern veröffentlichen zu können.
Astrazeneca hatte vor einer Woche mitgeteilt, dass die EU nach der erwarteten Zulassung im ersten Quartal nur einen kleinen Teil der bestellten Menge erhalten soll. Als Grund wurden Produktionsprobleme genannt. Die EU-Kommission drängt das Unternehmen, die Kürzung zurückzunehmen. dpa
Razzia bei Arzt wegen mutmaßlich falscher Atteste für Maskenbefreiung
Polizei und Staatsanwaltschaft in Hessen sind mit einer Razzia gegen einen Arzt vorgegangen, der in der Corona-Pandemie mutmaßlich falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt haben soll. Eine Arztpraxis und eine Wohnung in Gersfeld im Landkreis Fulda wurden am Mittwoch durchsucht, wie die Ermittler am Freitag mitteilten. Gegen den Mediziner wird wegen des Verdachts des Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse ermittelt.
Im Zuge von Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen in der Innenstadt von Fulda waren der Polizei im November vermehrt ärztliche Atteste vorgelegt worden, die vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreien sollten. In mehreren Fällen waren diese von dem Arzt ausgestellt. Bei der Razzia wurden digitale Beweismittel beschlagnahmt, die nun ausgewertet werden. AFP
Aerosole und Corona: Sprechen kann genauso gefährlich sein wie Husten
In Innenräumen ist die Corona-Gefahr deutlich erhöht, so viel ist klar. Eine Studie legt nun nahe, dass nicht nur Singen oder Husten viele gefährliche Aerosole produzieren – das Gleiche gilt auch für einfaches Sprechen.
Aerosole spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung des Sars-CoV-2-Erregers. Sie entstehen beim Atmen, Husten, Niesen – aber auch beim Reden oder Singen. Und sie tragen das Virus gewissermaßen huckepack und helfen ihm so bei der Verbreitung. Größere Tröpfchen schaffen es dabei nicht besonders weit, das ist der Grund für Abstandsregeln. Doch kleinere Partikel können stundenlang in der Luft hängen bleiben, wenn nicht gelüftet wird. Problematisch ist das in Innenräumen.
Es gibt mittlerweile einige Rechner im Netz, mit denen Interessierte das Corona-Risiko in solchen Situationen abschätzen können. Einer davon stammt zum Beispiel vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und dem Cyprus Institut.
Einen neuen Rechner hat nun ein Team um den Strömungsmechaniker Pedro Magalhães de Oliveira von der Universität im britischen Cambridge im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society A
vorgestellt. Die Forschungsarbeit liefert dabei eine interessante Erkenntnis: Mit einem Infizierten zu sprechen, könnte wegen der dabei ausgestoßenen Aerosole ähnlich problematisch sein, wie wenn diese Person in die Raumluft hustet.
Konkret haben die Forscher simuliert, dass durch 30 Sekunden Sprache deutlich mehr Aerosole unter fünf Mikrometern entstehen als bei einem kurzen Husten. Damit erreicht auch mehr infektiöses Material die Menschen in der Umgebung – laut Simulation genug, um tatsächlich eine Corona-Infektion auszulösen. Das Team folgert daraus, dass Abstand allein bei fehlender Belüftung nicht ausreicht, um Sicherheit bei langen Expositionszeiten zu bieten. Stattdessen ist die bereits bekannte Kombination von Maßnahmen nötig: Man braucht Masken, man braucht Abstand, und man braucht eine gute Belüftung, damit sich diese Partikel nicht in einem Innenraum ansammeln und sie sicher entfernt werden
, so de Oliveira im Guardian
.
Sehr wichtiger Punkt, der berücksichtigt werden muss
Sprechen sei ein sehr wichtiger Punkt, der berücksichtigt werden muss
, weil dabei viel feinere Partikel entstünden als beim Husten, so de Oliveira. Ob es tatsächlich zur Ansteckung kommt, hängt allerdings von vielen Faktoren ab, von denen sich mehrere in dem Rechner einstellen lassen: Wie groß ist die Fläche des betreffenden Raums? Wie hoch ist dieser? Wie oft wird die Luft ausgetauscht? Wie viele Menschen halten sich wie lange in dem Raum auf? Welche Masken tragen sie?
Ein Beispiel: Ein Geschäft mit einer Fläche von 250 Quadratmetern hat von 7 bis 20 Uhr geöffnet, maximal 50 Kunden dürfen gleichzeitig einkaufen. Sie alle haben sich die Hände gewaschen, halten die Abstandsregeln ein und tragen eine einfache Stoffmaske. Befindet sich statistisch gesehen jeweils ein Erkrankter im Laden, hängt das Infektionsrisiko massiv von der Lüftung ab:
Wird die Luft einmal pro Stunde erneuert, wie es die Forscher für Wohnräume ansetzen, hätte eine Person nach zwei Stunden eine geschätzte Wahrscheinlichkeit von etwa 2,7 Prozent, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Setzt man einen Luftaustausch von dreimal pro Stunde an, wie er für Büros und Schulen angenommen wird, sinkt das Risiko auf rund 1,6 Prozent. Bei guter Belüftung (Luft wird fünfmal pro Stunde ausgetauscht) auf rund 1,1 Prozent.
Mit dem Rechner lässt sich auch der Effekt simulieren, wenn statt einfacher Stoffmasken etwa OP-Masken oder FFP2-Masken getragen werden, wie es in Deutschland im Supermarkt und im öffentlichen Personenverkehr nun zur Pflicht wird. Wichtig ist natürlich: Solche Rechnungen basieren immer auf bestimmten Annahmen, im konkreten Fall etwa einer vergleichsweise hohen Viruslast. Auch sind die neuen Corona-Mutanten noch nicht berücksichtigt. Diese gelten als deutlich infektiöser als die bisherigen Virusvarianten. Im Grundsatz können Rechner wie der von de Oliveira und seinen Kollegen aber dabei helfen, den Effekt bestimmter Maßnahmen abzuschätzen. Tgs
Spahn bereit zu Impfgipfel mit den Bundesländern
Gesundheitsminister Jens Spahn schlägt eine gesonderte Ministerpräsidentenkonferenz nur zum Thema Impfen vor.Vertrauen in dieser Krise erhalten wir nur, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen, twittert der CDU-Politiker.
Auf diesem Impfgipfel von Bund und Ländern sprechen wir über die Lage, die Ziele, das weitere Vorgehen, auch damit Europa seinen fairen Anteil erhält.Weiter schreibt er:
Denn wir gehen bei der Knappheit des Impfstoffes noch durch mindestens zehn harte Wochen.Auch Vertreter der Pharmaindustrie sollten eingeladen werden.
Mehrere SPD-Politiker und auch die FDP hatten angesichts des Impfstoffmangels und der schleppend anlaufenden Impfkampagne wiederholt ein solches Treffen gefordert, darunter die Regierungschefs von Rheinland-Pfalz, und Brandenburg, Malu Dreyer und Dietmar Woidke (beide SPD).
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie hatte sich vor Wochen eher ablehnend zu einem Gipfel geäußert.
Die akuten Fragestellungen sind nicht politischer, sondern regulatorischer und technologischer Natur. Diese Fragen können nicht auf einem Gipfel mit der Politik beantwortet werden, hatte Verbandschef Hans-Georg Feldmeier gesagt.
Im Streit der EU-Kommission mit dem Pharmakonzern Astrazeneca um seine Impfstofflieferungen setzt Spahn auf eine Verhandlungslösung. Eine lange juristische Auseinandersetzung über die Offenlegung von Lieferverträgen helfe in der jetzigen Lage nicht weiter.
Das ist das Letzte, was wir brauchen, sagte Spahn NDR Info. Stattdessen müsse es um eine faire Verteilung des Impfstoffs gehen. Er setze auf ein einvernehmliches Ergebnis.
Das ist sicher der bessere Weg.
In dem Streit hatte auch ein weiteres Krisengespräch am Mittwochabend keinen Durchbruch gebracht. Reuters, dpa
13.202 Corona-Neuinfektionen und 982 neue Todesfälle gemeldet
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 13.202 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 982 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Mittwochmorgen bekanntgab. Vergangenen Mittwoch hatte das RKI 15.974 Neuinfektionen und 1148 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.
Der Höchststand von 1244 neuen Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Mittwochmorgen bei 101,0. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die Zahl schwankte danach und sinkt seit einigen Tagen wieder.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Dienstagabend bei 0,88 (Vortag 0,95). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 88 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Weitgehende Ruhe in Niederlanden nach Ausschreitungen der vorherigen Abende
Massives Polizeiaufgebot kontrolliert Einhaltung der Corona-Ausgangssperre.
Nach den Ausschreitungen der vergangenen Tage ist es in den Niederlanden am vierten Abend der Ausgangssperre weitgehend ruhig geblieben. Ein massives Polizeiaufgebot überwachte am Dienstag in mehreren Städten - darunter Amsterdam, Rotterdam und Den Haag - die Einhaltung der Ausgangssperre, die zwischen 21.00 Uhr und 04.30 Uhr gilt. Dabei kam es nur vereinzelt zu Konfrontationen.
In Amsterdam versammelte sich nach Angaben der Polizei eine größere Gruppe junger Männer, die Feuerwerkskörper entzündeten. Die Gruppe sei schnell aufgelöst worden, berichteten niederländische Medien.
An den drei Vorabenden hatte es heftige Ausschreitungen in mehreren Städten gegeben. Dabei wurden auch Geschäfte geplündert. Die Polizei nahm hunderte Menschen fest. In zahlreichen Städten wurde die Polizei mit Sondervollmachten für den Einsatz gegen Randalierer ausgestattet.
Die nächtliche Ausgangssperre gilt seit Samstag und soll zunächst bis zum 9. Februar in Kraft bleiben. Die Maßnahme soll bei der Eindämmung der als besonders ansteckend geltenden Coronavirus-Variante helfen, die zuerst in England festgestellt worden war. Es handelt sich um die erste Ausgangssperre in den Niederlanden seit dem Zweiten Weltkrieg.
Mitte Januar hatte die Regierung in Den Haag bereits den allgemeinen Lockdown bis zum 9. Februar verlängert. Schulen, Restaurants und die meisten Geschäfte sind geschlossen. Zudem darf sich nicht mehr als ein Gast bei einem anderen Haushalt aufhalten. Ausnahmen gelten für Menschen, die sich zur Arbeit begeben müssen, für Beerdigungen und das Ausführen von Hunden. AFP
Weltweit bereits mehr als 100 Millionen bestätigte Corona-Infektionen
Seit Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr ist die Zahl der weltweit nachgewiesenen Corona-Infektionen auf mehr als 100 Millionen angestiegen. Das ging am Dienstag aus Daten der US-Universität Johns Hopkins in Baltimore hervor.
Erst vor etwa einem Monat, am zweiten Weihnachtsfeiertag, war die Schwelle von 80 Millionen Infektionen überschritten worden. Die Zahl der bekannten Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus liegt inzwischen bei mehr als 2,1 Millionen. Experten gehen sowohl bei den Infektionen als auch bei den Todesfällen weltweit von hohen Dunkelziffern aus.
Die Webseite der US-Universität wird regelmäßig mit eingehenden Daten aktualisiert und zeigt einen höheren Stand als die offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In manchen Fällen wurden die Zahlen aber auch wieder nach unten korrigiert. dpa
Niederlande: Keine Krawalle, aber Festnahmen und gespannte Stimmung
Nach den im Zuge von Corona-Maßnahmen ausgelösten schweren Krawallen der vergangenen Tagen ist es am Dienstagabend in den Niederlanden zunächst weitgehend ruhig geblieben. Zum Beginn der Ausgangssperre um 21.00 Uhr registrierte die Polizei nur vereinzelt kleine Zusammenstöße mit Randalierern.
In Rotterdam wurden am Abend 17 Menschen vorsorglich festgenommen, auch aus Breda wurden Festnahmen gemeldet. In Amsterdam versammelte sich im Westen nach Angaben der Polizei eine große Gruppe junger Männer. Die Lage sei wie auch in Hilversum angespannt, meldete die Polizei.
In den zwei Nächten zuvor hatte es schwere Krawalle in zahlreichen Städten gegeben. Auslöser der Unruhen war die Ausgangssperre, die als bisher schwerste Corona-Maßnahme am Samstag erstmals in kraft getreten war. Hunderte junger Männer waren daraufhin plündernd und randalierend durch die Straßen gelaufen und hatten Polizisten mit Feuerwerk und Steinen angegriffen.
Städte und Polizei hatten sich nun massiv auf mögliche Unruhen vorbereitet. Bürgermeister erließen Notmaßnahmen und schränkten den Aufenthalt in den Zentren stark ein. Schaufenster waren mit Sperrholz verbarrikadiert. Die Polizei patrouillierte. dpa
China und die Mär von den Biontech-Toten
China verbreitet, westliche Medien verschwiegen die Gefahren des Corona-Impfstoffs von Pfizer und Biontech. Damit soll die Kritik an der Intransparenz der eigenen Impfstoffhersteller unglaubwürdig gemacht werden.
Vor einigen Tagen verbreitete der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Zhao Lijian auf Twitter eine Meldung der iranischen Nachrichtenagentur FNA mit der Überschrift Zehn Tote in Deutschland nach Impfung mit Pfizer-Mittel gegen Covid-19
. Eine Moderatorin des chinesischen Staatsfernsehens stellte dazu die Frage, warum westliche Medien wie BBC, CNN oder Reuters dieser Meldung denn nicht nachgegangen seien.
Der Tweet des Regierungssprechers ist Teil einer Kampagne, die darauf abzielt, Kritik an der Intransparenz chinesischer Impfstoffhersteller zu diskreditieren. Zu diesem Zweck berichteten Chinas Staats- und Parteimedien in den vergangenen Tagen auf Chinesisch und Englisch prominent über den Tod von 23 Hochbetagten in Norwegen, denen zuvor der Biontech-Impfstoff verabreicht worden war. Die Parteizeitung China Daily
titelte im sozialen Netzwerk Wechat: Pfizer-Impfstoff tötet 23 in Norwegen und so reagieren ausländische Medien
. Die Parteizeitung Global Times
überschrieb ihren Kommentar mit den Worten Warum verschwiegen Amerikas Medien die Pfizer-Impfstoff-Toten?
, als handele es sich um einen Vertuschungsskandal.
Dabei berichteten zahlreiche westliche Medien über die Todesfälle in Norwegen. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Montag, die norwegische Gesundheitsbehörde habe ihre Empfehlungen für die Vergabe des Biontech-Impfstoffs an Todkranke verändert. Die Behörde teilte mit, gewöhnliche Nebenwirkungen könnten zu einem ernsten Verlauf bei gebrechlichen alten Leuten beigetragen haben
. In derselben Meldung heißt es, noch gebe es keinen Beleg für einen Zusammenhang.
Die Global Times
beschrieb den Biontech-Impfstoff indessen als großen Feldversuch am Menschen
, weil das ihm zugrundeliegende mRNA-Verfahren neu sei. Zugleich warf die Zeitung westlichen Medien vor, ihre Propaganda zu nutzen, um für Pfizer-Impfstoff zu werben und chinesische Impfstoffe in den Dreck zu ziehen
.
Kaum Daten von Sinovac
Letzteres bezieht sich auf Berichte über ein Mittel des Herstellers Sinovac, über dessen Wirksamkeit nach klinischen Tests in Brasilien, Indonesien und der Türkei unterschiedliche Angaben gemacht wurden. Weltweit haben zahlreiche Wissenschaftler Unverständnis darüber geäußert, dass das chinesische Unternehmen bisher keine weiteren Daten veröffentlicht hat, die eine Beurteilung durch externe Forscher zulassen würden.
Im chinesischen Internet werden derweil von nationalistischen Eiferern Zweifel an den Biontech-Daten gestreut. Freilich gibt es auch Stimmen, die sich um eine Versachlichung bemühen. Es geht hier nicht um gewinnen oder verlieren
, schrieb der Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens. Es sei keine nationale Schande, zuzugeben, dass der Biontech-Impfstoff wirksamer sei als die heimischen Präparate. Entscheidend sei allein, dass sich auch damit die Pandemie effektiv unter Kontrolle bringen lasse. F.A.Z.
Querdenker: Ich mach mir meine Welt, wie sie mir gefällt
Querdenker
:
Ich mach mir die Welt so, wie sie mir gefällt. Und wenn sie sich nicht danach richtet, umso schlimmer für sie
Die Pandemie ist vorbei, wenn die deutsche Bevölkerung entscheidet, dass sie vorbei ist
, sagen die Querdenker
. Von Verschwörungstheorie zu sprechen, greift zu kurz. Leugnen von Tatsachen ist eine Form von magischem Denken.
Zur Humanität des menschlichen Lebens zählt die Fähigkeit des Erinnerns und als Kehrseite dazu eine Fähigkeit des Vergessens. Auf ein bewundernswert geistiges Vermögen darf stolz sein, wem es gelingt, Erfahrenes und Erlebtes in einer Balance zwischen Erinnern und Vergessen verfügbar zu halten. Das Leugnen ist von anderer Qualität. Zweifellos handelt es sich um eine Form der Realitätsbewältigung. Zwar liegt es im geistigen Raum des Vergessens, meint allerdings einen kognitiv komplexeren und seelisch strapaziöseren Vorgang.
Leugnen setzt voraus, die Behauptung anzuerkennen, gegen dessen Evidenz sich die Anstrengung des Leugnens richtet. Linguistisch betrachtet, zählt das Leugnen als Sprechakt zu der Klasse von Äusserungen, die markieren, wie mit dem propositionalen Gehalt einer Behauptung zu verfahren ist. Leitet sich das Weltverständnis des Menschen von einer strukturellen Unvereinbarkeit von Glauben und Wissen her, folgt das Leugnen einer Logik der Suggestion, es sträubt sich gegen Ambivalenz.
Von Verschwörungstheorien zu sprechen, wie es derzeit beliebt ist, trifft die Sache nicht. Vielmehr handelt es sich um magisches Denken, dessen kognitiven Gehalt der französische Ethnologe Marcel Mauss vor mehr als hundert Jahren als ein gigantisches Spiel mit Varianten der Kausalität
beschrieben hat. Magisches Denken setzt ein, wenn Menschen mit schicksalhaften Lebenssituationen konfrontiert sind und nach klaren Zurechnungen suchen.
Mit einem Vertrauten unterwegs
Komm, liebe Sonne, scheine, lass uns nicht lang alleine, hell durch die Wolken sende deinen Strahl
, singen wir mit den Kindern, wenn das Wetter mies ist und man draussen nicht spielen kann. Daisy
oder Micky
nennen Erwachsene ihre Autos, heften Aufkleber mit den Namen auf die Karosserie und suggerieren sich auf diese Weise, im Strassenverkehr mit einem Vertrauten unterwegs zu sein, vermeintlich geschützt in einer Situation, die sie von einem Moment auf den anderen mit dem Tod konfrontieren kann.
Leugnen erfolgt kognitiv als Rückbildung des Bewusstseins und imponiert affektiv durch das Versprechen hoher Konsistenz. Die Weltsicht wird ich-synton, wie die Psychoanalyse es nennt – mein Denken, Handeln und Empfinden sind eins mit mir und der Welt. Resonanzräume für das Leugnen kennt auch die moderne Gesellschaft zuhauf. Aus gegebenem Anlass seien drei Milieukonstellationen unterschieden.
Da wäre zum einen das gesinnungsethisch motivierte Leugnen. Dabei folgt man einer Deutung der Welt, für die die Maxime bestimmend ist, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. An die Stelle von Gott kann auch Allah rücken, entscheidend ist eine Wertepräferenz, eine Art lebenspraktische Immunitätsgarantie, die kontextblind spezifische Erfahrungssituationen filtert. Sozial gebündelt ist eine solche Sicht nicht selten in freikirchlichen Gemeinschaften, aber auch andere Milieus übertriebener Glaubensfestigkeit bieten Beispiele für das Sicherheitsversprechen eines geistigen Rigorismus, der skeptisch ist gegenüber allem, was von den Menschen kommt.
