Corona-Chronik, Mai 2021
Die Chronik dieser Pandemie hier zum Nachlesen in gesammelten Pressemeldungen.
RKI registriert 1978 Corona-Neuinfektionen - Inzidenz bei 35,1
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 1978 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen vom Montagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.00 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 2682 Ansteckungen gelegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Montagmorgen mit bundesweit 35,1 an (Vortag: 35,2; Vorwoche: 62,5).
Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden 36 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 43 Tote gewesen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.681.126 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.486.700 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 88.442 angegeben.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von Sonntagnachmittag bei 0,75 (Vortag: 0,75). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 75 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Entwicklungsminister Müller fordert gerechtere Impfstoffverteilung
Entwicklungsminister Gerd Müller hat eine gerechtere Verteilung der Corona-Impfstoffe gefordert. In ganz Afrika seien erst weniger als zwei Prozent der Menschen geimpft. Es kann nicht sein, dass einige reiche Länder sich vier oder gar acht Impfdosen pro Kopf sichern. Diese Überkapazität global gerecht zu verteilen ist der schnellste Weg, um so viele Menschen wie möglich zu impfen
, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Impfdosen sollten daher so schnell wie möglich auch Risikogruppen in Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden, so Müller. Wir besiegen die Pandemie und ihre Folgen weltweit oder gar nicht.
dpa
Scholz - keine weitere Nothilfe für Kommunen
Städte und Gemeinden in Deutschland müssen sich einem Zeitungsbericht zufolge darauf einrichten, dass ihnen die Bundesregierung die Ausfälle bei der Gewerbe- und Einkommensteuer kein zweites Mal ersetzt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sehe die Zuständigkeit bei den Ländern, die aus der Zwangsschließung ganzer Wirtschaftszweige entstehenden Löcher im Etat auszugleichen, wie aus einer Anfrage der Grünen an die Bundesregierung hervorgeht, aus der die Augsburger Allgemeine
vorab berichtet. Es sei nun zuallererst Aufgabe der Länder, durch zusätzliche Unterstützung ... die Finanzsituation der Kommunen in den nächsten Jahren zu verbessern
, heißt es demnach in der Antwort aus dem Finanzministerium.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appelliert laut Bericht an Bund und Länder, die Bürgermeister nicht im Regen stehenzulassen und ein zweites Mal die Fehlbeträge zu decken. Reuters
Viren abtöten:
FFP2-Maske in verschlossenem Beutel kochen
Die meisten Menschen nutzen ihre FFP2-Masken mehrfach. Das ist an sich zwar kein Problem, doch an eventuell anhaftende Viren denken sie in der Regel nicht. Diese lassen sich aber eliminieren. Die beste Variante dafür sei das Abkochen im Topf, sagt der Chemiker Prof. Martin Kreyenschmidt von der Fachhochschule (FH) Münster.
Die Maske kommt dazu in einem fest verschlossenen Koch- oder Gefrierbeutel für zehn Minuten in kochendes Wasser. Das ist eine sehr einfache Methode, wo man wenig falsch machen kann
, sagt Kreyenschmidt, der in einem interdisziplinären Team arbeitet, das an der FH zur Wiederverwendung von FFP2-Masken forscht. Dabei werden nicht nur sicher Coronaviren abgetötet, sondern auch eine Vielzahl anderer Bakterien. Das haben wir breit mikrobiologisch untersucht.
Maximal drei Mal lässt sich eine Maske im Beutel auskochen. Bevor man damit loslegt, sollte man sich die Beschreibung der Forscherinnen und Forscher aber genau durchlesen. Sie ist gratis online verfügbar.
Eine weitere Methode ist das Lufttrocknen: Man hängt die Maske nach der Nutzung an einen Haken und lässt sie dort eine Woche lang trocknen, lautet die Empfehlung. Das geht bis zu fünf Mal, ehe man die Maske entsorgen sollte. dpa
Vogelgrippe:
Das nächste Pandemievirus ist vielleicht schon da
Die derzeit auch in Deutschland grassierende Vogelgrippe könnte auch Menschen gefährden. Nicht zuletzt, weil während der Corona-Pandemie andere Viren vernachlässigt werden. Das nächste Pandemievirus ist vielleicht schon da. Die Geflügelpest, auch Vogelgrippe oder hochpathogene aviäre Influenzaviren (HPAI) genannt, grassiert seit Monaten in vielen Ländern. Auch in Deutschland. Diese Viren könnten eine weitere globale Seuche auslösen, warnen nun Weifeng Shi und George F. Gao von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Science
. Eine bessere weltweite Überwachung und strenge Maßnahmen zur Eindämmung der HPAI-Viren seien notwendig, schreiben sie.
Die Veröffentlichung sei auch der Versuch eines Weckrufs, um eine weitere Pandemie noch rechtzeitig zu verhindern, sagt Koautor Gao gegenüber Spektrum.de
. Vor allem der Subtyp H5N8 stelle eine erhebliche Gefahr für die globale öffentliche Gesundheit dar, sagen Gao und Shi. Sie verweisen darauf, dass es in Russland im vergangenen Dezember erstmals auch zu Übertragungen von H5N8 auf Menschen gekommen war. Dort hatten sich sieben Arbeiter mit dem Virus infiziert, als sie nach einem Vogelgrippe-Ausbruch bei der Bergung der Tiere halfen. Auch aus Nigeria wurde seitdem ein weiterer Fall bekannt.
Bisher gibt es aber keine Anzeichen, dass sich das Virus von Mensch zu Mensch verbreitet, der entscheidende Faktor für das Pandemierisiko. Dennoch machten die globale Ausbreitung des auch auf Menschen übertragbaren Virus H5N8 zu einem großen Problem nicht nur für die Geflügelwirtschaft und Wildtiere, sondern auch für die menschliche Gesundheit, glauben die Forscher.
Ob eine durch H5N8 ausgelöste weltweite Pandemie ähnlich verheerende Auswirkungen auf Gesundheit und Weltwirtschaft hätte wie Covid-19, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwer einzuschätzen, sagt Studienautor Gao. Grund zur Wachsamkeit gebe es aber ausreichend. Die Überwachung von HPAI-Viren müsse daher sowohl in Geflügelfarmen als auch auf Lebendmärkten und bei Wildvögeln zu einer globalen Priorität im Bereich des Gesundheitsschutzes
gemacht werden.
Eine halbe Million potenzielle Pandemien
Auf Grund der Covid-Pandemie seien die Prioritäten bei der Überwachung und Analyse von Viren auf die Bekämpfung der aktuellen Pandemie ausgerichtet worden. Die Überwachung von Geflügelfarmen und von Wildvögeln müsse dringend wieder auf das Niveau vor der Covid-Pandemie oder darüber hinaus gebracht werden, fordern die Wissenschaftler.
HPAI-Viren sind kein neues Phänomen. Schon 1959 wurde ein erster Ausbruch in Schottland festgestellt. Möglicherweise gingen auch schon Massensterben von Geflügel im späten 19. Jahrhundert auf HPAI zurück. Dabei ist die Vogelgrippe nur ein weiterer Vertreter jener Gruppe, zu der auch Sars-CoV-2 gehört: den Krankheitserregern tierischen Ursprungs – so genannte Zoonosen –, die zukünftige globale Seuchen auslösen können.
Im vergangenen Herbst trugen zwei Dutzend Fachleute des Weltbiodiversitätsrates IPBES aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand über solche Erreger in einem Bericht zusammen. Das Potenzial für neue globale Epidemien schätzen die Wissenschaftler darin als immens ein. Die IPBES-Forscher billigen von den etwa 1,7 Millionen bislang unentdeckten Viren in Wirtstieren wie Vögeln und Säugetieren zwischen einer halben Million und 850 000 ein Pandemiepotenzial zu.
Vor allem die stetige Ausweitung der Land- und Forstwirtschaft und die dahinter stehenden Produktions- und Handelssysteme zerstörten die Natur und erhöhten den Kontakt zwischen Wildtieren, Vieh, Krankheitserregern und Menschen, konstatieren die Experten. Das ist der Weg zu Zoonosen und Pandemien
, sagte Studienleiter Peter Daszak bei der Vorstellung des Berichts. Schon heute sind Zoonosen ein ernstes Problem der Medizin. Von den in den vergangenen Jahren neu auftretenden Infektionskrankheiten haben 75 Prozent einen tierischen Ursprung. Wir halten seit 20 Jahren die Warnflagge in die Luft, besonders was Corona-Viren angeht, aber wir wurden zu oft ignoriert
, beklagte Daszak.
Die Gefahr ist schon da
Schon zu Beginn der 2000er Jahre hatte ein Aaviärer Influenzavirus bereits einmal Sorge vor einer weltweiten Ausbreitung verursacht. Damals starben vor allem in Asien hunderte Menschen am Virustyp H5N1. Das derzeit in Europa neben H5N8 und weiteren Subtypen zirkulierende H5N1-Virus ist zwar in einem Gen verwandt, aber in anderen Genen völlig anders als das damals tödliche H5N1-Virus. Im Ergebnis schafft die neue Viruskonstellation H5N1 nicht mehr den Wirtssprung vom Vogel zum Menschen – glücklicherweise
, sagt die Viren-Expertin des Friedrich-Loeffler-Insituts für Tiergesundheit (FLI), Anja Globig.
Grund zur Entwarnung sehen die chinesischen Wissenschaftler dadurch aber nicht. Die neuen HPAI-Viren hätten sich im Aufmerksamkeitsschatten der laufenden globalen Covid-19-Pandemie im vergangenen Jahr in vielen Ländern der Erde stark ausgebreitet, schreiben sie. In inzwischen mindestens 46 Ländern in Europa, Asien und Afrika seien H5N8-Infektionen sowohl bei Wildvögeln als auch bei Geflügel festgestellt worden.
Wir brauchen mehr Forschung, um in dieser Sache wachsam zu bleiben
(George F. Gao)
In Deutschland treten seit Ende Oktober nach einer Übersicht des FLI wieder verstärkt die Subtypen H5N5 und H5N8 auf. Das dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellte Institut listet aktuell seit Ende Oktober etwa 1200 Fälle bei Wildvögeln und knapp 250 Ausbrüche bei Geflügel auf. 14 Bundesländer sind demnach betroffen. Europaweit meldeten 20 Länder Ausbrüche oder Fälle bei Wildvögeln. Unter Wildvögeln war das Wattenmeer Ende vergangenen Jahres ein Schwerpunkt des Infektionsgeschehens: Nationalparkranger mussten täglich in dicke Gummianzüge und mit schweren Atemschutzmasken ausschwärmen, um verendete Weißwangengänse, Pfeifenten, Alpenstrandläufer oder auch Wanderfalken und Seeadler zu bergen.
Wie sich die Tiere angesteckt haben, ist umstritten. Das FLI geht davon aus, dass bei den bisherigen Ausbrüchen Zugvögel die Viren auf ihrem Weg möglicherweise aus Zentralasien mitgebracht haben, wo zuvor Ausbrüche registriert wurden. Auch Gao sieht in Wildvögeln den Ursprung, mahnt aber zugleich, dass andere Faktoren eine wichtige Rolle bei der Verbreitung spielten. Wir brauchen mehr Forschung, um in dieser Sache wachsam zu bleiben
, sagt Gao. Auch die Geflügeltransporte zwischen den Ländern seien ein wichtiger Faktor, auch wenn diese schwierig zu begrenzen seien, sagt Gao.
Welche Rolle spielt die Tierhaltung?
Der Biogeograf und Ornithologe Peter Petermann, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, bezweifelt dagegen die Zugvogel-Hypothese. Viel naheliegender sei die Verbreitung über die Geflügelindustrie, argumentiert er. Die Möglichkeit der Verbreitung bei den Geflügeltransporten werde aber möglicherweise aus Rücksichtnahme auf den wichtigen AgrarwWirtschaftszweig weitestgehend ausgeklammert, kritisiert Petermann auch an die Adresse des FLI. Es wird zu wenig untersucht, wie die Ausbreitungswege in der Geflügelwirtschaft wirklich sind.
Petermann sieht beispielsweise in Geflügeltransporten auf der Straße gefährliche Übertragungswege. Durch die notwendige Belüftung für die dicht gedrängt eingepferchten Tiere entstünden auch ideale Bedingungen für die Verbreitung von Viren über große Entfernungen. Auch am Straßenrand verstreute Federn aus den Transporten quer durch Europa seien ideale Wege zur Weiterverbreitung. Ein weiteres Problem entstehe, wenn ein Ausbruch nicht erkannt werde und die toten Hühner oder Puten im Zuge der Entsorgung beispielsweise zu Dünger oder Fischfutter weiterverarbeitet würden.
Dass durch Geflügelhandel quer durch die Republik und darüber hinaus Superspreader-Events entstehen können, ist belegt. Das nordrhein-westfälische Umweltministerium beispielsweise hat die Infektionskette nachverfolgen lassen, die durch einen Betrieb im Kreis Paderborn ausgelöst wurde. Das Unternehmen hatte gut 150 Legebetriebe in Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern per Lkw beliefert. In jedem dritten der Betriebe wurden anschließend Fälle von Vogelgrippe festgestellt.
Auch Ausbrüche in anderen Ländern könnten ihren Ursprung Petermann zufolge in Deutschland oder anderen Hochburgen des Geflügelexports wie die Niederlande haben. So versorge ein einziges Unternehmen mehr als 100 Länder mit Eintagsküken. Kommen in so einen Betrieb die Viren, können innerhalb von Stunden dutzende Länder verseucht werden.
Die Zugvögel seien mithin Opfer und nicht Verursacher der Übertragungen, glaubt der Ornithologe. Man kann immer sagen, hypothetisch kommt es über den Vogelzug, denn es gibt zu jeder Jahreszeit irgendwo Vogelzug
, sagt Petermann. Aber das ist kein Beweis.
Spectrum.de von Thomas Krumenacker
Betrugsverdacht in Corona-Teststellen: Wie weiter mit Schnelltests?
Spahn und Länderkollegen beraten am Montag. Geht in den Teststationen alles legal zu? In mehreren Bundesländern gibt es denVerdacht auf Abrechnungsbetrug. Spahn verspricht Kontrollen.
Im Netz von privaten Corona-Teststellen in Deutschland scheint es auch schwarze Schafe zu geben. Ein möglicher Abrechnungsbetrug bei Bürgertests zieht immer weitere Kreise, die Justiz ermittelt. Bekannt wurden Verdachtsfälle in Nordrhein-Westfalen und Bayern.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen am Montag in einer Schaltkonferenz über das Thema beraten, wie ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Sonntag sagte.
Spahn kündigte am Wochenende stichprobenartig mehr Kontrollen
an. Egal ob bei Masken oder beim Testen - jeder, der die Pandemie nutzt, um sich kriminell zu bereichern, sollte sich schämen
, schrieb der Minister im Kurznachrichtendienst Twitter. Die SPD attackierte Spahn, die Grünen verlangten die Nachbesserung der Testverordnung, die FDP sogar einen Sonderermittler.
In den vergangenen Monaten sind Testzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Getestet wird unbürokratisch. Seit Anfang März sieht die Corona-Testverordnung der Bundesregierung solche Bürgertests vor. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche. Die Teststellen erhalten 18 Euro pro Test.
Zentraler Streitpunkt ist die Frage, wer die Zahl der ausgeführten Tests kontrolliert. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sprach von einem typischen Schwarze-Peter-Spiel: Der Bund schiebt die Verantwortung auf die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Länder, und die schieben sie zurück an den Bund
, sagte er der Rheinischen Post
(Montag).
Der Bund ist als Auftraggeber gefordert, bei den kostenlosen Bürgertests für eine angemessene Kontrolle zu sorgen
, meinte Landsberg. Die Gesundheitsämter der Kommunen können das nicht auch noch tun, die sind schon völlig überlastet.
Dagegen sieht die Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Gesundheitsämter bei den Kontrollen in der Pflicht. Die fachliche Kontrolle, wer solche Bürgertests durchführen kann und ob diese Tests auch korrekt durchgeführt werden, obliegt den Gesundheitsämtern
, sagte Vorstandschef Andreas Gassen der Rheinischen Post
.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen nähmen gemäß der Verordnung des Bundes die monatlichen Meldungen der entstandenen Kosten der registrierten Testanbieter entgegen. Überprüfen können sie ausschließlich formale Aspekte. Mehr ist nicht möglich, da die übermittelten Angaben der Anbieter keinen Bezug zu getesteten Personen aus Datenschutz-Gründen aufweisen dürfen
, erklärte Gassen.
Staatsanwaltschaft Bochum nimmt Ermittlungen auf
Eine mangelnde Kontrolle könnte ein Einfallstor für Abrechnungsbetrug bieten, wie Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung
(SZ) ergeben hatten. Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln ergeben, dass statt 70 wirklich genommener Proben fast 1.000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster zutage gefördert. Der Bericht verweist auf mangelnde Kontrollmöglichkeiten seitens der Behörden.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum nahm Ermittlungen auf wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs bei Corona-Bürgertests, wie ein Sprecher der Behörde am Samstag bestätigte. Ermittelt werde gegen zwei Verantwortliche eines in Bochum ansässigen Unternehmens, das an mehreren Standorten Teststellen betreibe. Anlass der Ermittlungen waren demnach die Recherchen von WDR, NDR und SZ.
Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurden im Ruhrgebiet Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Dabei seien auch Unterlagen beschlagnahmt worden. Den Namen des verdächtigen Unternehmens wollte die Behörde nicht nennen.
In Bayern ist dem Gesundheitsministerium konkret ein Fall bekannt, in dem die Behörden ermitteln
, sagte ein Ministeriumssprecher der dpa am Sonntag. Um welche Teststelle es sich handelt, wollte er wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens und der noch geltenden Unschuldsvermutung
nicht sagen.
Das Kölner Gesundheitsamt befürchtet, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Man habe die große Sorge, dass dies nicht der einzige Fall sei, sondern dass noch weitere Fälle uns in Zukunft beschäftigen werden
, sagte Behördenleiter Johannes Nießen in der ARD. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums kann gewerbsmäßiger Betrug nach dem Strafgesetzbuch mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.
Laut Tagesschau
befürchten Gesundheitsämter zudem, dass falsche Testmeldungen die Datenlage über den Pandemieverlauf verfälschen könnten. So seien von drei Test-Standorten, an denen WDR, NDR und SZ recherchiert hätten, innerhalb von einer Woche 25 000 Tests gemeldet worden, darunter aber kein einziger positiver Fall.
Patientenschützer sehen Problem bei kriminell organisierten
Teststellen
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht als das größte Problem bei kriminell organisierten
Corona-Teststellen die mangelnde Qualität. Vorstand Eugen Brysch sagte der dpa: Wo solche Strukturen herrschen, ist in der Regel auch die Qualität der Tests schlecht.
Spahn wies darauf hin, dass die allermeisten Anbieter von Teststellen das mit großen Engagement, sehr professionell und auch sehr ordentlich machen
. Die Bürgertests seien sehr pragmatisch in einer Situation möglich gemacht worden, in der ein schneller Aufbau gewollt gewesen sei, sagte der Minister am Samstag in Pretoria während eines Südafrika-Besuchs. Dabei entschieden die Behörden am Ort über Betreiber von Teststellen wie Ärzte, Apotheker, Rotes Kreuz oder auch private Anbieter.
Eine nachträgliche Kontrolle sei bereits vorgesehen, betonte Spahn. Anbieter müssten damit rechnen, dass Unterlagen bis Ende 2024 überprüft werden können. Ohnehin geplant gewesen sei, die Vergütung angesichts des größeren Angebots auf dem Markt demnächst zu senken.
Die SPD sieht Spahn in der Verantwortung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte der dpa: Nach den Masken jetzt die Schnelltests. Das Managementversagen im Gesundheitsministerium hat inakzeptable Ausmaße angenommen.
Spahn habe Warnungen und Hinweise von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen für die Testbedingungen ignoriert. Er trägt die Verantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler und muss die Selbstbedienung unverzüglich beenden.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sagte dem Handelsblatt
, Spahn müsse unverzüglich die Testverordnung nachbessern und die Lücken schließen
. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer, forderte die Einsetzung eines Sonderermittlers, um den mutmaßlichen Abrechnungsbetrug aufzuklären. dpa
Corona-Pandemie: Schnelltests außer Kontrolle
Nicht nur Ärzte und Apotheker bieten Bürgertests an, sondern auch Friseure oder Cafébetreiber. Recherchen von WDR, NDR und SZ zeigen, wie unkontrolliert das Ganze abläuft.
Wer kostenlose Bürgertests anbieten will, braucht meist kaum Voraussetzungen: Ein Online-Kurs über die Abstrich-Entnahme reicht vielerorts aus und schon kann man beim Gesundheitsamt einen Antrag auf Eröffnung eines Testzentrums stellen - was dann meist ohne Schwierigkeiten auch genehmigt wird. So verzeichnete allein Nordrhein-Westfalen Mitte März noch 1862 Teststellen, Mitte April waren es dann 5776 und Mitte Mai bereits 8735, wie das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) auf Anfrage mitteilt.
Aus Steuergeldern bezahlt
Abrechnen können die Teststellen pro Bürgertest 18 Euro, die sich aufteilen in zwölf Euro für die eigentliche Testung und bis zu sechs Euro für das Material. Einen Überblick, wie viel Geld inzwischen für diese Tests ausgegeben wurden, ist schwer zu bekommen. Baden-Württemberg teilt mit, dass es im April 62 Millionen Euro waren, in Bayern waren es bis Mitte Mai mehr als 120 Millionen Euro. Verteilt wird das Geld über die Kassenärztlichen Vereinigungen, die sich aber jeden Euro wieder aus Steuermitteln erstattet bekommen über das Bundesamt für Soziale Sicherung.
Weder die Gesundheitsämter noch die Kassenärztlichen Vereinigungen oder das Bundesamt und schon gar nicht das Gesundheitsministerium fühlen sich zuständig, zu kontrollieren, ob bei der Abrechnung alles korrekt läuft. Der Grund für diesen Missstand liegt bereits in der Testverordnung des Gesundheitsministeriums. Dort heißt es in Paragraf 7, Absatz 4 ausdrücklich: Die zu übermittelnden Angaben dürfen keinen Bezug zu der getesteten Person aufweisen.
Vergütung ohne Belege
Mit anderen Worten: Die Testzentren dürfen keine Namen und keine Anschrift der Getesteten übermitteln, sie müssen noch nicht mal nachweisen, dass sie überhaupt Antigentests eingekauft haben. Stattdessen reicht es, wenn sie den Kassenärztlichen Vereinigungen lediglich die nackte Zahl der Getesteten ohne jeglichen Beleg übermitteln - und schon bekommen sie kurze Zeit später das Geld überwiesen.
Nur wenige Bundesländer wissen überhaupt, wie viele Bürgertests bei ihnen täglich stattfinden. Eines dieser Länder ist NRW. Dort hat das Ministerium die Teststellen immerhin dazu verpflichtet, jeden Tag die Zahl der Bürgertests online zu melden. WDR, NDR und die Süddeutsche Zeitung
(SZ) haben Informationen aus dieser interne Datenbank zugespielt bekommen und konnten dadurch auch mehrere Standorte eines der größten deutschen Teststellenbetreibers, der MediCan GmbH, genauer unter die Lupe nehmen.
Vom Immobilienunternehmer zum Testcenterbetreiber
Inhaber von MediCan ist der Immobilienunternehmer Oguzhan Can, der bis 2019 auch Aufsichtsratschef des Fussball-Regionalligisten Wattenscheid 09 war. Auf seiner Website coronatest-eu.com finden sich immerhin 54 Testzentren in 36 Städten Deutschlands, Schwerpunkt ist NRW. Viele dieser Teststellen finden sich auf den Parkplätzen von Baumärkten, eine davon auch in Gievenbeck, einem Stadtteil von Münster. Von 8 Uhr morgens an zählen die Reporter am Freitag den 14. Mai etwas mehr als 100 Personen an den beiden Testzelten. Um 19 Uhr wird die Teststation geschlossen. Ans Ministerium meldet MediCan für diesen Tag aber 422 Bürgertests.
Eine Woche später ein anderer Standort: Marsdorf, ein Außenbezirk von Köln. Vor dem Roller
-Markt steht ein roter MediCan-Bus. Das Testzentrum hat diesmal von 10 bis 20 Uhr geöffnet. In dieser Zeit kommen rund 80 Personen vorbei, um sich testen zu lassen. Für diesen Tag meldet MediCan an das Ministerium allerdings 977 Personen.
Dritter Standort: Ikea in Essen. Am Samstag, den 22. Mai, ist der Andrang groß, offiziell öffnet die Teststelle um 10 Uhr, doch schon 20 Minuten zuvor testet MediCan bereits. Bis 20 Uhr lassen sich hier etwa 550 Menschen testen. Doch ans Ministerium meldet MediCan für diesen Tag an diesem Ort nicht 550, sondern 1743 Bürgertests.
Zahlen lediglich zusammengefasst?
Bei den Zahlen handelt es sich um keine Ausreißer. Auch an den Tagen davor und danach werden ähnlich hohe Testzahlen gemeldet. Mit den Zählungen konfrontiert, erklärt MediCan-Inhaber Can: Die Testzahlen stimmen im Ganzen, aber nicht auf die einzelnen Standorte bezogen.
Das liege daran, dass die Testungen in einigen Städten mit mehreren Standorten auch zusammengefasst übermittelt werden
. Dies erfolge in Absprache mit den Behörden
.
Zuständige Ämter dementieren
Doch stimmt das? In Münster erklärt das Gesundheitsamt, dass MediCan nur über zwei Teststellen verfügt. Für beide meldet das Unternehmen hohe Zahlen. Dass es mit dem Behörden abgesprochen sei, Zahlen aus einem Standort bei einem anderen draufzuschlagen, weist die Stadt Münster zurück. Diese Absprache gibt es nicht
, versichert der Sprecher des Oberbürgermeisters schriftlich. Der Teststellenbetreiber hat über dieses Vorgehen informiert, welches dann vom Gesundheitsamt umgehend abgelehnt worden ist.