Nachträglicher Ungehorsam
Davon zu unterscheiden ist, zweitens, die historische Ignoranz. Sie meint ein Leugnen kraft Verallgemeinerung von Enttäuschungserfahrungen. Das Trauma, unter einer permanent erzwungenen Zwangskonformität gelebt zu haben, wie sie für die Diktatur des Nationalsozialismus sowie diejenige der DDR charakteristisch war, filtert das Verständnis der Gegenwart und verhindert eine angemessene Situationswahrnehmung.
Die Tatsache etwa, dass die wegen der Corona-Pandemie derzeit geltenden Einschränkungen des täglichen Lebens vorübergehend und als solche vom Parlament legitimiert sind, wird notorisch übersehen. Das setzt die Bereitschaft zu einer Art nachträglichem Ungehorsam frei, einer Geste, der sich auch und gerade die Generation anschliesst, die die DDR, die Ungeheuerlichkeit eines historisch durch und durch kontaminierten Raumes
(Durs Grünbein) mittlerweile nur noch aus Erzählungen kennt – Sachsen wäre ein Beispiel, aber Sachsen gibt es anderswo auch.
Schliesslich tritt das Leugnen in der Ausdrucksform eines soziokulturell vermittelten Rückzugs auf, einer verbreiteten Zugewanderten-Ignoranz. Die Erfahrung einer umfassenden Solidaritätsstütze durch das eigene erweiterte Familien- und Verwandtschaftsgefüge nährt die Suggestion, man habe es bei dem, was im öffentlichen Raum geschieht, mit etwas Fremdem zu tun, allenfalls mit einer Bedrohung, gegen die der Schutzschirm des familialen Partikularismus bewusst oder unbewusst Halt verspricht. In keinem Ereignis bringt sich das Selbstverständnis derart eindringlich zum Ausdruck wie in Familienfesten, in einer Hochzeit. Sie bekräftigt die Exklusivität der eigenen gegenüber der fremden Welt.
Diese Welt gefällt mir nicht
In allen drei Fällen, die sich empirisch durchaus überschneiden können und nicht auf ein Land wie Deutschland beschränkt sein müssen, hat man es mit einem Differenzierungsverzicht zu tun, man kann salopp sagen: einer Form von Dummheit. Das ist folgenreich, weil Dummheit sich leichter organisieren lässt als Klugheit. Als ein Sonderfall des Leugnens kommt viertens das hinzu, was im Milieu der Querdenker
gepflegt wird: eine moderne Form von Okkultismus.
Die Argumentation der Querdenker
scheint die Bezugsereignisse zweier Diktaturen, die für die politische Moral Deutschlands bestimmend sind, hinter sich zu lassen. Die Pandemie ist vorbei, wenn die deutsche Bevölkerung entscheidet, sie ist vorbei
, so klingt die öffentliche Rede von Michael Ballweg, einem Mann Mitte vierzig, den, wie er selber sagt, die Sorge um die Grundprinzipien der demokratischen Ordnung umtreibt. Mittlerweile hat sich sein Engagement zu einer landesweiten und zunehmend bundesweiten politischen Bewegung ausgedehnt.
Ursprünglich hatte der seit einem Jahr ökonomisch abkömmliche Unternehmer, ein Tüftler aus der IT-Branche, zu einem Sabbatical aufbrechen wollen, einer Selbstreflexion nach einem anstrengenden Arbeitsleben. Die Überzeugung jedoch, nicht mehr in einem Rechtsstaat zu leben
, hat die Reisepläne des Beinahe-Aussteigers auf den Kopf gestellt. Stattdessen steht er nun auf Rednerbühnen; im Habitus und rhetorisch mit dem Charme eines frisch gewählten Schulsprechers, antwortet er auf die Interviewfrage, ob sich für dein Leben etwas geändert
habe: Die Welt, die von der Regierung vorgemacht wird, gefällt mir nicht.
Der Redner auf der Kiste
Kognitiv haben wir es auch hier mit Magie zu tun, vorgetragen im bizarren Wohlgefühl von jemandem, der auf einer Holzkiste im Speaker's Corner
des Londoner Hyde Park steht und sich im Geheimen vielleicht sogar darüber wundert, dass die Leute ihm bereitwillig folgen. Seinem Genius vertrauend, bestaunt er den Kometen, der er selbst ist, und betreibt Politik als Form persönlicher Zerstreuung.
Mit der Forderung, Abschaffung der geltenden Corona-Massnahmen
, bedient der Redner zunächst die Bevölkerung in Baden-Württemberg, dem Land des altmittelständischen Musters eines Handwerkerfleisses, dessen grüblerische Klugheit seit eh und je das Selbstgefühl der Menschen dieser Region begründet hat. Hinzu kommt, dass ein Reingeschmeckter
, beruflich erfolgreich im Entwickeln von Apps, das Wort ergreift. Das lässt aufhorchen und findet Zustimmung.
Der Versuch, den sozialen Resonanzraum des Querdenkens
typologisch zu erfassen, sollte nicht aus dem Blick geraten lassen, wie stark dergleichen Ideen verbreitet sind, würde man die Meinung der Bevölkerung ausschliesslich auf der Ebene von Umfrageergebnissen zu einem Kriterium machen. Seit Bestehen der Bundesrepublik würden um die 15 Prozent der Befragten Werten und Urteilen zustimmen, die weit entfernt sind vom offiziellen Selbstverständnis der Nation als eines demokratischen Verfassungsstaats.
Ein Aufdruck auf einem T-Shirt
Ressentimentgeladene Institutionenkritik ist jederzeit leicht abrufbar, im Echoraum der Social Media wird dergleichen täglich befeuert. Das Deutschland nach der Erfahrung zweier Diktaturen lebt hingegen politisch von der Klugheit seines Institutionengefüges, vom Zusammenspiel komplexer, aufeinander abgestimmter rechtsstaatlicher Verfahren. Ungewollt prägnant kommt dies in der bekannten Geste der Kanzlerin zum Ausdruck, der Raute – eine leise Mahnung an manche, die sich mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl nach klarer Kante
sehnen.
Die bisherige Erfahrung mit der politischen Ordnung des Landes, zu welcher der notorisch als Flickenteppich gebrandmarkte Föderalismus wesentlich gehört, stützt die Erwartung, dass auch die gegenwärtige Belastungskrise zu bewältigen ist. Solange die Mehrheit der Bevölkerung ihre Fähigkeit zu denken zum Nachdenken verwendet, darf man die optimistische Prognose wagen, dass Querdenken
dereinst vielleicht nur als Aufschrift auf T-Shirts in Erinnerung bleibt – ohne dass noch jemand wüsste, wofür der Begriff einmal stehen sollte. [Neue Zürcher Zeitung, Tilman Allert, Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Ein Wettrennen um Impftermine ist nicht notwendig
(Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung)
Kassenärzte bitten um Geduld bei Buchung von Corona-Impfterminen
Die Kassenärzte bitten um Geduld bei den weiter anlaufenden Terminbuchungen für Corona-Impfungen in den Bundesländern. Ein Wettrennen um Impftermine ist nicht notwendig
, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Deutschen Presse-Agentur. Jeder, der sich impfen lassen möchte, wird auch geimpft werden.
Momentan sei der Impfstoff noch knapp, doch die Situation werde sich in den kommenden Wochen und Monaten entspannen. Seine Bitte laute daher: Buchen Sie in Ruhe Ihre beiden Termine. Das ist in der Regel nicht nur telefonisch, sondern auch online möglich.
Bei der bundesweiten Service-Telefonnummer 116 117 der Kassenärzte können sich Bürger auch über Corona-Impfungen informieren. Anrufer werden in den meisten Bundesländern an Call Center geleitet, die Fragen zum Impfen beantworten und teils auch Termine vermitteln. Daneben gibt es das Internetportal www.116117.de mit einer Übersicht über die je nach Land vorgesehenen Buchungsmöglichkeiten für Termine. Die KBV rät, es zunächst per Online-Buchung zu versuchen - vor allem dann, wenn die Zahl der Impfberechtigten ausgeweitet wird.
Falls in kurzer Zeit Tausende gleichzeitig anrufen, führe dies zu Wartezeiten.
Gassen betonte grundsätzlich, die 116 117 funktioniere telefonisch und als Online-Impfterminservice gut und stabil. An Spitzentagen gibt es der KBV zufolge mehr als 1,2 Millionen Anrufe. Die Kapazitäten seien mit 20.000 Leitungen hoch und könnten weiter erhöht werden. Vier Länder nutzen den angebotenen Impfterminservice, über den inzwischen fast 400 000 Termine online gebucht wurden. Andere Länder haben eigene Portale und teils neben der 116 117 auch noch weitere Telefonnummern.
Impfen lassen können sich in der Anfangsphase vorerst nur Menschen über 80 Jahre, Personal und Bewohner in Pflegeeinrichtungen sowie Gesundheitspersonal mit besonders hohem Ansteckungsrisiko. Zum Start fuhren mobile Impfteams vor allem in Pflegeheime, schrittweise sollen jetzt regionale Impfzentren der Länder in Betrieb gehen. An diesem Montag sollen etwa in Nordrhein-Westfalen die ersten Termine für zu Hause lebende Über-80-Jährige vergeben werden. Mit einer Übernahme der Impfungen direkt in den Praxen rechnen die Kassenärzte bundesweit dann erst in einigen Monaten, vermutlich im Sommer. dpa
Forderungen nach Lockdown-Ende Mitte Februar werden lauter
Nach der Verlängerung und Verschärfung der Corona-Maßnahmen regen sich nun Stimmen, die auf ein Ende des Lockdowns Mitte Februar drängen. Der Vizevorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Georg Nüßlein, fordert, den Lockdown nach Ende der bisherigen Befristung definitiv zu beenden.
Es ist wegen der massiven Auswirkungen nicht verantwortbar, solange einen flächendeckenden Lockdown zu verordnen, bis die Inzidenz-Zahl unter 50 oder unter 35 sinkt
, sagte der CSU-Politiker der Augsburger Allgemeinen
. Wenn nicht in den nächsten Wochen noch etwas passiert, was wir jetzt nicht vorhersehen können, also beispielsweise eine massive Ausbreitung von mutierten Viren, dann müssen wir spätestens ab Mitte Februar einen anderen Weg gehen als den bisherigen.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will nach dem 14. Februar Lockerungen durchsetzen, wenn es verantwortbar ist, wie er der Zeitung Welt
sagte - zunächst in Schulen und Friseurläden. Im März können wir dann über den Einzelhandel sprechen. Und nach Ostern auch über die Gastronomie.
Die Öffnung der Schulen ist ein seit der ersten Welle heiß umstrittenes Thema. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus warnte vor ihrer zu schnellen Öffnung. Wir tun uns alle keinen Gefallen damit, den Präsenzunterricht wieder zu früh zuzulassen. Gesundheit geht vor
, sagte er der Passauer Neuen Presse
. Die neuen Virus-Mutationen machten ihm große Sorgen
.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt - eigentlich ein Unterstützer des Lockdowns - verlangte von der Politik ebenfalls Perspektiven für die Bevölkerung. Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen nach zehn Monaten Pandemie ermüdet sind und die Corona-Schutzmaßnahmen als belastend empfinden
, sagte der Präsident der Bundesärztekammer der Rheinischen Post
(Samstag). Zu den Perspektiven gehöre auch eine klare Kommunikation zu den Impfkapazitäten. dpa
Drosten: Ansteckendere Corona-Variante nun im Keim ersticken
Berlin - Der Virologe Christian Drosten geht in Deutschland von einer bislang geringen Verbreitung der ansteckenderen Corona-Variante aus, die zunächst in Großbritannien entdeckt wurde.Er sehe jetzt ein Zeitfenster, um die Ausbreitung hierzulande im Keim zu ersticken, sagte der Experte für Coronaviren von der Berliner Charité am Dienstag im Podcast
Coronavirus-Updatebei NDR-Info.
Wir müssen jetzt was machen, wenn wir speziell das Aufkeimen der Mutante in Deutschland noch beeinflussen wollen. Später kann man das nicht mehr gut machen, dann ist es zu spät.In Großbritannien hätten Lockdown-Maßnahmen bereits Effekte gezeigt.
Anhand nun vorliegender Daten ist für den Virologen anzunehmen, dass die Variante tatsächlich ansteckender ist als frühere Formen.
Wir haben den Befund auf dem Tisch. Wir haben es mit einer Mutante zu tun, die sich schneller verbreitet. Das quantitative Ausmaß, das muss man tatsächlich noch mal diskutieren.Die Variante ist nach Einschätzung Drostens um einen kleineren Prozentsatz ansteckender als zunächst angenommen - anfangs war von 50 bis 70 Prozent im Vergleich zu früheren Formen die Rede.
Nachdem zuletzt eine starke Ausbreitung bestimmter Corona-Varianten im Ausland beobachtet wurde, wird nun auch in Deutschland verstärkt danach gesucht. Drosten geht von eingeschleppten Fällen vor allem über die Weihnachtstage aus. Die in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7 etwa wurde laut Robert Koch-Institut (RKI) bisher in 20 Fällen in sechs Bundesländern nachgewiesen (Stand 17.1., 00:00 Uhr). Drosten sagte, noch würden Daten zusammengetragen, in den kommenden Wochen lasse sich mehr über die Situation hierzulande sagen. Mindener Tageblatt 2021
Intensivmediziner: Weit weg von einer Entspannung
Rund 4700 Patienten (davon 2700 mit invasiver Beatmung) befinden sich aktuell laut Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), wegen einer Corona-Erkrankung auf Intensivstationen. Der Höhepunkt sei am 3. Januar mit 5.800 Intensivpatienten erreicht worden. Das war die kritischste Situation seit es intensivmedizinische Behandlung gibt
, sagt Marx.
Jetzt gebe es zwar einen Trend nach unten, doch man sei weit weg von Entspannung
. Frühestens im April erwarte er bei Fortsetzung der derzeit positiven Entwicklung ein Absinken auf unter 1000 Intensivpatienten.
Im Schnitt würden Patienten 25 Tage auf der Intensivstation verbringen. Für Ärzte und Pfleger sei die Situation körperlich, seelisch und emotional belastend
. Es müsse nun verhindert werden, dass die dritte Welle komme, bevor die zweite richtig abgeklungen sei. Die Infektionszahlen müssten "weiter drastisch reduziert" werden. Sollte sich die mutierte Virusform weiter ausbreiten, würde dies zu einer extremen Belastung der Intensivmedizin
führen.
Weihnachten und Silvester hätten in Deutschland aber zu keiner Verschärfung bei den schweren Fällen der Infektion mit dem Coronavirus geführt. Es sei auf den Intensivstationen der Krankenhäuser kein Weihnachts- und Silvesterpeak
zu erkennen. Dies sei dem Verhalten der Bevölkerung zu verdanken. Tgs
Niederlande verhängen erste Ausgangssperre seit Zweiten Weltkrieg
In den Niederlanden gilt ab Samstag erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine nächtliche Ausgangssperre: Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmt für die Maßnahme von 21.00 bis 04.30 Uhr, die mindestens bis zum 09. Februar gelten soll. Zwar sind die Infektionszahlen seit drei Wochen rückläufig. Gesundheitsexperten fürchten jedoch die neuen, ansteckenderen Virus-Varianten.
Ministerpräsident Mark Rutte begründete den Schritt mit der großen, großen Sorge, die wir alle haben
, angesichts der deutlich ansteckenderen britischen Corona-Mutante. Der Vorstoß wurde unter anderem vom Rechtspopulisten Geert Wilders als unverhältnismäßig
kritisiert.
Mitte Januar hatte die Regierung bereits den Lockdown, der eigentlich am 19. Januar enden sollte, bis 9. Februar verlängert. Schulen, Restaurants und alle nicht notwendigen Geschäfte sind geschlossen. Zudem ist es untersagt, mehr als einen Menschen in seiner Wohnung zu empfangen. (Reuters, AFP)
Verband: Nachfrage nach Hunden in der Corona-Pandemie stark gestiegen
In der Corona-Pandemie sind viele auf den Hund gekommen. Ob Labrador oder Französische Bulldogge: Die Nachfrage ist extrem
, sagt der Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH), Herbert Klemann, in Worms. Die Züchter würden mit Anrufen regelrecht bombardiert
und könnten gar nicht so viel züchten, wie nachgefragt werde. Das sei schon in 2020 so gewesen: Und der Bedarf ist immer noch da. Dass der Lockdown verlängert wurde, treibt das Ganze noch mal an
, sagt er.
Denn in der Corona-Pandemie sind viele Familien mehr als sonst zu Hause. Der Run auf Hundewelpen sei bundesweit sehr groß, sagt VDH-Sprecher Udo Kopernik im nordrhein-westfälischen Hennef (Sieg). Den Züchtern wird die Hütte eingerannt.
Er sieht den Trend teils kritisch. Wenn Eltern dem Kinderwunsch nachgeben und selber aber eigentlich gar keinen Hund wollen, kann das nur schiefgehen.
Klemann befürchtet, dass nach der Pandemie viele Hunde im Tierheim landen könnten. Wenn die Leute wieder normal zur Arbeit gehen und die Kinder den Hund nicht mehr betreuen können, dann wird das ein Problem.
Bundesweit spricht der VDH von rund 20 Prozent mehr Hunden, die 2020 im Vergleich zu Nicht-Corona-Jahren gekauft wurden. Das ist ein dramatisches Wachstum, ein großer Schritt innerhalb kürzester Zeit
, sagt Kopernik. In den letzten 15 Jahren habe die Zahl der Hunde in Deutschland geschätzt von 6,5 auf 10 Millionen zugelegt. Auch Städte registrieren mehr Anmeldungen zur Hundesteuer. dpa
15.974 Corona-Neuinfektionen und 1148 neue Todesfälle gemeldet
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 15.974 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 1148 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Mittwochmorgen bekanntgab. Vor genau einer Woche hatte das RKI 19.600 Neuinfektionen und 1060 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.
Nach einem starken Anstieg der Fallzahlen Anfang Dezember, einem Rückgang während der Feiertage und einem erneuten Anstieg in der ersten Januarwoche sinken die Fallzahlen in den meisten Bundesländern (jedoch nicht allen) nun leicht
, schrieb das RKI in seinem Lagebericht vom Dienstagabend. Der Höchststand von 1.244 neuen Todesfällen war am Donnerstag erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Mittwochmorgen bei 123,5. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die Zahl schwankte danach und sinkt seit einigen Tagen wieder. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch aktuell enorm: Die höchsten Inzidenzen haben Thüringen mit 237,7 und Brandenburg mit 208,8. Den niedrigsten Wert hat Bremen mit 78,5.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Dienstagabend bei 0,87 (Vortag: 0,89). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 87 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Covid-19:
Forscherteam entdeckt neue Corona-Antikörper
Trotz des Impfstarts in Deutschland, läuft die Suche nach Medikamenten und Therapien auf Hochtouren. Nun haben Forschende neue Antikörper gefunden. Die Wissenschaftler:innen hoffen auf einen speziellen Therapieansatz. Auf diese Weise sollen Corona-Mutation unschädlich gemacht werden.
Bonn – In Deutschland haben die Impfungen gegen das Coronavirus begonnen. Zwar wird Kritik an der Strategie des Gesundheitsministeriums und an Jens Spahn (CDU) laut. Allerdings steht die Bundesrepublik im weltweiten Impfvergleich relativ gut da. In zahlreichen Ländern, die finanziell schlechter dastehen, ist noch kein Impfstart in Sicht.
Auch deshalb bleibt es spannend, was die Wissenschaft am Coronavirus erforscht. Forschende aus Deutschland, Schweden und den USA haben diesbezüglich Neuigkeiten bekannt gegeben. Sie haben neue Fragmente von Antikörpern entdeckt, die gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 in ihrer Studie Wirkung zeigen. Ihre Erkenntnisse wurden im Fachmagazin Science
veröffentlicht.