Auch die Stadt Essen dementiert, dass es derartige Absprachen gebe. Köln verbietet sogar ausdrücklich eine Übertragung der Zahlen auf andere Standorte. Es ist einfach gemäß der Verordnung nicht zulässig
, teilt der Sprecher der Oberbürgermeisterin per E-Mail mit. Die Frage, welche angeblich weiteren Teststandorte in Köln, Münster oder Essen hinzugezählt wurden, die dann die hohen Meldezahlen erklären könnten, beantwortete Can nicht. Er betont allerdings, dass die dem Ministerium gemeldeten Testzahlen nichts mit der KV Abrechnung zu tun
hätten.
Keine positiven Tests
Fragen werfen auch die Testergebnisse auf: So hat MediCan am Standort Münster-Gievenbeck innerhalb einer Woche 3600 Bürgertests gemeldet, darunter war aber kein einziger positiver. Am Standort Köln Marsdorf war unter den 9200 Bürgertests innerhalb der vergangenen Woche ebenfalls kein einziger positiv und in Essen bei Ikea waren von 12.199 dort gemeldeten Bürgertests genau 12.199 negativ.
Auf Nachfrage erklärt Can, dass es seit ca. Anfang Mai sehr sehr wenige positive Tests
gebe. Wir sollten alle froh sein, dass die Inzidenzwerte in Deutschland zurück gehen.
Laut dem internen Dashboard des NRW-Ministeriums wurde landesweit bei etwa jedem 350. Bürgertest ein positives Testergebnis entdeckt, am Mittwoch dieser Woche war einer von 700 Tests positiv.
Möglicher Fehler in der Testverordnung
War es womöglich ein Fehler, dass die Testverordnung von Gesundheitsminister Jens Spahn für die Abrechnung weder die Namen der Getesteten noch irgendwelche Einkaufsbelege über Tests vorsieht? Spahns Sprecher bestätigt zwar, dass die Teststellenbetreiber keine entsprechenden Daten übermitteln, sie aber selbst aufbewahren müssen.
Fälle, dass Testzentren mehr Tests melden als tatsächlich durchgeführt werden, seien dem Gesundheitsministerium nicht bekannt geworden
. Wenn sich allerdings Anhaltspunkte für Abrechnungsbetrug ergeben, können
die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die Fälle prüfen
, so das Gesundheitsministerium.
Es war Wildwest
Die Kassenärztlichen Vereinigungen selbst halten sich für Kontrollen allerdings für unzuständig und von Abrechnungsbetrug hätten sie auch noch nichts gehört, wie sie in ihren offiziellen Antworten mitteilen. Lediglich unter der Hand und ohne Namensnennung räumt ein hochrangiger Funktionär ein: Ich schätze, dass allein im Mai 50 bis 60 Millionen Bürgertests abgerechnet werden, also Kosten von rund einer Milliarde Euro entstehen. Aber im Sommer wird dieser Markt zusammenbrechen, weil dann niemand mehr so einen Test braucht. Am Ende wird man auf die Tests schauen wie auf die Masken: Die Politik brauchte ganz dringend große Mengen, es war Wildwest, viele Glücksritter und Betrüger drängten in den Markt und es gab keine vernünftige Kontrolle.
Nachdem WDR, NDR und SZ Fragen zu dem Unternehmen gestellt hat, kündigte die Stadt Münster an, der Firma MediCan die Beauftragung für die dortigen Testcenter zu entziehen. NDR Tagesschau, von Markus Grill, Arnd Henze, Elena Riedlinger und Palina Milling, WDR/NDR
Impfbereitschaft in Flüchtlingsheimen offenbar gering
In Flüchtlingsunterkünften in Deutschland zeichnet sich eine relativ geringe Impfbereitschaft ab. Die Corona-Impfquoten in den Einrichtungen bewegen sich aktuell zwischen 33 und 60 Prozent, wie eine Umfrage unter den Bundesländern ergab. Die mobilen Impfteams stießen auf recht große Skepsis, erklärten die zuständigen Landesministerien. Um Sprachbarrieren und kulturelle Hürden zu überwinden, werden die Impfteams vielerorts von Sozialarbeitern und Dolmetscherinnen unterstützt. Teilweise lehnten muslimische Asylbewerber das Impfangebot ab, weil es in die Zeit des Fastenmonats Ramadan fiel, hieß es. Aber auch negative Medienberichte hätten Geflüchtete verunsichert - etwa mit Blick auf das Vakzin von Johnson & Johnson, das nur einmal verimpft werden muss und deshalb bei den Behörden für Impfungen in Flüchtlingsunterkünften eine gewisse Priorität hat.
Bewohner von Flüchtlingsheimen gehören laut Coronavirus-Impfverordnung zur zweiten Priorisierungsgruppe. In der Gesamtbevölkerung liegt die Bereitschaft, sich gegen Covid impfen zu lassen, laut einer Erhebung des Robert Koch-Instituts bei etwa 73 Prozent.
Die Corona-Impfbereitschaft unter Asylsuchenden etwa in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen ist mit knapp 33 Prozent gering, wie es hieß - trotz der Hilfe von Dolmetschern und schriftlichem Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen. epd
Scheuer: Einreisen für Geimpfte aus Drittländern erlauben
Verkehrsminister Andreas Scheuer dringt dazu, Einreisen für geimpfte Personen aus Nicht-EU-Staaten grundsätzlich zu erlauben. Wir brauchen Reisefreiheit für Geimpfte - und zwar schnellstmöglich. Ich denke da eher an Tage als an Wochen
, sagt der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe einem Vorabbericht zufolge.
Sicher ist das Ziel ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene, aber das darf nicht zu lange dauern.
Am Montag wird sich der Krisenreaktionsmechanismus der EU mit der Einreise aus Drittstaaten befassen. Zur Zeit sind Einreisen nur als solchen Drittstaaten erlaubt, die auf einer Positivliste stehen. Reuters
Bürger unzufrieden mit Corona-Krisenmanagement
Mehr als die Hälfte der Deutschen sind weiter unzufrieden mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung - trotz der Fortschritte beim Impfen und sinkender Infektionszahlen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigen sich 24 Prozent sehr unzufrieden
und weitere 30 Prozent eher unzufrieden
mit dem Agieren der Regierung. Dagegen sind nur 6 Prozent sehr zufrieden
und 35 Prozent eher zufrieden
. 5 Prozent machen keine Angaben.
Allerdings nimmt die Zufriedenheit zu. Im März waren noch insgesamt 65 Prozent der Deutschen unzufrieden und nur 30 Prozent zufrieden. Nur bei den Anhängern der Union überwiegt die Zufriedenheit mit 62 zu 36 Prozent. Besonders unzufrieden sind die Anhänger der AfD mit 84 zu 16 Prozent. dpa
Bundesweite Inzidenz sinkt unter 40
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 7380 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen vom Freitagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.26 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 8769 Ansteckungen gelegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Freitagmorgen mit bundesweit 39,8 an (Vortag: 41; Vorwoche: 67). An Feiertagen wie vergangene Woche am Pfingstmontag suchen weniger Menschen einen Arzt auf, wodurch auch weniger Proben genommen werden und es weniger Laboruntersuchungen gibt. Daher werden weniger Neuinfektionen gemeldet.
Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden 192 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 226 Tote gewesen. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 88.187 angegeben.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von Donnerstagabend bei 0,70 (Vortag: 0,71). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 70 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Lehrerverband von Ergebnissen des Impfgipfels enttäuscht
Der Deutsche Lehrerverband hat enttäuscht auf den Beschluss von Bund und Ländern zur Öffnung der Impfung für ab Zwölfjährige reagiert, ohne dies mit einer Priorisierung und einer Impfkampagne speziell für Jugendliche zu verbinden. Der Deutsche Lehrerverband bezweifelt, ob die auf dem Impfgipfel vorgestellten Beschlüsse nennenswerte positive Auswirkungen für den Schulbetrieb im nächsten Schuljahr haben werden
, sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland
(RND).
Die wohl in nächster Zeit nicht erfolgende allgemeine Impfempfehlung der StiKo wird viele, wenn nicht sogar die Mehrheit der Eltern davon abhalten, dieses Impfangebot für ihre Kinder wahrzunehmen
, kritisierte der Lehrerverbandschef. Offensichtlich glaube ja auch die Bundesregierung nicht an den schnellen Erfolg ihres Impffahrplans, sonst hätte sie dazu eine umfassende Impfkampagne gestartet, sagte Meidinger. Reuters
Intensivmediziner gegen rasche Corona-Impfung bei Kindern
Deutschlands Intensivmediziner sprechen sich gegen eine vorrangige Corona-Impfung von Kindern und Jugendlichen aus. Kinder erkranken häufig asymptomatisch oder im Verlauf harmlos und haben deshalb derzeit bei knappen Impfstoffkapazitäten keine dringliche Indikation für eine Impfung
, sagte der Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Florian Hoffmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Münchner Kinder-Intensivmediziner betonte mit Blick auf die Debatten beim jüngsten Impfgipfel von Bund und Ländern, es gebe derzeit in Deutschland noch fast 30 Millionen Erwachsene zu impfen. Im Sinne der Intensivbetten-Kapazitäten haben erwachsene Patienten bei der Impfung also weiterhin höchste Priorität, da diese ein relevantes Risiko eines intensivpflichtigen Verlaufs haben
, sagte Hoffmann mit Verweis auf Pläne der Politik, allen Kindern und Jugendlichen über zwölf Jahren bis Ende August ein Impfangebot zu machen. AFP
Rekordzahl an Corona-Neuinfizierten in Argentinien - trotz Lockdowns
Trotz restriktiver Ausgangsbeschränkungen haben sich in Argentinien mehr Menschen als jemals zuvor seit Beginn der Pandemie vor über einem Jahr mit dem Coronavirus infiziert. Am Donnerstag registrierte das südamerikanische Land 41.080 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, wie das Gesundheitsministerium in Buenos Aires mitteilte. Der bisherige Spitzenwert von 39.652 Neuinfektionen war vor gut einer Woche erreicht worden.
Im Herbst auf der Südhalbkugel hat die zweite Corona-Welle Argentinien hart erwischt. Bislang haben sich rund 3,6 Millionen Menschen in Argentinien nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, mehr als 76.000 Patienten sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Die Auslastung der Intensivstationen liegt bei über 75 Prozent.
Um die Pandemie einzudämmen, hat die Regierung einen harten Lockdown angeordnet. In den besonders betroffenen Gebieten gilt eine Ausgangssperre zwischen 18 Uhr und 6 Uhr. Auch tagsüber dürfen sich die Argentinier nur in der Nähe ihres Wohnortes bewegen. Lediglich essenzielle Geschäfte können öffnen. Soziale, religiöse und sportliche Aktivitäten sind untersagt. Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen. dpa
Querdenker
bei der Polizei: Schutzmann träumt vom Umsturz
Gegen Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch wird disziplinarisch ermittelt. Er spekuliert auf das Ende der alten Ordnung.
Mit einer blauverspiegelten Fliegerbrille im Gesicht wendet sich Michael Fritsch Offiziell
am Sonntagnachmittag an seine 12.000 Telegram-Follower*innen. Der 57-Jährige gibt in einem Video eine kurze Lageeinschätzung der Querdenken
-Proteste am Pfingstwochenende in Berlin, wo die Polizei Hunderte Demonstranten wegen Verstößen gegen die Hygieneregeln festgenommen hatte. Das ist keine Polizei mehr für die Menschen, sondern gegen die Menschen
, sagt Fritsch.
Sein Unmut über seine bald vielleicht ehemaligen Kolleg*innen könnte auch an den jüngsten juristischen Konsequenzen für seinen Widerstand
gegen die Coronapolitik der Bundesregierung liegen.
Am Donnerstag, 20. Mai, reichte die Polizeidirektion Hannover Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht gegen Michael Fritsch ein. Der freigestellte Kriminalhauptkommissar soll nach Auftritten bei Querdenken-Demonstrationen den Beamtenstatus verlieren. Das Vertrauensverhältnis sei aus Sicht der Polizei unwiederbringlich zerstört, sagte eine Sprecherin dem NDR.
Seit neun Monaten wird gegen Fritsch ermittelt. Mindestens zwei Razzien gab es in seinem Haus in Alfeld südlich von Hannover. Er selbst wurde mehrfach bei Querdenken-Protesten in Gewahrsam genommen.
Putsch fantasiert
Dass Fritschs Fantasien in Richtung Putsch gehen, zeigt eine Sprachnachricht, die er am 22. April an die öffentliche Telegram-Gruppe Soldaten & Reservisten
schickte. Dort sagte er, es müsse eine Vernetzungsstrategie her. Damit wir als Instanz, die hier waffenführend ist, einen möglichst friedlichen Verlauf für den Umbruch herbeiführen können.
Mit Singen, Reden und Klatschen komme man nicht weiter. Der Zeitpunkt müsse abgepasst werden, damit es sich nicht um eine Revolution aus Teilen der Armee
handle, die blutig niedergeschlagen werde.
Alarmierend ist neben dem Inhalt der Nachricht der Kreis, den Fritsch adressiert. Seit mehr als einem Monat sammeln sich bei Soldaten & Reservisten Hunderte, die angeben, aktiv im Dienst der Bundeswehr zu stehen oder eine militärische Laufbahn hinter sich zu haben. Initiiert hatte die Gruppe laut eigenen Angaben Fritsch und der Verein Polizisten für Aufklärung
.
Fritsch hat, wie er selbst sagt, die Aufgabe des Schatzmeisters und die Mitgliederverwaltung übernommen. Erklärtes Ziel des Querdenker-Vereins ist es, Polizisten, Soldaten und vergleichbare andere Beschäftigte aufzuklären.
Chat über Lieblingswaffen
Am Anfang tauschten sich die Mitglieder der Gruppe über Dienstgrade, Auslandseinsätze und Lieblingswaffen aus. Eine Dragunov
, ein Scharfschützengewehr habe er, schreibt einer, und auch Mosin Sniper 91/30 is geil!
Schießen könne gemeinsam trainiert werden. In den Kanälen kursieren Karten mit Anweisungen und taktische Kommandos für Großproteste. Pfingsten in Berlin
wollte die Gruppe sich zwischen Demonstrant*innen und die Polizei stellen. Geklappt hat der Offline-Auftritt nicht.
Fritsch hatte zu dieser Aktion und zu mehr aufgerufen: Wir müssen uns auch sicher sein, dass wenn quasi die Regierung abgesetzt wird, dass die militärische Einheit dann vorübergehend die Kontrolle übernimmt und mit der Polizei hier zusammen für Frieden auf den Straßen sorgt
, sagt Fritsch in der Telegram-Sprachnachricht von April.
In Bildern gesprochen wolle er das alte marode und morsche Gebäude abreißen, auskoffern und dann ein Fundament gießen, damit wir was Neues aufbauen können
. Mit den Worten Michael Fritsch, Schutzmann mit Herz und Hirn
beendet er seine Sprachnachricht.
Was das Neue sei, werde er wenn es soweit ist
bekannt geben, sagt Michael Fritsch der taz auf Anfrage am Telefon. Zum laufenden Verfahren wolle er sich nicht äußern. Er habe aus den Medien von der Anklage erfahren. Nach kaum einer Minute legt er auf. Viele Fragen bleiben offen.
NS-Vergleich auf Demo gezogen
Als Spezialist für Einbruchschutz der Polizeidirektion Hannover wurde Michael Fritsch 2019 und Anfang 2020 für Sicherheitsbegehungen in der Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover eingesetzt. Nach dem Anschlag in Halle sollte Fritsch ein Gutachten erstellen. Dem Vorstand habe er damals beim ersten Termin gesagt, es sei nicht staatliche Aufgabe, für Sicherheitsvorkehrungen der Gemeinde zu bezahlen.
Etwa ein halbes Jahr später trat Fritsch zum ersten Mal bei einer Querdenken-Demonstration in Dortmund auf und stellte sich auf der Bühne als Polizeibeamter vor. In seiner Rede verglich er die CoronaPandemie mit der Zeit des Nationalsozialismus. Kolleg*innen forderte er auf, sich der Bewegung anzuschließen und zu remonstrieren
, denn es gebe keine Gewaltenteilung mehr und läge jetzt an allen, ob der anstehende Wandel friedlich oder gewaltsam verläuft
.
Später sagte er bei einer Querdenken-Versammlung im November in Hannover, eigentlich gehe es bei der derzeitigen Entwicklung nicht um das Coronavirus, sondern um einen great reset
. Für ihn seien die eingesetzten Polizeibeamt*innen gekaufte Söldner
. Für seine Auftritte erhielt Fritsch immer wieder Applaus und wurde in Querdenken-Telegram-Kanälen gefeiert.
Neues Ziel des verschwörungsideologischen Multiaktivisten ist der Einzug in den Bundestag. Einen Parteitag der Querdenkernahen Partei Die Basis bewarb Fritsch zuletzt trotz Suspendierung in Polizeiuniform. Als niedersächsischer Spitzenkandidat könnte Fritsch bald in den Räumen wandeln, die er auskoffern, abreißen und neu aufbauen
will – bezahlt von Steuergeldern.
Grüne begrüßen Klage
Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, begrüßt die kürzlich eingereichte Klage. Es blieben aber noch viele Fragen offen. Immer wieder gebe es Hinweise, dass Bundeswehrmitarbeitende, Polizist*innen und Sicherheitsbehördenmitarbeitende sich vernetzen, um sich auf einen Umsturz vorzubereiten. Fritsch scheine zu einer zentralen Figur geworden zu sein.
Ob die Umsturzfantasien des Michael Fritsch neben disziplinarrechtlichen auch strafrechtliche Folgen haben werden, wird sich zeigen. Die Polizei Hannover wollte sich dazu nicht äußern. Laut taz-Informationen ist eine mehrköpfige Ermittlungsgruppe mit dem freigestellten Schutzmann auf Abwegen betraut. taz
Epidemiologe hält weitere Lockerungen in England für fraglich
Ob England wie geplant im nächsten Monat alle Corona-Maßnahmen vollständig aufheben kann, ist nach Einschätzung von Experten unsicher. Alles hänge davon ab, wie sich die zuerst in Indien entdeckte Virus-Variante auf die Infektionslage auswirke, sagte der Epidemiologe Neil Ferguson der Universität Imperial College London am Donnerstag in der BBC. Befürchtet wird, dass die auch als B.1.617.2 bezeichnete Variante ansteckender ist als frühere Formen. Auch könnte sie die Wirksamkeit von Impfungen schwächen.
In Teilen Großbritanniens war es zu einem starken Anstieg der Neuinfektionen gekommen, der überwiegend auf die indische Variante zurückzuführen ist. In den nächsten zwei bis drei Wochen werden wir in der Lage sein, eine belastbare Einschätzung vorzunehmen
, sagte Ferguson dem Radionsender BBC 4. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson will eigentlich am 21. Juni alle Maßnahmen am 21. Juni im größten Landesteil England aufheben.
Insgesamt ist die Zahl der Neuinfektionen landesweit noch immer auf niedrigem Niveau. Die Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche - wurde zuletzt mit 24,4 angegeben. Doch inzwischen gehen die Zahlen der Neuinfektionen und Krankenhauseinweisungen wieder hoch. dpa
Impfstoff zu stark verdünnt?
600 Menschen in Bayreuth zur Blutabnahme
Weil in einem Bayreuther Impfzentrum der Impfstoff möglicherweise zu stark verdünnt wurde, erhalten rund 600 Menschen ein Angebot zur Blutabnahme. Bei sechs von insgesamt 581 Impfungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine zu geringe Impfdosis des Herstellers Biontech/Pfizer verabreicht wurde, teilte ein Sprecher des Landratsamtes Bayreuth in Bayern am Donnerstag mit. Die mögliche Normabweichung sei bei der täglichen Nachkontrolle festgestellt worden.
Bei der Blutabnahme sollen nun die Antikörper der Geimpften gegen Covid-19 gemessen werden. Infolgedessen kann bestimmt werden, welche Impflinge die möglicherweise zu stark verdünnte Dosis verabreicht bekommen haben
, heißt es in der Pressemitteilung. Diese Personen würden umgehend einen neuen Impftermin erhalten.
Zu dem Angebot einer Blutabnahme habe man sich nach Beratungen mit dem Hersteller, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und dem Paul-Ehrlich-Institut entschieden, sagte der Sprecher. Gesundheitliche Folgen durch eine zu starke Verdünnung des Impfstoffs können ausgeschlossen werden.
dpa
RKI: Anteil der in Indien entdeckten Virusvariante liegt bei 2,2 Prozent
Die in Indien entdeckte und inzwischen in vielen Ländern weltweit verbreitete Variante B.1.617 bleibt nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) in Deutschland recht selten. In der dritten Woche in Folge bewegt sich der Anteil dieser Mutante an den untersuchten Proben im Bereich von rund zwei Prozent, wie aus einem RKI-Bericht von Mittwochabend hervorgeht. Die aktuellsten Daten stammen aus der Woche vom 10. bis 16. Mai.
Bei der Variante unterscheiden Fachleute mehrere Untervarianten. Das RKI spricht von einem langsamen, aber kontinuierlichen Anstieg der Anteile von Untervariante B.1.617.2 - auf nun 2,2 Prozent. In absoluten Zahlen geht es noch um relativ geringe Werte: Für die 19. Kalenderwoche sind 40 Nachweise im Bericht ausgewiesen.
Diese Mutante macht Experten in Großbritannien derzeit Sorgen. Befürchtet wird, dass sie noch ansteckender sein könnte als frühere Formen; auch könnte sie die Wirksamkeit der Impfungen schwächen. Der Virologe Christian Drosten wies am Dienstag im Coronavirus-Update
(NDR-Info) darauf hin, dass offenbar gerade die erste Impfung gegen dieses Virus noch nicht so viel hilft, so dass man jetzt schnell vervollständigen muss
. Das bedeutet, dass es wichtig ist, dass Menschen auch die zweite Dosis erhalten. Generell sieht Drosten bei den ersten Daten über die Variante noch viele Unwägbarkeiten.
Unabhängige Experten in Großbritannien riefen unterdessen dringend zum Handeln auf. Die Ausbreitung von B.1.617.2 dort erfordere eine sofortige Einleitung von Maßnahmen, um die Fallzahlen zu senken, teilte die als Independent Sage
bekannte Gruppe mit. Sie ist nicht identisch mit dem nur als Sage
(Scientific Advisory Group for Emergencies) bezeichneten offiziellen Expertengremium der Regierung. Schätzungen zufolge sei die indische Variante in Teilen des Landes bereits vorherrschend, hieß es in der Mitteilung von Independent Sage
am Mittwoch.
Es sei wahrscheinlich zu spät, um zu verhindern, dass sie sich im ganzen Land als dominant durchsetze. Daher empfehlen die Experten Maßnahmen wie zusätzliche Unterstützung für Menschen mit geringen Einkommen bei der Selbstisolierung, bessere Belüftungsmaßnahmen in Schulen und eine Rückkehr der Maskenpflicht in allen weiterführenden Schulen. In Großbritannien wurden bislang rund 3400 Infektionen mit der Variante registriert. Insgesamt ist die Zahl der Neuinfektionen aber landesweit auf einem sehr niedrigen Stand. Wegen der Ausbreitung der Variante wird Großbritannien von der deutschen Bundesregierung seit Sonntag als Virusvariantengebiet eingestuft.
Vorherrschend bleibt in Deutschland laut RKI die zuerst in Großbritannien entdeckte Variante B.1.1.7, mit einem Anteil von 90 Prozent. Auch bei den Nachweisen der beiden weiteren als besorgniserregend eingestuften Mutanten (P.1/Brasilien und B.1.351/Südafrika) gab es im Vergleich zu früheren RKI-Berichten keine wesentlichen Veränderungen - sie bleiben auf niedrigem Niveau. In Deutschland wird nur ein Teil der positiven Proben auf Varianten untersucht. dpa
Das Ende der Querdenker
, wie wir sie kennen
Auf dem fruchtbaren Krisenboden einer verunsicherten Gesellschaft konnten Wut und Größenwahn der Querdenker
zunächst gedeihen. Aber jetzt kehrt das Land allmählich zur Normalität zurück - und die Bewegung geht kraftlos ein. Inzwischen sind die ersten Querdenker geimpft. Es lässt sich wohl als Zeichen einsetzender Vernunft deuten. Zu hören ist es von der einen und von dem anderen unter denen, die Pfingsten in einigen verlorenen Hundertschaften durch Berlin geirrt sind. Sie erzählen es verschämt hinter vorgehaltener Hand.
Dabei waren sie angereist, um endlich den ersehnten Umsturz zu erzwingen. Auf mehreren geplanten Demonstrationen, die größer sein sollten als alle, zu denen sie bislang zusammen gekommen waren. Daraus aber konnte nichts werden, weil ihr Protest schon längst an Mobilisierungskraft verloren hatte. An Pfingsten in Berlin wurden sie dann eingeholt von der Selbstüberschätzung einer angeblichen Massenbewegung, die sie nie gewesen sind, und konfrontiert mit einer Polizei, die das angekündigte Demonstrationsverbot freundlich aber bestimmt umsetzte.
An Pfingsten ist ihr Widerstand endgültig gebrochen
An diesem Feiertagswochenende in Berlin ist der Widerstand der Querdenker
endgültig gebrochen. Unter der Zeugenschaft tausender Menschen in den wiedereröffneten Terrassen-Cafés der gelockerten Hauptstadt, denen die umherziehenden Demonstrationstouristen mit ihrer Botschaft der angeblichen Corona-Diktatur
ein groteskes Schauspiel zu Espresso und Aperol Spritz boten. Die Inzidenzen sinken, die Impfquote steigt, Deutschland plant seinen Sommerurlaub, die Querdenker
sind am Ende.
Als hätten die allermeisten Anhänger der Bewegung dieses demütigende Szenario schon geahnt, haben sie den Weg in die Hauptstadt erst gar nicht angetreten. Schließlich waren schon die Demonstrationen der vergangenen Wochen gefloppt; die Spannung auf ihrem Kommunikations- und Mobilisierungsnetz in den sozialen Medien war abgefallen. Die Querdenker
sind entschlüsselt: durch eine demokratische Medienöffentlichkeit, die sie selbst zum Feind erklärt hatten.
Zahlreiche Gründe für das Scheitern
Die Bewegung lässt sich als gescheitert deuten, gemessen an ihren Zielen: Die Maßnahmen von Bund und Ländern in der Pandemie zu verhindern, die Umsetzung der Infektionsschutzverordnungen unmöglich zu machen, und den Staat soweit zu delegitimieren, dass es zum Umsturz kommt. Die Gründe für das Scheitern sind zahlreich. Zusammengefasst konnten die Querdenker
keine relevante Wirkungsmacht entfalten, von der sich die Politik hätte beeindrucken lassen müssen. Warum?
Zum einen, weil die wesentliche Verschwörungserzählung der Querdenker
(Die Pandemie sei eine Inszenierung einer Machtelite, um das Volk in eine Corona-Diktatur
zu zwingen) in der Krise zwar Anschluss an die teilweise in Zweifeln gefangenen Mitte der Gesellschaft gefunden hat; nicht aber an ihre Institutionen, die trotz aller Schwierigkeiten weiter funktionieren. Das System ist am Ende, wir sind die Wende!
, riefen die Querdenker
auf ihren Demos. Die Wende blieb aus, das System läuft weiter.
Gesellschaftliches Vertrauen verwirkt
Auch vermochte es die Bewegung nicht, intellektuelle Impulse zu setzen. Inhaltlich strapaziert sie seit über einem Jahr dieselben Argumente, die von Demo-Rednern wie von Wanderpredigern überall perpetuiert werden. Aber diskursbestimmende Intellektuelle konnte sie bis heute nicht von ihrer Sache überzeugen. In Erinnerung bleiben wird einzig der Aufmerksamkeitserfolg der geschickt inszenierten Kampagne #allesdichtmachen. Indes sahen sich viele der Schauspieler, die daran teilnahmen, durch die Initiatoren getäuscht. Das schaffte Distanz zu Kunst und Kultur.
Die Querdenker
haben früh gesellschaftliches Vertrauen verwirkt, um in ihrem vorgeschobenen Kampf um die Freiheitsrechte glaubwürdig sein zu können. Rechtsextremisten wurden geduldet, eingeladen, zu Partnern erklärt. Bis heute leugnen die führenden Akteure diesen Zusammenschluss, obwohl er offensichtlich ist. Spätestens seit dem klandestinen Treffen der Querdenken
-Spitze mit Reichsbürgern im November in Saalfeld gilt die inhaltliche Zusammenarbeit als erwiesen. Dort wurden Möglichkeiten ausgelotet, sich als Bewegung organisatorisch und steuerlich mit der Erfahrung verfassungsfeindlicher Betrüger dem demokratischen Staat zu entziehen. Vor allem ging es darum, das eigene Geld in Sicherheit zu bringen, das die Initiatoren aus der Bewegung gezogen hatten - gezahlt, verschenkt, gespendet von Menschen, die an die Sache der Bewegung glaubten. Als die Sache aufflog, drohte diese auf ihrem Höhepunkt bereits innerlich zu zerbrechen. Politisch galten die Querdenker
jetzt als Outlaws.
Von Selbstdarstellern zu Radikalisierungsbeschleunigern
Für überparteiliche Empörung sorgten die Attacken gegen den Deutschen Bundestag bei der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz und die bildstarke Stürmung der Reichstagsstufen. Gewalt und Aggression verhinderten den gesellschaftlichen Vortrieb der Anti-Corona-Proteste: Haben sie doch wesentlich zu einem Rekord der politisch motivierten Kriminalität und der Internethetze in Deutschland beigetragen. Immer wieder greifen ihre Anhänger Mitarbeiter zweier Institutionen an, die mit großem allgemeinem Vertrauen ausgestattet sind: Polizisten und Journalisten. Die Behauptung, dass sich zahlreiche Polizisten der Bewegung anschließen, die Seite wechseln würden, entpuppte sich als nicht erfüllende Prophezeiung, und die Pressefreiheit geriet gehörig unter Druck.
In der Geschichte der Bundesrepublik hat es wohl noch keine Protestbewegung gegeben, die ohne begleitende Berichterstattung durch die kritische Medienöffentlichkeit erfolgreich gewesen wäre. Die aber ist bei den Querdenkern
unmöglich. Der mediale Diskurs kann nicht stattfinden, weil die Organisatoren Journalisten keinen professionellen Umgang erlauben. Von Anfang an haben sie die Bewegung mit den Methoden von Extremisten medienfeindlich aufgeladen. Man hat auf die eigene Gegenöffentlichkeit über Medienaktivisten gesetzt, die journalistische und ethische Regeln missachten. In ihrer digitalen Parallelwelt wurden Selbstdarsteller zu Radikalisierungsbeschleunigern, die sich bald in Bürgerkriegsszenarien verirrten.
Größenwahn ist Programm
So überschlug sich der Protestbetrieb in inflationäre Höhen. Immer härter, immer krasser, immer mehr Aktionen und angekündigte Mega-Demos
, zu denen am Ende nur ein paar Hundert zusammen kamen. Der Größenwahn ist Programm bei den Querdenkern
, zu deren Demonstrationen sich in der Summe bundesweit wahrscheinlich nicht mehr als 50.000 reale Menschen eingefunden haben, und eben nicht das stets behauptete Volk
.
Schien der Staat lange Zeit machtlos im Umgang mit ihrem Protest, haben Sicherheitsbehörden und Justiz inzwischen Antworten darauf gefunden. Der Verfassungsschutz kann die Querdenker
spätestens seit dem Treffen im November in Saalfeld unter Extremismusverdacht beobachten. Die Justiz hat qua höchstrichterlicher Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Dezember erkannt, dass es den Querdenkern nicht um eine Meinung geht, sondern um eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit. Den Rest regelt die Polizei, so wie am vergangenen Pfingstwochenende die Durchsetzung der Demonstrationsverbote. RBB, von Olaf Sundermeyer
Spahn will Kinderimpfung auch ohne Stiko-Empfehlung
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn setzt weiterhin auf Corona-Schutzimpfungen für ältere Kinder und Jugendliche, auch wenn die Ständige Impfkommission (Stiko) dafür keine allgemeine Empfehlung aussprechen sollte. Die Stiko gebe eine Empfehlung, sagte der CDU-Politiker in der Sendung Frühstart
bei RTL/ntv. Im Lichte dieser Empfehlung können dann die Eltern mit ihren Kindern, den Ärztinnen und Ärzten die konkreten Entscheidungen treffen, ob jemand geimpft wird oder nicht.
Dies sei eine individuelle Entscheidung.
Der Hersteller Biontech/Pfizer hat eine Zulassung seines Präparats ab zwölf Jahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) beantragt. Mit einer Entscheidung wird noch bis Ende Mai gerechnet. Die Stiko behält sich aber eigene Klärungen für eine mögliche Impfempfehlung vor. Ihr Mitglied Rüdiger von Kries erwartet derzeit nicht, dass es eine allgemeine Impf-Empfehlung für alle Kinder geben wird.
Spahn sagte: Der Impfstoff wäre dann, wenn die Europäische Arzneimittelagentur das macht, ein zugelassener Impfstoff auch für diese Altersgruppe.
Schon vor Beginn der Sommerferien solle den ersten Kinder und Jugendlichen dann ein Impfangebot gemacht werden, erklärte er. Wenn die Zulassung da ist, werden wir dann nach und nach - nicht allen auf einmal - Kindern und Jugendlichen über zwölf Jahren ein Angebot machen, sich impfen zu lassen.
Eine Impfung als Voraussetzung zur Teilnahme am Präsenzunterricht lehnte der Gesundheitsminister jedoch ab: Ich sehe nicht, dass wir eine verpflichtende Impfung haben werden für den Schulbesuch.
dpa
Weltärzte-Chef gegen Impfempfehlung für Kinder
Weltärztebund-Präsident Frank Ulrich Montgomery hat sich gegen eine Empfehlung für eine Corona-Impfung von Kindern zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Gegenwärtig gibt es noch zu wenig Daten, die Aussagen über das Risiko der Corona-Impfung bei Kindern zulassen
, sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Klar sei aber, dass der Krankheitsverlauf bei Kindern deutlich geringer und weniger gefährlich sei als bei Erwachsenen oder Betagten.
Deswegen habe die Ständige Impfkommission (Stiko) Recht, wenn sie angesichts dieser beiden Fakten bisher keine Impfung bei Kindern empfehle, sagte Montgomery. Letztlich könnte die Studienlage auch ergeben, dass das Risiko einer Impfung von Kindern größer sei als das einer Erkrankung in dieser Altersgruppe. Dann wird man sogar von der Impfung abraten müssen.
Im Gegenzug müsse der Impfschutz in allen anderen Altersgruppen verbessert werden. Reuters
Corona-Impfstoffe zweiter Generation vielleicht schon 2021
Erste weiterentwickelte Corona-Impfstoffe könnten nach Einschätzung des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) im Erfolgsfall noch in diesem Jahr zugelassen werden. Eine Reihe von Herstellern und Instituten arbeiten an Impfstoffen und Impfschemata, die auch gegen solche neue Varianten von Sars-CoV-2 wirksam sein sollen, bei denen die Impfstoffe der ersten Generation bisher nur einen schwächeren Schutz bieten
, teilte ein vfa-Sprecher mit.
Dabei würden vor allem drei Strategien verfolgt: Erstens geht es um eine stärkere Immunisierung, indem die Immunabwehr etwa durch Antikörper noch mehr aktiviert wird. Im zweiten Fall wird an der Immunisierung gegen das sogenannte Spikeprotein, das an der Außenhülle des Coronavirus sitzt, oder gegen mehrere solche Spikeproteine gearbeitet. Und schließlich wird an der Immunisierung auch gegen andere Bestandteile von Sars-CoV-2 geforscht - etwa gegen das sogenannte Nukleokapsid. Dieser zentrale Teil des Virus besteht aus der Proteinhülle (Kapsid) und der viralen Nukleinsäure.
Der vfa hat mehrere Projekte aufgelistet, die derzeit an Impfstoffen der zweiten Generation arbeiten. Darunter ist etwa ein Projekt mit Beteiligung der Uni Würzburg für eine Schluckimpfung mit gentechnisch veränderten, lebenden Typhus-Impfbakterien, die zwei verschiedene Proteine von Sars-CoV-2 tragen. dpa
RKI meldet 1911 Neuinfektionen und 33 Todesfälle
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 1911 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen vom Dienstagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 06.05 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 4209 Ansteckungen gelegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Dienstagmorgen mit bundesweit 58,4 an (Vortag: 62,5; Vorwoche: 79,5). An Feiertagen wie Pfingstmontag suchen weniger Menschen einen Arzt auf, wodurch auch weniger Proben genommen werden und es weniger Laboruntersuchungen gibt. Daher werden weniger Neuinfektionen gemeldet.
Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden 33 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 221 Tote gewesen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie insgesamt 3.653.551 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.423.700 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 87.456 angegeben.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von Montagabend bei 0,84 (Vortag: 0,87). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 84 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Stiftung Patientenschutz äußert Verständnis für Impftourismus
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hat Verständnis für Impftourismus in der Corona-Pandemie geäußert. Bei gerade jetzt knappen Vakzinen für Impfberechtigte der Priorität zwei und drei wächst die Verzweiflung
, sagte Brysch der Düsseldorfer Rheinischen Post
(Dienstagsausgabe). Unter solchen Bedingungen sei es vorhersehbar, dass Menschen alles unternehmen, um an eine Impfung zu kommen.
Niemand sollte sich über Impftourismus aufregen, denn die Verantwortlichen dafür sitzen in Berlin und den Landeshauptstädten
, betonte Brysch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) etwa spekuliere ungeniert über Impfpläne für Personengruppen in der Zukunft und kann den aktuellen Bedarf gar nicht decken
, kritisierte der Patientenschützer.
Brysch zufolge macht sich die Verzweiflung vieler Impfwilliger auch beim Patientenschutztelefon bemerkbar. Es darf nicht sein, dass Patienten mit Krebs, Bluthochdruck, Asthma oder Diabetes immer noch keinen Impftermin haben
, kritisierte er. Das willkürlich festgelegte Ende der Priorisierung verschärfe die Situation. Eine verantwortungsvolle Politik muss das Ende der Impfpriorisierung am 7. Juni sofort zurücknehmen
, forderte Brysch. AFP
Kritik an Spahns Inzidenz-Ziel von 20
Aus FDP- und Linksfraktion kommt Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), weil er als Zielmarke für einen unbeschwerten Sommer eine Corona-Inzidenz von unter 20 genannt hat. Mit seinen Spekulationen verbreitet Herr Spahn nur öffentliche Verunsicherung
, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer der Welt
. Die Intensivbetten leeren sich, die schweren Verläufe werden deutlich seltener. Die Gefährdungslage aus einer spezifischen Zahl, sei es 20, 35, 50 oder 100, ist inzwischen eine ganz andere, als das noch Anfang des Jahres der Fall war.
Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte: Konkrete Problemlösung anstatt schwurbeliger Ankündigungen wäre jetzt dringend geboten.
Als Probleme nannte sie ineffektive Testsituationen in Schulen, Wechselunterricht und Impfstoffmangel.
Zurückhaltender äußerten sich die Grünen. Allein auf die Inzidenz zu schauen wird in den nächsten Wochen nicht reichen
, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Auch wenn eine Strategie der niedrigen Infektionszahlen grundsätzlich richtig ist.
Spahn hatte der der Bild am Sonntag
zur Sieben-Tage-Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner gesagt: Im vergangenen Sommer lag sie unter 20. Das sollten wir wieder anstreben. Vorsicht und Umsicht gelten weiterhin.
Unionsfraktionsvize Stephan Stracke (CSU) sagte der Welt
, es solle keineswegs das Infektionsschutzgesetz mit den Grenzwerten 100, 50 und 35 geändert werden. Aber: Mit der Zielrichtung von 20 vermeiden wir insbesondere Situationen, in denen Öffnungsschritte bei Überschreiten der gesetzlichen Grenzwerte wieder zurückgenommen werden müssen.
dpa
USA warnen wegen Corona vor Japan-Reisen
Zwei Monate vor den Olympischen Sommerspielen in Japan hat das US-Außenministerium angesichts der Ausbreitung des Coronavirus vor Reisen in das Land gewarnt. Die Warnstufe für Reisen wurde am Montag auf die höchste Stufe vier angehoben. Dies basiere auf der Einstufung des Infektionsgeschehens in Japan durch die US-Gesundheitsbehörde CDC, wonach es dort derzeit eine sehr hohe
Verbreitung des Virus gibt. Selbst vollständig geimpfte Reisende könnten sich in Japan infizieren und dadurch Varianten des Virus verbreiten, erklärte die Gesundheitsbehörde. Reisende sollten jegliche Reisen nach Japan vermeiden
, hieß es.
Wegen der Corona-Pandemie gilt derzeit aus Sicht des US-Außenministeriums für viele Länder die höchste Warnstufe (do not travel
, auf deutsch etwa: Reisen Sie nicht
), darunter auch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zuvor war Japan noch in der Kategorie drei gewesen, mit der lediglich von Reisen abgeraten wird. Die Reisehinweise des Außenministeriums sind rechtlich nicht bindend - US-Bürger und Athleten können auf eigenes Risiko trotz Reisewarnung weiterhin in solche Länder reisen.
Japan ringt derzeit mit einer vierte Corona-Welle, obwohl die Regierung bereits zum wiederholten Male den Notstand für Tokio und weitere Regionen verlängert hat. Die Olympischen Spiele waren wegen der Pandemie bereits um ein Jahr verschoben worden. dpa
Halbwissen und Kommunikationsprobleme:
Warum werden Menschen mitten in einer Pandemie zu Impfgegnern?
In den vergangenen Jahren hat sich eine breite Impfgegnerschaft herausgebildet, die mit Corona enorm an Zulauf gewinnt. Nun kommt es gar zu einer Radikalisierung – und die ist höchst gefährlich.
Theodor Wiesengrund Adorno sah sich 1959 gezwungen, ein ganzes Buch über die Kehrseite sozialer Medien zu schreiben, dessen Essenz dieses Zitat ist: Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe der Bildung, sondern ihr Todfeind
. Es taugt heute als unfreiwilliges Motto der Impfgegnerschaft, die ihre halbverstandenen Behauptungen lautstark im Netz verbreitet.
Vor allem ihretwegen laufen wir in ein Coronaproblem hinein, dessen genaue Größenordnung wir zwar noch nicht erfassen können, denn die Impfbereitschaft ist inzwischen auf erfreuliche 75 Prozent angestiegen. Aber es wird ziemlich sicher zu groß, um es zu ignorieren. Und es führt direkt und indirekt zu massiven gesellschaftlichen Verwerfungen: Zum Problem werden auch hierzulande Leute, die sich nicht oder nicht vollständig impfen lassen wollen.
Wichtig ist hier das Wort wollen
, denn es gibt Menschen, die sich nicht impfen lassen können – die sind selbstredend nicht Teil des Problems, sondern gehören im Gegenteil zu den Hauptleidtragenden. Denn Herdenimmunität basiert bekannterweise darauf, dass sich je nach Krankheit, Impfstoff und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie Alltagshygiene und Bevölkerungsdichte zwischen 60 und 80 Prozent der Menschen impfen lassen. Manche Fachleute sprechen sogar von Werten von 90 Prozent. Je mehr Personen sich nicht impfen lassen, obwohl sie es könnten, desto schwieriger wird, diejenigen schützen, für die eine Impfung nicht in Frage kommt, etwa einige Menschen mit Behinderung, Immunschwächen oder verschiedenen schweren Krankheiten. Oder Kinder, solange noch kein Impfstoff für unter Zwölfjährige zugelassen ist.
Nicht jeder Vorsichtige ist ein Impfgegner
In den vergangenen Jahren hat sich eine überraschend breite Impfgegnerschaft herausgebildet, die mit der Coronapandemie enorm an Zulauf gewonnen hat und noch gewinnt. Wichtig ist hierbei die Definition, denn Kritik – natürlich auch harsche und emotionale – an Impfungen, an Pharmaunternehmen, an Impfpolitik, an der Berichterstattung zum Impfkomplex oder auch der Wissenschaft sind legitim und sinnvoll. Auch die Coronamaßnahmen kann man heftig ablehnen, ohne gleich in diese Kategorie zu fallen.
Denn unter Impfgegnern
verstehe ich hier ausschließlich Leute, die nicht Kritik üben, sondern Impfungen auf Basis von Halbwissen ablehnen. Menschen, die einfach aufgrund etwa der Neuheit der Impfungen vorsichtig sein möchten, zähle ich in dieser Analyse ausdrücklich nicht zu den Impfgegnern.
Allerdings gibt es eine Reihe von Impfgegnern, die sich selbst als Kritiker, Skeptiker oder mit ähnlichen Beschönigungsbegriffen bezeichnen. Diese Form von Verschleierung ist typisch: Ein in der Szene prominenter Impfgegner behauptet gar, er sei für Impfungen – es gäbe bloß leider, leider derzeit keine einzige Impfung, die die von ihm akzeptierten medizinischen Standards erfüllen würde.
Das spezifische Impfhalbwissen wird erzeugt durch pseudowissenschaftliche und halbverstandene Studien, durch Rosinenpickerei und absichtliche Fehlinterpretationen, durch Verschwörungstheorien und Aufbauschen ernsthafter Kritik. Einen Beitrag leisten aber auch eine teils mangelhafte Kommunikation und ungünstige Aktivitäten des gesamten Gesundheitssektors zwischen Politik, Verwaltung, Verbänden, Institutionen – sowie manchmal auch das schwierige Verhalten von Einzelpersonen aus dem Gesundheitssystem.
Am anfälligsten für eine Vorstufe der Impfgegnerschaft, die Impfskepsis, scheinen eher liberal gesinnte, gebildete Personen zu sein. Auch eine Geschlechterdifferenz lässt sich beobachten, es scheint deutlich mehr Impfgegnerinnen als Impfgegner zu geben.
Eine aggressive, oft menschenfeindliche Ideologie
Das würde auch mit diversen Studien zur Impfbereitschaft (wie etwa der des SPIEGEL von November 2020) korrelieren. Etwas vereinfacht lässt sich sagen: Was Rechtspopulismus für Männer ist, ist Impfgegnerschaft für Frauen – eine aggressive, oft menschenfeindliche Ideologie, die das eigene, bauchgefühlte Halbwissen über das Wohlergehen anderer Menschen stellt. Und die anknüpfungsfähig ist, sowohl für andere Menschenfeindlichkeiten wie Antisemitismus wie auch generell für Verschwörungstheorien aller Art, und bevorzugt mit der Opfererzählung arbeitet: Wir machen das, weil wir und unsere Kinder die Opfer sind.
Impfgegnerschaft erscheint als Einstiegsdroge in eine lebensbedrohliche Welt, in der sich mächtige, prinzipiell bösartige und meist geldgierige Zirkel gegen die Gesundheit der Bevölkerung verschworen haben. Droge
ist dabei leider eine ziemlich treffende Metapher, weil es wie bei einer Sucht sehr schwer und für manche unmöglich ist, das irrationale, halbgebildete Anti-Impf-Weltbild abzulegen.
Befeuert wird die Impfgegnerschaft vor allem durch die Kommunikation im Netz. Aber warum werden Menschen mitten in einer Jahrhundertpandemie Impfgegner?
Durch die Analyse des Austauschs in sozialen Medien, in Gesprächen sowie bei der Auswertung verschiedener Studien und fachlicher Einschätzungen habe ich Muster gefunden, die Aufschluss über die Gründe für Impfgegnerschaft geben können. Dabei möchte ich zwei Sphären unterscheiden: persönliche Gründe und externe, gesellschaftliche Gründe, die meist in vielfältigen Mischungen auftreten.
Persönliche Gründe für Impfgegnerschaft
- Covid-Verharmlosung und -Leugnung: Die Zahl und die Intensität der entsprechenden Äußerungen scheinen mir geringer zu werden – aber noch immer sind überraschend viele Menschen überzeugt, dass Corona nicht existiert oder kaum schlimmer ist als eine Grippe. Dementsprechend wird die Impfung als überflüssig bis gefährlich betrachtet oder die Pandemie als Marketingtrick der Pharmaindustrie abgetan.
- Systemskepsis: Ein generelles, tiefsitzendes Misstrauen gegenüber
den Mächtigen
und allem, wasvon oben
kommt, ist nicht nur ein wichtiger Grund, sondern funktioniert auch als Kitt zwischen sehr unterschiedlichen (zum Beispiel rechten und linken) Impfgegnergruppen. Die Maßnahmen gegen die Pandemie, wie etwa Ausgangssperren, haben eigentlich nichts mit der Impfung zu tun – aber in einer Art Übersprungswut wird beides irrational vermengt. - Vulgär-Antikapitalismus: Eine Rechts-links-Impfquerfront findet sich ebenso wie bei der Systemskepsis auch beim Vulgär-Antikapitalismus. Hier gibt es nicht nur Zustimmung bis tief ins linksbürgerliche Lager, zum Beispiel, wenn jede Form von Markt im Gesundheitswesen abgelehnt wird. Es lässt sich auch ein mitschwingender, subtiler Antisemitismus beobachten, etwa mit Begriffen wie
Elite
oderFinanzelite
. - Esoterik: Der Begriff
Pharmamafia
stellt ein Bindeglied dar zwischen Vulgär-Antikapitalismus und der Überzeugung, dass nicht die wissenschaftliche Methode (Evidenz, Statistik und Reproduzierbarkeit), sondern Aberglaube, Unerklärliches und Magie für die Gesundheit relevant wären. - Gefahrenübertreibung: Die Impfung gegen Covid-19 gilt vielen Impfgegnern als gefährlicher als die Pandemie. Das reicht von einer Vielzahl erfundener oder überhöhter Anekdoten mit katastrophalen Impffolgen (oft der Tod von Kindern) bis zu der Erzählung, die Impfung sei ein Instrument einer Weltverschwörung zur Auslöschung von Milliarden Menschen.
Gesellschaftliche Gründe für Impfgegnerschaft
- Mangelnder und mangelhafter Diskurs: Einerseits ist tatsächlich zu wenig, zu intransparent und nicht ausreichend verständlich über tatsächlich problematische Folgen des Impfens gesprochen worden. Wenn einige Krankenkassen sogar Homöopathie bezahlen, dann ist das die Folge eines oft mangelhaften, öffentlichen Diskurses über Medizin und Gesundheit. Zu oft wurde Irrationalitäten nicht freundlich, aber deutlich widersprochen, sondern im Gegenteil politisch und gesellschaftlich Raum für Irrationalität geschaffen. Wer begeistert Ja zu Globuli sagt, kann nicht erwarten, dass gerade bei der Covid-Impfung ein völlig anderer Maßstab angelegt wird.
- Wissenschaftskommunikationsprobleme: Trotz einzelner, leuchtturmhafter Ausnahmen wie dem NDR-Podcast von Sandra Ciesek und Christian Drosten hat die Wissenschaftskommunikation in Zeiten sozialer Medien einige folgenreiche Probleme. Dazu gehört, dass beim breiten Publikum Statistiken, Wahrscheinlichkeiten und wissenschaftliche Fehlerkultur anders oder gar nicht verstanden werden. Die mediale Zuspitzung samt Aufmerksamkeitsökonomie, Vereinfachungsdruck und redaktioneller Unredlichkeit verstärkt diese Problematik noch.