Neue Corona-Antikörper starten Blockade und Gegenangriff
Das Forscherteam, unter Leitung der Universität Bonn, teilt mit, dass es sich dabei um sogenannte Nanobodies
handelt. Sie sind deutlich kleiner als herkömmliche Antikörper und dringen deshalb besser in Gewebe ein. Hinzu kommt, dass sich die neuen Antikörper laut Angaben der Forschenden leichter in größeren Mengen herstellen lassen. Die Nanobodies
wurden von den Wissenschaftler:innen mit speziellen Molekülen kombiniert und weiterentwickelt. Dadurch entsteht nicht nur eine Blockade durch die Antikörper, sondern auch ein Gegenangriff. Sie attackieren den Erreger gleichzeitig an verschiedenen Punkten. Dabei handelt es sich um Antikörper-Fragmente, die so simpel aufgebaut sind, dass man sie von Bakterien oder Hefen produzieren lassen kann, was mit geringeren Kosten verbunden ist
, erklärt Florian Schmidt, Leiter des neuen Forschungsgebietes am Institut für Angeborene Immunität.
So könnte, laut Angaben der Forschenden, verhindert werden, dass sich das Coronavirus durch Mutationen einem Wirkstoff entzieht. Die Forschenden haben die neuen Antikörper-Fragmente an Alpakas und Lamas getestet. Lamas und Alpakas bieten […] den Vorteil, dass sie neben komplexen normalen Antikörpern auch eine einfachere Variante herstellen, die als Basis für
, so Schmidt.Nanobodies
dienen kann
Corona: Forschende hoffen auf neuen Therapieansatz
Durch Bluttests sei man an eine Bibliothek
von Informationen gelangt. Mithilfe eines neu entwickelten Verfahrens wurden die Antikörper gefunden, welche Spike-Proteine auf der Oberfläche von Coronaviren erkennen können. Insgesamt erhielten wir so Dutzende
, so Paul-Albert König, Autor der Studie. Das Spike-Protein ist von großer Bedeutung, da es als Verbindung zwischen Erreger und angegriffener Zelle fungiert. Nach erfolgreicher Verbindung werfen die Proteine ihre Struktur ab und verändern diese. Die neuen Nanobodies
, die wir dann weiter untersuchtenNanobodies
-Antikörper weisen eine ähnliche Fähigkeit auf, wie König erklärt. Sie können demnach eine Strukturänderung der Spike-Proteine auslösen, bevor diese auf die Zielzelle treffen. Das Virus kann also nicht mehr an seine Zielzellen binden und sie infizieren
, so der Forscher.
Das Risiko, dass Mutationen des Coronavirus für Komplikationen sorgen, sei durch die Kombination der Nanobodies
mit entsprechenden Molekülen eingedämmt. Die Varianten seien insbesondere in Zellkulturen hochwirksam
.
Die Forschenden erhoffen sich aus den neuen Erkenntnissen einen Therapieansatz für die Zukunft. Allerdings seien weitere Untersuchungen auf diesem Feld notwendig. Frankfurter Rundschau, Tobias Utz
Große Mehrheit für Verlängerung des Lockdowns
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen unterstützt eine Verlängerung des Corona-Lockdowns über den 31. Januar hinaus. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 40 Prozent sogar für eine Verschärfung der bestehenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aus, weitere 21 Prozent sind für eine Beibehaltung der bisherigen Beschränkungen. Nur 13 Prozent plädierten für ein Ende des Lockdowns, 17 Prozent für eine Lockerung. 8 Prozent machten keine Angaben.
Die Zahl der Lockdown-Gegner hat damit im Vergleich zu Anfang Januar nur leicht zugenommen. Damals waren 11 Prozent für eine Abschaffung aller Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus und 17 Prozent für eine Entschärfung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berät an diesem Dienstag mit den Ministerpräsidenten der Länder über eine weitere Verlängerung des Mitte Dezember beschlossenen harten Lockdowns mit Schließung der meisten Geschäfte, der Hotels und Gaststätten sowie der Schulen und Kitas. Zudem soll es um Verschärfungen gehen, mit denen auch der Verbreitung von hoch ansteckenden Virus-Mutationen in Deutschland vorgebeugt werden soll.
Im Gespräch sind zum Beispiel neue Regeln zum Homeoffice, eine nächtliche Ausgangssperre und eine Erweiterung der Maskenpflicht. Die Akzeptanz für solche Maßnahmen ist relativ groß.
- HOMEOFFICE: In der Umfrage sprachen sich 70 Prozent der Befragten dafür aus, Unternehmen dazu zu verpflichten, während des Lockdowns zu Hause arbeiten zu lassen - soweit dies möglich ist.
- AUSGANGSSPERRE: 56 Prozent sind für eine nächtliche Ausgangssperre, wie es sie in anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich schon gab oder immer noch gibt. Nur 36 Prozent sind dagegen.
- MASKENPFLICHT: Seit Montag muss man in Bayern in Bussen, Bahnen und Geschäften FFP2-Masken tragen, die besonders gut vor einer Übertragung des Virus schützen. Eine Mehrheit von 60 Prozent ist grundsätzlich für eine Ausweitung dieser Maßnahme auf das ganze Bundesgebiet - 36 Prozent allerdings nur, wenn die Masken für alle kostenlos verteilt werden.
- SCHULEN: Bei der Schließung der Schulen sind die Befragten gespalten. 40 Prozent sind dafür, dass sie geschlossen bleiben. 37 Prozent meinen, Präsenzunterricht sollte mit Einschränkungen wieder möglich sein. 16 Prozent sind für eine Normalisierung des Schulbetriebs.
- ÖFFENTLICHER NAHVERKEHR: Auch hier gibt es kein klares Bild. 43 Prozent sind gegen eine Einschränkung des Betriebs von Bussen und Bahnen, 39 Prozent dafür. 10 Prozent sind sogar für eine komplette Einstellung des Öffentlichen Nahverkehrs. dpa
Massenansteckung in belgischem Seniorenheim mit britischer Virusvariante
In einem belgischen Altenheim ist es zu einer Massenansteckung mit der zuerst in Großbritannien entdeckten Coronavirus-Mutante gekommen. 75 Menschen hätten sich in der Einrichtung in der Stadt Houthulst mit der ansteckenderen Variante des Virus infiziert, sagte Bürgermeister Joris Hindryckx am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP.
Damit seien zwei Drittel der Bewohner mit dem Virus infiziert. Bislang seien drei Bewohner nach einer Infektion mit dem Virus gestorben.
Insgesamt wurden in der 10.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Belgiens den Angaben zufolge 128 Menschen positiv auf die Virusmutante getestet. Wie es zu der Ausbreitung der Corona-Variante kam, war zunächst offen. Die Infizierten müssen zehn Tage in Quarantäne. AFP
Zusammenhang unwahrscheinlich, Institut prüft zehn Todesfälle nach Impfung
In Deutschland versterben mehrere Menschen kurz nachdem sie gegen das Coronavirus geimpft wurden. Das Paul-Ehrlich-Institut untersucht nun die jeweilige Todesursache. Experten erwarten jedoch, dass andere Faktoren als die Impfung eine Rolle gespielt haben.
Das Paul-Ehrlich-Institut prüft bislang zehn Todesfälle kurz nach einer Corona-Impfung - ein Zusammenhang gilt den Experten zufolge aber als eher unwahrscheinlich. In diesen Fällen waren schwer kranke Menschen innerhalb von vier Tagen nach der Immunisierung gestorben, berichtete das für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständige Bundesinstitut im hessischen Langen.
Aufgrund der Daten, die wir haben, gehen wir davon aus, dass die Patienten an ihrer Grunderkrankung gestorben sind - in zeitlich zufälligem Zusammenhang mit der Impfung
, sagte Brigitte Keller-Stanislawski, die zuständige Abteilungsleiterin für die Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Über Einzelfälle könne sie aus Gründen des Personenschutzes nichts sagen, aber es handelt sich um sehr schwer kranke Patienten mit vielen Grunderkrankungen
. Manche seien palliativ behandelt worden. Bislang haben in Deutschland mehr als 800.000 Menschen eine erste Impfdosis erhalten.
Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hatte schon vor der EU-Zulassung des Biontech-Präparats darauf hingewiesen, dass aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeit Menschen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung versterben werden
- etwa, weil zuerst die alten und hochaltrigen Menschen
geimpft werden, die aufgrund ihres Alters allgemein ein höheres Risiko haben zu sterben.
Das PEI will künftig wöchentlich über die gemeldeten Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung informieren. Bis zum Sonntag waren beim PEI 325 Verdachtsfälle mit 913 Nebenwirkungen eingegangen, darunter 51 Verdachtsfälle mit schwerwiegenden Nebenwirkungen. Das entspricht 0,53 Fällen pro 1000 Impfdosen beziehungsweise 0,08 Verdachtsfällen für schwerwiegende Nebenwirkungen pro 1000 Impfdosen.
PEI: Schwere Nebenwirkungen sind sehr selten
Die bei weitem häufigsten Nebenwirkungen, über die berichtet wurde, waren Kopfschmerzen, Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Gliederschmerzen. Solche vorübergehenden Nebenwirkungen seien etwas stärker als die einer Grippe-Impfung, sagte PEI-Präsident Klaus Cichutek. Schwere Nebenwirkungen seien sehr selten, ein Zusammenhang zudem oft unklar. Die Risiken sind sehr, sehr begrenzt.
Impfgegner müssten sehen, dass sie mit einem Piks vor einem schweren oder gar lebensbedrohlichen Verlauf der Infektionskrankheit geschützt würden. Für die Prüfung der Impfstoffe seien keine Abkürzungen genommen worden.
Auch für Allergiker gebe es keine Kontra-Indikation, sie sollten aber nach der Impfung sicherheitshalber 15 Minuten zur Beobachtung im Impfzentrum bleiben. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand gebe es keine Hinweise, dass die bisher zugelassenen Impfstoffe nicht gegen die inzwischen aufgetauchten Mutationen des Virus wirken, sagte Cichutek. ntv.de, hul/dpa
Corona-Ausbruch wenige Tage nach Impfaktion in Pflegeheim
Wenige Tage nach Corona-Impfungen in einem Alten- und Pflegeheim im schleswig-holsteinischen Itzstedt ist dort inzwischen bei 33 Menschen das Coronavirus nachgewiesen worden. Es hätten sich 25 Bewohner und acht Mitarbeiter des Hauses Itzstedt
infiziert, teilte eine Sprecherin des Kreises Segeberg nördlich vom Hamburg am Montag mit. Wie der Erreger ins Heim kam, sei unklar. Die Impfaktion habe am 9. Januar stattgefunden. Die ersten Corona-Fälle seien am 13./14. Januar festgestellt worden. Ein Impfschutz entstehe in so wenigen Tagen noch nicht, erläuterte auf Nachfrage der Kieler Infektionsmediziner Helmut Fickenscher. Zuvor hatten die Kieler Nachrichten
berichtet. dpa
Corona und Reisen - Ein Langstreckenflug, vier Ansteckungen
Auf einem 18-stündigen Flug haben sich wohl mindestens vier Passagiere mit dem Coronavirus infiziert. Experten erhoffen sich von dem Vorfall Erkenntnisse über sicheres Fliegen in Pandemiezeiten.
Wer dieser Tage reisen will, kommt ohne Mund-Nasen-Schutz nicht aus. Im Nahverkehr ist er Pflicht, genauso wie in der Bahn und im Flugzeug. Sicher ist sicher. Wie groß das Risiko für Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 in den Verkehrsmitteln ist, wissen Forscher jedoch nicht genau.
Das zu überprüfen, ist gar nicht so leicht, denn insbesondere bei Infizierten, die unterwegs waren, lässt sich rückblickend schwer sagen, wo sie sich angesteckt haben und bei wem. War es am Bahnhof oder Gate oder direkt im Flugzeug oder der Bahn? Und wer hat das Virus weitergegeben? Diese Fragen lassen sich in Haushalten, wo Kontaktpersonen bekannt sind, viel einfacher klären.
In einer kleinen Untersuchung haben Behörden nun Infektionen nachgewiesen, die mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Flugzeug stattgefunden haben, trotz Belüftungssystem und zumindest teilweiser Maskennutzung. Der Ausbruch liefert Hinweise, worauf Airlines und Staaten künftig achten sollten, um einen möglichst sicheren Flugverkehr in Pandemiezeiten zu gewährleisten.
18 Stunden auf engem Raum
Laut der Auswertung des Teams um Tara Swadi vom neuseeländischen Gesundheitsministerium haben sich am 28. und 29. September vier Passagiere auf einem gut 18-stündigen Langstreckenflug von Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Auckland mit Sars-CoV-2 angesteckt. Die Forscher berichten im Fachmagazin Emerging Infectious Diseases
von dem Vorfall.
Der Inselstaat hat sich mit Beginn der ersten Ausbreitungswelle weitgehend vom Rest der Welt abgeschottet. Bürger, die in ihre Heimat zurückkehren, müssen sich seit der ersten Coronawelle 14 Tage lang in Quarantäne begeben und werden mehrfach auf das Coronavirus getestet.
Bei dieser Nachprüfung bemerkten die Experten, dass gleich sieben von 86 Passagieren des Flugs EK448 während der Quarantäne positiv getestet worden waren. Sie waren aus fünf verschiedenen Staaten angereist und hatten in Dubai das Flugzeug nach Auckland bestiegen. Bei einem knapp zweistündigen Tankstopp in Kuala Lumpur, Malaysia, verließ niemand den Flieger.
Sieben nahezu identische Genome
Alle sieben Sars-CoV-2-Genome waren genetisch identisch, mit Ausnahme einer einzelnen Mutation in einer Probe
, schreibt der Molekularbiologe Ali Nouri, Präsident der Federation of American Scientists, mit Blick auf die insgesamt sieben im Zusammenhang mit der Reise nachgewiesenen Infektionen auf Twitter. Nouri war nicht an der Auswertung beteiligt.
Die genetische Ähnlichkeit der Viren ist ein Indiz, dass sie Teil des gleichen Ausbruchs waren. Hätten sich die Passagiere bereits in ihren Ausgangsregionen infiziert, hätten sie mit großer Wahrscheinlichkeit verschiedene Viruslinien mit auf den Flug gebracht.
Da die Passagiere mit den Bezeichnungen A und B als erste Symptome entwickelten, gehen die Forscher davon aus, dass sie das Virus an Bord des Flugzeugs geschleppt haben. Sie waren gemeinsam gereist und haben während des Flugs wahrscheinlich die Passagiere C, D, E und F angesteckt.
Der siebte Testpositive, Passagier G, steckte sich dagegen wohl erst während der gemeinsamen Quarantäne an, bei der er sich mit Passagier F ein Zimmer teilte.
Platziert in fünf aneinandergrenzen Reihen
Die Boeing 777-300ER, die fast 400 Passagiere fasst, war auf dem Flug zu einem Viertel besetzt. Die sieben später positiv getesteten Passagiere saßen nah beieinander – im Bereich von fünf aneinandergrenzenden Reihen, nur eine blieb frei.
Passagier Ds Sitz befand direkt hinter dem des wahrscheinlichen Indexfalls A, Passagier E saß mit einem Sitz Abstand hinter dem möglichen Indexfall B. (Schaubild im Tweet). Es könne zwar nicht endgültig ausgeschlossen werden, dass sich die Passagiere bereits zufällig am Flughafen angesteckt haben, erklärte Nouri. Ein viel wahrscheinlicheres Szenario ist jedoch die Übertragung auf dem Flug, da die sieben in unmittelbarer Nähe saßen.
Auffällig ist, dass sich das Virus ausbreiten konnte, obwohl sowohl die Indexfälle A und B sowie zwei der vier Passagiere, die sich wahrscheinlich bei ihnen angesteckt haben, angaben, auf dem Flug eine Maske getragen zu haben. Passagier C und E gaben zu, dies nicht getan zu haben. Am Gate galt keine Maskenpflicht.
Wichtiger Baustein: Quarantäne nach dem Flug
Fünf Passagiere ließen sich zudem vor dem Flug freiwillig auf Sars-CoV-2 testen. Von der Fluggesellschaft verlangt wurde das nicht. Das Problem: Die Tests haben die Indexfälle nicht erfasst
, schreibt Nouri.
Passagier A war vier bis fünf Tage vor Flugbeginn auf das Virus untersucht worden und erhielt ein negatives Ergebnis. Experten kritisieren, dass die Zeitspanne zwischen Test und Flugbeginn zu groß gewesen sei, um sicherzustellen, dass er bei Flugantritt frei vom Virus war. Idealerweise müssten Testergebnisse verlangt werden, die nur wenige Stunden alt seien.
Die Lehre aus der Auswertung sei, dass mehrere Sicherheitsnetze eingebaut werden müssten – Tests vor dem Einsteigen, Abstand und Masken, sagte Abraar Karan von der Harvard Medical School, der nicht an der Studie beteiligt war, der New York Times
. Diese Dinge sind auf dem Flug alle auf unterschiedliche Weise schiefgelaufen.
Nouri verwies darauf, dass die Studie die Wichtigkeit einer Quarantäne und von Tests nach einem Flug unterstreiche. Swadi und Kollegen erklärten in ihrem Fazit, dass es sinnvoll sei, alle internationalen Passagiere als potenziell mit Sars-CoV-2 infiziert zu betrachten, selbst wenn Tests vor der Abreise durchgeführt und während des Flugs Abstände eingehalten und Masken getragen wurden.
Anfang des Jahres hatte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft noch mitgeteilt, dass das Infektionsrisiko in Flugzeugen wahrscheinlich eher gering sei. Horizontale Luftströmungen würden durch die Belüftungssysteme an Bord auf ein absolutes Minimum reduziert
, hieß es. Vorstellbar ist, dass in dem aktuellen Fall der extrem lange Aufenthalt im Flugzeug die Schutzwirkung der Lüftung verringert hat.
Alle Passagiere als potenziell infiziert betrachten
Bereits im September hatten zwei Studien darauf hingedeutet, dass sich Menschen trotz ausgeklügelter Lüftung während eines Flugs mit dem Coronavirus anstecken können. Die Analysen bezogen sich allerdings auf Fälle aus dem März, als das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes noch unüblich war.
In Europa gilt sei Monaten für alle Fluggäste ab sechs Jahren eine Maskenpflicht an Bord. Experten verweisen allerdings darauf, dass sich Fluggäste schon vor der Pandemie nicht unbedingt konsequent an Regeln gehalten haben.
Selbst wenn alle genannten Vorschriften zur Geltung kämen, bliebe ein Restrisiko für Infektionen auf fast allen Flügen, sagte Karan. Es sei mehr als wahrscheinlich, dass nicht nur die zwei Passagiere auf Flug EK448 die Maske in den 18 Stunden Reisezeit abgenommen hätten. Ein jeder solcher Lapsus erhöhe das Risiko eines Ausbruchs. Spiegel Online, von Julia Merlot
Deutschland: Mehr als 18.000 Neuinfektionen und fast 1000 Todesfälle
In Deutschland haben sich innerhalb von 24 Stunden über 18.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut
(RKI) 18.678 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden, wie das RKI am Samstagmorgen bekanntgab.
Damit stieg die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen Fälle auf 2.019.636 (Stand: 16.01., 00.00 Uhr). Noch am Vortag waren 22.368 Neuinfektionen gemeldet worden. Dabei ist zu beachten, dass die tatsächliche Gesamtzahl noch deutlich höher liegen dürfte, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Außerdem wurden 980 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Der bisherige Höchststand von 1244 neuen Todesfällen war am Donnerstag erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Samstagmorgen bei 139,2. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch aktuell enorm: Die höchsten Inzidenzen haben Thüringen mit 268,3 und Sachsen mit 255,8. Den niedrigsten Wert hat Bremen mit 80,0. Bundesweit ist die 7-Tage-Inzidenz in den vergangenen Tagen nach RKI-Daten vom Freitag leicht gesunken.
Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 45.974. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 1.657.900 an.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Bericht vom Freitag bei 0,99 (Vortag: 1,02). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 99 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Großbritannien: Krankenwagen warten bis zu neun Stunden vor der Notaufnahme
In Großbritannien breitet sich die neue Variante des Coronavirus unkontrolliert aus. Die Regierung fleht die Bevölkerung an, sich endlich an die Maßnahmen zu halten.
Der Krisenfall ist da: Im Vereinigten Königreich spitzt sich die Notsituation im Gesundheitssektor dramatisch zu. Jeden Tag infizieren sich in Großbritannien fast 60.000 Bürgerinnen und Bürger mit Covid-19 – und zwar mit der neuen Variante B.1.1.7, die das alte
Virus nahezu komplett verdrängt hat. Wir erleben hier eine komplett andere Dimension als je zuvor
, warnte der medizinische Berater der britischen Regierung, Professor Chris Whitty, am Montag im Morgenprogramm der BBC.
Auf allen Medienkanälen flehen Berater und Mitglieder der Regierung seit Tagen, die Bevölkerung möge sich endlich an die Sicherheitsmaßnahmen halten, mit denen die rasante Ausbreitung der Corona-Pandemie bekämpft werden soll. Die Zahlen sind alarmierend: In manchen Teilen Londons, wo sich das neue Virus ungebremst ausbreitet, ist bereits jede fünfte Person infiziert oder war es. Ganze Familien wurden in Krankenhäuser eingewiesen.
Bisher zeigt der verschärfte Lockdown keinen Erfolg. Etwa drei Millionen Personen haben sich im Land bislang angesteckt, davon gilt derzeit rund die Hälfte noch als infiziert. Während sich Ärztinnen und Pflegepersonal auf dem Höhepunkt der ersten Infektionswelle im Frühjahr um 18.000 Corona-Fälle in den Krankenhäusern kümmern mussten, sind es jetzt schon mehr als 30.000 Kranke.
Es ist eine furchtbare Situation
, sagte Regierungsberater Whitty am Montag. Jeder Kontakt mit einer Person außerhalb des eigenen Haushaltes ist genau das Glied in der Infektionskette, das für jemand anderen den Tod bedeuten kann.
Die Leute sollten endlich aufhören, nur zu beobachten, wer sich sonst nicht an Regeln halte, sagte Whitty weiter. Jeder muss sich darauf konzentrieren, was er selbst tun kann.
In den kommenden Wochen werde sich die Situation weiter zuspitzen. Im Vereinigten Königreich sind mittlerweile mehr als 80.000 Personen gestorben, nachdem sie zuvor positiv auf Corona getestet worden waren. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern, die die Regierung im Not-Komitee SAGE beraten, wird die Zahl in diesem Winter noch auf 100.000 Opfer steigen.
Die Krankenhäuser sind so überfüllt, dass Krankenwagen am Wochenende bis zu neun Stunden mit Patienten vor der überforderten Notaufnahme warten mussten, bis die Patienten von den Hospitälern aufgenommen werden konnten. Ärzte, Ärztinnen und Personal auf den Intensivstationen arbeiten bis zur Erschöpfung. Das Problem: Sie sind noch nicht geimpft, infizieren sich, und müssen dann in Quarantäne tagelang zu Hause ausharren. Derzeit fehlen deshalb mehr als 46.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS). Die Konsequenz: Immer weniger Personal muss sich um immer mehr Patienten kümmern. Wir können die erforderliche Qualität der Krankenpflege kaum noch einhalten
, lautet die Warnung zahlreicher Ärztinnen und Ärzte.
Das beängstigende Ringen um Atem
Die Tageszeitung The Times zitiert die Ärztin Jane Smith, die von den Zuständen auf ihrer Intensivstation berichtet: Der Druck, immer mehr Notfälle aufzunehmen, führe unweigerlich zu dem Moment, in dem Ärzte und Ärztinnen entscheiden müssen, wer mit allen Mitteln noch am Leben gehalten wird, oder wem der Wunsch erfüllt wird, zu sterben. Der Sauerstoffmangel und das beängstigende Ringen um Atem – selbst bei Sauerstoffzufuhr – seien so anstrengend, dass manche Covid-Erkrankte lieber sterben wollten.
Wo das Personal zuvor noch zum Durchhalten appellierte, werde diesem Wunsch jetzt schneller nachgegeben, Schmerz- und Beruhigungsmittel verabreicht und dem Patienten erlaubt, die Sauerstoffmaske abzunehmen – mit der unweigerlich tödlichen Folge.
Zwar sind es derzeit noch meist ältere Personen, die an der Infektion sterben. Aber Krankenhäuser berichten, dass auch zuvor gesunde Vierzigjährige dem Virus erliegen.
Der Grund für das Desaster: Die neue Virus-Variante breitet sich um 50 bis 70 Prozent schneller aus als das Virus der ersten Infektionswelle. Die Leute halten sich jedoch auch nicht mehr so strikt an die Sicherheitsmaßnahmen. Ein Jahr lang haben England, Schottland, Wales und Nordirland, teilweise auch Städte – oder in London gar Stadtteile – ihre jeweils eigenen Vorschriften gemacht. Wer wen wo treffen darf, welche Sportarten erlaubt sind, wer mit wem im Park spazieren gehen darf, wurde so oft über den Haufen geworfen, dass man nicht mehr hinhört.
Außerdem lässt die Regierung zahlreiche Ausnahmen zu, mit denen selbst der jetzige Lockdown umgangen werden kann. Weil sich zu viele Leute im Frühjahr zu Hause in Einzelhaft verbannt fühlten, gibt es nun support bubbles
. Es ist die Erlaubnis, sich mit einer Person außerhalb des eigenen Haushaltes treffen zu dürfen. Ein großer Teil der Bevölkerung bubbelt
nun vor sich hin, trifft sich mit Freunden in der Wohnung, geht im Park spazieren, lacht gemeinsam – Kopf an Kopf – über Fotos auf dem Handy, oder fährt – Schulter an Schulter – auf dem Rennrad und ruft sich gegenseitig Neuigkeiten aus dem Job zu.
Im Gegensatz zum ersten Lockdown sind die Kindergärten geöffnet, damit Eltern weiterarbeiten können, sammeln sich die Kinder von systemrelevantem Personal
des Gesundheitsdienstes weiter in der Schule und bringen das Virus nach Hause. Mehr noch: Seit die Regierung die drei Impfstoffe von BioNTech-Pfizer, Oxford-AstraZeneca und Moderna genehmigt hat, fühlen sich viele plötzlich sicher, als sei die Pandemie bereits überstanden. Der Wunsch der Regierung von Boris Johnson, den Erfolg der Impfungen zu feiern, ist daher fast kontraproduktiv.
Die Regierung will zwei Millionen Menschen pro Woche impfen
Fast 350 Millionen Impfdosen hat die Regierung bestellt. Am Montag kündigte das Gesundheitsministerium sieben neue Zentren für die erste Impfstufe an, in der alle Menschen, die älter als 70 Jahre sind, immunschwache Personen und Patienten-Personal des NHS geimpft werden sollen. Das sind 15 Millionen Menschen. Die Regierung will dies bis Mitte Februar geschafft haben, muss also zwei Millionen pro Woche impfen.
Zusätzlich gibt es Impfstationen, zum Beispiel am Guy's Hospital in London, vor denen NHS-Personal und ältere Leute bei eisigen Temperaturen im Freien auf ihre Impfung warten. Königin Elisabeth II. und ihr Mann, Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, haben die Aktion bereits hinter sich – allerdings ohne Wartezeit in der Kälte.
Ab März soll die Masse der Bevölkerung geimpft werden, dann allerdings über Arztpraxen und Apotheken – ähnlich dem Programm, mit dem Grippe-Impfungen verabreicht werden. Alle Personen erhalten zunächst erst eine Impfdosis, und dann – je nach Programm und Verfügbarkeit der Impfdosen – die zweite Dosis bis zu drei Monate später, oft aber früher. Bis das Impfprogramm Wirkung zeigt, wird es Monate dauern, räumte der Gesundheitsminister Matt Hancock am Montag ein. Zeit Online, von Bettina Schulz, London
Polizei löst Hochzeitsfeier mit rund 30 Teilnehmern in NRW auf
Wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen hat die Polizei eine lautstarke Hochzeitsfeier mit rund 30 Teilnehmern im nordrhein-westfälischen Werdohl aufgelöst. Die Beamten wurden am Donnerstagabend über Partylärm in einem Wohnhaus informiert, wie die Polizei am Freitag in Iserlohn mitteilte. Bereits vor dem Haus versuchten mehrere Menschen demnach, die Polizisten am Betreten zu hindern.
Die Beamten forderten Verstärkung an und trafen wenig später in einer Wohnung im Obergeschoss auf die Hochzeitsgesellschaft. Der 21-jährige bulgarische Wohnungsinhaber gab an, er feiere seine Hochzeit mit Verwandten und Bekannten.
Die Polizei erteilte den Teilnehmern Platzverweise und nahm deren Personalien auf. Sie müssen mit Anzeigen wegen der Corona-Verstöße rechnen. Zudem wurden zwei alkoholisierte Störer in Gewahrsam genommen - die 19 und 24 Jahre alten Männer müssen sich nun zusätzlich wegen Beleidigung und Widerstands verantworten. dpa
Insgesamt jetzt mehr als zwei Millionen Corona-Infektionen in Deutschland
In Deutschland haben sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie bereits über zwei Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 22.368 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden, wie das RKI am Freitagmorgen bekanntgab. Damit stieg die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen Fälle auf 2.000.958 (Stand: 15.01., 00.00 Uhr). Dabei ist zu beachten, dass die tatsächliche Gesamtzahl noch deutlich höher liegen dürfte, da viele Infektionen nicht erkannt werden.Außerdem wurden 1.113 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Der bisherige Höchststand von 1244 neuen Todesfällen war am Donnerstag erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten. Grundsätzlich ist die Interpretation der Daten momentan noch etwas schwierig, weil um den Jahreswechsel herum Corona-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden.
Die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag am Freitagmorgen bei 146,1. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch aktuell enorm: Die höchsten Inzidenzen haben Thüringen mit 287,6 und Sachsen mit 274,1. Den niedrigsten Wert hat Bremen mit 78,7.
In den vergangenen Tagen sei die Zahl der registrierten Neuinfektionen wieder angestiegen, hieß es im RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend. Ob sich dieser Trend, über die erwarteten Nachtestungen und Nachmeldungen hinaus, weiter fortsetze, werde sich erst im Laufe der nächsten Tage zeigen.
Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 44.994. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 1.641.200 an. Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Bericht vom Donnerstag bei 1,02 (Vortag: ebenfalls 1,02). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 102 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. dpa
Spahn: Auch Deutschland gehört dazu
Zu wenige Tests auf Corona-Varianten
Ausgehend von Großbritannien und Südafrika verbreiten sich Mutationen des Coronavirus in Europa. Gesundheitsminister Spahn räumt ein, dass in Deutschland Proben bislang zu selten auf die neuen Varianten geprüft werden. Das soll sich aber ändern.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eingeräumt, dass in Deutschland zu wenige Laboruntersuchungen auf neue Coronavirus-Varianten überprüft werden. Es sei tatsächlich so, dass in zu vielen Ländern in Europa nicht ausreichend sequenziert werde, sagte Spahn am Mittwochabend in der ARD. Auch Deutschland gehört dazu.
In anderen Ländern, etwa in Großbritannien oder Dänemark, werde traditionell mehr sequenziert.
Nach aktuellem Kenntnisstand scheine die zuerst in Großbritannien nachgewiesene Corona-Mutation B.1.1.7 in Deutschland noch nicht allzu stark verbreitet zu sein, sagte Spahn. Um das zu überprüfen, würden die Genomsequenzen nun nachträglich ausgewertet. Wir werden auch rückwirkend - die Proben sind ja noch da - sequenzieren
, sagte Spahn. Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass die Mutation deutlich ansteckungsfähiger sei, dann würde das natürlich einen Riesenunterschied machen für uns im Umgang mit diesem Virus
.
Mutationen beschäftigt WHO-Notfallkomitee
Wegen der raschen Ausbreitung der Corona-Varianten zieht das Notfallkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seine nächste Sitzung um zwei Wochen vor. Das Gremium werde bereits am Donnerstag zusammenkommen, um über die aktuelle Entwicklung zu beraten, teilte die WHO in Genf mit.
Zudem soll das Notfallkomitee über den Umgang mit Impfzertifikaten und Corona-Tests auf Reisen sprechen. Im Anschluss will das Expertengremium Empfehlungen für die WHO und deren Mitgliedsstaaten veröffentlichen.
Zwei Mutationen des Virus wurden in den vergangenen Wochen in Großbritannien und Südafrika entdeckt, die als deutlich ansteckender gelten als die bisherigen Formen des Erregers. Diese Mutationen haben sich mittlerweile in mindestens rund 50 Staaten weltweit verbreitet. Zudem gab Japan am Sonntag die Entdeckung einer weiteren Mutation bekannt, die aus dem brasilianischen Amazonasgebiet stammen soll. Diese Variante wird derzeit untersucht. ntv.de, jpe/dpa/AFP
Thüringen überholt Sachsen und hat nun die höchste Corona-Inzidenz
Thüringen hat Sachsen als Bundesland mit den meisten Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche abgelöst. Das Robert Koch-Institut meldete am Mittwoch (Stand 0.00 Uhr) einen Sieben-Tage-Wert von 324,2 neuen Fällen bezogen auf diese Einwohnerzahl.
In Sachsen, das wochenlang vor Thüringen rangierte, lag dieser Wert am Mittwoch bei rund 304,4 Infektionen.
Thüringen hat rund 2,1 Millionen Einwohner. Bundesweit größter Corona-Hotspot ist der thüringische Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Laut RKI gab es dort in den vergangenen sieben Tagen rund 600 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner. Der Kreis hat 103.000 Einwohner. dp
Drastische Maßnahmen auf den Balearen in Kraft
Trotz heftiger Proteste von Gastronomen und anderen Unternehmern sind auf den spanischen Urlaubsinseln Mallorca und Ibiza die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie drastisch verschärft worden. Seit Mittwoch müssen dort unter anderem alle Restaurants, Bars, Cafés und Fitnessstudios zunächst für zwei Wochen schließen.
Zudem sind auch private Treffen von Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, sowohl zu Hause als auch in der Öffentlichkeit verboten.
Die Balearen hatten die Pandemie lange Zeit relativ gut im Griff. Seit Dezember wird die Lage aber immer besorgniserregender. Zeitweise hatten die Inseln die höchsten Zahlen ganz Spaniens. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen lag am Mittwoch nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Madrid bei gut 304. Das ist wesentlich höher als im Durchschnitt Spaniens, wo dieser Wert bei knapp 254 lag. Die Lage in den Krankenhäusern ist entsprechend prekär. dpa
Japans Regierungschef weitet Notstand aus
Der Ministerpräsident Japans, Yoshihide Suga, hat wegen wieder deutlich gestiegener Corona-Fälle den Notstand über den Großraum Tokio hinaus auf sieben weitere Präfekturen ausgeweitet. Das entschied Suga am Mittwoch, wenige Monate vor den in Tokio geplanten Olympischen Spielen.
Der Notstand gilt damit nun vorläufig bis zum 7. Februar für elf Präfekturen, darunter auch in Kyoto, Osaka und Fukuoka. Diese Präfekturen machen mehr als die Hälfte der Bewohner Japans und rund 60 Prozent der Wirtschaft des Landes aus.
Ein Lockdown ist die Maßnahme jedoch nicht: Restaurants und Bars sollen ab 19 Uhr keinen Alkohol mehr ausschenken und schon um 20 Uhr schließen. Die Bürger sind aufgerufen, zu Hause zu bleiben und vor allem nicht nach 20 Uhr auszugehen. Der wegen seiner Corona-Politik zunehmend in der Kritik stehende Regierungschef Suga hatte den Notstand kürzlich zunächst nur für den besonders betroffenen Großraum Tokio bis zum 7. Februar verhängt und die Bürger aufgerufen, zu Hause zu bleiben. dpa
Sachsen in der Corona-Krise: Wenn jede Hilfe zu spät kommt
Während im Land langsam das Impfen beginnt, stapeln sich im Krematorium von Meißen die Särge der Corona-Toten. Nirgendwo wütet die Pandemie so heftig wie in Sachsen. Wie konnte das passieren?
Erst im letzten, im allerletzten Moment sind die Toten wieder allein; nicht umgeben von Hunderten anderen. Wenn sich die elektrische Klappe vor dem Ofen öffnet, wenn der Sarg auf einer Schiene ins Feuer gleitet – dann ist der Verstorbene für sich.
Dass Corona gefährlich ist, dass das Virus töten kann – das weiß man inzwischen, als Mensch in der Pandemie. Und doch hat man gelernt, das Leid, das Covid-19 auslöst, auszublenden.
Man kann es nur nicht ausblenden, wenn man das Krematorium in Meißen besucht, in dem Landkreis mit der nach Angaben des Robert Koch-Instituts bundesweit höchsten Sieben-Tage-Inzidenz. Das Krematorium ist eines der größten in Sachsen. Ein Ort, an dem sich Särge stapeln wie Versandkartons. In dessen Gängen man sich zwischen den Särgen hindurchzwängen muss, weil kein Platz mehr in den Lagerräumen ist. Wo die Feierhalle heruntergekühlt wurde, damit auch darin Tote abgestellt werden können. Wo auf jedem zweiten Sarg "Corona" steht und: Infektionsgefahr
. Wo die Särge mit Frischhaltefolie umwickelt sind, damit sie einigermaßen dicht verschlossen sind.
Im Krematorium Meißen kommen gerade täglich so viele Tote an wie immer zu dieser Jahreszeit. Und, zusätzlich, noch einmal so viele, die an Corona gestorben sind. Meißen, das ist die Lage, die man in Deutschland immer verhindern wollte.
Alle sächsischen Krematorien arbeiten an der Kotzgrenze
, sagt Jörg Schaldach, 57, und man möge ihm die raue Sprache verzeihen, der Chef des Krematoriums sieht nur keinen Grund, seine Gefühle zu verbrämen. Schaldachs Corona-Kurve ist diese: Im Oktober hat sein Haus 23 Covid-Verstorbene eingeäschert. Im November waren es plötzlich 250. Im Dezember 587, aus ganz Sachsen, aber auch aus Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin. Im Schnitt waren sie 85 Jahre alt. Von Weihnachten bis Neujahr hat das Meißner Krematorium im Vier-Schicht-Betrieb rund um die Uhr gearbeitet, lediglich am Heiligen Abend war Pause. Die Leichenwagen standen in der Zufahrt im Stau, über Hunderte Meter. Ich lade jeden Leugner ein, bei uns mitzuhelfen
, sagt Schaldach. Der dürfte auch gerne ohne Schutzmaske kommen, voll an der Front.
Aber es traue sich ja doch keiner.
Wer mit Schaldach spricht, der hört viel Ärger über diejenigen, die sich immer noch nichts aus der Pandemie machen. Es ist schlimm, wie die Menschlichkeit hinten runterfällt!
, sagt er. Wenn Leute sagen, dass die Alten eben sterben sollen.
Und dann sei da aber auch eine Häme, die er mit Blick auf Sachsen wahrnehme. Neuerdings werden Coronaviren sogar an politischen Richtungen festgemacht
, sagt Schaldach. Plötzlich lese ich Kommentare, in denen steht:
Dabei, so Schaldach, verhielten sich die Sachsen, die er kenne, nicht anders als die Menschen in Bayern oder Hessen. Es gebe überall in Deutschland Leugner und Unbelehrbare.Baut eine Mauer um Sachsen
!
Ist das so? Oder ist Sachsen doch anders?
Das Bundesland ist in den vergangenen Wochen zum Symbol dafür geworden, wie schnell sich in der Covid-Pandemie die Situation umkehren kann. Von der ersten Welle im Frühjahr war der ganze Osten weitgehend verschont geblieben – um in der zweiten Welle nun umso heftiger getroffen zu werden. In keinem anderen Bundesland sterben im Verhältnis zur Einwohnerzahl derzeit mehr Menschen. Lediglich Thüringen und der Süden Brandenburgs weisen ähnlich hohe Zahlen auf.
Manche erinnern nun an die politischen Entscheidungen des vergangenen Sommers: War es nicht Sachsens Regierung gewesen, die offensiv auf Öffnungen gedrängt hatte? Und überhaupt: Waren die Sachsen nicht schon in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefallen als widerspenstig und renitent? Im Dezember wies der Jenaer Soziologe Matthias Quent darauf hin, dass deutschlandweit dort, wo die AfD besonders stark sei, auch besonders hohe Infektionszahlen gemessen würden. Manche leiteten daraus die unterschwellige Frage ab: Haben sich die Sachsen ihre Misere womöglich selbst eingebrockt?
Wir sind ja selbstkritisch
, sagt Martin Dulig (SPD). Dulig ist Sachsens Vize-Ministerpräsident und zudem Ostbeauftragter seiner Partei. Wir waren im Sommer das Bundesland, das am schnellsten gelockert hat – und aus der damaligen Sicht war das nachvollziehbar. Aber vielleicht haben wir auch an manchen Stellen, ohne es zu wollen, das Signal gesetzt: Es ist alles nicht so schlimm.
Sehr spät, aber immerhin noch vor den anderen Ländern habe man sich in Sachsen dann zum zweiten Lockdown entschieden, sagt Dulig. Im Rückblick müsse man sagen: Manche unserer Entscheidungen hätten drastischer, konsequenter ausfallen können.
Dann kommt er auf die Sache mit der AfD zu sprechen, die auch ihn bewegt, natürlich. Dulig sagt, es sei ihm zu billig, die ganze Verantwortung einer Partei zuzuschieben. Eines aber muss man doch festhalten: Die AfD ist der parlamentarische Arm der Maskenverweigerer. Dass man sich in bestimmten Regionen Sachsens förmlich entschuldigen muss, wenn man Maske trägt – und dass das zufällig auch jene Regionen sind, in denen die AfD stark ist –, das zeigt zumindest eine Tendenz auf.
Man muss sich jedoch genauer ansehen, wie und wo sich Corona in der zweiten Welle verbreitet hat. Von den 15 deutschen Landkreisen mit den derzeit höchsten Inzidenzwerten liegen sechs unmittelbar an der tschechischen Grenze in Sachsen oder Bayern, die anderen liegen in der Nähe. In Tschechien war die Zahl der Corona-Infizierten bereits im Herbst explodiert, danach stiegen die Zahlen in den deutschen Grenzregionen. Dass in diesen Landkreisen auch besonders häufig AfD gewählt wird – ist das nicht eher ein Zufall? Er könne nur davor warnen, die Corona-Krise in Sachsen allein mit der politischen Einstellung der Menschen zu erklären, sagt der Soziologe Raj Kollmorgen von der Hochschule Zittau-Görlitz. In der zweiten Welle seien besonders die dörflichen und kleinstädtisch geprägten Gegenden betroffen sowie die grenznahen Räume, in Sachsen, aber auch in Bayern. Gegenden mit einer besonders alten Bevölkerung und vielen Pflegeheimbewohnern. Vor allem sind es die Sozial- und Siedlungsstrukturen in Sachsen, die dem Virus gerade die Verbreitung zu erleichtern scheinen
, sagt Kollmorgen. Auf dem Dorf, wo jeder jeden kenne; wo die Menschen in lauter Familienbetrieben zusammenarbeiteten, wo soziale Nahbeziehungen und enge Kontakte die Alltagskultur bestimmen – da falle es den Leuten schwerer, Abstand zu halten, als in einer anonymen Metropole. Und dort, wo Menschen überwiegend in kleinen Handwerksbetrieben arbeiteten, in der Industrie und Produktion, sagt Kollmorgen, sei Heimarbeit nur schwer umzusetzen. Dort zeige auch der Shutdown weniger Wirkung. Das, was in der ersten Welle die Vorteile Sachsens zu sein schienen, sind jetzt Nachteile: Damals waren die Infektionszahlen in vielen Großstädten hoch, in wohlhabenderen Gegenden, damals sorgten Touristen und Wirtschaftsreisende für einen Anstieg der Zahlen, nicht Landbewohner. Die politische Haltung einiger Menschen, sagt Kollmorgen, sei vielleicht das i-Tüpfelchen: Diejenigen, die AfD wählen, weil sie glauben, dem Staat sei nicht zu trauen, sind tatsächlich anfälliger dafür, die Corona-Pandemie und ihre Gefährlichkeit zu leugnen. Aber das als alles entscheidende Erklärung der Lage heranzuziehen, finde ich, gelinde gesagt, gewagt.
Frank Schlosser, Wissenschaftler beim Covid Mobility Project, einer Forschergruppe des Robert Koch-Instituts und der Humboldt-Universität in Berlin, hält es durchaus für plausibel, dass die anfangs niedrigen Infektionszahlen in Sachsen oder Thüringen dort zunächst zu einer gewissen Unachtsamkeit geführt haben. Schlosser berechnet anhand von Mobilfunkdaten die Bewegungen in einer Region. Im Frühjahr habe er festgestellt, dass die Mobilität im Osten trotz der bundesweiten Beschränkungen weniger stark gesunken sei als im Westen. Womöglich lag das daran, dass die Ostdeutschen sich damals weniger Sorgen um Corona machten. Das aber habe sich schlagartig geändert, nachdem die Zahlen im Osten explodiert seien: Schon vor dem verschärften Shutdown am 14. Dezember hätten die Sachsen ihre Mobilität enorm eingeschränkt; nämlich von dem Moment an, da die härteren Maßnahmen diskutiert wurden. Im Moment sehen wir keine starken Unterschiede zwischen den Bundesländern
, sagt Schlosser. Wer die Krankheit in seinem Umfeld spürt, der scheint sich eher einzuschränken.
Dazu passen Umfragen, wonach zwei Drittel der Sachsen die Verschärfung der Einschränkungen vor Weihnachten begrüßt haben. Die Sorge wird drängender. Man erlebt das, wenn man in Leipzig Udo Portner trifft, 50 Jahre alt, seit 33 Jahren arbeitet er als Bestatter. In den Nachrichten werden die Todeszahlen inzwischen mit der Beiläufigkeit des Wetterberichts vermeldet
, sagt Portner. Aber hinter jeder Zahl steckt ein ganzes Leben.
Und dem will er Respekt zollen. Es ist der 30. Dezember, Portner steht neben einer Verstorbenen. Sie ist 74 Jahre alt geworden, hatte Lungenkrebs, dann bekam sie Corona. Portner hat den Leichnam am Vortag aus dem Krankenhaus abgeholt. Es ist seine zwölfte Corona-Tote allein im Dezember. Normalerweise, erklärt der Bestatter, würde er die Verstorbene waschen, ihr Shampoo mit Meeresmineralien in die Haare massieren, den gelblichen Ton der Gesichtshaut, ein Anzeichen für Leberversagen, mit Puder und Creme abdecken. Er würde sie dem Foto nach frisieren, vielleicht ein Parfüm auftragen, das sie gern trug. Das alles ist nicht möglich, aber zumindest einen letzten Wunsch will Portner den Angehörigen vor der Feuerbestattung erfüllen und der Toten einen weißen Talar anziehen.
Portner und sein Mitarbeiter haben grüne Kittel angelegt, Wegwerfschürzen übergezogen, zwei Lagen Einweghandschuhe, Schutzärmel aus Plastikfolie, FFP2-Masken. Sie legen der Verstorbenen ein Stofftuch über Mund und Nase, getränkt in Desinfektionsmittel. Auch die Haut besprühen sie damit. Legen ihr den Talar an, streifen die Ärmel über die Arme, halten die Hand der Frau. Sie bedecken die Tote mit einem Leinentuch, begießen auch dieses mit Desinfektionsmittel. Der Leichensack wird verschlossen, zum Schluss wird auch der Sarg noch einmal besprüht.
Ja, er habe Sorge, sich anzustecken, sagt Portner. Aber wenn er den Corona-Toten keine Ehre erweise, wer tue es dann? DIE ZEIT Nr. 2/2021, von Martin Machowecz und Martin Nejezchleba
Britische Coronavirus-Variante nun auch in Lettland
In Lettland ist nun auch die zuerst in Großbritannien nachgewiesene Corona-Variante entdeckt worden. Die Mutation sei in einer Probe in dem baltischen EU-Land nachgewiesen worden, sagte der Leiter des Lettischen Biomedizinischen Forschungs- und Studienzentrums am Sonntagabend im Fernsehen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Riga stehe der Fall im Verbindung mit einer Reise nach Großbritannien.
In Großbritannien war wenige Tage vor Weihnachten eine Mutation des Coronavirus aufgetaucht, die möglicherweise deutlich ansteckender als die Standardform ist. Experten befürchten daher, dass die Ausbreitung die Pandemiebekämpfung erschweren könnte.
Lettland hatte - wie viele andere europäischen Länder - wegen der Virusvariante vorübergehend den Flugverkehr nach Großbritannien eingestellt. Nachdem seit dem Jahreswechsel wieder Flugzeuge zwischen Riga und London verkehrten, wurden die Flüge nun nach Angaben der Gesundheitsbehörde vom 11. Januar an erneut eingestellt.
Lettland mit seinen knapp 1,9 Millionen Einwohnern kämpft seit dem Herbst mit einer steigenden Anzahl Neuinfektionen - die Entwicklung ist gegenwärtig schlechter als in Deutschland. Insgesamt wurden seit Beginn der Pandemie fast 50.000 Fälle erfasst, 849 Menschen starben. dpa
Die Geisterklinik
Um notfalls reagieren zu können, hat Berlin für 40 Millionen Euro eine Notfallklinik errichtet. Doch bis heute stehen die 500 Betten leer. Werden sie nicht gebraucht?
Wie eine Führung durch eine Geisterstadt sei ihm der Rundgang durch die Notfallklinik im August vorgekommen, sagt Malte Schmieding. 500 leere Betten, in der Stille hallte jeder Schritt, schwer vorstellbar, dass es hier laut werden würde, dass hier einmal Geräte piepsen und Ärztinnen und Ärzte durch den Raum rufen sollten.
Schmieding, damals 27 Jahre alt und frisch approbierter Arzt, hatte sich freiwillig gemeldet, um in der neu gebauten Berliner Corona-Klinik Kranke zu versorgen, wenn die woanders keinen Platz mehr fänden. Neben ihm standen ein Psychotherapeut, eine Hausärztin, mehrere Medizinstudierende: Berlins Reservearmee gegen die Covid-19-Welle. Die Vorstellung, dass in allen diesen Betten mal Menschen liegen könnten, kam mir damals unheimlich vor
, sagt Schmieding.
Nur noch elf Prozent der Betten in Berlin sind frei
Heute, vier Monate später, sind in Berlin nur noch elf Prozent der Intensivbetten frei, weniger als in jedem anderen Bundesland – und in der Notfallklinik auf dem Messegelände sieht es noch genauso leer aus wie bei Schmiedings Rundgang im August. Innerhalb von nur vier Wochen hatte ein Team um den ehemaligen Chef des Technischen Hilfswerks, Albrecht Broemme, im April das sogenannte Coronazentrum Jafféstraße hochgezogen. Die Mitarbeitenden bauten Trennwände, reinigten die Klimaanlage, beschafften Beatmungsgeräte und Kühlzellen für die Leichen. Sie warben Ärztinnen und Ärzte an und Pflegekräfte, obwohl der Markt fast leer war. Als Träger wurden die Vivantes-Kliniken gewonnen – Deutschlands größter kommunaler Krankenhauskonzern, dessen alleiniger Anteilseigner das Land Berlin ist.
Bis heute hat dies alles das Land Berlin 40,2 Millionen Euro gekostet. Die Katastrophe blieb bisher aus, die Klinik ist geschlossen – zum Glück
, wie Projektleiter Broemme stets betonte. Doch wie lange noch?
Die Entscheidung, ob die Notfallklinik startet, liegt bei der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit. Eine Woche bräuchte Berlin jetzt, um die Halle zu reinigen, um die Schränke mit Medikamenten zu füllen, Dienstpläne zu erstellen, schreibt die Senatsverwaltung für Gesundheit als Antwort auf eine Anfrage von ZEIT ONLINE. Doch ein Start kommt nur infrage, wenn die Kapazitäten in allen Berliner Krankenhäusern ausgeschöpft wurden
, sagt Mischa Moriceau, Pressereferentin der Vivantes-Kliniken. Erst wenn alle planbaren Eingriffe wie Hüft- oder Knieoperationen verschoben wurden und die Kapazitäten dennoch nicht reichen, müsse man auf die Notfallklinik ausweichen. Berlin hat diese OPs zwar stark heruntergefahren, doch in vielen Krankenhäusern finden noch immer welche statt. Ist diese Reserve ausgeschöpft, könnte die Notfallklinik zunächst mit 84 Betten starten. 220 Mitarbeitende stehen dafür aktuell auf Abruf bereit. Um alle Betten nutzen zu können, wären 780 Vollzeitstellen nötig – das zusätzliche Personal soll bei Bedarf dann nach und nach eingestellt werden.
Es fehlt an Personal
Allerdings ist Fachpersonal schon jetzt rar. Unter denen, die auf Abruf stehen, sind laut der Senatsverwaltung für Gesundheit 90 Ärztinnen und 70 Krankenpfleger. Außerdem 60 Personen, die nur als Hilfspersonal arbeiten könnten, etwa Physiotherapeutinnen oder Medizinstudierende. Pro sogenanntem Modul à 24 Betten sollen nach Informationen von ZEIT ONLINE je ein Arzt, zwei Pflegekräfte sowie zwei Hilfspersonen zuständig sein – ein knapper Personalschlüssel. Die Fachrichtungen der Ärztinnen und Ärzte sind zudem eher bunt: Es sind Intensivmediziner in Rente dabei, praktizierende Internistinnen – zu deren Weiterbildung oft immerhin eine gewisse Zeit auf der Intensivstation gehört –, aber auch Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie oder Hausärzte, die für einen Einsatz ihre Praxis schließen würden.
Einige sind auch frisch approbiert, kommen direkt aus dem Studium, so wie Malte Schmieding, der sich bis zum vergangenen November für einen Einsatz verpflichtete. Ihm war mulmig dabei: Als Berufsanfänger in einer solchen Umgebung zu arbeiten, wäre eine irre Verantwortung
, sagt er. Aber ich gehöre zu dem kleinen Anteil an Ärzten, die noch Kapazitäten haben für diese Aufgabe.
Er arbeitet eigentlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Medizininformatik an der Charité. In der Forschung wäre ich im Katastrophenfall für einige Schichten in der Woche entbehrlich gewesen
, sagt er.
Wie Schmieding stehen aktuell noch 120 externe Personen bei der Notfallklinik unter sogenannten Abrufverträgen, von denen einige ZEIT ONLINE vorliegen. Die Ärztinnen und Ärzte werden nach diesen Verträgen im Moment drei Stunden pro Woche fürs Warten bezahlt – monatlich bedeutet das für sie ein Zubrot von netto etwa 200 Euro. Im Gegenzug nehmen sie an mindestens einem Rundgang in der Notfallklinik teil und sehen sich online Trainingsfilme zu Beatmungsgeräten an. Ansonsten arbeiten sie in ihren normalen Berufen weiter. Im Falle eines Einsatzes könnten sie Stunden flexibel aufstocken.
Pflegekräfte wurden geschult
Angeleitet werden sollen diese Externen dann durch ein etwa hundertköpfiges Kernteam der Vivantes-Kliniken. In ihm sind nach Angaben der Senatsverwaltung für Gesundheit Pflegekräfte, die im Sommer auf einen Einsatz in der Notfallklinik sowie auf Intensivstationen nachgeschult wurden. Mitmachen werden auch einige erfahrene Ärztinnen und Ärzte aus den Vivantes-Kliniken. Von ihnen sollen in der Notfallklinik stets einige im Dienst sein – als Ansprechpartner für die Hausärzte und Psychotherapeutinnen.
Die Vivantes-Ärzte würden im Falle eines Einsatzes zwar wiederum auf ihren Stationen in den Kliniken fehlen. Doch schon jetzt wird in den Krankenhäusern Personal so umgeschichtet, dass wenige Erfahrene viele Fachfremde anleiten – auch wenn dadurch im Zweifel die Betreuungsqualität sinkt. Effektiv können so mehr Schwerkranke betreut werden. Klinische Zeichen zu lesen, etwa bei der Entwöhnung von Patienten von Beatmungsgeräten, erfordert jahrelange Erfahrung
, sagt der emeritierte Professor für Intensivmedizin Wolfgang Kox. Eine Anleitung der Hausärztinnen und Psychotherapeuten durch erfahrenes Personal sei unabdingbar.
Ohnehin ist die Notfallklinik in der Messehalle nur für die Behandlung nicht allzu schwerer Covid-Fälle gedacht. Etwa für Menschen, deren Zustand sich nach einer Intensivbehandlung wieder verbessert hat. Wenn diese die Intensivstationen schneller räumen, entlastet das die Krankenhäuser.
Sollte sich der Zustand einer Patientin in der Notfallklinik verschlechtern, gibt es dort auch Beatmungsgeräte, Computertomografie, Ultraschall. Für die Behandlung von Nierenversagen, Sepsis oder Mikroeinblutungen in Organen und ins Gehirn fehlen dort jedoch sowohl Technik als auch das nötige Wissen. Bei solchen schweren Covid-Verläufen müssten die Betroffenen wieder auf eine voll ausgestattete Intensivstation verlegt werden. Sofern dort noch Plätze frei sind
, sagt Wolfgang Kox. Zeit Online, von Luisa Hommerich
Polizei befürchtet schwindende Akzeptanz
In den Schneegebieten muss die Polizei häufig mit drastischen Mitteln eingreifen, damit die Corona-Regeln eingehalten werden. Nach Eskalationen im Netz und bei Kontrollen schlägt die Gewerkschaft der Polizei nun Alarm. Bilder aus Ski- und Rodelgebieten, wenn dort der erste Schnee gefallen ist, Familien, die fröhlich den Hang hinuntersausen, das gab es in den vergangenen Jahren schon. Mit größeren Polizeieinheiten im Vordergrund, die Pisten sperren und Schlitten sicherstellen
, allerdings nicht. Im Internet werden solche Bilder derzeit vielfach geteilt. Mit Kommentaren wie: Eine Polizei, die Kindern den Schlitten beim Rodeln wegnimmt, kann man nicht ernst nehmen. Aber bei Clans wegschauen.
Und: In was für einer Welt leben wir eigentlich, wo Spaziergänge und Rodeln zum Verbrechen werden?
Der generelle Vorwurf lautet, man befinde sich schon inmitten eines Polizeistaats. Nach einer Corona-Kontrolle in Frankfurt wurde jüngst sogar im Netz ein Bild gepostet, das einen Polizisten in Uniform mit einem SS-Offizier vergleicht.
Die Gewerkschaft der Polizei schlägt nun Alarm. Sie sieht darin eine neue Eskalation des mangelnden Respekts gegenüber dem Staat, wie der stellvertretende Landesvorsitzende, Jens Mohrherr, sagt. Gerade durch die neuen Maßnahmen steige die Gefahr, dass die Menschen die Corona-Politik immer weniger akzeptierten. Das bekomme die Polizei, die die Regeln umzusetzen habe, unmittelbar zu spüren. Es ist nicht schön, wenn Kitas, Schulen, Geschäfte, Freizeiteinrichtungen und kulturelles Leben nahezu zum Stillstand kommen
, sagt Mohrherr weiter.