- Experten-Herablassung: Auch, aber nicht nur in der Wissenschaftskommunikation findet sich zu oft die Haltung des Herrschaftswissens, eine generelle Herablassung gegenüber Laien. Deshalb haben sich einige Fachleute auch fatalerweise dafür entschieden, über unerwünschte Nebenwirkungen des Impfens gar nicht zu sprechen – weil sie dem Publikum prinzipiell keine eigene, differenzierte Meinung zutrauen wollten. Das ist insbesondere deshalb toxisch, weil emotional der Trotz eine zentrale Rolle bei der Impfgegnerschaft spielt. Und intellektuelle Herablassung ist eine Trotzgarantie. Sehr ungünstig wirkt hier auch die Internetfeindlichkeit, die noch immer viele Fachleute und Institutionen mitbringen, das Netz und die sozialen Medien als
Reich des Pöbels
zu begreifen – was in der Öffentlichkeit zu Recht als Herablassung betrachtet wird. - Politisierung der Impfung: Die Politisierung der Impfung ist gefährlich, weil Politik eine Sphäre der Meinung ist – Impfungen aber zur wissenschaftlichen Sphäre gehören. Dort zählen Evidenzen und ihre Interpretationen, was etwas anderes ist (beziehungsweise sein sollte) als Meinung. Zugleich macht die Politisierung es schwieriger, sich für eine Impfung zu entscheiden, wenn die eigene politische Gruppe tendenziell skeptisch zu sein scheint.
- Falsche Ausgrenzung: Die Öffentlichkeiten selbst, ob fachliche, publikumsmediale oder sozialmediale, können ebenfalls zur Impfgegnerschaft beitragen. Das gesellschaftliche und kommunikative Instrument der Ausgrenzung ist nicht prinzipiell tabu. Im Gegenteil ist es oft sinnvoll, Menschen die Folgen ihres eigenen Handeln spüren zu lassen. Aber die Art der Ausgrenzung und auch der Ton der dazugehörigen Kommunikation kann entscheidend sein. Auch hier spielt Trotz eine wichtige Rolle, denn insbesondere Menschen, die bislang nur leichte Zweifel haben, können durch unfaire, verallgemeinernde und boshafte Kommunikation in ihrer Ablehnung gestärkt werden.
Das Ergebnis all dieser Gründe und Hintergründe führt schon jetzt zu einer pandemischen Radikalisierung der Impfgegnerschaft. Gerade wenn eine Hyperemotionalisierung bevorsteht – wie beim Thema Impfungen für Kinder –, droht die Radikalisierungsspirale sich immer schneller zu drehen und sogar noch häufiger als bisher in Gewalt umzuschlagen.
Der Journalist Lars Wienand etwa hat in Diskussionen zu Impfungen in Schulen folgende Äußerungen beobachtet, hier im Originalwortlaut: alle erhängen und erschießen, Man muss solche Ärzte boykottieren.
Oder: Sollte eines meiner Kinder damit heimkommen… Rennt weg. Denn ich werde den Arzt mit samt der Familie finden und auslöschen!!
Man muss solche Extremismen auch deshalb ernst nehmen, weil bereits eine Reihe von Übergriffen und Attentaten wie Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und sogar Körperverletzungen von mutmaßlichen Impfgegnern verübt worden sind. Wir brauchen umgehend eine zielgerichtete Debatte, mit welchen Maßnahmen dieses Land der Impfgegner-Radikalisierung begegnen kann. Und muss. [Spiegel, eine Kolumne von Sascha Lobo
Neuinfektionen in einer Woche halbiert
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 2682 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen vom Montagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.13 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 5412 Ansteckungen gelegen. Die 7-Tage-Inzidenz gab das RKI am Montagmorgen mit bundesweit 62,5 an (Vortag: 64,5; Vorwoche: 83,1). Am Sonn- und Feiertagen sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil dann weniger getestet wird.
Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden 43 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 64 Tote gewesen.Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 87 423 angegeben.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von Sonntagabend bei 0,87 (Vortag ebenfalls: 0,87). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 87 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Israel will ab Juni alle Corona-Maßnahmen aufheben
In Israel sollen ab Juni alle im Kampf gegen die Corona-Pandemie verhängten Beschränkungen aufgehoben werden. Zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Pandemie werden alle Restriktionen auf israelischem Staatsgebiet ab dem 1. Juni aufgehoben
, teilte das Gesundheitsministerium am Sonntag mit. Gleichzeitig sollen jedoch Beschränkungen für Touristen aus dem Ausland in Kraft bleiben und womöglich sogar verschärft werden, um ein Einschleppen von Virusvarianten zu verhindern.
Inzwischen sind mehr als fünf Millionen Menschen und damit 55 Prozent der Bevölkerung zweifach gegen Corona geimpft. Derzeit haben nur vollständig Geimpfte oder Genesene mit einem grünen Pass
Zugang zu Restaurants, Bars und Sporthallen. Ab Juni sollen auch Menschen, die nicht geimpft sind, überall Zutritt bekommen.
Seit Mitte April ist das Tragen von Masken auf öffentlichen Plätzen nicht mehr erforderlich, sondern nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln und geschlossenen Räumen. Ab Juni soll die Maskenpflicht nur noch in geschlossenen Räumen gelten. Der Vorschlag des Gesundheitsministeriums muss noch von der Regierung gebilligt werden. AFP, Fabian Löhe
Ohne Maske in der Menge: Bolsonaro lässt sich von Anhängern feiern
Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat die Gesundheitsvorschriften von Rio de Janeiro missachtet und sich ohne Maske von zahlreichen Menschen feiern lassen. Der rechte Staatschef nahm am Sonntag ohne Mund-Nasen-Schutz an einer Motorradrundfahrt durch die Millionenmetropole teil und hielt eine Rede vor seinen Anhängern. Damit verstieß er gegen die örtlichen Vorschriften im Kampf gegen die Corona-Pandemie, wie das Nachrichtenportal G1 berichtete. Einige Demonstranten zeigten Transparente, auf denen die Justiz kritisiert und ein Militärputsch gefordert wurde.
Erst am Freitag hatte die Regierung des Bundesstaats Maranhão eine Geldbuße gegen Bolsonaro verhängt, weil er in der Ortschaft Açailândia einen Massenauflauf seiner Anhänger provoziert und gegen geltendes Recht keine Maske getragen hatte. Der Präsident hat das Coronavirus von Anfang an verharmlost und stemmt sich mit Verweis auf die wirtschaftlichen Folgen seit Beginn der Pandemie gegen harte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.
Dabei ist Brasilien ein Brennpunkt in der Corona-Pandemie: Bislang haben sich im größten Land Lateinamerikas mehr als 16 Millionen Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, fast 450.000 Menschen sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Zuletzt hatten Wissenschaftler zudem eine neue Variante des Coronavirus identifiziert. dpa, Thomas Sabin
Schärfere Einreiseregeln: Großbritannien wird Virusvariantengebiet
Eine Zeit lang galt Großbritannien als Corona-Erfolgsmodell. Inzwischen entwickelt sich das Land wieder zum Gefahrenherd für die Ausbreitung einer besonders gefährlichen Variante. Die Bundesregierung zieht Konsequenzen. Wegen der Ausbreitung der zuerst in Indien entdeckten Corona-Variante wird Großbritannien von der Bundesregierung ab Sonntag als Virusvariantengebiet eingestuft. Das gab das Robert Koch-Institut am Freitag bekannt. Damit wird die Einreise aus Großbritannien nach Deutschland drastisch beschränkt. Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen dürfen ab Sonntag nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht, die auch nicht durch negative Tests verkürzt werden kann.
Für Frankreich, Kroatien und Slowenien wird dagegen wegen stark sinkender Infektionszahlen die generelle Quarantänepflicht von 5 bis 10 Tagen aufgehoben. Die drei EU-Länder werden am Sonntag ebenso wie Oman, die Mongolei und Andorra vom Hochinzidenzgebiet zum normalen Risikogebiet heruntergestuft. Ganz von der Liste der Risikogebiete gestrichen werden die Slowakei, Finnland, Rumänien, San Marino und Jamaika sowie einzelne Regionen in Spanien und Irland.
Großbritannien ist das erste Land in Europa seit einiger Zeit, das wieder zum Virusvariantengebiet wird. In diese höchste Risikokategorie fallen derzeit nur elf Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die indische Virusvariante B.1.617.2 gilt als besonders ansteckend und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen in Indien in den letzten Monaten explodiert sind. In Großbritannien sind – Stand 19. Mai – mehr als 3400 Fälle der Variante bestätigt worden. Schwerpunkte sind vor allem die Städte Blackburn und Bolton in Mittelengland sowie ein Westlondoner Bezirk. Es gebe allerdings auch in anderen Gegenden einzelne Cluster
, teilte die Gesundheitsbehörde Public Health England mit.
Jens Spahn äußert sich besorgt
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) liegen zur indischen Variante noch keine ausreichenden Daten vor. Vermutet werde eine deutlich höhere Übertragbarkeit und wahrscheinlich ein leicht reduzierter Impfschutz, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag in Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äußerte sich mit Blick auf Großbritannien besorgt. Es solle vermieden werden, dass sich die Variante in Deutschland verbreite, sagte er bereits vor der Einstufung als Virusvariantengebiet.
Großbritannien galt zwischenzeitlich als Erfolgsmodell, was die Bekämpfung der Corona-Pandemie angeht. Ein harter Lockdown und ein hohes Impftempo hatten die Infektionszahlen so weit gedrückt, dass die Bundesregierung das Land vorübergehend ganz von der Liste der Corona-Risikogebiete nahm. In der vergangenen Woche wurde es wegen der indischen Virusvariante aber wieder in die niedrigste Risikokategorie eingestuft. Ab Sonntag gilt für das Vereinigte Königreich wieder die höchste Risikostufe.
Die britische Regierung zeigt sich bisher zuversichtlich, die Ausbreitung in den Griff zu bekommen. In den betroffenen Gebieten wurden die Testkapazitäten deutlich erhöht. Zudem dürfen sich dort alle über 18-Jährigen impfen lassen, mobile Impfzentren sind im Einsatz. Landesweit sind eigentlich erst Menschen ab 34 Jahren berechtigt, eine Dosis zu erhalten.
In Bolton und Blackburn wurde zuletzt ein leichter Anstieg von Corona-Patienten in Kliniken gemeldet. Gesundheitsminister Matt Hancock betonte jedoch, der Großteil sei noch nicht gegen Corona geimpft gewesen, obwohl die Betroffenen berechtigt gewesen seien. Die Impfungen schützten also auch gegen die Variante, zeigten sich Regierungsvertreter überzeugt.
Indien erst nach Wochen zum Risikogebiet erklärt
Für scharfe Kritik an Premierminister Boris Johnson sorgte, dass die Regierung Indien erst nach Wochen zum Risikogebiet erklärt und auf eine rote Liste
für Reisen gesetzt hatte. Wer aus solchen roten
Ländern zurückkehrt, muss direkt nach Ankunft auf eigene Kosten für zehn Tage in ein Hotel zur Quarantäne einchecken. Johnson habe einen für Ende April in Indien geplanten, aber letztlich doch noch abgesagten Besuch, bei dem er über ein Freihandelsabkommen sprechen wollte, nicht riskieren wollen. Deshalb sei das südasiatische Land erst Wochen nach seinen Nachbarstaaten Bangladesch und Pakistan auf die rote Liste
gesetzt worden.
Medien berichteten, dass trotz der Einstufung noch täglich mehrere Direktflüge aus Indien in Großbritannien landen. Aus anderen roten
Staaten wie Brasilien oder Südafrika sind Direktflüge verboten. Die Regierung verteidigte sich, es handele sich bei den Einreisenden nur um Briten und Iren oder Menschen mit Wohnsitz in Großbritannien. Bei Direkteinreisen sei die Überwachung der Hotel-Quarantäne sicherer. Allerdings wiesen Medien darauf hin, dass Reisende aus Indien stundenlang und ohne Abstand im Flughafen neben Ankommenden aus anderen, sichereren Ländern an der Passkontrolle warteten.
Neben Großbritannien stuft die Bundesregierung nur drei Länder in Lateinamerika und in der Karibik auf der Corona-Risikoliste wieder hoch: Surinam und Trinidad und Tobago werden wegen steigender Infektionszahlen Hochinzidenzgebiete und St. Lucia wird zum Risikogebiet erklärt. FAZ
Studie: Recht hoher Impfschutz gegen indische Virus-Variante
Die Corona-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Astrazeneca bieten laut einer Studie aus Großbritannien einen recht hohen Schutz gegen eine Erkrankung mit der zunächst in Indien aufgetretene Virus-Variante B.1.617.2. Die beiden Präparate schützen nach zweifacher Impfung beinahe so effektiv gegen eine durch diese Variante ausgelöste Corona-Erkrankung wie gegen eine durch die britische Variante B.1.1.7 hervorgerufene. Das geht nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur PA aus einer Studie der Regierungsbehörde Public Health England (PHE) hervor.
Der Impfstoff von Pfizer/Biontech schützt demnach zwei Wochen nach der zweiten Dosis mit 88-prozentiger Effektivität gegen eine Erkrankung durch B.1.617.2., verglichen mit 93 Prozent bei der britischen Variante.
Bei Astrazeneca liegt der Effekt gegen eine Erkrankung durch B.1.617.2 bei 60 Prozent, verglichen mit 66 Prozent bei B.1.1.7. Beide Impfstoffe wiesen den Angaben zufolge drei Wochen nach der Erstimpfung eine 33-prozentige Effektivität bei B.1.617.2 auf, während sie bei der britischen Variante zu dem Zeitpunkt jeweils bei rund 50 Prozent lag.
Die Studie erfolgte zwischen dem 4. April und dem 16. Mai und deckte alle Altersgruppen ab. Die indische Variante gilt als besonders ansteckend und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen in Indien in den vergangenen Monaten explodiert sind. In Großbritannien sind - Stand 19. Mai - mehr als 3400 Fälle der Variante bestätigt worden. Wegen der Ausbreitung der Variante wird Großbritannien von der deutschen Bundesregierung ab Sonntag als Virusvariantengebiet eingestuft.
Das britische wissenschaftliche Beratergremium Sage schrieb kürzlich, es sei realistisch
, dass die indische Variante bis zu 50 Prozent ansteckender sein könnte als die bereits als sehr ansteckend geltende Variante B.1.1.7. dpa
Einreisen aus Großbritannien seit Mitternacht stark eingeschränkt
Seit Mitternacht gelten in Deutschland starke Einschränkungen bei Einreisen aus Großbritannien. Die Bundesregierung hatte die Einschränkungen verfügt, weil sich dort die zuerst in Indien entdeckte Corona-Variante ausbreitet.
Mit der Einstufung Großbritanniens als Virusvariantengebiet dürfen Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen seit Mitternacht in der Nacht auf Sonntag nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht, die auch nicht durch negative Tests verkürzt werden kann. Großbritannien ist das erste Land in Europa seit einiger Zeit, das wieder zum Virusvariantengebiet wird. In diese höchste Risikokategorie fallen derzeit nur elf Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika.
Die indische Virusvariante B.1.617.2 gilt als besonders ansteckend und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen in Indien in den vergangenen Monaten explodiert sind. In Großbritannien sind - Stand 19. Mai - mehr als 3400 Fälle der Variante bestätigt worden. dpa
Städte- und Gemeindebund befürchtet Aus für mehr als 100.000 Einzelhandelsgeschäfte
Der Städte- und Gemeindebund hat vor einer massiven Pleitewelle im Einzelhandel gewarnt. Wir befürchten, dass über 100.000 Einzelhandelsgeschäfte schließen oder gar nicht mehr wieder öffnen
, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Rheinischen Post
vom Samstag. Damit stünden bis zu 500.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Hier müssen wir energisch gegensteuern
, forderte Landsberg.
Die Lage wie sie vor der Pandemie war, kommt nicht zurück
, zeigte er sich überzeugt. Die Menschen hätten die Vorteile des Onlinehandels kennengelernt und genutzt.
Es müsse jetzt darum gehen, die Innenstädte und Ortskerne als Visitenkarten der Kommunen umzugestalten und gleichzeitig dem Klimaschutz mehr Rechnung zu tragen
, forderte Landsberg.
Stichworte dabei seien: mehr Erlebnisräume, mehr Kunst, mehr Handwerk, mehr Kultur, Erlebnisgastronomie und auch mehr Wohnraum, aber auch mehr Grün und Wasserstrukturen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität bei Hitze und Dürre.
AFP
Merkel: Grundgesetz auch in Pandemie ein stabiles Fundament
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Grundgesetz als ein stabiles Fundament
des Zusammenlebens auch in der Corona-Pandemie bezeichnet. Das gelte uneingeschränkt
auch für die vergangenen Monate, in denen uns die Pandemie zu teilweise harten und weitreichenden Einschränkungen von Freiheiten gezwungen hat
, sagte Merkel am Samstag in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. Sie äußerte sich zum Tag des Grundgesetzes am Sonntag. Dieses wurde am 23. Mai 1949 verkündet.
Die eingeschränkten Freiheiten würden durch die Grundrechte des Grundgesetzes gegenüber Eingriffen des Staates geschützt, aber eben nicht grenzenlos
, sagte Merkel. Wo Leben und Gesundheit auf dem Spiel stehen, sind zumindest zeitweise solche Einschränkungen erlaubt.
Regierungen müssten dabei verhältnismäßig vorgehen und Einschränkungen zeitlich auf das absolut nötige Maß
beschränken - so wie wir es getan haben
.
Das Grundgesetz garantiere aber auch, dass über solche Maßnahmen gestritten werden könne. Es ist gut und zutiefst demokratisch, dass das seit Beginn der Pandemie immer wieder auch geschehen ist
, sagte die Kanzlerin.
Sie mahnte angesichts sinkender Infektionszahlen und den Fortschritten bei den Corona-Impfungen zur Vorsicht: Es gebe viele Gründe, optimistisch zu sein, aber besiegt haben wir das Virus noch nicht
. Es bleibe daher gemeinsame Aufgabe, mit Freiheiten auch verantwortungsvoll umzugehen und aufeinander Rücksicht zu nehmen
.
Die Kanzlerin verurteilte erneut mit scharfen Worten die antisemitischen Vorfälle in den vergangenen Tagen, zu denen es in mehreren deutschen Städten vor dem Hintergrund der Eskalation des Nahostkonflikts gekommen war. Das Grundgesetz garantiert das Recht zur freien Meinungsäußerung und friedlichen Versammlung. Aber es lässt keinen Raum für Angriffe gegen Menschen anderen Glaubens, keinen Raum für Gewalt, Rassismus und Hetze
, sagte die Kanzlerin.
Es müsse allen klar sein: Wer Hass gegen Juden auf unsere Straßen trägt, wer volksverhetzende Beleidigungen äußert, stellt sich außerhalb unseres Grundgesetzes.
Solche Taten müssten konsequent geahndet werden und für die Täterinnen und Täter spürbare Folgen haben. AFP
Hausärzte fordern gerechte Verteilung der Impfstoffe
Die deutschen Hausärzte pochen angesichts der für den 7. Juni geplanten bundesweiten Aufhebung der Priorisierung bei den Corona-Impfungen auf eine gerechte Verteilung von Impfstoffen. Wenn nicht alle beliefert werden können, muss man das wenigstens gleichmäßig verteilen
, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, am Samstag dem Norddeutschen Rundfunk.
Es solle jede Gelegenheit genutzt werden, um zu impfen. Die Einbeziehung der Betriebsärzte, der Privatärzte, all das mag helfen
, sagte Weigeldt. Aber wir können natürlich nicht akzeptieren, wenn andere Strukturen immer bevorteilt werden.
Er warnte zudem davor, dass das angekündigte Ende der Impfpriorisierung zu einem massiven Ansturm auf die Praxen führen könnte. Für unsere Mitarbeiterinnen in den Praxen ist es sehr belastend, wenn hier sehr viel Druck kommt, den wir nicht verantworten können und den wir nicht bedienen können.
Da sei auch Frustration im Spiel
.
Er rief die Menschen zur Geduld auf: Man muss jetzt hier mal ein bisschen die Ruhe bewahren und den Frust, dass man nicht sofort geimpft wird, nicht bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abladen.
AFP
Stadtteil in Bordeaux soll wegen seltener Virusvariante im Schnelltempo geimpft werden
Im Kampf gegen eine seltene Coronavirus-Variante will die französische Stadt Bordeaux die Bevölkerung des betroffenen Viertels Bacalan im Schnelltempo impfen. In dem Stadtteil seien fast 50 Menschen positiv auf eine sehr seltene
Covid-19-Variante getestet worden, teilten die Gesundheitsbehörden am Freitag mit. Alle erwachsenen Bewohner von Bacalan erhielten deshalb bedingungslosen
Zugang zu Impfungen und sollen bereits dieses Wochenende oder spätestens Anfang kommender Woche geimpft werden, sagte Patrick Dehail, medizinischer Berater der regionalen Gesundheitsbehörde.
Die Bemühungen würden später außerdem auf die gesamte Stadt ausgeweitet. Wir sprechen über eine Variante, die bereits auf nationaler Ebene identifiziert wurde, die aber bisher sehr selten war
, sagte Dehail. In Bordeaux wurde die Mutante bislang bei mindestens 46 Menschen nachgewiesen. Am Freitag startete die Stadt Massentests, um mögliche weitere Fälle zu entdecken. Keiner der Infizierten wurde bisher ins Krankenhaus eingeliefert.
Der als VOC 20I/484Q bezeichnete Stamm ist mit der britischen Variante von Covid-19 verwandt, weist aber eine zusätzliche Mutation auf. Diese Mutation (E484K) haben auch die südafrikanische und brasilianische Variante, die als sehr ansteckend gelten und im Verdacht stehen, resistenter gegen die bekannten Impfstoffe zu sein.
Die Variante wurde bislang in der nördlichen Pariser Region sowie in Bordeaux im Südwesten Frankreichs nachgewiesen. In ganz Frankreich sind die Impfungen bislang vor allem auf über 50-Jährige beschränkt. Ab dem 31. Mai können sich alle Erwachsenen in Frankreich impfen lassen. AFP
Spargelernte: Corona-Quarantäne für Erntehelfer
Auf einem der größten Spargelhöfe Deutschlands ist das Coronavirus ausgebrochen. Mittlerweile haben sich 131 Menschen infiziert. Polnische Erntehelferinnen berichten von Bedingungen wie im Horrorfilm
.
Agnieszka wusste, dass die Spargelernte Knochenarbeit ist. Auch, dass sie nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst zwei Wochen in Arbeitsquarantäne musste, hatte man ihr gesagt. Aber nach mehr als einem Monat in Isolation hat sie genug: Wir werden wie Sklaven behandelt, nur vom Hotel zur Arbeit gebracht und zurück.
Ihre Kollegin Ilona weigert sich zu arbeiten. Ich will nach Hause fahren
, sagt sie. Nun wartet sie auf ihrem Zimmer. Ihre Mitbewohnerinnen arbeiten weiter, daher hat Ilona Angst, dass sie das Virus in die Unterkunft einschleppen. Es wäre nicht nur gefährlich, sondern könnte ihre Quarantäne nochmal verlängern.
1011 Menschen arbeiten derzeit auf dem Spargelhof von Heinrich Thiermann im niedersächsischen Kirchdorf. Vor allem hunderte Polen und Rumänen. Ende April, als die Arbeitsquarantäne begann, waren 47 Arbeiter infiziert. Bis heute sind es bereits 131 Personen.
DW sprach mit sechs polnischen Arbeiterinnen, die am Telefon von der Lage hinter dem verriegelten Tor des Hofs erzählt haben. Ihre Namen wurden im Text geändert. Die DW hat auch Kontakt zu dem Unternehmen aufgenommen. Nach der ersten Veröffentlichung des Artikels auf Polnisch bestätigten weitere Beschäftigte die von uns beschriebenen Zustände. Die Aussagen machen deutlich, wie die Ungleichheiten auf den europäischen Arbeitsmärkten die Verbreitung des Coronavirus begünstigen können.
Tausend Menschen unter Verschluss
Am 30. April verfügte das Gesundheitsamt Diepholz eine zweiwöchige Quarantäne bei Thiermann GmbH. Aufgrund des diffusen Infektionsgeschehens innerhalb des Betriebs ließen sich die engen Kontaktpersonen zu den nachweislich Infizierten nicht klar definieren
, erklärt Mareike Rein, Sprecherin des Landkreises. Mit anderen Worten: das Virus war überall.
Sogar verheirateten Paaren, die in anderen Teilen des Hofs arbeiten, wurde es verboten, sich zu treffen. Sicherheitspersonal wurde angestellt, um die Quartiere zu bewachen. Mittag- und Abendessen werden serviert. Erst vor wenigen Tagen wurde ein effizientes System zum Einkaufen eingerichtet.
Da die Zahl der Neuinfektionen aktuell wieder sinkt, entschied das Gesundheitsamt, die Betriebsquarantäne aufzuheben - jedoch nicht für alle: Für rund 200 Erntehelfer, die als Kontaktpersonen gelten oder mit Infizierten in derselben Unterkunft gewohnt haben, wurde sie bis zum 18. Mai verlängert.
Laut Thiermann sind Arbeiter krankenversichert
Weder das Unternehmen noch das Gesundheitsamt teilten auf Anfrage der DW mit, wie viele Menschen im Krankenhaus behandelt werden. Die Arbeiter, mit denen wir sprechen konnten, berichten von möglicherweise bis zu fünf Personen, eine von ihnen soll schwer an COVID-19 erkrankt sein.
Die Thiermann GmbH sagt, dass alle Mitarbeiter versichert sind. Es entstehen keine Kosten bei Krankheit und sie erhalten eine Lohnfortzahlung
, sagte Sprecherin Anke Meyer der DW. Eine der infizierten Frauen erzählte hingegen, dass sie auch während der Krankschreibung für die Unterkunft bezahlen muss.