Nährboden für Corona-Leugner
Wenn aber in den Social-Media-Plattformen Kolleginnen und Kollegen als Büttel des Staates, als obrigkeitstreue Helfer bezeichnet oder gar mit Einheiten aus dem Dritten Reich verglichen werden, nur weil sie beim Schneechaos auf dem Feldberg, der Wasserkuppe oder der Sackpfeife einschreiten müssen, weil Abstandsgebote völlig außer Acht gelassen werden oder Verkehrsbehinderungen einen polizeilichen Einsatz erfordern, ist das nicht hinnehmbar.
Zu oft werde die Polizei inzwischen als Feindbild gesehen, diene als Ventil für Unverständnis gegenüber dem Staat
. Mohrherr hofft deshalb auf eine stärkere Unterstützung durch die Politik.
Durchbrochene Straßensperren hätten nichts mit zivilem Ungehorsam zu tun
, sagt Mohrherr weiter. Das gelte auch für wichtige Zufahrtsstraßen, die zugeparkt seien, so dass es notwendig werde, den Notarzt mit einem Rettungshubschrauber zum Einsatzort zu bringen, wie es jüngst der Fall gewesen sei. Hier ist die Grenze überschritten.
Sollte sich durch die Pandemie eine Schwächung der Wirtschaft zeigen mit einer steigenden Arbeitslosigkeit und sozialen Nachteilen, sei das ein Nährboden für Corona-Leugner, Querdenker und andere Agitatoren, die diesen Staat nicht wollen
. Im Mittelpunkt der dann häufig folgenden Auseinandersetzungen stehe dann abermals die Polizei.
Personell am Limit
Sorge bereiten ihm auch die nächsten Wochen. Je länger die Einschränkungen dauern, desto schwieriger wird das Verständnis in der Gesellschaft.
Mit den nun abermals strikteren Restriktionen werde die Polizei sicherlich noch mehr zu tun bekommen
. Sie könne jedoch keine Landkreise an den Kreisgrenzen abriegeln und kontrollieren, wer aus welchen berechtigten oder unberechtigten Gründen den 15-Kilometer-Radius verlässt
, so Mohrherr. Derzeit gebe es zwei Landkreise mit Inzidenzen über 200. Was aber, wenn es nur noch zwei Landkreise in Hessen gibt, die unter einem Inzidenzwert von 200 liegen? Personell gesehen, sind wir am Limit.
Das hessische Innenministerium teilte am Mittwoch mit, man sei sich der Tatsache bewusst, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus kontrovers diskutiert werden
. Gleichwohl seien sie zur Bekämpfung des Virus alternativlos. Die Polizei trete weiterhin aktiv mit den Bürgern in den Dialog, um das Verständnis für die notwendigen Verordnungen zu erhöhen
. F.A.Z.
Schärfere Corona-Regeln in weiteren Ländern
In weiteren Bundesländern treten an diesem Sonntag schärfere Corona-Regeln in Kraft. Nachdem sie in Hamburg bereits seit Freitag gelten, ziehen nun Berlin, Niedersachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern nach. Weitere Bundesländer folgen am Montag. Bund und Länder hatten am Dienstag eine Verlängerung des Lockdowns bis Ende Januar mit verschärften Kontaktbeschränkungen beschlossen.
Die Ende Dezember gestarteten Impfaktionen gegen das Coronavirus haben die Lage in Deutschland bislang nicht entspannt.
Mittlerweile wurden mit Stand Samstag 11.00 Uhr 532 878 Impfungen beim RKI erfasst. Das waren mehr als 50.000 mehr als am Tag zuvor. Die meisten Impfungen pro 1.000 Einwohner wurden laut der Statistik bisher für Mecklenburg-Vorpommern erfasst (15,6), die wenigsten für Sachsen (4,4). Bundesweit liegt der Wert bei 6,4. In absoluten Zahlen kommt laut RKI Nordrhein-Westfalen auf den höchsten Wert mit 98.950 Geimpften. Mehr als 260.000 Personen wurden aus beruflichen Gründen geimpft, etwa Mediziner und Pflegekräfte. Mehr als 206.000 Bewohner in Pflegeheimen haben ebenfalls eine Impfung erhalten. Bundesweit haben auch zahlreiche Impfzentren ihre Arbeit aufgenommen, um zunächst hochbetagte Menschen zu immunisieren. dpa
Leibarzt des Papstes nach Corona-Infektion gestorben
Fabrizio Soccorsi, der Leibarzt von Papst Franziskus, ist im Alter von 78 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Wie die Vatikanzeitung Osservatore Romano
(Samstag) berichtete, war er wegen einer Krebserkrankung in der römischen Gemelli-Klinik in Behandlung. Dabei sei es zu Komplikationen
durch Covid-19 gekommen. 2015 ernannte der Papst den Italiener zu seinem persönlichen Leibarzt. KNA
Großteil der Corona-Kranken leidet noch nach sechs Monaten unter Symptomen
Einer Langzeitstudie im chinesischen Wuhan zufolge leidet ein Großteil der Betroffenen noch ein halbes Jahr später unter mindestens einem Symptom der Virusinfektion.
Für die am Samstag in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet
veröffentlichte Untersuchung wurden insgesamt 1655 ehemalige Patienten Monate nach ihrer Behandlung im Krankenhaus erneut untersucht. Es handelt sich um eine der ersten Langzeitstudien über die Folgen einer Corona-Erkrankung.
Die Autoren fanden heraus, dass 76 Prozent der Covid-19-Patienten, die zwischen Januar und Mai in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan im Krankenhaus behandelt wurden, die Symptome der Krankheit auch sechs Monate nach ihrer Entlassung nicht vollständig überwunden hatten. 1.265 von ihnen klagten demnach weiter über mindestens ein Corona-Symptom. Am häufigsten nannten sie demnach Müdigkeit und Muskelschwäche. Viele klagten zudem über Schlafstörungen.
In der zentralchinesischen Millionenmetropole Wuhan war das Coronavirus Ende 2019 erstmals aufgetreten. Die ersten Ansteckungen, die die WHO nachträglich als Corona-Infektionen einstufte, reichen bis zum 8. Dezember 2019 zurück. Seitdem hat sich der Erreger weltweit rasant ausgebreitet. AFP
Wir machen aufHändler-Aufruf zum Bruch der Regeln
Höchstwert: RKI meldet 1.188 Corona-Todesfälle
Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet einen neuen Höchstwert bei Todesfällen im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Wie das RKI am Freitagmorgen in Berlin mitteilte, starben den Tagesmeldungen der Gesundheitsämter zufolge weitere 1.188 Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Der bisherige Melde-Höchstwert lag am 30. Dezember vergangenen Jahres bei 1.129.
Die Gesamtzahl der Corona-Toten in Deutschland stieg laut RKI auf 38.795. Zudem wurden 31.849 Neuinfektionen gemeldet.
Die Zahlen sind allerdings nur bedingt mit Werten aus Vorwochen vergleichbar, weil an und nach den Feiertagen rund um den Jahreswechsel weniger Meldungen der Gesundheitsämter beim RKI eingegangen sind und zudem weniger Menschen auf das Virus getestet wurden. Laut RKI werden als Corona-Todesfälle diejenigen gezählt, bei denen die Infektion mit dem Virus ursächlich für den Tod war oder durch Vorerkrankungen wahrscheinlich ist, dass der Tod im direkten Zusammenhang mit Covid-19 steht. Deswegen ist von Menschen die Rede, die "an oder mit" dem Virus gestorben sind. epd
Wir machen auf
: Scharfe Kritik am Händler-Aufruf zum Bruch der Regeln
Nach einem bundesweiten Aufruf zum Bruch der Corona-Schutzmaßnahmen hat Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) davor gewarnt, trotz Lockdown eigenmächtig Geschäfte zu öffnen. Wer sich dieser Initiative anschließt, handelt unverantwortlich und gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch die Gesundheit seiner Mitmenschen
, sagte Willingmann der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung.
Der bundesweite Aufruf mit dem Titel Wir machen auf
werde im Internet bereits von Zehntausenden unterstützt, hieß es. Damit hätten Händler, Gastronomen und Dienstleister angekündigt, am Montag die Geschäfte trotz Verbot wieder zu öffnen.
Die neue Kampagne gegen die Anti-Corona-Regeln werde durch Unterstützer der Querdenken
-Bewegung befeuert, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hieß es weiter. Unterstützung komme auch von der AfD.
Der bundesweite Protestaufruf gehe auf einen Kosmetikstudio-Betreiber in Nordrhein-Westfalen zurück. Im Messengerdienst Telegram hätten sich innerhalb weniger Tage mehr als 56.000 Interessierte der Gruppe Wir machen auf - Kein Lockdown mehr
angeschlossen. epd
RKI meldet 26.391 Corona-Neuinfektionen und 1070 neue Todesfälle
Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 26.391 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 1070 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Donnerstagmorgen bekanntgab.
Der Höchststand von 1129 neuen Todesfällen war am 30. Dezember erreicht worden. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33 777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.
Eine Interpretation der Daten bleibt schwierig, weil um Weihnachten und den Jahreswechsel Corona-Fälle laut RKI verzögert entdeckt, erfasst und übermittelt wurden. Dem Verband Akkreditierter Labore in der Medizin (ALM) zufolge war die Zahl der Labortests über den Jahreswechsel im Vergleich zur Weihnachtswoche noch einmal weiter gesunken. Verglichen mit der Woche vor Weihnachten hat sich die Zahl in der vergangenen Woche ungefähr halbiert. dpa
Analyse von Virus-Mutationen: Spahn ignorierte Virologen-Warnung
Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie forderten Fachleute vom Gesundheitsminister, die Überwachung von Virus-Mutationen zu verbessern. Laut NDR, WDR und SZ änderte sich aber nichts - nun fehlen wichtige Daten.
In Großbritannien wird seit Wochen ein verändertes Coronavirus beobachtet, das sich offenbar deutlich schneller ausbreitet als die bisherigen Varianten. So tragen im Großraum London bereits die meisten Neuinfizierten diese Variante in sich. Die Briten können das genau beobachten, weil sie umfangreich die Veränderungen des Coronavirus überwachen. So wird etwa jeder 15. positive Corona-Test einer so genannten Genom-Sequenzierung unterzogen. Das ist eine Analysemethode, die es ermöglicht, Veränderungen im Bauplan des Virus zu entdecken.
In Deutschland wurde im Vergleich nur knapp jeder 900. positive Corona-Test entsprechend analysiert. Die Folge: Deutschland weiß bis heute nicht, in welchem Ausmaß sich die neue Corona-Mutation auch hierzulande bereits verbreitet hat, weil die entsprechende Überwachung nur äußerst lückenhaft stattfindet. Die europäische Seuchenbehörde ECDC rät dringend dazu, jetzt mehr zu sequenzieren, um die Ausbreitung der neuen Mutation zu kontrollieren und damit verlangsamen zu können.
Miserabel
in der molekularen Überwachung des Virus
Während in Großbritannien bereits mehrere tausend Fälle der neuen Mutation dokumentiert sind, sind es in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts vier. Wir sind in Deutschland, was die molekulare Überwachung des Coronavirus angeht, wirklich miserabel
, sagt der Leiter der Virologie der Universität Freiburg, Hartmut Hengel: Wir sequenzieren ohne repräsentative Probenerfassung auf dem Niveau eines Entwicklungslandes.
Wäre die neue Mutation in Deutschland ausgebrochen, hätte seiner Ansicht nach viel Zeit vergehen können, ohne dass sie bemerkt worden wäre.
Dabei hatten Fachleute schon vor der Pandemie gewarnt. Bereits am 19. November 2019, zwei Monate vor Ausbruch der Pandemie, wandte sich die Gesellschaft für Virologie gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie in einem dringenden Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn.
Der Brief liegt NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
vor. Darin heißt es: Ein ministerielles Eingreifen
von Jens Spahn sei unausweichlich geworden
. Die Virologen und Mikrobiologen warnten den Gesundheitsminister, dass ein beträchtlicher Teil der aktuell berufenen Expertenlabore seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann
. Bei einem Ausbruchsgeschehen fehlten deshalb die Möglichkeiten der molekularen Surveillance
, also der Überwachung mittels eines genetischen Fingerabdrucks.
Nach Informationen von NDR, WDR und SZ hat Spahn bis heute, also mehr als ein Jahr später, der Gesellschaft für Virologie nicht geantwortet. Der Sprecher des Gesundheitsministerium teilte indes mit, man habe der Gesellschaft für Hygiene geantwortet. Ein Treffen mit den Fachgesellschaften habe bisher nicht stattgefunden, sei aber weiterhin geplant
. Der Präsident der Gesellschaft für Hygiene, Prof. Georg Häcker, wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern.
Sequenzierung auf Sparflamme
Heutzutage wird zwar an vielen Universitäten sequenziert, allerdings nur in bescheidenem Ausmaß, weil die Arbeit nicht finanziert werde, heißt es in dem Brief weiter: Die finanzielle Ausstattung vieler Nationaler Referenzzentren und Konsiliarlabore durch das Bundesgesundheitsministerium ist seit vielen Jahren völlig unzureichend, intransparent und erfolgt auf stereotype Weise durch Pauschalbeträge
. Notwendige Untersuchungen könnten nicht abgerechnet werden und unterbleiben daher in vielen Fällen
.
Hartmut Hengel, der als damaliger Präsident der Gesellschaft für Virologie den Brief unterzeichnet hatte, macht an der Universität Freiburg selbst Genomsequenzierung, aber nur auf Sparflamme
, wie er sagt. Würde man den Universitäten allerdings die Kosten von etwa 100 bis 150 Euro pro Sequenzierung erstatten, könnte Deutschland auch schnell eine bessere Kontrolle über die Mutationen bekommen.
Bei anderen Erregern funktioniere das auch. So werden seit Jahren zum Beispiel Influenzaviren oder Masernviren in Deutschland überwacht. Nur bei Coronaviren habe das keiner angestoßen. Das Konsiliarlabor von Christian Drosten an der Charité sei mit dieser Aufgabe überlastet und müsse daher zu einem Nationalen Referenzzentrum ausgebaut werden, sagt Hengel. Es sei dringend an der Zeit, dass Herr Spahn die molekulare Surveillance in Deutschland ans Laufen bringt
.
Jahresbudget Ende Januar aufgebraucht
Tatsächlich war das Jahresbudget des Berliner Konsiliarlabors in Höhe von 10.000 Euro schon Ende Januar 2020 aufgebraucht, wie Drosten auf Anfrage mitteilt. Er stimme daher mit Forderungen nach einer besseren Aufstellung der molekularen Überwachung von Viren überein. Die Zeiten in der Mikrobiologie haben sich geändert, es muss heute viel mehr sequenziert werden, was teuer ist, und dazu müsste die finanzielle Ausstattung der Konsiliar- und Referenzlabore beträchtlich erhöht werden
, schreibt Drosten per E-Mail.
Allerdings plädiert er für ein kleines Netzwerk von Landeslaboren, das diese Aufgaben übernehmen solle. Mit 2000 bis maximal 5000 Sequenzierungen pro Woche könne man die Veränderungen der Coronaviren gut überwachen.
Die Dänen und die Engländer machen dieses Virusmonitoring sehr gut
, sagt Hendrik Streeck. Der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn hat mit seinem Diagnostiklabor bisher 143 Sequenzen von Sars-CoV-2 zur deutschen Datenbank beigesteuert. Zuletzt hat er auch nach der neuen Variante geschaut, sie aber kein einziges Mal gefunden. Eine ebenso starke Virenüberwachung wie in Großbritannien ließe sich auch in Deutschland sehr schnell aufsetzen, sagt Streeck. Wenn wir den Auftrag hätten, jede hundertste oder zehnte Probe zu sequenzieren, dann würden wir das sofort tun.
Eine Sequenz schlage, wenn man viel davon macht, mit etwa 50 Euro zu Buche - also genau so viel, wie die Krankenkassen heute für jeden PCR-Test ausgeben.
Streeck hält es für sehr wichtig, neben Coronaviren weitere Viren im Auge zu behalten, um frühzeitig zu erkennen, ob sich neue Varianten bilden. Im ungünstigsten Fall könnten Viren schließlich auch der Diagnostik entgehen: Mutationen könnten dazu führen, dass Viren durch Antigen- oder PCR-Tests nicht mehr erkennbar sind. Auch in solchen Fällen wären Sequenzierungen sehr hilfreich.
Am Dienstag dieser Woche beschlossen Bund und Länder neben weiteren Maßnahmen gegen die Pandemie, dass künftig auch in Deutschland neue Varianten durch verstärkte Sequenzierung schneller entdeckt werden sollten. Das Bundesgesundheitsministerium solle dafür eine Verordnung erlassen. Markus Grill, NDR/WDR
Demokratische Republik Kongo: Der gewonnene Krieg gegen Ebola
Ebola ist weitaus tödlicher als Covid-19. Aber trotz Armut und Konflikten hat die Demokratische Republik Kongo 2020 zwei Ebola-Epidemien besiegt.
BERLIN taz | Es hätten eigentlich Anlässe zum Feiern sein müssen: die gefürchtete Viruskrankheit Ebola wurde dieses Jahr in der Demokratischen Republik Kongo gleich zweimal besiegt. Am 25. Juni konnte die Weltgesundheitsorganisation WHO das Ende der bisher größten Ebola-Epidemie dort verkünden, die in den Bergwäldern und -dörfern Ostkongos seit August 2018 gewütet und 2.287 bestätigte Tote gefordert hatte. Just in dieser Zeit brach Ebola in einem seiner Rückzugsgebiete 1.500 Kilometer weiter westlich in den Regenwäldern am sumpfigen Unterlauf des Kongo-Flusses erneut aus – doch am 18. November war auch diese kleinere Epidemie besiegt, nach 55 Toten.
Ebola – benannt nach dem Fluss im Kongo, wo das Virus 1976 zuerst identifiziert wurde – ist ein Beiprodukt der Moderne und des Vordringens menschlicher Siedlungen in bisher unberührte Waldgebiete. Das Virus springt von tierischen Trägern wie Affen oder Flughunden auf den Menschen über, mutmaßlich bei Kontakt mit Ausscheidungen, und wird von Mensch zu Mensch durch infizierte Körperflüssigkeiten übertragen. Sich anzustecken ist viel einfacher als bei Covid-19, daran zu sterben viel wahrscheinlicher. Die 2.287 Toten im Ostkongo waren das Ergebnis von nur 3.324 bekannt gewordenen Infektionsfällen. Die größte Ebola-Epidemie der Weltgeschichte – von Ende 2013 bis Mitte 2016 erst in Guinea, dann in Liberia und Sierra Leone – tötete 11.325 Menschen, bei rund 28.600 Fällen.
Doch obwohl die betroffenen Regionen sämtlich zu den ärmsten der Welt gehören, wo es kaum ein Gesundheitswesen gibt, sind afrikanische Mediziner sich mittlerweile sicher, Ebola im Griff zu haben. In Guinea wurden Impfstoffe entwickelt, die später im Kongo so effektiv waren, dass sie noch vor der formalen Zulassung aus humanitären Gründen zum Einsatz kamen. Aus den vielen Seuchenausbrüchen im Kongo, in Uganda und in Westafrika sind Behandlungsmethoden entwickelt worden, die das Sterberisiko deutlich reduzieren. Trotz vieler Befürchtungen konnten alle Ebola-Epidemien Afrikas eingedämmt werden, bevor sie sich in Millionenstädten einnisten und Zehntausende dahinraffen konnten.
Das Grundrezept der Ebolabekämpfung besteht in überperfekten Schutzmaßnahmen und geradezu rabiater Kontaktverfolgung und Isolation. Und das Geheimnis des Erfolgs besteht darin, dass die Menschen aus eigener Überzeugung mitmachen. Je besser das gelingt, desto weniger müssen Zwangsmaßnahmen mit Kriegsrechtsmitteln durchgesetzt werden: totale Ausgangssperren, Desinfektion sämtlicher Räume, Kontaktsperren, Bewegungsverbote, Feuerbestattung ohne Zeugen. Solche autoritären Schritte, in Westafrika noch Standard, traten im Kongo in den Hintergrund – wohl auch, weil das Seuchengebiet Kriegsgebiet war und der Staat in der Defensive. Wichtiger war gesellschaftlich getragene Aufklärung über Selbsthilfegruppen, Radiosender und Kirchen, damit auch Frauen und Kinder die Hygieneregeln in die Familien tragen, sowie zielgenaues Unterbrechen der Infektionsketten: Kontaktpersonen von Erkrankten wurden aufgesucht und geimpft, insgesamt knapp 370.000.