Auf dem Hof des Spargelkönigs
Arbeitsquarantäne bedeutet, dass die Arbeiterinnen ihre Unterkunft nur zum Zweck der Arbeit verlassen dürfen. Selbst ein Ausbruch stoppt die Produktion nicht. So wie auf dem Bauernhof von Henrich Thiermann. Er ist einer der größten Spargelproduzenten in Deutschland. Auf seinen Feldern ernten jedes Jahr Hunderte Arbeiter aus Osteuropa Tonnen des weißen Goldes
von Deutschland.
Laut Thiermann ist die Situation unter Kontrolle. Nach dem Ausbruch versicherte er in einem ersten Interview mit der lokalen Kreiszeitung
, dass der Betrieb über ein Hygienekonzept verfüge, welches dem Grundsatz zusammen leben und zusammen arbeiten
folge. Die Mitarbeiter würden zweimal pro Woche getestet und die Sicherheitskräfte überprüften die Quartiere, damit eine Durchmischung unterbunden wird
.
Hand in Hand am Fließband
Marzena wäre vielleicht noch gesund, wenn die Aufteilung gut funktionieren würde. Aber sie und ihre Mitbewohnerin arbeiteten an zwei unterschiedlichen Spargelsortierbändern. Zuerst wurde die Kollegin krank, danach sie selbst.
Sie seien in einer Gruppe von 50 Personen zur Arbeit geführt, und dann in kleinere Gruppen von je zwölf Menschen aufgeteilt worden. Es wird nicht darauf geachtet wer zusammen wohnt
, sagt sie. In der Sortieranlage besteht keine Möglichkeit, Abstand zu halten
, die Maschine arbeite schnell, man müsse in Bewegung sein, um Kollegen zu helfen. Wir arbeiten Hand in Hand
.
Unsere Gesprächspartnerinnen erzählen auch von Schutzmaßnahmen im Betrieb. In diesem Jahr wohnen nur zwei oder drei statt acht Personen in einem Zimmer. Die Vorarbeiter achten wohl auch darauf, Schutzmasken zu tragen und Abstände einzuhalten. Die Firma teilt mit, dass unter anderem Arbeitsbereiche vergrößert, Arbeitsprozesse optimiert und reichlich FFP2-Masken bestellt wurden.
Erster Test erst nach drei Wochen
Warum war dann der Ausbruch so massiv? Sie hätten uns schon nach den ersten Fällen durchtesten müssen, und nicht erst als die Plage ausgebrochen ist
, sagt Agnieszka. Wie die meisten Saisonarbeiterinnen kam sie in der ersten Aprilhälfte auf den Hof. Den ersten Schnelltest habe sie erst drei Wochen später, am 28. April, bekommen.
Wann wurden denn die ersten Fälle entdeckt? In einem weiteren Artikel der Kreiszeitung
bestätigte Thiermann das Datum des ersten Ausbruchs: 18. April 2021. Die Sprecherin des Landkreises bestätigte der DW die ersten Meldungen in der Woche vom 19. bis 25. April. Die polnischen Arbeiterinnen sprechen selber auch von ersten positiven Fällen am 18. April. Schon seit Beginn der Saison wurden Schnelltests für alle Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt
, sagte Thiermann in dem Artikel. Nicht alle Beschäftigte haben das Angebot angenommen. Als es am 18. April zu der ersten Infektion kam, begannen wir mit regelmäßigen Testungen und wurden dann, als vermehrt positive Fälle auftraten, am 29. und 30. April mit den PCR-Reihentestungen vom DRK und Gesundheitsamt des Landkreises Diepholz unterstützt.
Aber von dem Tag der Entdeckung der ersten Fälle bis zur Reihentestung der gesamten Belegschaft hatte das Virus etwa zehn Tage Zeit, um sich auszubreiten.
Streik und Flucht nach Polen
Es war wie im Horrorfilm
, erinnert sich Barbara an den 28. April, den Tag der Durchtestung. Sie sagt, dass Frauen mit positiven Testergebnissen bis 23 Uhr draußen warten mussten, bis sie in ein anderes Hotel gebracht wurden. Andere weinten, weil sie nach Hause wollten, aber nicht mehr durften
, erzählt sie.
Noch in derselben Nacht beschlossen etwa hundert Frauen aus einer Unterkunft zu streiken. Die nächsten zwei Tage gingen sie nicht zur Arbeit. Aus Angst vor dem Virus, aber auch weil sie bessere Löhne forderten. Heinrich Thiermann sei zu ihnen gekommen und habe mit den Vorarbeitern gesprochen. Er habe eine Gehaltserhöhung um fünf Prozent versprochen, berichten die Arbeiterinnen.
Einige Personen nutzten die Verwirrung und flohen nach Polen ohne Bezahlung. Die Thiermann GmbH antwortet nicht auf die Frage, ob diese Personen ihren Lohn erhalten werden. Von den Arbeiterinnen hören wir, dass die Firma sich weigert sich, sie zu bezahlen.
6,80 Euro netto pro Stunde, 9,80 Euro pro Bett
In den Arbeitsverträgen, deren Kopien der DW vorliegen, lesen wir von Bezahlung in einem Bonussystem unter Beibehaltung des Mindestlohns
(aktuell 9,50 brutto pro Stunde). Die Arbeiter sprechen lieber vom Nettolohn. Für sie ist es wichtig, wie viel sie mit nach nach Hause bringen können. Dieser Satz schwankt jedoch täglich. Zuletzt sei es 6,80 Euro netto pro Stunde, sagen zwei Angestellte. Pro Tag werden 9,80 Euro für die Unterkunft und Mittagessen abgezogen.
Um in diesem System gutes Geld zu verdienen, muss man so viele Stunden wie möglich schuften: deswegen arbeitet man 7 Tage in der Woche, manchmal 11 Stunden am Tag.
Angst vor längerer Quarantäne
Nach zwei Tagen kehrten aber immer mehr Frauen zur Arbeit zurück. Sie wussten, dass wir nicht weg können
, sagt eine von ihnen. Außerdem mussten sie jeden Tag weiter für ihre Unterkunft bezahlen.
Mitarbeiter, die nach Polen zurück möchten, stehen vor einem Dilemma: Wenn sich eine Kollegin am Band infiziert, wird meine Quarantäne verlängert
, erklärt eine Arbeiterin. Unter ihnen sind auch einige, für die die verlängerte Quarantäne bis zum 18. Mai gilt. Aus der geplanten Heimreise schon an diesem Freitag (13. Mai) wird vorerst nichts.
Geld verdienen und schnell zurück
Barbara, die dieses Jahr zum ersten Mal zu Thiermann kam, erinnert sich an ihre entschlossene Haltung: Ich habe gehört, dass es schwer sei, aber ich habe keine Angst vor der Arbeit
, sagt sie. Nach ein paar Wochen auf dem Bauernhof schwört sie: Nie wieder. Nicht unter diesen Bedingungen, nicht für dieses Geld
.
Trotzdem kommen jedes Jahr viele zurück. Unser Plan ist jedes Jahr der gleiche: Kommen, Geld verdienen und so schnell wie möglich zurück fahren
, sagt Agnieszka.
In diesem Jahr macht ihnen die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. DW (Deutsche Welle)
Korrektur am 18.5.2021: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Heinrich Thiermann sei während des Streiks auf Forderungen nach einer Lohnerhöhung nicht eingegangen. Dies wurde nun korrigiert, da eine Erhöhung des Gehalts um fünf Prozent versprochen wurde. Die Redaktion bittet den Fehler zu entschuldigen.
Kampf gegen Corona-Mythen: Eine Dosis Gegengift
In Neuseeland, einem Land fast ohne Corona, blühen die Verschwörungstheorien um das Virus – ganz besonders in der Musik- und Esoterikszene.
Equinox, so lautet der Name der Herbstsonnenwende auf der Südhalbkugel in Neuseeland. In diesem Jahr feierten über 3.000 Menschen das Ereignis gemeinsam bei Earth Beat
– laut Selbstauskunft das innovativste und erdverbundenste Festival in Aotearoa
– so der ursprüngliche Maoriname Neuseelands. Sie mussten keine Masken tragen oder einen Sicherheitsabstand einhalten. Denn der Fünf-Millionen-Staat hat die Coronapandemie dank durchgreifender Maßnahmen im Innern und geschlossener Grenzen nach außen vorerst besiegt. Der letzte landesweite Lockdown endete vor einem Jahr.
In jener Märznacht tanzen die Feiernden ekstatisch zu den Songs von Matiu Te Huki, einem beliebten Musiker in der Alternativszene. Nach Mitternacht greift er sich zwischen seinen Sets das Mikrofon. Doch anstatt wie bei seinen früheren Konzerten über Liebe und Gemeinschaft zu plaudern, ergeht sich der Sänger in einer Brandrede gegen Impfungen, die unsere Körper vergiften
.
Die Pandemie nennt er plandemic
– nach einem gleichnamigen 26-minütigen Propagandafilm, der im letztes Jahr Karriere machte, inzwischen von sämtlichen Plattformen gelöscht wurde und reihenweise Falschmeldungen über das Coronavirus verbreitet. Viele Zuschauer klatschen und jubeln dem Sänger zu. Andere sind entsetzt.
Entsetzen über die Lügen von der Bühne
Sam Thompson etwa, die in der Nähe der Bühne sitzt, traut ihren Ohren nicht und wundert sich, warum die Veranstalter diese Einlage dulden. Für eine andere Besucherin ist die Party in diesem Moment gelaufen. Es ist traurig, dass jemand, der so fehlinformiert ist, seine Position auf diese Weise missbraucht
, sagte sie.
Die Therapeutin Ari Amala, die einen Workshop bei Earth Beat abgehalten hatte, beschreibt das Intermezzo in ihrem Blog: Tausende von Dollar an Sound-Ausrüstung wurden benutzt, um eine Botschaft zu propagieren, die zutiefst schädlich fürs Gemeinwohl ist.
Alle drei gehören zu FACT. Das ist eine Abkürzung für Fight Against Conspiracy Theories
, also dem Kampf gegen Verschwörungsmythen. Es handelt sich um ein neues Netzwerk von Aktivisten, von der Krankenschwester bis zum Filmproduzenten. Noch sind sie wenige, aber schon heute ausgesprochen effektiv. Über hundert Mediziner und Akademiker haben einen offenen Brief unterschrieben, mit dem FACT gegen die Zusammenarbeit von andersgläubigen Wissenschaftlern mit den Querdenkern protestiert. Die Mikrobiologin Siouxsie Wiles, Pendant zu Christian Drosten und gerade zur Neuseeländerin des Jahres gekürt, unterstützt die Aktion.
In dem kleinen Land, das weltweit die wenigsten Coronatoten gemessen an der Bevölkerungszahl aufweist und eine Normalität des Alltags genießt, von dem andere nur träumen können, wächst paradoxerweise der Einfluss von Menschen und finanzstarken Lobbygruppen, die gegen effektive Covid-19-Maßnahmen rebellieren und Fehlinformationen verbreiten. Sie organisieren Veranstaltungen und bringen Millionen Handzettel unters Volk, in denen sie sich gegen Impfungen aussprechen.
Das Coronavirus hat Neuseeland zwar verschont, aber nicht der Einfluss von rechtsradikalen Gruppierungen wie QAnon. Dort wird die Legende verbreitet, dass Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern in Wahrheit ein Mann sei und das Moschee-Attentat von Christchurch selbst eingefädelt habe, um damit Waffengesetze zu verschärfen.
Gegenveranstaltung mit einem Dankeschön
Sovereignty
(Eigenhoheit) lautet das Schlagwort, mit der derlei Mythen unters Volk gebracht werden. Es stößt auch bei einigen Maori auf offene Ohren, die aus historischen Gründen dem staatlichen Gesundheitssystem misstrauen und eine Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht fordern. Ihr Populist heißt Billy Te Kahika, auch er ein Musiker, dazu Covid-19-Leugner und QAnon-Anhänger. Er weigert sich, auf Inlandflügen die vorgeschriebene Maske zu tragen.
Doch als der gescheiterte Politiker einen Protest vor den Quarantäne-Einrichtungen in der Stadt Christchurch plant und Isoliertenhotels als Lager für politische Gefangene bezeichnet, tauchen schon Stunden zuvor ein Dutzend FACT-Unterstützer auf. Sie halten keine Gegendemonstration ab, sondern überbringen den Betreibern des umfunktionierten Hotels lieber ein Dankeschön dafür, da sie das Virus aus dem Land halten.
Wir Kiwis sind generell friedliche Menschen. Positives Einwirken wirkt daher oft besser als aggressive Reaktionen
, sagt FACT-Sprecherin Jacinta O'Reilly. Wir verstehen, warum Menschen in der Pandemie den Bezug zur Realität verloren haben und anfällig für bestimmte Ideologien sind.
Daher setzen die Aktivisten präventiv dort an, wo sie ein Umfeld für Verschwörungsglauben vermuten – zum Beispiel bei New-Age-Festivals. Denn Earth Beat war nicht das erste Konzert, bei dem der Musiker Te Huki seine Ansichten über Masken, Impfungen und Lockdowns von der Bühne aus verbreitete. Das gleiche passierte bereits bei Resolution
, dem Silvesterableger des Esoterikfestivals NZ Spirit
.
Schon seit dem letzten Jahr entwickelte sich seine Facebook-Seite zunehmend zur Verschwörungsbühne. Te Huki behauptet, die Regierung würde das Volk terrorisieren
und habe die Agenda, all unsere Freiheiten wegzunehmen
. Leute wie die Rockefellers und die Rothschilds beherrschen die Welt auf solch eine zersetzende, hinterhältige, böse, psychopathische Weise
, erklärte er im Juli 2020 in einem Video. Sie haben die Medien gekauft, sie haben die WHO und die Vereinten Nationen gekauft.
Obwohl sich viele Fans abwenden, steigert sich seine mit Verschwörungswahn durchtränkte Eigenwerbung immer weiter. Er empört sich etwa über angebliche Zwangsimpfungen
. Die Impfungen mit dem Biontech-Wirkstoff, die ab dem Juli allen Kiwis zur Verfügung stehen sollen und für einige Berufsgruppen bereits begonnen haben, sind allerdings freiwillig.
Sadra Saffari, der Intendant von Earth Beat
, hat nach eigener Aussage die Coronamythen auf seiner Festivalbühne am 20. März nicht mitbekommen, aber er findet sie bedenklich
. Er hätte sich ein Vorgespräch darüber gewünscht. Wir werden es mit Matiu bereden
, sagt der Organisator des Festivals. Vielleicht müssen wir so etwas in Zukunft in den Künstlerverträgen festhalten. Wir wollen keine Plattform sein für etwas, das nicht im Interesse unserer Community und des gesamten Landes ist.
Der umstrittene Musiker hat nach der Empörung, die sein Auftritt bei Earth Beat
ausgelöst hat, einige Falschaussagen gelöscht – aber sich zugleich über die cancel culture
beschwert.
Die Auftritte von Te Huki sind nicht die einzigen, bei denen auf alternativen Festivals gewollt oder unbeabsichtigt Verschwörungstheorien verbreitet werden. Auch bei Luminate
, das in jedem zweiten Jahr 4.000 Menschen zu Trommelkreisen, Feuerspuckern und Kakaozeremonien nach Golden Bay zieht, haben Coronaleugner schon auf sich aufmerksam gemacht. Als die Organisatorinnen im letzten Jahr auf ihrer Webseite zu David Icke verlinken – einem Holocaust-Leugner und prominenten Erfinder der Illuminati-Verschwörungsmythen, bekommen sie Gegenwind zu spüren. DJs und Künstler wie Alt-Country-Star Marlon Williams kritisieren die Entscheidung in einem offenen Brief.
Die Luminate
-Organisatoren nehmen daraufhin den Link des Briten, für den in Australien ein Einreiseverbot besteht, von ihrer Webseite. Nach einigen missglückten Halb-Entschuldigungen erklärt das Management in einem Statement, dass man weder Rechte noch QAnon unterstütze. Ein Shitstorm führt dazu, dass weniger Tickets verkauft werden und die Veranstaltung im Februar deutlich kleiner als zuvor ausfällt.
Eine kleine Truppe hält am Rande des Festivals ein Meeting zum Thema Covid – The Great Reset
(der große Neustart) ab. Dieser Verschwörungsmythos behauptet, die Eliten
wollten im Zuge der angeblichen Pandemie endgültig die Weltherrschaft an sich reißen. Die Gruppe darf allerdings ihre Plakate nicht aufhängen.
Einer der Köpfe des Luminate
-Festivals zählt jedoch nach wie vor zu den Unterstützern einer Anti-Lockdown-Gruppe mit dem Namen Voices for Freedom
und der Outdoor Party
. Diese Splitterpartei, die auf Facebook Impfungen mit Vergewaltigung und Mord verglichen hat, will die Regierung verklagen und arbeitet mit einem bekannten Rechtsradikalen zusammen, der Fehlinformationen verbreitet.
Die Wirkung von Fakten
, sagt Jacinta O'Reilly von FACT. Auf Facebook bildet sich anschließend die Luminate
war ein WendepunktRabbit Hole Resistance
als Netzwerk für jene, die sich gegen Verschwörungsglauben stellen und anderen dort heraushelfen wollen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Mitgefühl und guter Kommunikation. Ihr erstes Meeting haben die neuseeländischen Kaninchen
ebenfalls auf einem Festival: bei Kiwiburn. Danach formierte sich im März FACT.
Conspirituality
, das Überlappen von Wellness und Esoterik mit antisemitischem, transphobem und rassistischem Irrglauben, nach dem auch ein gleichnamiger Podcast benannt ist, ist das Feld der Factivisten. Wir brauchen ein besseres Verständnis in der Yoga- und Festivalszene davon, wie fiktionale Behauptungen als geheime Wahrheit präsentiert werden,
sagt Jacinta O'Reilly. Dahinter stecken oft finanzielle Interessen von Lobbygruppen und Firmen, die Zusatzpräparate oder ätherische Öle vertreiben. Sie manipulieren bewusst Menschen, die berechtigte Zweifel an der Schulmedizin und Pharma-Industrie haben. Wir müssen den Veranstaltern dafür die Augen öffnen.
Die pensionierte Lehrerin findet es ironisch, dass ausgerechnet Massenveranstaltungen, die in Neuseeland nur deshalb stattfinden können, weil strenge und einheitliche Coronamaßnahmen ergriffen wurden, zum Tummelplatz derer werden, die diese als eine Bürgerrechtsverletzung bezeichnen. Deshalb tritt FACT im April mit einem Appell an die größte Esoterik-Show des Landes heran, das bevorstehende NZ Spirit Festival
.
Ihre erste Bitte lautet: Ein neuer Gesundheits- und Sicherheitshinweis zum Coronarisiko auf der Webseite – zum Beispiel die Empfehlung zur Nutzung der neuseeländischen Tracking-App und ein Hinweis, bei Symptomen jeder Art dem Fest fernzubleiben. Beides nicht selbstverständlich in einer Szene, in der viele die Vorsichtsmaßnahmen in Geschäften und bei Versammlungen als staatliche Überwachung bezeichnen, Covid-19 für eine Grippe halten und behaupten, dass frisch Geimpfte ein Gesundheitsrisiko für andere darstellen.
Ein Wellnessbetrieb in Christchurch, der Darmspülungen und Seelenlesungen
anbietet, verweigert Menschen aus diesem medizinisch nicht gestützten Grund nach einer Impfung 30 Tage lang eine Behandlung.
Spiritueller Festival-Macher lenkt ein
Franko Heke, charismatischer Kopf von NZ Spirit
, setzt den Vorschlag von FACT prompt um und aktualisiert die Webseite mit dem Satz Wir nehmen die globale Covid-19-Pandemie ernst
– in seinen Kreisen fast schon eine politische Position. Er übernimmt auch den zweiten Vorschlag und schickte eine Abmachung an sämtliche Künstler und Workshop-Moderatoren, keine Corona-Statements bei ihren Auftritten zu machen. Auch Plakate oder Flyer dieser Art seien nicht erwünscht.
Ein bisher einzigartiges Abkommen, laut Heke perfektes Timing
. Ich sehe es als Chance für unsere Bewegung
, sagte er. Die Leuten sollen bei uns erst mal ihre persönliche Wahrheit finden, bevor sie globale Themen erörtern. Wir vibrieren auf einer sehr hohen Frequenz.
Einige der Frequenzen, mit denen seine Festival-Community harmoniert, sind jedoch mehr als fragwürdig. Ein ehemaliges Model aus Aucklands Yogaszene war bis Ende 2020 die bezahlte Social-Media-Beauftragte von NZ Spirit
– während sie flammende Videos gegen Masken aufnahm, sich in der Anti-Lockdown-Gruppe Mothers Who Stand for Freedom
engagierte und ihr Facebook-Profil mit dem Slogan von QAnon schmückte. Q is from God!
, rief eine Frau in einem Livestream gegen den Lockdown. Niemand löschte das Video.
Einige sind irregeleitet
, gibt Heke zu, der die Seite managt. Dort waren nach dem Shitstorm rund um Luminate
auch etliche Kommentare von David-Icke-Fans mit antisemitischen Tönen aufgetaucht, bis hin zur Holocaust-Leugnung. Wir wissen nicht, wer die Leute sind, bis sie etwas Zerstörerisches tun. Aber dieses Zeug ist höchstens 0,1 Prozent in der Gruppe.
Zu dem quasireligiösen, antiwissenschaftlichen Zeug
gehört auch Starseeds
. Anhänger dieser New-Age-Philosophie glauben, dass sie erleuchtete Wesen von anderen Planeten seien. Die Sekte aus Kalifornien verwandelte letztes Jahr die neuseeländischen Besitzer des progressiven Unterwäsche-Labels Lonely zu Verschwörungstheoretikern, Trump-Fans und Coronaleugnern, was sie etliche ihrer prominenten Fans in Hollywood kostete. Auf dem Marktplatz des NZ Spirit Festival
darf Starseeds vor drei Wochen ein eigenes Zelt errichten.
Rachel Hunter, die frühere Frau des Rocksängers Rod Stewart, macht mit einer Yogameditation den Auftakt des viertägigen alkoholfreien Happenings. In einem Interview betont das ehemalige Supermodel, dass sie Neuseelands Coronapolitik begrüßt. 3.500 Menschen tummeln sich in Kumeu westlich von Auckland, lassen sich Tarotkarten legen und Chakras massieren. 70 MusikerInnen treten auf, darunter die indigene Maisey Rika. Alle halten sich an die FACT-Abmachung von Franko Heke.
Viele Besucher empfinden das breite Angebot als magisch
und transformativ
. Am letzten Tag findet es eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der bewussten Festivals
statt, moderiert von Leo Murray. Der DJ ist einer der Co-Autoren des offenen Briefes an Luminate
. Informationshygiene macht mir genauso Sorgen wie das Virus
, sagt er. Veranstalter haben eine Verantwortung, aber ich möchte nicht, dass hier ein Gegeneinander von Fraktionen entsteht.
Auf dem Panel, auf dem es vor allem um Nachhaltigkeit im Sinne der Maorikultur geht, sitzt neben Vertretern von Earth Beat
auch der Direktor von Splore
. Auf diesem dreitägigen Musik- und Kunstfestival mit 8.000 Besuchern hat man die beste Informationshygiene von allen neuseeländischen Sommerfestivals betrieben: Man lud Mikrobiologin Siouxsie Wiles für einen Talk ein. Sie hat aus der Verschwörerszene bereits Morddrohungen erhalten.
Ein Mann schert aus
Der Hauptredner bei NZ Spirit
ist in diesem Jahr der Biologe Bruce Lipton. Der wissenschaftlich umstrittene US-Amerikaner redet über Epigenetik, die seiner Meinung nach unser Denken mehr bestimmt als die DNA unseren Körper. Am Ende der Veranstaltung, als bereits abgebaut werden soll, lässt er sich entgegen der Auflage seiner spirituellen Gastgeber dann doch noch zu einer Aussage über Corona hinreißen.
Da tönt er, dass Covid-19 nicht so tödlich
und kein virulenter Virus
sei und die Zahlen dazu gefälscht
seien. Wer sich impfen lasse, werde Teil eines Experiments
. Lieber solle man das Immunsystem durch Vitaminpräparate stärken. Passt auf euch auf
, sagte er zum Abschied.
Andere passen ebenfalls auf. FACT, der auch Ärzte angehören, will sich als nächstes mit Bruce Lipton beschäftigen. taz, Anke Richter
Der Kampf gegen Corona in Neuseeland
Strenge Quarantäne Die Corona-Pandemie gilt in Neuseeland als weitestgehend überwunden. Am Sonntag wurden dort lediglich noch 19 aktive Fälle gezählt, davon ein einziger neuer in den letzten 48 Stunden. Alle gingen auf Einreisen aus dem Ausland zurück. Diese Personen müssen sich seit mehr als einem Jahr grundsätzlich für 14 Tage in ein Quarantäne-Hotel begeben, bevor sie sich frei bewegen dürfen. Die Kosten müssen die Reisenden übernehmen.
Ausnahme Australien Eine Ausnahme gilt lediglich für Personen aus Australien, wo die Inzidenzwerte ebenfalls sehr gering sind. Australien und Neuseeland bilden also eine Art gemeinsame Reiseblase.
Die Zahlen Seit Ausbruch der weltweiten Pandemie zu Beginn des vergangenen Jahres wurden in Neuseeland nach offiziellen Angaben 2.627 Fälle von Covid-19 verzeichnet. 26 Personen sind verstorben. [taz
Wieler: Abstandhalten und Masketragen weiter wichtig
RKI-Chef Lothar Wieler in der Bundespressekonferenz: Wir haben in den vergangenen Wochen sehr viel erreicht.
Die Infektionszahlen sinken, der Rückgang mache sich jetzt auch in Kliniken bemerkbar. Wir hoffen, dass bald auch die Todesfälle zurückgehen
, sagt Wieler. Man bewege sich derzeit noch auf einem Plateau von 1300 Toten pro Woche.