Afrikanische Mediziner sind sich mittlerweile sicher, Ebola im Griff zu haben
Wissenschaft und Solidarität – diese Kombination sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen, sagten Mediziner hinterher. Ihre bei der Arbeit ständig zu tragende – und kaum zu ertragende – Ganzkörperschutzkleidung, äußerlich einer Mondlandung angemessener als geeignet für das tropische Afrika, ist nicht nur Schutz, sondern auch Signal an die Bevölkerung, wie ernst die Lage ist. Aber sie ist kein Selbstzweck. Sinnlose Machtdemonstrationen durchschauen die Kongolesen schnell. Aber sichtbare Erfolge werden honoriert. Die Differenz zwischen 90 und nur
noch 40 Prozent Sterberate bedeutet nicht nur mehr gerettete Leben, sondern weist auch auf die Einsicht der Menschen hin, dass es lohnt, das Richtige zu tun.
Hilfsgelder flossen in Kongos Ebolabekämpfung, nach UN-Angaben mehrere Hundert Millionen US-Dollar
– manche davon versickerten spurlos. Am Ende aber haben kongolesische, nicht europäische Ärzte und Freiwillige Ebola im Kongo besiegt, und nur sie konnten es tun. Gemessen an dieser Leistung und dem, was die Menschen dabei auf sich nahmen, sind die Erfordernisse des Schutzes gegen Covid-19 geradezu ein Kinderspiel.
Vielleicht steckt darin ein Rezept über die Seuchenbekämpfung hinaus. Wer Ebola und dann Covid-19 in Schach hält, kann auch andere Probleme lösen – diese Idee beginnt in Afrika um sich zu greifen. Könnte man sich nicht auch gegen Cholera und Malaria effektiv organisieren? Sind nur vor Hygieneregeln alle gleich oder auch vor dem Gesetz, der Verfassung? Müssten Priester und Politiker nicht vernünftige Dinge predigen statt Quatsch? Wenn man sich schon einmal befreit hat … BERLIN taz
RKI meldet mehr als 21.000 Neuinfektionen – mehr als 1000 Tote
In Deutschland steigt die Zahl der bekannten Infektionen um 21.237 auf mehr als 1,8 Millionen, wie aus Daten auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Die Zahl der Todesfälle legt demnach um 1019 auf 36.537 zu. Reuters
Beginn einer neuen Pandemie Die Gefahr der Virusmutante wird sträflich unterschätzt
Eine Ausbreitung der ansteckenderen Virusvariante muss unbedingt verhindert werden. Sonst könnten sich die Fallzahlen wöchentlich verdoppeln.
Mindestens seit Mitte September kursiert im Süden Englands eine neue Variante des Coronavirus. Inzwischen hat sich B.1.1.7.
über die gesamte britische Insel verbreitet und ursprünglichere Virusvarianten verdrängt. Die Chief Medical Officers Englands, Schottlands, Irlands und Wales' warnten in einer gemeinsamen Stellungnahme, das britische Gesundheitssystem werde in 21 Tagen kollabieren, sollten keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Tatsächlich hat die Regierung Boris Johnsons inzwischen einen harten Lockdown verhängt, der vorerst bis Mitte Februar gelten soll.
In Dänemark machte die Mutante in der 52. Kalenderwoche bereits mehr als zwei Prozent der sequenzierten Stichproben aus. In den vier Vorwochen hatte sich diese Zahl jeweils verdoppelt: von rund 0,25 Prozent auf 0,5, 1,0 und 2,0 Prozent. Das mutierte Virus breitet sich rasant aus – trotz der Lockdown-Maßnahmen, welche die dänischen Fallzahlen im Dezember insgesamt stark abgesenkt haben.
Die wahrscheinlichste Erklärung dieser statistischen Daten besteht darin, dass das mutierte Virus viel ansteckender ist, aktuellen Schätzungen zufolge um etwa 50 Prozent.
Kritischer Denkfehler in der Gefahreneinschätzung
Hätte der Befund gelautet, das mutierte Virus sei um 50 Prozent tödlicher und würde 50 Prozent mehr Langzeitschäden verursachen, wäre der Aufschrei vermutlich groß gewesen. Die Nachricht, dass das Virus um 50 Prozent ansteckender, zugleich aber wohl nicht aggressiver geworden ist, klingt weniger bedrohlich.
Das gilt jedoch nur aus der Sicht der einzelnen infizierten Person. Es auf die Gesamtbevölkerung zu übertragen, ist ein Denkfehler. Denn eine um 50 Prozent erhöhte Infektiosität der Virusmutante bedeutet, dass sie im selben Zeitintervall zu viel mehr Todesfällen und Hospitalisierungen führen kann als eine erhöhte Todesrate, zumal sich die erhöhte Infektiosität exponentiell auswirkt, was für eine erhöhte Todesrate nicht gilt.
Ein um 50 Prozent tödlicheres Virus führt zu 50 Prozent mehr Todesfällen; eine um 50 Prozent gesteigerte Infektiosität dagegen macht aus einer rückläufigen oder stabilen Epidemie leicht eine exponentiell anwachsende Infektionswelle, was die Hospitalisierungen und Todesfälle um ein Vielfaches erhöht.
Die Fallzahlen könnten sich wöchentlich verdoppeln
In Deutschland waren Lockdown-Maßnahmen mittleren Grades notwendig, um die Reproduktionszahl R auf den Wert von 1 zu senken und die Ausbreitung des Virus zumindest zu stabilisieren. Das mutierte Virus jedoch weist bei denselben Maßnahmen einen R-Wert auf, der weit über 1 liegt und damit exponentielles Wachstum bewirkt.
Die Fallzahlen könnten sich damit wöchentlich verdoppeln, was bis Ende April Dutzende Millionen Infektionsfälle erwarten ließe. Dieses Szenario würde die Impfstrategie sabotieren und den Erfolg der Eindämmungsmaßnahmen zunichte machen, den wir uns 2020 teuer erkauft haben.
Anders gesagt: Das mutierte Virus ist – mit einiger Wahrscheinlichkeit – ein Game-Changer. Selbst wenn daran erhebliche Zweifel bestünden, müsste das entsprechende Szenario ernst genommen und intensiv diskutiert werden. Alles andere wäre risikopolitisch fahrlässig.
Die Ausbreitung der neuen Virusvariante führt zu einer veränderten Gefahrenlage. Die Kurvenverläufe der ersten der beiden Grafiken (unten) zeigen, wie sich die täglichen Fallzahlen des ursprünglichen Virus bei einem R-Wert von 0,9 (rot) und 0,8 (blau) weiterentwickeln würden. Diese R-Werte erfordern Lockdown-Maßnahmen mittleren Grades. Im ersteren Fall ergäbe sich eine Halbierung etwa alle vier Wochen, im letzteren eine Halbierung etwa alle zwei Wochen.
Braucht es härtere Lockdown-Maßnahmen?
Wie verändern sich diese Kurven nun, wenn wir das bisherige Virus mit dem neuen, mutierten Virus kombinieren? In diese zweite Grafik gehen die (empirisch leider plausiblen) Annahmen ein, dass das neue Virus um 50 Prozent ansteckender ist und aktuell etwa ein Prozent aller Infektionen ausmacht.
Die B.1.1.7-Mutante wurde in Deutschland im November erstmals erfasst, dürfte wiederholt eingeschleppt worden sein und konnte sich seither sehr wahrscheinlich verbreiten. Sollte sich das mit der blauen Kurve skizzierte Szenario bewahrheiten, bliebe hinreichend Zeit, die Bevölkerung – insbesondere die vulnerablen Gruppen – durchzuimpfen.
Sie erfordert aber Lockdown-Maßnahmen, die bisher einen R-Wert von 0,8 bewirkt haben. Mit einem der roten Kurve entsprechenden Szenario dagegen wäre unser Gesundheitssystem völlig überfordert. Es resultiert bereits bei Maßnahmen, die bisher einen R-Wert von 0,9 zur Folge hatten. Der Spielraum ist also gering. Uns erwarten die härtesten Monate der Pandemie.
Man mag hier zu bedenken geben, dass ansteckendere Viren oft weniger tödlich seien und seltener zu schweren Krankheitsverläufen führten. Das trifft zu, nimmt der roten Kurve ihren Schrecken aber nicht. Denn selbst wenn das mutierte Virus bedeutend weniger Hospitalisierungen verursachen würde, wäre das Gesundheitssystem mit dem Szenario überfordert.
Zudem deuten bisher keine Daten darauf hin, dass die Hospitalisierungsrate abgenommen hätte. Im Gegenteil: Die vorliegenden Daten schließen die Hypothese noch nicht definitiv aus, dass die neue Virusvariante bei jüngeren Menschen häufiger zu schweren Krankheitsverläufen führt als die herkömmlichen Viren.
Mit der neuen Virusvariante beginnt eine neue Pandemie
Das bedeutet: Mit der ansteckenderen Corona-Mutante beginnt eine neue Pandemie. Was nun zu tun ist, haben die pandemiestrategisch erfolgreichen Staaten – etwa Taiwan, Südkorea, Japan, Australien oder Neuseeland – vorgemacht: Bei noch geringen Fallzahlen muss entschlossen eingeschritten, nachverfolgt und quarantiniert werden.
Nur so lassen sich die sprühenden Funken löschen, bevor sie zum Flächenbrand werden. Das ist die einzige Strategie, die bisher funktioniert hat. In den erfolgreichen Staaten hat sie sowohl die gesundheitlichen als auch die sozioökonomischen Schäden minimiert.
Wir müssen folglich alles daran setzen, das neue Virus (durch genetische Sequenzierung) aufzuspüren und seine Inzidenz minimal zu halten. Wo immer die Mutante lokal auftritt, muss sie konsequent eingedämmt werden, solange die geringen Fallzahlen dies noch zulassen.
Die Nachverfolgung und Quarantäne ist bei Neuinfektionen mit dem mutierten Virus unbedingt zu priorisieren.
Misslingt sie und bilden sich Hotspots, werden Reisesperren auch im Inland unausweichlich sein – sie sind das weit geringere Übel. Das gilt umso mehr, als die Impfung in Griffnähe ist. Denn breitet sich das Virus aus, könnten weitere Mutationen die Wirksamkeit der Impfung gefährden und unsere Pandemiestrategie auf der letzten Meile sabotieren. Zu allem Übel existiert in Südafrika auch bereits eine Corona-Mutante, deren Veränderungen hinsichtlich des Impfschutzes besorgniserregend sind.
Schleppende Durchimpfung: Die USA droht Europa zu überholen
Selbst ohne zusätzliche Mutationen drohen wir das Wettrennen gegen das Virus aber zu verlieren, weil die Durchimpfung viel zu langsam erfolgt. Das pandemiepolitische Versagen Europas ist multidimensional – die schlechte Vorbereitung der Impfung gehört dazu. Bereits im Frühjahr 2020 wurde deutlich, dass wir auf eine wirksame Impfung angewiesen sind, die hinreichend schnell verfügbar wird.
Andernfalls hätte der Versuch, das Virus mit einschneidenden Maßnahmen einzudämmen (statt die Kurve nur abzuflachen, das heißt, die Durchseuchung zu verlangsamen), strategisch keinen Sinn ergeben. Denn falls wirksame Impfungen nicht hinreichend schnell verfügbar werden, ist die Durchseuchung alternativlos.
Vor diesem Hintergrund konnte die strategische Bedeutung der Impfung bzw. einer schnellen Durchimpfung nicht überschätzt werden. Europa hat pandemiepolitisch bisher besser – zumindest weniger schlecht – agiert als die USA. Nun scheint es aber möglich, dass die USA schneller impfen werden.
Dieser eine, vielleicht wichtigste Faktor könnte zur Folge haben, dass die USA insgesamt bedeutend besser abschneiden werden als Europa. Falls die Corona-Mutante in Europa exponentiell zuschlägt, bevor die Impfdosen in hinreichender Zahl verabreicht sind, könnte die Differenz USA/Europa am Ende sehr hoch ausfallen.
Zu wenig und zu spät
Eine vernünftige Impfpolitik hätte ab Frühjahr 2020 dafür gesorgt, dass die Produktionskapazitäten für alle potenziell erfolgreichen Impfstofftypen massiv ausgebaut werden. Wir haben dies hierzulande schon im April empfohlen.
Im Vorhinein mag die Suche nach dem besten Impfstoffkandidaten der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen. Doch Christian Drosten irrt, wenn er behauptet, die europäische Impfpolitik lasse sich deswegen nicht bewerten
. Denn die risikostrategische Maxime lautet hier: Wer die Nadel nicht findet, kaufe den Heuhaufen!
Das hätte sich auch dann sehr gelohnt, wenn die Mehrzahl der potenziellen Impfstoffe gescheitert und nur eine kleine Gruppe zur Produktion gelangt wäre. Entsprechende Investitionen sind als Versicherungsprämien zu sehen, die uns gegen mögliche Engpässe bei der Impfstoffproduktion absichern.
Sie sind ein Schnäppchen im Verhältnis zu den hunderttausenden Toten, den Millionen Langzeitgeschädigten und den Billionen an volkswirtschaftlichem Wert, die in Europa nun auf dem Spiel stehen, weil sich die Durchimpfung um Monate verzögert. Wir können uns – während einer Pandemie – das Risiko schlicht nicht leisten, nach der Zulassung von Impfstoffen auf die Produktionskapazitäten warten zu müssen.
Hätte man die Produktionskapazitäten zur Risikoabsicherung aggressiv und diversifiziert hochgefahren, wäre die gefährliche Problemlage vermieden worden, in der wir uns nun befinden. Mit genügend Impfstoff könnten wir bis Mitte Januar alle über 65-Jährigen impfen – Israel stellt gerade unter Beweis, dass ein Impftempo von einem Prozent der Bevölkerung pro Tag machbar ist. Tagesspiegel, ein Gastbeitrag. Nikil Mukerji Adriano Mannino
Corona-Pandemie: Die heikle Suche nach dem Ursprung des Coronavirus
Eine WHO-Expertengruppe soll im Januar nach China reisen und nach der Antwort auf eine politisch äußerst heikle Frage suchen: Woher kam das Coronavirus Sars-CoV-2?
Ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie versucht die chinesische Propaganda, die Geschichte neu zu schreiben.
Angesichts von mehr als 1,7 Millionen Toten weltweit will sich China in einem politisch aufgeheizten Klima nicht als Schuldiger anprangern lassen. Auch wenn China als Erster über das Coronavirus berichtet hat, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass das Virus auch aus China stammt
, gibt Außenamtssprecher Zhao Lijian die Richtung vor. China wird dabei eher als mögliches Opfer dargestellt. Von Fledermäusen und Wildtierhandel als Ursprung ist keine Rede mehr.
Vielmehr verweisen Staatsmedien auf unbestätigte Berichte über mögliche Sars-CoV-2-Infektionen in anderen Ländern schon vor der Entdeckung der ersten Fälle Anfang Dezember 2019 in der zentralchinesischen Metropole Wuhan. Auch wurden Spuren des Virus auf einer Schweinshaxe aus Deutschland und vielen anderen importierten Tiefkühlwaren gefunden. Wobei strittig ist, ob solche Spuren für eine Ansteckung ausreichen. Trotzdem schreibt das Parteiorgan Volkszeitung
unter Hinweis auf alle verfügbaren Beweise
, dass die Tiefkühlketten schuld sein könnten: Covid-19 begann nicht in Wuhan.
Es ist wirklich schwierig, dass es so politisiert ist
, sagt Fabian Leendertz vom Robert Koch-Institut (RKI). Der Epidemiologe, der Infektionskrankheiten erforscht, die gleichermaßen bei Menschen und Tieren vorkommen, wird im Januar mit einer Expertengruppe nach China reisen, um im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ursprüngen des Coronavirus nachzugehen. Nach der Ankunft werden die Experten – wie alle Einreisenden in China – zunächst zwei Wochen in Quarantäne müssen. Im Vorfeld tauschen sich die Experten über die Ferne erst mal mit Kollegen in China aus.
Wir gehen davon aus, dass wir da anfangen, wo die solidesten Beweise vorliegen – und das ist immer noch dieser Markt und Wuhan selbst
, sagt Leendertz. Wir alle wissen, dass es wahrscheinlich nicht da angefangen hat.
Denn nicht alle der ersten Infektionen wurden auf den Huanan-Markt in Wuhan zurückgeführt. Doch im Bereich der Wildtierstände wurden besonders viele Spuren des Coronavirus gefunden. Es gibt den starken Verdacht, dass die Epidemie mit dem Wildtierhandel zusammenhängt
, schrieb Chinas Staatsagentur Xinhua damals. Kurz darauf verbot die Regierung das oft schmutzige Geschäft mit wilden Tieren, die in China als Delikatessen verzehrt werden.
Wir werden jetzt nicht irgendwie nach China fliegen, da unsere Superhelden-Anzüge anziehen, ein paar Fledermäuse einfangen und anfangen, den Markt abzustreichen
(Fabian Leendertz, Epidemiologe und Mitglied der WHO-Expertengruppe)
Von dem Markt wollen sich die WHO-Experten in der Zeit zurückarbeiten. Und dann gucken wir, wo uns die Spur hinführt. Ob es in China bleibt oder ob es nach außerhalb Chinas führt
, sagt Leendertz. Das ist ein ganz offener Ansatz.
Er spielt die Erwartungen aber herunter. Wir werden jetzt nicht irgendwie nach China fliegen, da unsere Superhelden-Anzüge anziehen, ein paar Fledermäuse einfangen und anfangen, den Markt abzustreichen und durch Krankenhäuser zu flitzen
, sagt Leendertz. Das ist natürlich ganz anders.
Es gehe mehr darum, mit den chinesischen Kollegen zu schauen, welche Spuren noch verfolgt werden sollten. Das wird das Maximum sein.
Der Forscher ist aber zuversichtlich, dass der Ursprung des Coronavirus irgendwann
gefunden wird. Es wird wahrscheinlich doch der ursprüngliche Wirt, also eine Fledermaus sein
, sagt Leendertz. Dann müsse man schauen, welche Art es sei, wo diese vorkomme und ob ein anderes Tier als Zwischenwirt involviert gewesen sei. Die nächsten Verwandten des Virus, die aber nicht der Ursprung des Virus sind, sind bei Fledermäusen gefunden worden, und zwar im südlichen China.
Wegen der milden Symptome werde es hingegen schwierig bis unmöglich sein
, die erste Infektion, also Patient null
, zu identifizieren.
Es ist nicht die Schuld Chinas oder irgendeines anderen Landes, dass da ein Virus wahrscheinlich von der Fledermaus oder einem anderen Tier auf den Menschen übergetreten ist
(Fabian Leendertz, Robert Koch-Institut)
Indem US-Präsident Donald Trump vom China-Virus
sprach, Peking zur Rechenschaft ziehen
will und Forderungen nach Entschädigung laut werden, ist die Suche nach dem Ursprung auch eine Suche nach dem Schuldigen geworden. Doch Leendertz weist diese Denkweise zurück: Wir Menschen infizieren uns dauernd mit Viren und Bakterien aus dem Tierreich.
Das passiere überall. Es ist ja nicht die Schuld Chinas oder irgendeines anderen Landes, dass da ein Virus wahrscheinlich von der Fledermaus oder einem anderen Tier auf den Menschen übergetreten ist
, sagt Leendertz. Das ist schwer zu verhindern.