Neben den Impfungen bleiben laut Wieler die Hygienemaßnahmen wie Abstandhalten und Masketragen weiter wichtig. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Virus wieder Oberhand gewinnt.
Ohne die Maßnahmen würde sich das Virus wieder rasch ausbreiten. Trotz Lockerungen müssten die AHA-Regeln beibehalten werden.
Ich werde meine Maske noch lange tragen
. tgs
Niedersachsen will generelle Maskenpflicht beim Einkauf aufheben
Immer mehr Bundesländer planen angesichts sinkender Infektionszahlen und steigender Impfquoten weitreichende Corona-Lockerungen. In Niedersachsen können die Bürger sogar darauf hoffen, dass sie nach Pfingsten ohne Maske einkaufen gehen dürfen. Die Landesregierung will die Maskenpflicht im Einzelhandel in Regionen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 dann aufheben. Das geht aus dem Entwurf für eine kurzfristige Lockerung der Corona-Regeln hervor. Die Regelung soll schon an diesem Freitag beschlossen werden.
Wie es aus der Regierung in Hannover hieß, folgt man damit der Forderung des Handels, weil dieser nach Experteneinschätzung kein Treiber des Infektionsgeschehens sei. Im landesweiten Durchschnitt betrug die Sieben-Tage-Inzidenz in Niedersachsen am Donnerstag 46,6. In 11 der 45 Landkreise und Großstädte lag sie bereits unter 35, in 26 unter 50. dpa
Weltweit mehr als 165,17 Millionen Coronavirus-Fälle
Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur Reuters haben sich weltweit mehr als 165,17 Millionen Menschen bereits mit dem Corona-Virus infiziert, etwa 3,56 Millionen Infizierte sind bereits an Covid-19 gestorben. Die Infektionen wurden in mehr als 210 Ländern und Territorien gemeldet, seit die ersten Fälle im Dezember 2019 in China identifiziert wurden. ReutersB.1.620: Problematische Coronavirus-Variante gelangte unbemerkt nach Europa
In manchen Ländern wird akribisch nach Mutanten gesucht, in anderen nicht. Das hatte zur Folge, dass sich eine Variante nun unter dem Radar in Europa verbreitete.
Eine neue und möglicherweise problematische Coronavirus-Variante ist weitgehend unbemerkt in Europa aufgetaucht. Vermutlich haben mehrere Reisende das mutierte Virus von Zentralafrika nach Europa gebracht. Laut Analysen des viralen Erbguts ist die Variante inzwischen in mindestens einem Dutzend Länder verbreitet.
Das berichtet jetzt ein Expertenteam um Gytis Dudas vom Gothenburg Global Biodiversity Centre in Schweden in einem Fachbeitrag auf der Plattform medrXiv. Die Studie wurde bislang noch nicht von Fachkollegen begutachtet.
Die Variante mit der Bezeichnung B.1.620 trägt eine Kombination bekannter Mutationen, darunter solche, die die Übertragbarkeit erhöhen. Andere Erbgutveränderungen erleichtern es dem Virus wahrscheinlich, der Immunantwort zu entgehen.
Die Variante wurde erstmals im April in Proben von Sars-CoV-2 aus Litauen entdeckt. Daraufhin machten sich Dudas mit Kolleginnen und Kollegen in Proben aus der ganzen Welt gezielt auf die Suche nach dem Ursprung des mutierten Erregers. Es zeigte sich, dass B.1.620 im Februar plötzlich in europäischen Proben aufgetaucht war. Sie ist nun in Frankreich, Belgien und weiteren Ländern vorhanden. Laut Daten des Robert Koch-Instituts wurde sie in zwei Wochen im April auch in Deutschland gefunden, in der letzten Aprilwoche dagegen nicht. Neuere Daten sind noch nicht veröffentlicht.
Die Forscher fanden die neue Variante auch bei Coronaviren von sechs Personen, die in der Zentralafrikanischen Republik nahe der Grenze zu Kamerun leben. Außerdem tauchte sie bei sieben Infizierten in Europa auf, die kürzlich aus Kamerun zurückgekehrt waren.
Diese Daten deuten darauf hin, dass B.1.620 wahrscheinlich in Zentralafrika entstanden ist und durch Reisende vor Kurzem mehrfach nach Europa eingeschleppt wurde. Die Ergebnisse legen auch nahe, dass die Variante in Zentralafrika weit verbreitet ist, dort aber unentdeckt blieb, weil Virusproben in dem afrikanischen Land nur selten sequenziert werden. Die Studie von Dudas und Team macht deutlich, dass solche regionalen Unterschiede in der Überwachung riskant sind: Sie ermöglichen mutierten Erregern eine unbeobachtete Ausbreitung. Spectrum.de
Sieben-Tage-Inzidenz sinkt auf 68
RKI meldet knapp 12.300 Corona-Neuinfektionen und 237 weitere Todesfälle
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infektionen ist weiter gesunken. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstagmorgen unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden in den vergangenen sieben Tagen bundesweit 68 Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohner nachgewiesen. Am Mittwoch hatte der Inzidenzwert noch bei 72,8 gelegen.
Wie das RKI weiter mitteilte, wurden innerhalb eines Tages 12.298 Neuinfektionen mit dem Coronavirus registriert. Am Mittwoch hatte das RKI 11.040 Neuinfektionen gemeldet. Vor einer Woche waren noch rund 17.419 Neuinfektionen registriert worden.
Am Donnerstag wurden im Tagesvergleich zudem 237 neue Todesfälle nach Infektionen mit dem Coronavirus verzeichnet. Damit liegt die Zahl der Corona-Toten in Deutschland mittlerweile bei mindestens 86.902. Die Gesamtzahl der verzeichneten Corona-Fälle in Deutschland seit Beginn der Pandemie stieg nach Angaben des RKI auf 3.626.393. Die Zahl der von einer Covid-19-Erkrankung Genesenen bezifferte das RKI auf gut 3,3 Millionen. AFP
Sterbe lieber Zuhause
Salma Hayek spricht über Covid-19-Erkrankung
Die Schauspielerin Salma Hayek (54, Frida
) hat in einem Interview mit dem US-Filmblatt Variety
erstmals öffentlich über eine zurückliegende schwere Covid-19-Erkrankung gesprochen. Mein Arzt flehte mich an, in ein Krankenhaus zu gehen, weil es so schlimm war
, erzählt Hayek in dem am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichten Gespräch. Nein, danke. Ich sterbe lieber Zuhause
, habe sie geantwortet.
Die gebürtige Mexikanerin, die mit Ehemann François-Henri Pinault und der gemeinsamen 13-jährigen Tochter Valentina in London lebt, hatte sich voriges Jahr zu Beginn der Pandemie mit dem Coronavirus infiziert. Dem Bericht zufolge verbrachte sie sieben Wochen isoliert in einem Zimmer und musste auch mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden. Noch immer habe sie weniger Energie als früher, erzählt Hayek. dpa
Infektionswelle trotz hoher Impfrate auf den Seychellen
Die Seychellen haben 60 Prozent ihrer Bevölkerung durchgeimpft, trotzdem verzeichnet das Land eine der höchsten Inzidenzen weltweit. Liegt es am Vakzin von Sinopharm?
Es ist erst wenige Wochen her, da öffneten sich die Seychellen wieder für die Welt, ein Jahr war die Inselgruppe im Indischen Ozean vom Tourismus abgeschnitten, hatte sich isoliert von der Welt und den Gästen, die es so dringend braucht, die wichtig sind für den größten Wirtschaftszweig des Landes. Die Regierung aber blieb vorsichtig, trotz der Härten, die das Ausbleiben der Besucher für viele der fast 100 000 Einwohner mit sich brachte.
Der Zeitpunkt schien aber nun günstig zu sein für die Öffnung, Teile der Welt wollen wieder verreisen. Die Seychellen sind das Land mit der am häufigsten geimpften Bevölkerung der Welt, 68 Prozent haben ihre erste Dosis bekommen und fast 60 Prozent die zweite. Es wirkte so, als habe das Land die Pandemie bezwungen.
Doch mittlerweile findet sich die Inselgruppe nicht nur in der Tabelle der am meisten geimpften Menschen an der Spitze wieder, sondern auch in der Aufzählung der Länder mit den meisten Neuinfektionen, etwa 300 sind es pro Tag, was nach nicht viel klingt, aber im Verhältnis zur Bevölkerung selbst Indien bei Weitem übertrifft. Wie kann das passieren, obwohl so viele Menschen geimpft sind?
37 Prozent der Neuinfizierten sollen bereits zwei Mal geimpft sein
Viele Neuinfektionen betrafen offenbar Gebiete, in denen die Menschen bisher keine Impfung erhalten hatten oder nur die erste Dosis. Was aber wohl noch nicht die große Zahl der neuen Fälle erklärt. Hat das Land zu schnell geöffnet? Können andere Länder Rückschlüsse ziehen für ihre angestrebten Lockerungen?
Es gibt einen klaren Trend nach oben
, sagte der Gesundheitsminister Jude Gedeon, wir wissen noch nicht, wie lange er anhält, das wird davon abhängen, welche Maßnahmen ergriffen werden und ob man sie einhält.
Schulen wurden mittlerweile wieder geschlossen, die Öffnungszeiten für Restaurants eingeschränkt und eine Ausgangssperre ab 23 Uhr verhängt. Der Tourismus soll möglichst ungestört weiterlaufen, die Besucher sollen nur einen Anteil von zehn Prozent der Neuinfektionen ausmachen.
Unter den Einheimischen sollen aber 37 Prozent der neuen Erkrankten bereits zwei Mal geimpft worden sein. Das teilte das Gesundheitsministerium am Montag nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg mit, der Minister selbst hatte zuvor von lediglich 20 Prozent berichtet. Liegt es also am Impfstoff?
Der Impfstoff von Sinopharm verhindere schwere Verläufe, betont der Präsident
Die Seychellen beziehen etwa 60 Prozent ihres Impfstoffes aus China, der Rest kommt von Astra Zeneca. An der Wirksamkeit des Vakzins des chinesischen Pharmakonzerns Sinopharm gab es zunächst Zweifel, mittlerweile hat die WHO dem Wirkstoff aber eine Notfallzulassung erteilt. Ein Beraterstab der Weltgesundheitsorganisation gibt die Wirksamkeit mit 79 Prozent an. Unklar ist aber, wie wirksam Sinopharm gegen die südafrikanische Variante des Virus ist. Bei Astra Zeneca wurde in Studien bereits ein geringerer Schutz gegen B.1.351 festgestellt, weshalb der Konzern bis Ende des Jahres eine neue Version seines Vakzins auf den Markt bringen will.
Letztlich bleibt aber unklar, wie weit die südafrikanische Mutante auf den Seychellen überhaupt präsent ist. Sie wurde im Februar zum ersten Mal entdeckt, seitdem gibt es aber keine genauen Daten, wer sich mit welcher Variante infiziert hat. Nach Angaben der Regierung nähern sich die Krankenhäuser zwar der Kapazitätsgrenze, bisher sei aber kein vollständig Geimpfter an den Folgen von Corona gestorben.
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur der Seychellen verteidigte der seychellische Präsident Wavel Ramkalawan die Wirksamkeit von Sinopharm. Der Impfstoff habe insbesondere schwere Verläufe verhindert. Wenn das Vakzin nicht effektiv wäre, wären (geimpfte) Menschen nach einer Infektion gestorben und es hätte viel mehr Krankenhaus-Einweisungen gegeben
, sagte das Staatsoberhaupt. Stattdessen sei zu beobachten, dass 80 Prozent derjenigen, die ins Krankenhaus müssten, nicht geimpft seien. Das spiegelt die Wirksamkeit der Vakzine.
Es seien zwar viele Menschen infiziert, aber eben nicht krank, so Ramkalawan. Daher hätten die beiden Impfstoffe der Bevölkerung einen großen Dienst erwiesen
. © SZ/cvei, von Bernd Dörries, Kapstadt
Die Hälfte der jungen Menschen rechnet mit Corona-Nachteilen
51 Prozent der unter 30-Jährigen rechnen einer Befragung zufolge wegen der Pandemie mit Nachteilen im Berufsleben. Wie die am Mittwoch veröffentlichte Erhebung Generation Corona
der Krankenversicherung pronova BKK ergab, wurde bisher jedem vierten 16- bis 29-Jährigen ein Studienplatz, ein neuer Job oder ein Praktikum durch die Corona-Folgen genommen. Zudem befürchtet die Hälfte der Befragten, dass die während der Pandemie gemachten Abschlüsse nicht so anerkannt werden wie die vorherigen.
Jeder achte Befragte gab an, seinen Arbeitsplatz in den vergangenen zwölf Monaten verloren zu haben und nannte als Grund die Corona-Krise. Unter jungen Eltern berichtete jeder Fünfte von einem Jobverlust. Unter den jungen Menschen im freiwilligen sozialen Jahr, im Praktikum oder in der Wartezeit auf eine Ausbildung oder ein Studium gaben sogar 24 Prozent an, ihre Jobs verloren zu haben. Zudem konnten 33 Prozent der Studierenden ihre Arbeit während oder nach dem Studium nicht antreten.
Auch Orientierungsmöglichkeiten fielen den Angaben zufolge für viele junge Menschen weg: 14 Prozent der Befragten und 25 Prozent der Studierenden mussten vor der Pandemie geplante Auslandsaufenthalte aufgeben. 55 Prozent der Schülerinnen und Schüler bemängelten, dass ihnen durch den Wegfall von Praktika und Schnupperangeboten die Möglichkeit genommen worden sei, sich vor einer Berufswahl zu orientieren.
Für die Erhebung wurden den Angaben zufolge 1.000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 29 Jahren im März und April 2021 online befragt. epd
Mehrheit der Deutschen für Aufhebung der Impfpriorisierung
Fast zwei Drittel der Deutschen findet die ab Anfang Juni geplante Aufhebung der Corona-Impfpriorisierung einer Umfrage zufolge gut. 65 Prozent der Befragten befürworten den Schritt, 18 Prozent lehnen ihn ab, wie am Mittwoch aus einer Mitteilung des Meinungsforschungsinstitut YouGov hervorging. Die weiteren Befragten machten keine Angabe. Besonders unter jungen Erwachsenen sei die Zahl der Befürworter groß, teilte YouGov mit.
Ab 7. Juni soll es in Deutschland keine Priorisierungsgruppen für die Corona-Impfungen mehr geben, unabhängig von der Art des Impfstoffs. In einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern soll das schon früher gelten.
Bisher wurden in Deutschland in Impfzentren und Praxen 41,5 Millionen Corona-Impfdosen verabreicht. Mindestens eine Erstimpfung haben laut aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instiuts vom Mittwoch (Stand 10:45 Uhr) mehr als 38 Prozent der Menschen in Deutschland erhalten. Vollständig geimpft sind 11,9 Prozent. dpa
Virologin Ciesek - Die Pandemie wird erst beendet sein, wenn sie weltweit beendet wird
Die indische Variante des Coronavirus kann nach Einschätzung der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek die Wirkung der Impfung schwächen, ihren Schutz aber nicht ausschalten. Die inzwischen schon in Dutzenden Ländern kursierende Mutante B.1.617 hatte in Deutschland zuletzt einen Anteil von weniger als 2 Prozent, allerdings mit steigender Tendenz.
Die Varianten aus Indien haben einen leichten Immun-Escape, also eine leicht verminderte Wirksamkeit
, sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Dienstag im NDR-Podcast Das Coronavirus-Update
. Was man beobachte, sei eine leichte Einschränkung, aber kein vollständiges Versagen der Impfungen
.
Berichte aus Großbritannien, wonach sich Altenheimbewohner trotz vollständiger Impfung mit dieser Variante neu angesteckt haben, beunruhigen Ciesek nicht allzu sehr: Kein Impfschutz wirke vollständig, gerade bei Älteren mit schlechterem Immunsystem. Reinfektionen seien nicht verwunderlich. Das Wichtige ist, dass diese Menschen nicht schwer erkranken.
Wie es global weitergehe, wenn mit sinkenden Inzidenzen der weltweite Tourismus zurückkehre, bleibe abzuwarten, sagte Ciesek. Wir sehen ja gerade in Indien und auch in anderen Ländern wie Brasilien, dass dort neue Varianten entstehen, die dann wieder mit nach Deutschland gebracht werden und hier auch wieder zu einer Gefährdung führen können.
Auch wenn sich die Lage in Deutschland und Europa entspanne, dürfe man darüber den Rest der Welt nicht vergessen, mahnte Ciesek. Wir sitzen nicht in einer Glaskugel, sondern sind eine Welt. Deswegen wird die Pandemie auch erst beendet sein, wenn sie weltweit beendet wird.
Die reichen Länder hätten auch eine Verantwortung, aber viele denken nur in ihrem Radius
. Sie wünsche sich, dass die Welt nach dem Ende der Pandemie wirklich versucht, daraus zu lernen und zwar nicht nur vor Ort, sondern auch weltweit
. dpa
Pandemie:
Impfstoff als Gretchenfrage auf dem Balkan
In Südosteuropa gilt die Entscheidung für einen Impfstoff auch als geopolitische Frage. Dass Österreich nun Sputnik V bestellen will, erstaunt viele.
Als wäre man wieder im Kalten Krieg: Auf dem Balkan wurde die Pandemie von Beginn an als geopolitischer Wettkampf gesehen. Die prowestlich orientierten Staaten bettelten in Brüssel um Hilfe und wollten demonstrieren, dass sie chinesische oder russische Hilfsgüter ablehnten, um Loyalität zu zeigen. Die ideologische Front verläuft nun zwischen Pfizer und Astra Zeneca einerseits und Sputnik V und Sinopharm andererseits.
In Serbien und im prorussisch dominierten bosnischen Landesteil Republika Srpska nimmt man nicht nur von allen Seiten, sondern lässt sich auch von Moskau oder Peking für die Propaganda einspannen. So ließen sich die serbischen Politiker Aleksandar Vulin und Ivica Dačić öffentlichkeitswirksam mit Sputnik V immunisieren. Vulin meinte: Da ich fest davon überzeugt bin, dass die Erde rund ist, glaube ich, dass der Impfstoff gut ist. Ich wollte einen russischen Impfstoff bekommen, weil ich an die russische Medizin glaube.
Andernorts auf dem Balkan gilt das als No-Go. Was die russischen und chinesischen Impfstoffe betrifft
, so meinte etwa der albanische Premierminister Edi Rama kürzlich, so habe er keine Vorurteile, dennoch besteht aber unsere Lösung darin, auf der westlichen Seite nach Impfstoffen zu suchen, nicht auf der östlichen
.
Signalwirkung aus Wien
Umso erstaunter ist man mancherorts, dass gerade Österreich nun Sputnik V beschaffen will – denn dies gilt in Südosteuropa als geopolitisches Signal. In Kroatien wird von Medien moniert, dass Wien von der gemeinsamen EU-weiten Impfbeschaffungsstrategie abweicht. Die kroatische Arzneimittelbehörde verwies darauf, dass Ungarn, das als erster EU-Staat ausscherte und Sputnik V verimpft, nur eine Notfallzulassung durchführte, man prinzipiell keine regulären Verfahren überspringen könne und normalerweise viel mehr Daten erforderlich seien. Damit der Impfstoff für Kroatien und andere EU-Mitglieder zugelassen werden kann, sollte bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur ein zentrales Zulassungsverfahren eingeleitet werden
, so die Behörde in Zagreb.
In Bosnien-Herzegowina zögerte der westlich ausgerichtete Landesteil Föderation lange, Sputnik V zu bestellen. Doch weil die ersehnten Vakzine aus dem Westen nicht und nicht ankamen und die Infektionszahlen und Sterberaten mittlerweile so hoch sind wie noch nie, nimmt man mittlerweile alles, was man bekommen kann.
Das Nachrichtenportal llix.ba verwies anlässlich der österreichischen Entscheidung, auch Sputnik V zu verimpfen, darauf, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) sich aber bei der Zulassung von Impfstoffen eher an gesundheitlichen als an geopolitischen Faktoren
orientiere.
Was wird Brüssel sagen?
In Serbien fragte die Tageszeitung Kurir anlässlich der österreichischen Entscheidung für Sputnik V keck: Und was wird Brüssel sagen?
, so als habe man die EU-Kommission verraten, weil man in Wien den Ost-Stoff verspritzt.
In Bulgarien, wo erst sieben Prozent der Bevölkerung eine Covid-19-Impfung bekommen haben – das Land ist damit EU-Schlusslicht –, freut man sich über das zusätzliche Angebot, 1,2 Millionen Dosen über die EU zu beziehen. Doch es wird auch kritisiert, dass die Regierung nicht von Beginn an alle Kontingente ausschöpfte und sich auf die billigeren Impfstoffe konzentrierte. Dennoch: Sputnik V will man erst verimpfen, wenn die die EMA grünes Licht gibt. Denn in Bulgarien haben die prorussischen oppositionellen Sozialisten vorgeschlagen, das russische Vakzin zur Verfügung zu stellen – und allein das war schon Grund genug für die Regierung, dies zu verhindern. Aber es gibt auch andere Stimmen. Kürzlich sagte etwa die Ärztin Gergana Nikolova recht trocken: Der beste Impfstoff ist immer noch der, der verimpft wird.
Andere Balkanstaaten, die sich viel zu sehr auf das WHO-System Covax und Hilfe aus Brüssel verließen, haben umgeschwenkt. Auch in Nordmazedonien und in Montenegro kommt Impfstoff aus Russland zum Einsatz. Nur in Rumänien kommen, auch aus historischen und geopolitischen Gründen, chinesische oder russische Vakzine nicht infrage. Premier Florin Cîțu schloss das explizit aus. In Bukarest kann man allerdings auf eine erfolgreiche Impfstrategie verweisen. DerStandard, Adelheid Wölfl
Indien meldet weltweit höchste Zahl Corona-Toter an einem Tag
Indien hat mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Corona an einem Tag gemeldet als je ein anderes Land während der Pandemie. In den vergangenen 24 Stunden wurden 4529 Menschen registriert, die in dem Land an oder mit Corona gestorben sind, wie Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums am Mittwoch zeigen. Nach Daten der Johns Hopkins Universität im US-amerikanischen Baltimore hat bislang kein Land so viele Corona-Todesfälle an einem Tag registriert. Demnach hielten die USA mit 4475 Fällen am 12. Januar 2021 den bisherigen Rekord.
Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die tatsächlichen Todeszahlen in Indien noch deutlich höher sein dürften. Zurzeit breitet sich die Pandemie zunehmend auf dem Land aus, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt, aber die Gesundheitsversorgung schlecht ist und es deutliche weniger Corona-Testmöglichkeiten gibt. Viele Menschen sterben zu Hause. dpa
Biontech: Weitere Genehmigung für Impfstoff-Produktion in Marburg
Das Regierungspräsidium Gießen hat dem Mainzer Unternehmen Biontech eine weitere Genehmigung für die Produktion des Corona-Impfstoffes im mittelhessischen Marburg erteilt. Man habe den geplanten Anpassungen der Produktionskapazität in dem dortigen Werk zugestimmt, teilte die Behörde am Dienstag mit. Dies sei für das Unternehmen ein wichtiger Schritt, um die geplante Jahreskapazität von bis zu einer Milliarde Impfstoffdosen am Standort Marburg planmäßig zu produzieren
.
Das Regierungspräsidium hatte bereits Mitte Januar den Umbau einer bestehenden Produktionsanlage für die zusätzliche Herstellung von Covid-19-Impfstoff genehmigt, wie die Behörde erläuterte. Nun habe man auch nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz grünes Licht gegeben.
Die Firma Biontech – die mit dem US-Konzern Pfizer zusammenarbeitet – stellt seit wenigen Monaten Corona-Impfstoff in Marburg her. Das Werk hatten die Mainzer zuvor vom Pharmakonzern Novartis übernommen. Geplant ist, in Mittelhessen noch in diesem Halbjahr bis zu 250 Millionen Dosen des Impfstoffs zu produzieren. Mit vollständigem Betrieb können dort nach Unternehmensangaben jährlich bis zu einer Milliarde Dosen hergestellt werden. dpa
Indische Corona-Varinate bei Hochhaus-Bewohnerin in NRW nachgewiesen
Im nordrhein-westfälischen Velbert bei Düsseldorf ist die als besonders ansteckend geltende indische Coronavirus-Variante bei der Bewohnerin eines Hochhausblocks nachgewiesen worden. Das teilt der Gesundheitsdezernent im Kreis Mettmann, Marcus Kowalczyk, vor Ort mit. Die Frau sei zunächst positiv auf Covid-19 getestet worden, eine routinemäßige Nachtestung habe eine Woche darauf eine Infektion mit der Virus-Mutation ergeben.
Zwei Hochhäuser mit Dutzenden Bewohnern wurden unter Quarantäne gestellt. Tests bei 19 Personen aus vier Familien seien bereits positiv ausgefallen, wobei aber noch nicht klar sei, ob es sich auch hier um die indische Mutation handle. Das werde noch überprüft. Sollten darüber hinaus weitere Krankheitsfälle auftreten, würden auch diese auf die Variante getestet, was dann leider wieder fünf bis sieben Tage dauert
, sagt Kowalczyk. Reuters
Bevölkerung auf dem Land unvorsichtiger?
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow weist auf ein Stadt-Land-Gefälle bei den Corona-Infektionszahlen hin. Es sei in Thüringen offensichtlich so, dass sich die Menschen auf dem Land unvorsichtiger verhielten, sagt der Linken-Politiker im ZDF. Die Infektionszahlen in den Städten seien niedriger, weil die Menschen dort stärker die Abstands- und Hygiene-Regeln beachteten. Reuters
NRW-Justizminister fordert härtere Strafen für Impfpass-Fälscher
Der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach fordert härtere Strafen für Impfpass-Fälscher. Die bestehende Regelung, die für das Fälschen von Gesundheitszeugnissen niedrigere Strafrahmen vorsieht als für die normale Urkundenfälschung, wird der hohen kriminellen Energie, die dahintersteckt, nicht gerecht
, sagte der CDU-Politiker dem Kölner Stadt-Anzeiger
. Beim Justizministertreffen im Juni wolle er vorschlagen, dass der Bund einen geänderten Gesetzentwurf erarbeitet.
Während normalen Urkundenfälschern dem Bericht zufolge eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren droht, verhält es sich bei fingierten Impf- oder Gesundheitsdokumenten anders. Bei Ärzten, die falsche Atteste ausstellen, liegt das Maximum demnach bei zwei Jahren. Bei Privatanbietern sehe das Strafgesetzbuch maximal ein Jahr Gefängnis vor.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Täter mit dem Fälschen dieser Dokumente und damit der Umgehung der Infektionsschutzmaßnahmen die Gefährdung der Gesundheit einer unbestimmten Anzahl von Menschen in Kauf nehmen.
Peter Biesenbach, Justizminister in NRW
dpa
Unicef fordert G7-Staaten zu Impfstoff-Spenden auf
Die Direktorin des Kinderhilfswerks Unicef, Henrietta Fore, fordert die G7-Länder auf, das weltweite Covax-Impfprogramm der Vereinten Nationen (UN) mit der Spende von überschüssigen Corona-Impfstoffen zu unterschützen. Die UN-Organisation Unicef, die für das Covax-Programm zuständig ist, schätzt die Versorgungslücke infolge des des Exportstopps Indiens auf 140 Millionen Dosen bis Ende Mai und etwa 190 Millionen bis Ende Juni. Indien hat die Lieferung der zugesagten Einheiten ausgesetzt, um den vom Serum-Institut hergestellten AstraZeneca-Impfstoff im eigenen Land im Kampf gegen eine massive zweite Infektionswelle einzusetzen. Reuters
Mehr als 3,5 Millionen weltweit
Weltweit sind inzwischen mehr als 162,71 Millionen Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Über 3,5 Millionen Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Das ergibt eine Reuters-Zählung auf Basis offizieller Daten. Reuters
Großbritannien und Portugal lockern ihre Corona-Beschränkungen
Großbritannien und Portugal lockern am Montag ihre Corona-Restriktionen. In den meisten Teilen Großbritanniens dürfen sich die Menschen in geschlossenen Räumen wieder in Gruppen von bis zu sechs Menschen oder zwei Haushalten treffen. Restaurants und Pubs dürfen ihre Innenräume wieder öffnen, Museen, Kinos und Sportstätten ihren Betrieb aufnehmen. Die Lockerungen treten in Kraft, obwohl im Vereinigten Königreich Sorgen wegen der Ausbreitung der besonders ansteckenden Coronavirus-Variante aus Indien bestehen.
Portugal wiederum lockert seine Einreisebestimmungen für Reisende aus den meisten EU-Staaten. Menschen aus EU-Ländern, in denen die Corona-Infektionsrate bei unter 500 Fällen pro 100.000 Einwohnern im Zeitraum von 14 Tagen liegt, dürfen auch zu nicht notwendigen
Zwecken wieder einreisen. Für Einreisende gilt allerdings eine strikte Testpflicht. AFP
Trotz Corona: Disco-Test mit 2.000 Menschen in Italien geplant
In Italien werden erstmals seit Oktober weniger als 100 neue Todesfälle an einem Tag verzeichnet. Die Zahl liegt bei 93 und die der Neuinfektionen bei 5753, ebenfalls ein Rückgang.
Das Land steht vor Lockerungen. Tanzen in der Disco soll trotz Corona wieder möglich werden: Der Verband der Disco-Betreiber startet zwei Versuche mit Großevents für Getestete und Geimpfte, um den Gesundheitsschutz bei den Veranstaltungen zu erproben. Das berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag.
Am 5. Juni soll ein Experiment in der süditalienischen Hafenstadt Gallipoli starten, wo 2000 Menschen unter freiem Himmel in der Disco Praja
feiern dürfen. Ein anderer Test sei in geschlossenen Räumen des Clubs Fabric
in Mailand geplant. Dafür wurde kein Datum genannt.
Wir arbeiten an den Gesundheitsvorschriften für die Wiedereröffnung von covid-freien Discos.
Verbandschef Maurizio Pasca
Wie der Verband der Unterhaltungsbetriebe Silb-Fipe weiter erläuterte, haben in Gallipoli in Apulien nur Tanzwütige Zutritt, die einen frischen Corona-Test oder ihren Impfpass vorzeigen können. Drinnen seien keine Sicherheitsabstände vorgeschrieben, aber die Gäste müssten Schutzmasken tragen. Beim Verlassen des Clubs würden erneut Corona-Tests vorgenommen.
Verbandschef Maurizio Pasca verwies auf Erfahrungen in Spanien, Holland und Großbritannien. Wir arbeiten an den Gesundheitsvorschriften für die Wiedereröffnung von covid-freien Discos
, sagte er. Ausgelassene Tanzpartys, besonders in den Strandorten, gehören für junge Italiener zum Sommerleben dazu.
Italien befindet sich bei sinkenden Corona-Zahlen auf einem schrittweisen Lockerungskurs. Es wurde erwartet, dass die Außen-Discos Mitte Juni wieder öffnen dürfen. Bisher gilt allerdings im ganzen Mittelmeerland ein nächtliches Ausgangsverbot, das um 22 Uhr startet. Für Montag waren Expertengespräche in Rom mit der Regierung geplant, bei denen es auch um eine Verschiebung der Sperrstunde – womöglich auf 23 Uhr – gehen sollte. dpa
Neuer Höchststand bei Corona-Toten in Indien
Trotz einer leicht sinkender Zahl von neuen Corona-Infektionen ist die zweite Coronawelle in Indien noch nicht gebrochen. Mit 4.077 Corona-Toten innerhalb von 24 Stunden verzeichneten Statistiker am Sonntag laut indischen Medienberichten einen neuen Höchststand. Insgesamt seien seit Beginn der Pandemie mehr als 270.000 Inder an den Folgen der Viruserkrankung gestorben. Neu Delhi und andere besonders hart betroffene Städte hätten die Lockdown-Maßnahmen bis Ende Mai verlängert.
Während die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen in den Städten den Angaben zufolge leicht rückläufig ist, steigt sie in den Vorstädten und ländlichen Gebieten. Dieser Trend sei auch schon in der ersten Coronawelle beobachtet worden, betonten Experten gegenüber der Times of India
. Unterdessen starteten Behörden eine Kampagne gegen Fluss-Beisetzungen von Corona-Toten. Die indische Regierung bestätigte Medienberichte über Hunderte im Ganges treibender Leichen.
Die zweite Coronawelle in Indien begann im Februar. Sie setzt Krankenhäuser und medizinisches Personal massiv unter Druck. Ursachen für die Ausbreitung des Virus sind nach Ansicht von Fachleuten die besonders ansteckende Mutante B.1.617 sowie Massenkundgebungen in fünf Bundesstaaten, in denen Wahlen bevorstehen. Im April pilgerten zudem schätzungsweise 30 Millionen Hindus zum Kumbh-Mela-Fest in den Norden des Landes, um ein rituelles Bad in dem den Hindus heiligen Fluss Ganges zu nehmen.
Als weltgrößter Produzent von Impfstoffen hat Indien bislang 40,4 Millionen oder 2,9 Prozent seiner 1,3 Milliarden Einwohner vollständig gegen Corona geimpft. Gesundheitsminister Harsh Vardhan kündigte unlängst 516 Millionen weiterer Impfstoffdosen bis Juli an. Seit Beginn der Pandemie infizierten sich knapp 25 Millionen Inder mit Corona. KNA
Verdacht auf Blockade
Britische Regierung verweigert Auskunft über Impfstoffexporte
Großbritannien ist der größte Importeur von Impfstoffen aus der EU – doch exportieren die Briten auch selbst Vakzinen, etwa von AstraZeneca? Die Regierung in London mag dazu nichts sagen. Das seien sensible Informationen
.
Großbritannien verweigert eine Auskunft über die Exporte von Coronaimpfstoff in andere Länder – unter anderem mit dem Verweis auf kommerzielle Interessen der beteiligten Pharmaunternehmen. In einer Antwort der konservativen Regierung von Premierminister Boris Johnson auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur dpa heißt es, die Daten über solche Ausfuhren lägen zwar vor. Aus Rücksicht auf kommerzielle Interessen und Fragen der nationalen Sicherheit könne jedoch keine Auskunft erteilt werden.
Die angeforderten Informationen enthalten kommerziell sensible Informationen und wir gehen davon aus, dass die Veröffentlichung dieser Informationen die kommerziellen Interessen der betroffenen Unternehmen beeinträchtigten würde
, heißt es in dem Schreiben des Wirtschaftsministeriums. Die Regierung verwies zudem auf Sicherheitsbedenken. Impfstoffe sind ein wertvolles Gut mit einer sehr hohen Nachfrage weltweit; daher ist es aus Sicherheitsgründen nicht möglich, im Detail Auskunft zu geben über die Zahl der ausgeführten Impfdosen und die Länder, in die sie gingen.
EU hat 200 Millionen Impfdosen exportiert – und London?
Die EU hatte Großbritannien vorgeworfen, Impfstoffexporte zu blockieren, und führte unter anderem deswegen einen eigenen Exportkontrollmechanismus ein. Auslöser war eine drastische Reduzierung der versprochenen Liefermenge an die EU durch den britisch-schwedischen Hersteller AstraZeneca. Großbritannien war von dem Engpass jedoch kaum betroffen. Gegen das Unternehmen hat die EU inzwischen mehrere rechtliche Verfahren eingeleitet.
London wies den Vorwurf zurück und bezichtigte die EU, ihrerseits Impfnationalismus zu betreiben. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurden bis Anfang Mai 200 Millionen Impfstoffdosen aus der EU exportiert. Zahlen von März zufolge war Großbritannien weltweit der größte Importeur von Impfstoffen aus der EU. Ob und wie viele in die andere Richtung gingen, ist nicht genau bekannt. Nach Angaben aus Brüssel war es so gut wie nichts.
Die EU-Kommission führt unterdessen nun offiziell ein zweites Gerichtsverfahren gegen AstraZeneca. Nach dem bereits laufenden Eilverfahren gehe es in einem Hauptsacheverfahren ab 24. September um die genaue rechtliche Prüfung von Vertragspflichten und möglicher Verstöße, teilte ein Kommissionssprecher mit.
Zweck beider Verfahren sei jedoch derselbe: Die EU wolle bei AstraZeneca die Lieferung der vertraglich zugesagten Impfstoffdosen durchsetzen. Konkret gehe es zunächst um 90 Millionen Dosen Coronaimpfstoff: Das Unternehmen habe im ersten Quartal an die EU 30 Millionen Impfdosen geliefert statt der zugesicherten 120 Millionen. Letztlich seien Zwangsgelder denkbar, sagte der Sprecher. Spiegel, beb/dpa
Das Tschernobyl des 21. Jahrhunderts
Experten sind überzeugt Corona-Pandemie hätte verhindert werden können. Das von der WHO eingesetzte Gremium hat seinen Bericht vorgelegt. Ignoranz, Zögerlichkeit und Wissenschaftsleugnung haben demnach die Pandemie herbeigeführt.
Die weltweite Verbreitung des Coronavirus mit ihren schrecklichen Auswirkungen hätte nach Ansicht unabhängiger Experten vermieden werden können. Dafür aber hätten die Warnsignale sofort beachtet, die WHO früher Alarm schlagen und die einzelnen Länder konsequenter reagieren müssen, heißt es in einem am Mittwoch in Genf vorgelegten Bericht eines internationalen Expertengremiums.
Die Situation, in der wir uns heute befinden, hätte verhindert werden können
, konstatierten die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingesetzten Experten. Ein toxischer Cocktail
aus Zaudern, fehlender Vorbereitung sowie schlechter Reaktion auf die Krise sei für das dramatische Ausmaß verantwortlich, erklärte die Ko-Präsidentin des Gremiums, Ellen Johnson Sirleaf. Nur so habe sich die jetzige katastrophale humanitäre Krise
entwickeln können, die von den Experten als Tschernobyl des 21. Jahrhunderts
bezeichnet wird.
An den Folgen einer Corona-Infektion starben weltweit inzwischen mindestens 3,3 Millionen Menschen. Staatliche Institutionen hätten vielerorts versagt in der Aufgabe, Menschen zu schützen
, heißt es in dem Bericht. Zudem hätten Erkenntnisse der Wissenschaft leugnende Staats- und Regierungsschefs beziehungsweise andere Verantwortliche das Vertrauen in die nötigen Maßnahmen zersetzt.
Schlechte strategische Entscheidungen, fehlender Wille zur Bekämpfung von Ungleichheiten und ein unkoordiniertes System schufen einen toxischen Cocktail, der es der Pandemie erlaubte, sich in eine katastrophale humanitäre Krise zu entwickeln
, erklärte die ehemalige liberianische Präsidentin Sirleaf, die gemeinsam mit der früheren neuseeländischen Premierministerin Helen Clark das Gremium leitet. Es gab eine Spirale von Versagen, Lücken und Verzögerungen bei der Vorbereitung und der Reaktion.
Die Forderungen Experten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie:
- Länder mit genügend Impfstoff sollen bis September zusammen eine Milliarde Impfdosen für 92 ärmere Länder zur Verfügung stellen.
- Pharmafirmen sollen freiwillig mehr Lizenzen zur Impfstoffherstellung vergeben. Wenn die Produktion damit in den nächsten drei Monaten nicht angekurbelt wird, soll unmittelbar eine Aufhebung der Patente in Kraft treten.
- Die reichsten Länder (G7) sollen sofort 60 Prozent der fehlenden 19 Milliarden Dollar für das Programm ACT Accelerator bereitstellen, das die Erforschung und globale Verteilung von Impfstoffen, Medikamenten und Tests organisieren soll.
China hatte Ende Dezember 2019 über die Häufung einer unbekannten Lungenkrankheit in Wuhan berichtet. Die WHO erklärte erst am 30. Januar eine Notlage von internationaler Tragweite
, die höchstmögliche Alarmstufe. Das verpflichtet Länder, Vorkehrungen zu treffen.
Die WHO sprach aber erst am 11. März von einer Pandemie. Das hat nach den WHO-Gesundheitsvorschriften anders als die Erklärung der Notlage
zwar eigentlich keine Konsequenzen. Im Rückblick war das aber erst der psychologisch notwendige Schub, um Regierungen richtig in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Gremium aus 13 Experten nach Kritik an WHO eingesetzt
Das Gremium aus 13 Experten war nach heftiger Kritik an der WHO von dieser ins Leben gerufen worden. Es untersuchte acht Monate lang die Ausbreitung des Coronavirus und die von der WHO und den einzelnen Staaten ergriffenen Maßnahmen.
Die WHO war oft kritisiert worden, vor allem zu Beginn zu langsam reagiert zu haben. Auch die Experten kamen nun zu dem Schluss, dass die WHO den weltweiten Gesundheitsnotstand früher als am 30. Januar 2020 hätte ausrufen müssen.
Allerdings betonte die Ko-Vorsitzende Clark, dass dies wahrscheinlich nicht viel geändert hätte. Ohnehin hätten viele Länder erst reagiert, nachdem die WHO im März 2020 die Epidemie zur weltweiten Pandemie erklärt habe.
Es habe also unmittelbar nach dem erstmaligen Auftreten des neuartigen Coronavirus Ende 2019 in Wuhan ganz klar Verzögerungen in China
gegeben, konstatiert Clark. Aber letztlich gab es überall Verzögerungen.
Ohne all diese Verzögerungen würden wir jetzt nicht diese Ausmaße haben
.
Eine Milliarde Impfdosen an ärmsten Staaten der Welt spenden
Das Expertengremium zog allerdings nicht nur Bilanz, sondern richtete das Augenmerk auch in die Zukunft: Um das Virus weltweit einzudämmen, müssten die reichen Länder, in denen die Impfkampagne schon weit fortgeschritten sei, bis zum 1. September mindestens eine Milliarde Impfdosen an die ärmsten Staaten der Welt spenden. Mehr als zwei Milliarden weitere Dosen sollten bis Mitte 2022 zur Verfügung gestellt werden, forderten sie.
Außerdem unterbreitete die Gruppe in ihrem Abschlussbericht mehrere Vorschläge, wie die Bildung eine Globalen Gesundheitsrates, um zukünftig gegen neue Krankheiten besser gewappnet zu sein. Das jetzige System ist gescheitert und schützte uns nicht vor der Covid-19-Pandemie
, sagte die zweite Ko-Vorsitzende, Ellen Johnson Sirleaf.
Konkret schlägt die 13-köpfige Gruppe vor, dass die Weltgesundheitsorganisation und die Welthandelsorganisation die großen Herstellerländer von Impfstoffen und die Firmen zusammenbringen. Die Kontrahenten sollen innerhalb von drei Monaten freiwillige Lizenzvergaben und den nötigen Technologietransfer beschließen. Falls keine Einigung zustande komme, sollte die vieldiskutierte Aussetzung der Patenrechte auf Produkte gegen Covid-19 in Kraft treten.
Kommission fordert internationales Rahmenabkommen zum Pandemieschutz
Im Oktober hatten Südafrika und Indien bei der WTO beantragt, geistige Eigentumsrechte und Patente auf Impfstoffe, Medikamente, Diagnostika und medizinische Ausrüstung gegen Covid-19 vorübergehend aufzuheben, um die Produktion in armen Ländern zu vergrößern. Inzwischen unterstützen viele Entwicklungsländer, die USA und Hilfsorganisationen die Initiative. Die Pharmaindustrie und große Pharmaländer wie Deutschland lehnen das Ansinnen jedoch ab.
Nach Auffassung der Experten Vakzin-Produzenten freiwillig ihr Wissen weitergeben und beim Aufbau von Produktionskapazitäten helfen. Wenn es da innerhalb von drei Monaten keinen Fortschritt gibt, sollte es eine Aussetzung des Patentschutzes geben
, heißt es in dem Bericht.
Überdies unterstützt die Kommission die Forderung nach einem internationalen Rahmenabkommen zum Pandemieschutz, eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der WHO sowie einen ständigen Fonds, aus dem Gelder für den Kampf gegen neue Pandemien fließen sollen. AFP, epd, dpa, Nina Larson
Unerträglich nah
Die Sozialpsychologin Pia Lamberty klärt auf über Verschwörungsmythen. Und bezahlt dafür in der Pandemie einen hohen Preis. Ein Treffen in einem Versteck.
Als die Alles dicht machen
-Videos erschienen, in denen dutzende Schauspieler ironische Apelle an unsere erhabene Regierung
stellten, um die angeblich unsinnige Willkür der Pandemiemaßnahmen zu kritisieren, dachte sich Pia Lamberty schon, dass da wieder einiges kommen wird. Und die Mails kamen. Und Tweets. Und Facebook-Nachrichten. Und Instagram-Kommentare. Der ganze Hass.
Pia Lamberty, Du Miststück, wir kriegen Dich bald, dann gnade Dir Gott!
So steht das dann da. Worte wie Säure, die sich durch die psychischen Schutzmechanismen ätzt, die man braucht, wenn man, wie Lamberty, im Jahr 2021 zu Verschwörungserzählungen forscht, auf Antisemitismus hinweist und eine Frau ist - und auch noch öffentlich in Fernsehinterviews auftaucht. Die Sozialpsychologin beschäftigt sich seit ihrem Studium mit Geheimniswitterern
, wie sie es einmal formuliert hat, mit den Auswirkungen des Verschwörungsglaubens auf die Gesellschaft. Das ist die theoretische Seite. Die praktische hat damit zu tun, dass man im Digitalzeitalter sehr viele Menschen mit nur einem Klick erreichen kann, zack, schon hat man ihnen etwas in den Posteingang gegrunzt. Sie sind so weit weg und zugleich so nah, seit alles online passiert. Je nach Perspektive.
Nach Alles dicht machen
sei es wieder besonders schlimm geworden, sagt Lamberty, während sie sich eine Zigarette dreht, auf einem Tisch in ihrem altmodischen Haus im Osten Deutschlands. Nach eskalierenden Demos der Querdenker
, oder wenn Prominente Verschwörungsideen wiederkäuten, steige die Zahl der Hassnachrichten, die bei ihr einlaufen, der Ton werde dann selbstbewusster, aggressiver. Immer, wenn die sich auf Demos Raum verschaffen konnten, wenn sie das Gefühl hatten, die Polizei ist auf ihrer Seite, wenn die Gesellschaft sich nicht positioniert hat, dann kriege ich das ab.
Und nicht nur sie. Es gebe ja noch viele andere, die nicht so eine große Reichweite haben, zu denen keine Süddeutsche Zeitung fährt, um nachzufragen, wie es ihnen mit den permanenten Anfeindungen geht. Sie kenne junge Wissenschaftlerinnen, die sich nicht mehr trauten, sich öffentlich zu ihrem Thema zu äußern. Das verändert den Diskurs.
Sie überprüft regelmäßig, ob die Tür abgesperrt ist und die Fenster im Keller verschlossen sind
Diskurs. Auch so ein Elitenwort. Im Weltbild von Verschwörungsgläubigen steht Pia Lamberty als zentrale Figur in einem Netzwerk von Manipulatoren, die Corona angeblich benutzen, um die Macht einer kleinen Elite auszubauen. Einer ihrer wissenschaftlichen Aufsätze wurde, ohne, dass sie davon erfuhr, vom Weltwirtschaftsforum republiziert, man findet ihn auf dessen englischsprachiger Website unter der Rubrik Agenda
. Darauf haben sie sich in den entsprechenden Kreisen natürlich gestürzt, dabei bedeutet agenda auf Englisch soviel wie Themenkatalog. In Youtube-Videos wird der Sozialpsychologin unterstellt, dass sie mit staatlicher oder metastaatlicher Unterstützung
angeblich psychologische Kriegsführung
betreibe und Andersdenkende diffamiert
. Warum Lamberty über Sachen spreche, von denen sie gar keine Ahnung, fragt einer der Youtuber. Was erdreistet die sich?
Der Klassiker, sagt Lamberty. Ihren männlichen Kollegen werde unterstellt, sie seien das pure Böse. Sie hingegen, als Frau, bekomme gesagt, sie sei einfach nur ahnungslos. Vielleicht selbst ein Opfer. Auf jeden Fall hässlich. Rote Haare wie die rote Gesinnung
, schrieb Atilla Hildmann an seine Tausenden Abonnenten auf Telegram. Er fügte auch ihre Mail-Adresse an. Könnt ihr ja mal schreiben
, um zu fragen, wieviel Geld sie von Soros bekommt
, schlug er vor. In Großbuchstaben.
Sie zeigte ihn an, über eine der Beratungsstellen für Opfer von Hassrede. Was daraufhin passierte oder vielmehr nicht passierte, erfuhr sie aus den Medien. Inzwischen soll Hildmann in die Türkei geflohen sein, nachdem er beinahe ein Jahr lang zum WIDERSTAND!
und zu Gewalt aufgerufen hatte. Lamberty schüttelt den Kopf, zündet sich die Selbstgedrehte an. Blickt aus dem Fenster, aus dem der Reporter gern guckt, aber nicht fotografieren darf. Was, wenn jemand etwas auf dem Foto wiedererkennt? Sie gehe nur noch mit Maske mit dem Hund raus, sagt sie. Nicht wegen der Viren, sondern wegen der Leute, die ihr schreiben, dass sie bald dran
sei. Sie schreddert ihren Büromüll. Überprüft regelmäßig, ob die Tür abgesperrt ist, die Fenster im Keller verschlossen sind.
Das Irritierende am Onlinehass sei, dass er in der analogen Wirklichkeit unsichtbar ist - so lange, bis es zu spät ist. Auch Walter Lübcke habe solche Drohungen erhalten. Man muss immer gegenchecken: Wie real ist die Bedrohung gerade? Man weiß es nicht. Es reicht eine Person, die meint, sie müsse zur Tat schreiten.
Es gebe Tage, da könne sie gut damit umgehen. Aber die anderen Tage gebe es auch.
Dieses komische Gefühl, dass der Hass ihr Begleiter geworden ist, für immer
Lamberty hat im Sommer geheiratet, mitten in der Pandemie. Klein, unspektakulär, eine Lockdown-Trauung auf dem Standesamt. Ihr junger Hund saß dabei auf ihrem Schoß und war noch aufgeregter als sie. Kurz vor der Trauung checkte sie noch mal schnell ihr Handy. Was in der Nachricht stand, die sie sah, weiß sie nicht mehr. Sie erinnert sich nur noch an dieses komische Gefühl. Dass der Hass ihr Begleiter geworden ist, für immer.
Und trotzdem, sagt sie dann, sei es das wert. Ihr Forschungsgegenstand ist mit der Pandemie näher an sie herangerückt, zu nah, aber manchmal entstünde daraus auch Gutes. Nämlich dann, wenn die Angehörigen sprechen. Sie hält derzeit viele Vorträge, gibt per Videochat Seminare und Workshops für verschiedene Institutionen. Fast immer ist unter den Zuhörern jemand, der sich meldet und sagt, es gebe da diesen Fall in der Familie. Dann folgt die Geschichte - trotz der vielen unbekannten Zuhörer. Wahrscheinlich
, sagt Lamberty, weil da sonst keiner ist
. Von der Mutter im Sterbebett, für die sich der Vater nicht interessiert, weil er glaubt, Verschwörer seien hinter ihm her. Von Kindern, die unter der Situation leiden, denen die Eltern aber nicht erlauben, sich Hilfe zu suchen, weil die Therapeuten angeblich auch in der Sache drinsteckten. Es sind so viele
, sagt Lamberty. Da ist immer ganz viel Überforderung.