Chinas Propaganda arbeitet gleichwohl mit irreführenden Tricks. Da wurde sogar der deutsche Virologe Alexander Kekulé für die These bemüht, dass Wuhan nicht der Ausgangspunkt der Pandemie
sei, wie ihn Chinas Staatsfernsehen zitierte. Dabei hatte der Experte darauf verwiesen, dass der Ursprung in China liege und sich die in Italien gefundene Mutation des Virus weltweit verbreitet habe. Auf Twitter stellte Kekulé klar: Die Coronavirus-Pandemie begann in China und der Ausbruch wurde anfangs möglicherweise sogar vertuscht.
Zweifellos war die anfängliche Reaktion der Behörden in Wuhan unzureichend, was selbst chinesische Offizielle eingeräumt haben. Deswegen mussten einige Verantwortliche auch ihre Posten räumen. Warnungen von Ärzten vor einer rätselhaften neuen Atemwegserkrankung oder einer möglichen Wiederkehr des Sars-Virus von 2002/03 wurden in den späten Dezembertagen in den Wind geschlagen. Einige wurden sogar mundtot gemacht. Auch wurde noch bis 21. Januar offiziell behauptet, es gebe keine Übertragung von Mensch zu Mensch
, obwohl Ärzte schon im Dezember solche Ansteckungen erlebt hatten.
Es lässt sich sicher sagen, dass sie schlecht mit dem Ausbruch umgegangen sind
, sagt der Gesundheitsexperte Huang Yanzhong von der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR). Beim Ausbruch eines neuartigen Virus würden aber immer Fehler gemacht, wenn auch einige vermeidbar gewesen wären. Wir sollten China gegenüber fair sein
, sagt Huang Yanzhong. Auch andere Länder wie die USA hätten Fehler begangen. Er verweist darauf, wie Trump und seine Regierung die Pandemie heruntergespielt haben. Das ist das Gleiche.
Die These vom importierten Virus ist aus seiner Sicht politisch motiviert. Es dient auch dem Zweck, China von der Verantwortung für die Pandemie freizusprechen
, sagt der Experte. Die Suche nach den Ursprüngen sollte eigentlich wissenschaftlich neutral ablaufen, sei aber politisch heikel. Das verheiße nichts Gutes
für die WHO-Mission. Ohnehin steht die UN-Organisation in der Kritik, zu sehr auf der Seite Chinas zu stehen, das als wichtiges Mitglied auch viel Einfluss hat.
Die Führung in Peking habe den Ton schon vorgegeben, sagt China-Kenner Huang Yanzhong. Ich denke nicht, dass sie zulassen werden, dass das Ergebnis der Untersuchung ihr Narrativ in Frage stellt.
Am Ende könnten die WHO-Experten diplomatisch auf China als bekannten Ausgangspunkt der Pandemie verweisen, aber hinzufügen, dass das Virus auch woanders hergekommen sein könnte, was weiter untersucht werden müsse. Das würde China glücklich machen
, sagt Huang Yanzhong. Ich glaube nicht, dass wir ein wirklich schlüssiges Ergebnis haben werden, das von allen Akteuren akzeptiert werden kann.
© dpa/Spektrum.de (dpa/eli)
Bericht über geplante Ausgangssperren
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach einem Bericht von Business Insider
mit einem überraschenden Vorschlag im Vorfeld des Coronagipfels für einen Eklat hinter den Kulissen gesorgt: So will sie laut einer Beschlussvorlage des Kanzleramtes Ausgangssperren in Kreisen ab einem Inzidenzwert von 100 beschließen lassen.
Der Bund will damit die Mobilität der Deutschen während des Lockdowns, der bis Ende Januar verlängert werden soll, deutlich einschränken und somit die Infektionsgefahr drastisch senken. Tgs, Fabian Löhe
Die Energiebranche erwartet den ganz großen Ökostrom-Boom
Die Energiewirtschaft hat die Folgen der Pandemie bislang kaum gespürt. Im Gegenteil: Die Aussichten sind speziell für die erneuerbaren Energien auch 2021 bestens.
DÜSSELDORF: Fast alle Branchen dürften mit Blick auf die Coronakrise froh sein, dass 2020 endlich zu Ende ist. Für die Unternehmen, die sich bei erneuerbaren Energien engagieren, gilt das allerdings nicht. Im Gegenteil: Für sie war das Jahr ausdrücklich erfolgreich. Die Pandemie scheint die grüne Wende heraufbeschworen zu haben, die viele seit Jahren fordern.
Während die Aktien vieler Konzerne seit März in den Keller gingen, feiern Vestas, Encavis, First Solar und Co. einen Börsenrekord nach dem nächsten. Und auch die großen Energiekonzerne kamen glimpflich durch die Krise. Entsprechend optimistisch schaut die Branche auf 2021.
Mit immer ambitionierteren Klimaschutzzielen ist klar, dass der Ausbau der Erneuerbaren noch schneller erfolgen muss
, hält Markus Krebber, Finanzvorstand von RWE und designierter CEO, fest. Das sei in Europa der Fall, aber auch weltweit: Auch in den USA und Asien ist diese Entwicklung erkennbar.
Erneuerbare Anlagen haben sich tatsächlich als krisenfest erwiesen. Politische Rückendeckung, unter anderem durch den europäischen Green Deal, verstärkten den Hype um alternative Energien. So hat die Europäische Union (EU) im Dezember das eigene Klimaziel noch einmal verschärft. Bis 2030 soll der jährliche Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 sinken – bisher waren 40 Prozent angestrebt.
In Deutschland wurde im Sommer der Kohleausstieg bis spätestens 2038 beschlossen, die ersten Kraftwerke gehen vom Netz. Und zum Jahresbeginn wurde der nationale CO2-Preis eingeführt, der fossile Energieträger wie Benzin, Heizöl oder Gas belastet, um nach der Energiewende auch in den Sektoren Verkehr und Wärme die Wende zu schaffen. Noch kurz vor Weihnachten beschloss die Bundesregierung zudem höhere Ausbauziele für Wind, Solar und Biogas.
Gleichzeitig wächst der Druck von Gesellschaft, Aktivisten, Investoren und Politik in einer nie da gewesenen Geschwindigkeit. Während der vergangenen Monate war die Klimakrise nahezu das einzige Thema, das es mit Ereignissen wie dem europäischen Green Deal geschafft hat, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – trotz Pandemie. Dementsprechend gut sind auch die Aussichten für Konzerne, die ihr Hauptgeschäft mit grünen Energien machen.
Hohe Investitionen in Solarenergie und Windenergie
Weil Solar, Wind und Co. in vielen Ländern der Welt mittlerweile selbst billiger als Kohle, Öl und Gas sind und Regierungen ihre Klimaziele anheben, erleben erneuerbare Energien derzeit einen nie da gewesenen Aufschwung. Und immer mehr Unternehmen setzen sich Klimaziele, beschließen grüne Investitionen in Milliardenhöhe und ordnen ihre Prioritäten neu.
282,2 Milliarden US-Dollar wurden laut einem Bericht von Bloomberg New Energy Finance und der Frankfurt School of Finance im Jahr 2019 weltweit in erneuerbare Energien investiert. Damit steigen die Kapazitäten für die kommenden Jahre um satte zwölf Prozent.
184 Gigawatt (GW) an Erneuerbare-Energie-Anlagen können aufgrund der 2019 getätigten Investitionen in den kommenden Jahren gebaut werden – 20 GW mehr als 2018. Zum Vergleich: Das entspricht der Leistung von mehr als 70 mittelgroßen Kohlekraftwerken. Und 2020 dürften es nicht weniger gewesen sein.
Deutsche Konzerne wie der Wechselrichter-Hersteller SMA Solar aus Kassel konnten ihren Börsenwert seit Beginn der Pandemie im März verdoppeln. Der Umsatz erhöhte sich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 trotz Krise um 42 Prozent auf 514 Millionen Euro. Auch Modulhersteller wie Solarwatt verkünden mitten in der Rezension ein Rekordergebnis nach dem anderen.
Und den Schwung dürfte die Branche mitnehmen. Noch kurz vor Weihnachten beschloss die Bundesregierung höhere Ausbauziele für Wind, Solar und Biogas. Und auch sonst setzten Union und SPD erstaunlich viele der Änderungswünsche aus Wind- und Solarindustrie für die neueste Version des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) um.
Ein Knackpunkt in den Verhandlungen waren Regelungen für Wind- und Solaranlagen, die ab 2021 aus der Förderung fallen. Im Vergleich zu den Regierungsplänen gibt es hier einige Änderungen: Solaranlagen, deren Förderung ausgelaufen ist, sollen weiter ihren Strom einspeisen können, auch die Umlagebefreiung für den Eigenverbrauch bleibt.
Für ausgeförderte Windanlagen sollen Möglichkeiten des Repowerings, also den Austausch alter gegen neue Anlagen, verbessert werden. Anlagen, die sich dennoch nicht ersetzen lassen, können sich im Jahr 2022 in einer eigenen Ausschreibung für eine Förderung bewerben. Besser hätte das Jahr für die Erneuerbaren-Branche wohl nicht enden können.
Bei Eon und RWE beginnt eine neue Ära
Die großen Stromproduzenten konnten zwar 2020 nicht ähnlich zulegen, aber sie wurden zumindest durch die Pandemie nicht entscheidend gebremst. Dabei war ein Effekt schon zu spüren. RWE berichtete beispielsweise über Verzögerung bei einzelnen Projekten, weil Teile nicht geliefert wurden.
Und auch die Stromnachfrage ging zumindest während des Lockdowns spürbar zurück. Stromproduzenten wie RWE und Uniper konnten das aber ausgleichen, weil sie ihren Strom für gewöhnlich langfristig am Terminmarkt verkauft haben – und ließen sich letztlich von der Coronakrise nicht beeinträchtigen.
Bei Eon sah das etwas anders aus. Der Konzern ist seit dem Tauschgeschäft mit RWE nicht mehr im größeren Stil in der Stromproduktion aktiv, sondern in Vertrieb und Netz – und spürte da im zweiten Quartal schon eine Belastung. Verglichen mit den Einbrüchen bei Industrieunternehmen war das aber gut zu verkraften.
Und langfristig hofft Eon sogar, wie die gesamte Branche von der Coronakrise profitieren zu können – beziehungsweise von den Konjunkturprogrammen, die dadurch angestoßen wurden und die zu einem Teil auch in die Energiewende fließen sollen.
Die Entscheidungen der EU im Zusammenhang mit dem Recovery-&-Resilience-Programm bieten große, zusätzliche Wachstumschancen für Eon
, erklärte Konzernchef Johannes Teyssen schon im Sommer: Eon ist bereit, zum Green Deal und zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft beizutragen.
Teyssen selbst wird sich daran aber nicht mehr beteiligen. Der Eon-Chef hört Ende März nach elf Jahren an der Spitze auf und übergibt an seinen Nachfolger Leonhard Birnbaum. Im Sommer folgt dann der Führungswechsel bei RWE. Dort löst Finanzvorstand Krebber den bisherigen CEO Rolf Martin Schmitz ab.
Bei den beiden großen deutschen Energiekonzernen beginnt eine neue Ära – und die wirtschaftlichen Aussichten könnten derzeit kaum besser sein.
Zum Jahreswechsel analysiert das Handelsblatt die aktuelle Lage in den wichtigsten deutschen Industrien und Dienstleitungsbranchen und gibt einen Ausblick auf die Herausforderungen des kommenden Jahres. Handelsblatt, von: Jürgen Flauger, Kathrin Witsch
Das Treffen der EWNOR-Autoren fällt erneut aus
Das Haus im Kielortring bleibt weiterhin geschlossen, der heutige Termin für ein Treffen der Autorinnen und Autoren der Erinnerungswerkstatt muss wieder einmal ausfallen.
Neue Corona-Variante erreicht Griechenland und Zypern
Die in Großbritannien entdeckte Coronavirus-Variante ist auch in Griechenland und auf Zypern nachgewiesen worden. Sie sei in Griechenland bisher in vier Fällen entdeckt worden, berichtete der griechische Fernsehsender Antenna am Sonntagabend unter Berufung auf Athener Virologen. Zypern meldete am Sonntag, dass die Variante in bisher zwölf Fällen nachgewiesen worden sei. Gezielt geprüft worden seien die positiven Testergebnisse von Menschen, die vor Weihnachten von Großbritannien nach Zypern gereist waren, berichtete die Zeitung Cyprus Times
.
Griechenland und Zypern befinden sich im Lockdown, der nach leichten Lockerungen über die Feiertage wieder verschärft wurde. Zypern meldete am Samstag mehr als 600 neue Infektionen binnen 24 Stunden. Im weniger stark betroffenen Griechenland lag die Zahl am Sonntag bei 390 Neuinfektionen. dpa
Radikalisierung von Impfgegnern: Maier warnt vor Anschlägen
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnt vor möglichen Anschlägen militanter Impfgegner: Wir müssen davon ausgehen, dass es unter den Impfgegnern Kräfte gibt, die nicht davor zurückschrecken, einen Angriff auf ein Impfstofflager durchzuführen
, sagte Maier der taz. Deshalb würden die Impfstofflager von der Polizei geschützt werden.
Die ideologische Verhärtung bei einem Teil der Impfgegner ist sehr groß, es hat eine Radikalisierung stattgefunden
, konstatierte Maier, der derzeit auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. Bei den Demonstrationen würden sie besonders fragwürdig auftreten, zum Beispiel mit Davidstern, auf dem ungeimpft
steht. Das sei eine ungeheuerliche Verharmlosung der NS-Verbrechen
.
Zudem äußerte Maier große Sorge, dass die Anschlussfähigkeit von Rechtsextremisten in die Mitte der Gesellschaft durch die Corona-Pandemie stark zunimmt. Allein aufgrund der Größe der Versammlungen der so genannten "Querdenker"-Bewegung sehe er eine neue Dimension dieser Anschlussfähigkeit, so der Minister.Rechtsextreme versuchen ja immer, die Anschlussfähigkeit in die Mitte der Gesellschaft herzustellen
, sagte Maier der taz. Und die Dimension, in der diese Anschlussfähigkeit jetzt denkbar ist – da muss ich sagen: Wow, das ist groß.
Das erfülle ihn wirklich mit Sorge und führt zu der Einschätzung, dass die Demokratie wie schon lange nicht mehr unter Druck ist
.
Maier befürwortet es, wenn die AfD als Gesamtpartei bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird. Ich sehe die AfD als parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus
, sagte Maier der taz. Und wenn man das weiterdenkt, ja: Das würde Sinn ergeben, ich finde das richtig.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft derzeit die AfD als Gesamtpartei, im Januar wird eine Entscheidung erwartet. Die Strömung der Flügel
um Björn Höcke ist bereits als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft, die Jugendorganisation Junge Alternative
als Verdachtsfall. Auch einzelne Landesverbände wie Thüringen und Brandenburg werden von den Landesämtern bereits beobachtet. taz Berlin
Illegale Silvesterparty in Frankreich beendet
In Frankreich hatten sich zum Jahreswechsel Tausende auf mehreren illegalen Großpartys getroffen. Bei einer Veranstaltung in der Nähe von Rennes in der Bretagne sollen zeitweise bis zu 2.500 Menschen zusammengekommen sein. Die Feier in einer Lagerhalle war nach ARD-Informationen bis heute Morgen in Gang. Einige der Teilnehmer hatten sich gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Ihnen drohen jetzt hohe Bußgelder.
Nun hat die Polizei offenbar doch durchgegriffen. Medien berichten, dass der Dauer-Rave vorbei ist und dass das Soundsystem abtransportiert wurde. Die Beamten hatten lange damit gezögert, den illegalen Rave aufzulösen, aus Angst, die Lage könnte eskalieren. WDR
Lauterbach fordert Wiedergründung des Bundesgesundheitsamts
Als eine Lehre aus der Corona-Pandemie fordert der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die Wiedergründung des 1994 aufgelösten Bundesgesundheitsamts, aber mit einem Schwerpunkt auf Präventionsmedizin.
Die Tatsache, dass wir in Deutschland bei Corona eine relativ hohe Sterblichkeit pro Infizierten haben, liegt nicht nur an unserer Altersstruktur, sondern an einer weiten Verbreitung von Risikofaktoren
, sagte der Mediziner der Augsburger Allgemeinen
(Samstag).
Es müsse mehr für Prävention getan werden. Dafür brauche es einen flächendeckenden Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes und als zentrale Institution wieder ein Bundesgesundheitsamt, das sich für die öffentliche Gesundheit starkmacht
.
Das frühere Bundesgesundheitsamt wurde 1994 aufgelöst, nachdem die Behörde für den Skandal um HIV-versuchte Blutpräparate mitverantwortlich gemacht wurde. Seine Aufgaben wurden auf neue Einrichtungen verteilt, unter anderem das Robert Koch-Institut. dpa
Ärztevertreter fordern bundesweite Lockdown-Verlängerung
Ärztevertreter fordern mit Blick auf die Bund-Länder-Schalte am kommenden Dienstag dringend eine bundesweit einheitliche Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen: Die Belastung durch die Versorgung der Patienten mit Covid-19 ist auch an den Feiertagen weiter angestiegen
, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die Kliniken hätten keine Atempause. Das Gesundheitssystem braucht dringend eine Entlastung, die nur durch eine Verlängerung der Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung zu erreichen ist. Anders werden wir die Lage nicht in den Griff bekommen.
Zur Verschärfung der Situation führe, dass immer mehr Patienten auf den Intensiv- und Infektionsstationen mit immer weniger Personal versorgt werden müssten, weil sich auch Krankenhauspersonal mit dem Virus infiziere. Diese extreme Arbeitslast sei dauerhaft nicht zu schultern. Sie wünsche sich von dem Treffen der Ministerpräsidenten in der nächsten Woche eine möglichst einheitliche Verlängerung der Kontaktbeschränkungen
, so Johna.
Die Vorsitzende des Marburger Bunds dämpfte zudem die Hoffnung auf eine rasche Entspannung durch den Start der Impfungen: Bei allem Optimismus muss uns klar sein, dass durch die Impfung zumindest in den ersten drei Monaten des neuen Jahres kaum Entlastung für das Infektionsgeschehen zu erwarten ist.
Angesichts der neuen hochinfektiösen Virusvariante sei das Ziel einer Inzidenz von 50 Fällen pro Woche auf 100.000 Einwohner besonders wichtig: Wir dürfen diese Zielmarke nicht aus den Augen verlieren.
KNA
26 Bewohner von belgischem Altenheim sterben nach Nikolausbesuch an Covid-19
Nach einem Besuch des Nikolaus sind in Belgien 26 Bewohner eines Altenheimes an einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Der als Nikolaus verkleidete Mann war Träger des Coronavirus, war sich aber seiner Infektion nicht bewusst, wie die flämischen Gesundheitsbehörden am Donnerstag mitteilten. Er wurde erst später positiv getestet.
Derzeit sind in dem Altenheim in der Provinz Antwerpen 169 Menschen untergebracht, wie ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP sagte. 85 Bewohner und 40 Mitarbeiter hätten sich mit dem Coronavirus angesteckt.
Der als Nikolaus verkleideter Mann stattete den Bewohnern am 5. Dezember einen Besuch ab, wenige Tage später wurde der Corona-Ausbruch bemerkt. Der Virologe Marc Van Ranst deutete an, dass die Mehrheit der Infizierten im Pflegeheim von derselben Quelle
angesteckt worden sei. Der Sprecher der flämischen Gesundheitsbehörde, Joris Moonens, betonte jedoch, es gebe keine Gewissheit
, dass der Nikolaus die Bewohner angesteckt habe.
Die Alten- und Pflegeheime in Belgien sind von der Corona-Krise besonders stark betroffen: Seit Beginn der Pandemie starben 11.066 Heimbewohner mit dem Coronavirus. Das entspricht rund 57 Prozent aller Todesfälle im Land. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte der belgischen Regierung im November die Vernachlässigung
von Altenheimen während der Pandemie vorgeworfen. AFP}