Was sie aus diesen virtuellen Begegnungen gelernt hat, soll nun in ein neues Buch einfließen. Das letzte, Fake Facts
, erschienen im Mai 2020, das sie zusammen mit Katharina Nocun schrieb, zu einer Zeit, als man bei Corona noch an Bier dachte, stützte sich hauptsächlich auf Datenanalyse. True Facts
, wieder mit Katharina Nocun, ist nun eine mit Expertinnen und Experten erarbeitete Handreichung. Untertitel: Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft
. Das Buch erscheint Ende Mai. Genau ein Jahr später, in dem viel kaputt gegangen ist.
Aber auch, wenn die Gesellschaft genesen sollte von dem Virus, das die Körper befallen und die Hirne vergiftet hat, wird für Lamberty vieles so bleiben, wie es ist. Die Szene der Verschwörungsgläubigen, die sich in diesem Jahr radikalisiert hat, kennt ihr Gesicht. Fotos posten aus dem Urlaub, mal rausgehen, ohne Angst zu haben, das alles wird es für sie nicht geben. Nicht in diesem Sommer und auch nicht im nächsten. Sie wird eingeschlossen bleiben in einer latenten Bedrohung. Ist das der Preis, den man zahlt, wenn man gegen die Verwirrung kämpft? Oder geht das irgendwann weg? Ich glaube, dass das bleibt
, sagt Lamberty. © SZ/crab
Sieben-Tage-Inzidenz sinkt bundesweit unter 100
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz hat nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) erstmals seit dem 20. März wieder die Schwelle von 100 unterschritten. Nach Stand des RKI-Dashboards von 04.56 Uhr lag der Wert am Freitag bei 96,5 (20. März: 99,9). Am Vortag hatte das RKI die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche mit 103,6 angegeben, am Freitag vor einer Woche mit 125,7. Einen Höchststand hatte die bundesweite Inzidenz während der dritten Welle am 26. April mit 169,3 erreicht. Der bisher höchste Inzidenz-Wert hatte bei 197,6 am 22. Dezember vergangenen Jahres gelegen.
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 11.336 Corona-Neuinfektionen. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 18 485 Neuansteckungen gelegen. Deutschlandweit wurden den Angaben zufolge binnen 24 Stunden 190 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 284 Tote gewesen.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 0,87 (Vortag: 0,82). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 87 weitere Menschen anstecken. tsg
Briten halten trotz Ausbreitung der indischen Variante an Lockerungsplan fest
Nach einem Anstieg von Fällen der indischen Coronavirus-Variante B.1.617.2 will die britische Regierung mit gezielten Massentests in betroffenen Regionen die Ausbreitung verhindern. Im Nordwesten von England sowie in London würden mobile Teams gezielt Tests anbieten und die Nachverfolgung von Kontakten verstärken, wie die britische Regierung mitteilte. Außerdem sollen noch mehr Proben gensequenziert werden.
Man lote derzeit auch Möglichkeiten aus, wie Impfungen möglichst effektiv eingesetzt werden könnten, sagte der für die Impfkampagne zuständige Staatssekretär Nadhim Zahawi am Freitag dem Sender Sky News. So könnten entweder zweite Impfdosen vorgezogen oder in den Regionen auch jüngere Altersgruppen geimpft werden, die eigentlich noch nicht an der Reihe sind.
Laut Statistiken von Public Health England hat sich die Zahl der in Großbritannien nachgewiesenen Fälle der Variante B.1.617.2 innerhalb einer Woche auf gut 1300 Fälle verdoppelt. Es gebe in einigen Regionen, in denen die Infektionszahlen stiegen, Besorgnis wegen der Variante, sagte Zahawi. Doch es gebe keinen Beweis dafür, dass B.1.627.2 sich stärker auf die Menschen auswirke oder dass Impfstoffe nicht dagegen wirkten. Die Impfstoffe seien wirksam. Der Plan, mit der Öffnung zu beginnen, bleibe bestehen. dpa, Reuters
Dänemark beginnt mit Exhumierung von Nerz-Kadavern
In Dänemark ist mit der Exhumierung von unzähligen Kadavern von Nerzen begonnen worden, die im Zuge der Corona Pandemie gekeult worden waren. Große Geräte und Lastwagen rückten am Donnerstag im Westen des Landes an, um die Tierkadaver aus zwei Massengräbern zu bergen und in eine Verbrennungsanlage zu bringen. In den Gräbern waren unzählige Nerze verscharrt worden, nachdem sie wegen der Entdeckung einer auf den Menschen übertragbaren Coronavirus-Mutante bei den Tieren gekeult worden waren.
Dänemark ist eigentlich das größte Exportland von Nerzen. Im November vergangenen Jahres hatte das Land allerdings eine Notschlachtung aller 15 Millionen Tiere angekündigt. Damit sollte die Verbreitung einer mutierten und auf den Menschen übertragbaren Form von Sars-CoV-2 verhindert werden. Die letzten Tiere wurden Anfang Februar gekeult. Die dänische Regierung hat zudem die Zucht von Nerzen bis Januar 2022 verboten. Den Züchtern soll mit Milliardenentschädigungen unter die Arme gegriffen werden. AFP
Spahn und Wieler werben für das Impfen,
Karliczek kündigt 300 Millionen für Forschung an
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betont mit Blick auf die Zahlen in der Pandemie: Alles geht in die richtige Richtung
und fügte hinzu: Aber wir müssen sehr aufpassen, dass die Zuversicht nicht zu Übermut wird.
Spahn und Wieler werben eindringlich für eine Impfung. Wir haben eine Wahl im Laufe des Lebens: Entweder man wird gegen Corona geimpft oder man wird mit Corona infiziert. Ich empfehle immer die Impfung
, sagte Spahn. Es werde sich erst in den nächsten Wochen entscheiden, ob die Lage auch im Sommer insgesamt besser sei.
Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, müssten über 80 Prozent der Menschen in Deutschland erst immunisiert sein, bestenfalls durch eine Impfung, sagte RKI-Chef Lothar Wieler. Und das würde noch eine Weile dauern.
Es ist riskant, auf den letzten Metern zu früh Lockerungen zu vollziehen
, so Wieler. Die Inzidenz der Neuinfektionen sinke derzeit in allen Bundesländern und allen Altersgruppen. Allerdings gebe es weiter Anlass zur Vorsicht.
Gesundheitsminister Jens Spahn sieht zudem eine breite Unterstützung für seinen Vorstoß, dass die EU-Kommission auch für 2022/23 Impfdosen bei mehreren Herstellern bestellen soll. Auch etwa Frankreich unterstütze dies, sagt der CDU-Politiker. Die EU-Gesundheitsminister wollten kommende Woche darüber beraten.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek hat ein neues Förderprogramm zur Entwicklung von Corona-Medikamenten in Höhe von 300 Millionen Euro angekündigt. Damit werde die klinische Entwicklung bis zur Zulassung neuer Arzneimittel gefördert, sagt die CDU-Politikerin. Dies sei notwendig für eine spätere Zulassung.
Die Entwicklung dieser Medikamente sei äußerst kostenintensiv
und könne von den beteiligten Unternehmen oft nicht alleine getragen werden. Mit der gemeinsamen Förderung von Forschungs- und Gesundheitsministerium sollten Herstellungskapazitäten am Standort Deutschland aufgebaut und ausgeweitet
werden. Tgs. Thomas Sabin
Mit acht Kontaktpersonen
im Impfzentrum
Ärzte klagen über aggressive, kriminelle Impfwillige
Laut einem TV-Bericht pochen Menschen unberechtigt auf einen Piks. Doch der Berliner Senat und die Linke winken ab: Kein großes Problem.
Mal wird beim Alter gelogen, dann bei der Berufsangabe geschummelt. Einige geben sich als Kontaktperson von Pflegebedürftigen aus, andere von Schwangeren. Es gibt verschiedene Wege, in der Impfschlange auch als junger Mensch ohne Vorerkrankungen ganz weit vorne zu stehen. Viele legale – aber auch einige illegale.
Laut einem Bericht von Report Mainz
klagen nun Ärzte und Impfzentren über eine zunehmende Aggressivität der Impfwilligen und kriminelle Energie von Impfvordränglern. Inzwischen gibt es offenbar nicht nur den legitimen Wunsch, wieder seine Grundrechte ausüben zu können. Die Stimmung wird aggressiver. Den Menschen ist teilweise sehr klar, dass sie nicht berechtigt sind und trotzdem versuchen sie, sich impfen zu lassen
, sagt etwa der Sprecher der Sozialbehörde Hamburg, Martin Helfrich.
Zwar erfassen nicht alle Impfzentren in Deutschland Zahlen zu Impfvordränglern. Laut Report Mainz
aber werden zum Beispiel in Saarbrücken bis zu 140 Vordrängler in der Woche erwischt, in München sind es bis zu 350. In einem der SWR-Redaktion bekannten Fall schafften es statt zwei acht junge und gesunde Leute, sich als sogenannte Kontaktpersonen
impfen zu lassen: Nach offiziellen Dokumenten wird nicht immer gefragt, oftmals wird einfach auf wahrheitsgemäße Angaben vertraut.
Das Hamburger Impfzentrum meldete laut SWR zuletzt sogar 2000 Vordrängler in einer Woche. Um vorzeitig an einen Impftermin zu kommen, würden etwa falsche Alters- oder Berufsangaben gemacht.
Vor diesem Hintergrund wird auch der Ruf nach Strafen laut. Zwar werden Tausende erwischt, aber es fehlt an Sanktionen
, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. Sich beim Impfen vorzudrängen, ist weiterhin keine Ordnungswidrigkeit.
Auch der Deutsche Hausärzteverband warnt vor wachsenden Spannungen durch Impfdrängler. Wir erleben jeden Tag Diskussionen mit Leuten, die jetzt unbedingt schnell geimpft werden wollen, obwohl sie noch nicht an der Reihe sind
, sagte die Vize-Vorsitzende Anke Richter-Scheer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie fügte hinzu: Die Stimmung wird aggressiv.
Durch die Ausweitung der Priorisierung sei für einige nicht mehr nachvollziehbar, warum der eine schneller an der Reihe sei als der andere.
Nachfrage bei der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit: Wie sehr wird in der Hauptstadt gedrängelt? Zunehmende Aggressivität können wir aus unseren Impfzentren nicht bestätigen. Nach wie vor ist die Atmosphäre in den Zentren von einer großen Dankbarkeit der Geimpften geprägt
, schreibt eine Sprecherin des Projektbüros Impfzentren Berlin auf eine Tagesspiegel-Anfrage. Wir können Impfdrängler auch nicht identifizieren, da nur Menschen zur Impfung in die Impfzentren kommen, die auch einen Impftermin haben. Und diese erhalten dann auch ihre Impfung.
Grundsätzlich richtig, dass sich viele Menschen impfen lassen
Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag sieht im Drängeln grundsätzlich auch kein Problem. Grundsätzlich ist es doch genau richtig, dass sich so viele Menschen wie möglich auch so schnell wie möglich impfen lassen wollen
, sagt er dem Tagesspiegel. Trotzdem sei es geboten, an der Priorisierung noch so lange festzuhalten, bis es wirklich genug Impfstoff für alle gebe.
Allerdings spricht er sich für eine Ergänzung aus. Ich fordere die Bundesregierung auf, jetzt zusätzlich insbesondere arme Menschen in strukturschwachen Regionen und Stadteilen vorzuziehen und durch mobile Impfteams gezielt anzusprechen.
Die Landesregierungen sollten zudem prüfen, inwieweit die Impfzentren kurzfristig zusätzliches Personal bräuchten.
Bislang gilt in Deutschland weiterhin eine Priorisierung bei der Impfreihenfolge. Sie richtet sich inzwischen zwar auch nach Berufsgruppen und Vorerkrankungen, im Wesentlichen jedoch nach dem Alter. Das Risiko für einen schweren Verlauf bei über 60-Jährigen ist 60mal höher als bei unter 60-Jährigen
, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag im Deutschlandfunk. Es gebe bei den über 60-Jährigen noch immer fünf bis sechs Millionen Ungeimpfte.
Allerdings: Reihenweise lehnen Über-60-Jährige eine Impfung mit Astrazeneca ab, obwohl für sie dabei kein erhöhtes Risiko für eine Thrombose festgestellt werden konnte. Stattdessen warten sie auf ein Vakzin von Biontech oder Moderna.
Diese Entwicklung bestätigt auch der Hausärzteverband. In den Arztpraxen kommt es demnach zu Ärger mit älteren Patienten, die anstelle von Astrazeneca einen anderen Impfstoff haben wollten.
Manch nachgiebiger Kollege lasse sich dann auf eine Diskussion ein, erklärt Richter-Scheer vom Hausärzteverband. Besser wäre es, gleich klarzustellen: Wer von seinem Arzt eine Impfung mit Astrazeneca angeboten bekommt, sie aber ablehnt und einen anderen Impfstoff bevorzugt, muss mit längeren Wartezeiten rechnen.
Derjenige müsse dann warten, bis es so viel Impfstoff gebe, dass die Leute wählen könnten.
Und so wächst der Berg an unverimpften Astrazeneca-Dosen. Bis Ende vergangener Woche waren nach Angaben des Robert Koch-Instituts nur 6,3 Millionen Dosen von den gelieferten 9,3 Millionen Dosen verimpft – es blieben also drei Millionen Dosen übrig. Und in dieser Woche werden noch einmal eine Million neue Impfdosen an die Arztpraxen geliefert, so viele wie noch nie innerhalb von sieben Tagen.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat das Gesundheitsministerium die Priorisierung bei Astrazeneca aufgehoben. Das gilt auch für den Impfstoff von Johnson & Johnson, der hierzulande wohl erst Ende Juni in großer Menge verfügbar sein wird. Denn die beiden Impfstoffe können – allerdings in äußerst seltenen Fällen – schwere Nebenwirkungen haben. Deshalb ist vor einer Entscheidung für eines der beiden Vakzine bei Menschen bis 60 Jahren ärztliche Aufklärung und eine individuelle Risikoanalyse vorgeschrieben.
Ein Drittel geimpft, zehn Prozent vollständig
Dass das Tempo zuletzt stark gestiegen ist, hängt somit auch mit dem Ende der Priorisierung bei zwei Impfstoffen zusammen. Insgesamt haben hierzulande knapp ein Drittel der Menschen mindestens eine Impfung erhalten. Den vollen Impfschutz haben knapp zehn Prozent der Bevölkerung erhalten.
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, rät dennoch dazu, an der Priorisierung festzuhalten. Er sagte dem SWR: Als STIKO und mithilfe der RKI-Impfdaten haben wir berechnet, dass es noch ungefähr zehn Millionen Menschen gibt, die priorisiert sind und die kein Impfangebot erhalten haben.
Tgs. von Fabian Löhe
Christian Drosten über das Coronavirus:
Wer sich gegen das Impfen entscheidet, wird sich unweigerlich infizieren
Christian Drosten erwartet eine schwere nächste Grippe-Welle. Im Coronavirus-Update
nimmt er aber auch die Angst vor der indischen Virusvariante.
Der Virologe Christian Drosten schätzt, dass die Bevölkerung in Deutschland ungefähr in den kommenden eineinhalb Jahren immun gegen das Coronavirus wird. Dies werde durch die Impfung oder durch natürliche Infektion geschehen, sagte der Wissenschaftler der Charité Berlin im Podcast Coronavirus-Update
(NDR-Info) am Dienstag.
Dieses Virus wird endemisch werden, das wird nicht weggehen. Und wer sich jetzt beispielsweise aktiv dagegen entscheidet, sich impfen zu lassen, der wird sich unweigerlich infizieren.
Dagegen könne man nichts tun, da die Maßnahmen mit der Zeit immer weiter zurückgefahren würden.
Danach zirkuliere das Virus in der Bevölkerung, zum Beispiel unbemerkt im Rachen von Geimpften und bei kleineren Kindern, die noch nicht geimpft werden können. Das Virus wird unerkannterweise unter einer Decke des Immunschutzes sich weiter verbreiten. Und dann trifft es immer auch auf Leute, die nicht immunisiert sind durch eine Impfung, die voll empfänglich sind.
Auch im kommenden Winter wird es daher nach Einschätzung des Virologen noch Covid-19-Fälle auf Intensivstationen geben. Er glaube, diejenigen, die sich aktiv gegen die Impfung entscheiden, die müssen wissen, dass sie sich damit auch aktiv für die natürliche Infektion entscheiden. Ohne jede Wertung
, sagte Drosten. Es sei eine freie Entscheidung.
Spürbare Auswirkungen der Impfungen ab Juli
Der Leiter der Charité-Virologie hatte bereits vor einigen Tagen im ZDF gesagt, er sei für die Zeit ab Juni zuversichtlich, denn zu dem Monat würden sich erstmals die Impfungen spürbar auswirken. Der Sommer kann ganz gut werden in Deutschland.
Am Dienstag sagte er, dass sich die Situation stark konsolidieren werde, wenn auch die jungen, sehr mobilen Menschen geimpft seien. Diese hätten besondere Funktionen im Übertragungsnetzwerk des Virus. Reisen von frisch Geimpften steht der Virologe recht gelassen gegenüber: Er sehe bei ihnen derzeit keine Veranlassung für Quarantäne nach der Rückkehr.
Die Möglichkeit, sich die zwei Astrazeneca-Impfdosen in Absprache mit dem Arzt in einem Abstand von vier Wochen verabreichen zu lassen und dann in den Urlaub zu fahren, hält der Virologe für nicht verwerflich, wie er sagte. Im Vergleich zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen zwölf Wochen seien dann zwar Durchschlagskraft und Nachhaltigkeit der zweiten Dosis nicht so stark. Aber es sei immer noch besser, als nur eine Dosis zu haben. Man könne sich auch in einigen Monaten erneut impfen lassen.
Zuletzt hatten Bund und Länder auch die Priorisierung für den Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson ist in Deutschland aufgehoben. Voraussetzung dafür seien eine ärztliche Aufklärung und eine individuelle Entscheidung über den Impfstoff. Die Stiko aber empfiehlt nur Menschen über 60 mit dem Vakzin zu impfen.
Drosten bekräftigte, er gehe ohnehin davon aus, dass im Herbst bestimmte Gruppen in Abhängigkeit von Alter und Risiko großzügig gegen Covid-19 nachgeimpft werden sollten. Ihm schwebe vor, dies auch mit der Immunisierung gegen Grippe zu verbinden.
Nächste Grippe-Welle könnte schwer ausfallen
Jemand, der ein Risiko hat für Influenza, der hat auch dieses Risiko für Covid.
Es sei zu befürchten, dass die nächste Grippe-Welle schwer ausfalle, wenn man nicht mit Impfungen gegensteuere, sagte Drosten. Hintergrund ist, dass die Influenza-Welle im zurückliegenden Herbst und Winter in Deutschland, aber auch in anderen Ländern ausgefallen ist – auch wegen der Maßnahmen gegen die Pandemie.
Die indische Corona-Variante B.1.617, die von Großbritannien und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile als besorgniserregend eingestuft wird, hat derzeit in Deutschland aus Drostens Sicht noch keinen besonderen Verbreitungsvorteil. Die Bevölkerung hier sei noch nicht so stark immunisiert wie in Großbritannien. Die Mutante sei etwas weniger beeinträchtigt durch Impfung und Immunität.
Die Virusvariante ist auch in Berlin angekommen. Gegenüber dem Tagesspiegel bestätigte die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung am Dienstag, dass seit Anfang April mindestens zwölf solcher Fälle bekannt sind.
Das wird erst jetzt bekannt, da zum Nachweis der Mutante eine aufwendige Sequenzierung der Proben notwendig wurde. Es ist wahrscheinlich, dass es daher für die letzten Wochen noch zu Nachmeldungen kommt.
Auffrischungsimpfstoffe werden kommen
Die Voraussetzungen für die Verbreitung solcher Varianten dürften sich laut dem Virologen aber auch in Deutschland mit dem Impffortschritt zum Herbst hin ändern. Welche Variante dann vorherrsche oder noch neu auftauche, lasse sich nicht vorhersagen. Die Mutanten bescherten dann auch keine neue Pandemie mehr, sondern wir werden auch gegen diese Viren in der Symptomatik geschützt sein
, sagte Drosten. Es werde auch Auffrischungsimpfstoffe geben.
Das Virus hat ein bisschen mehr Fitness, aber das bedeutet jetzt überhaupt nicht, dass das eine Riesengefahr für uns unmittelbar darstellt
, sagte Drosten über die Variante aus Indien. Wir können dagegen animpfen. Wir sind nicht mehr so wehrlos wie letztes Jahr um diese Zeit.
Tsp mit dpa
Novavax arbeitet an Doppelimpfstoff gegen Coronavirus und Grippe
Das US-Biotech-Unternehmen Novavax arbeitet an einem Doppelimpfstoff gegen das Coronavirus und die saisonale Grippe. Tierversuche hätten positive
Ergebnisse erbracht, erklärte das Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Maryland am Montag. Demnach entwickelten Hamster und Frettchen, die das Vakzin mit den beiden Impfstoffkandidaten NVX-CoV2373 und Nanoflu verabreicht bekamen, Antikörper gegen das Coronavirus und gegen Grippeviren.
Die beiden Impfstoffkandidaten werden derzeit in getrennten klinischen Versuchen mit Menschen getestet, sind aber noch nicht zugelassen. Das Corona-Vakzin zeigte bei einer Phase-3-Studie in Großbritannien eine hundertprozentige Wirksamkeit gegen schwere Verläufe von Covid-19 sowie eine Wirksamkeit von 96,4 Prozent bei leichten, moderaten und schweren Krankheitsverläufen bei der herkömmlichen Virusvariante. Deutlich niedriger war der Schutz allerdings vor leichten und moderaten Krankheitsverläufen bei der südafrikanischen Variante.
Der Novavax-Chef für Forschung und Entwicklung, Gregory Glenn, erklärte am Montag, inmitten der Corona-Pandemie seien zwar die saisonalen Grippe-Erkrankungen zurückgegangen. Die Grippe stelle aber nach wie vor eine große Gesundheitsgefahr dar. Der Doppelimpfstoff könne deswegen ein wichtiges künftiges Instrument im langfristigen Kampf
gegen Corona und Grippe zugleich werden. AFP
Corona-Impfstoffe: Von Boosts und B-Zellen:
Wie die zweite Impfdosis den Covid-Schutz optimiert
Crashkurs Immunologie: Warum Antikörper mit der Zeit ihre Wirkung verbessern und wieso manche Impfstoffe eine zweite Dosis brauchen – andere aber nicht.
Berlin - Manche Corona-Impfstoffe werden zweimal gespritzt, andere beschränken sich auf eine Dosis. Bei den einen soll der Abstand sechs Wochen sein, bei den anderen zwölf Wochen. Um zu verstehen, warum die meisten Vakzine auf eine zweite, Booster genannte Dosis setzen, ist es wichtig sich klarzumachen, wie diejenigen Zellen arbeiten, die Antikörper herstellen: die B-Zellen.
Erhält ein Mensch, der noch nicht mit Sars-CoV-2 infiziert war, die erste Impfdosis des RNA- oder Vektor-Vakzins, werden die Körperzellen dazu gebracht, das Spike-Protein des Virus herzustellen. Daran binden sich die B-Zellen, eine Art von weißen Blutkörperchen. Dadurch werden sie aktiviert, wandern in den nächsten Lymphknoten und vermehren sich mit Unterstützung durch sogenannte T-Helferzellen schnell.
Die Aufgabe der B-Zellen
Dass es B-Zellen gibt, deren Rezeptoren neue Krankheitserreger aufspüren können, liegt daran, dass der Körper für derartige Situationen vorsorgt. B-Zellen werden nach einer Art Zufallsprinzip hergestellt. Jeder Mensch verfügt über etwa zehn Milliarden verschiedene Varianten davon, die jede erdenkliche dreidimensionale Struktur binden können.
Egal womit ich mich infiziere, mein Körper ist vorbereitet
, sagt Ralf Küppers, Professor für Zellbiologie an der Universität Duisburg-Essen. Jede B-Zelle trägt einen etwas anderen Rezeptor, der aus einer zufälligen Umsortierung von Genen hervorgeht. Das macht sie einzigartig im Säugetier-Organismus. Keine andere Zell-Population verändert so sehr ihr Erbgut wie die B-Zellen
, sagt Ralf Küppers, der in der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Sprecher des Arbeitskreises B-Lymphozyten ist.
Enzyme schnippeln Teile aus dem Chromosom heraus und setzen diese neu zusammen
, erläutert der Forscher. Dadurch ergeben sich theoretisch 100 Milliarden Kombinationsmöglichkeiten. Praktisch reicht ein Arsenal von etwa zehn Milliarden verschiedenen B-Zellen, um fremde Molekülstrukturen zu erkennen.
Wenn eine B-Zelle das zu ihrem Rezeptor passende Antigen erkennt, teilt sie sich in B-Gedächtniszellen und Plasmazellen. Sie bilden Antikörper und geben diese ins Blutserum ab. Nach etwa einer Woche sind die ersten nachweisbar. Weil diese ersten Antikörper auf einem Zufallstreffer beruhen, binden sie das Antigen, im Fall von Corona also das Spike-Protein, noch nicht besonders gut. Doch der Körper bessert nach: Die Abkömmlinge der ersten passenden B-Zellen durchlaufen eine Evolution im Zeitraffer – und genau diesen Mechanismus nutzt man beim Boosten.
So werden die Antikörper verfeinert
Um die Antikörper zu verfeinern, schalten die Zellen einige Sicherheitssysteme ab, die normalerweise Mutationen verhindern. Mit einem Enzym erzeugen sie zufällige Mutationen in den Genregionen, aus denen die Bindungsstelle des Antikörpers hervorgeht. Diesen Prozess nennt man somatische Hypermutation. Tag für Tag werden die Antikörper besser – für mich bis heute ein faszinierender Prozess
, sagt Küppers.
Dabei entstehen viele schlechtere Rezeptoren und nur wenige bessere. Doch während die schlechter bindenden B-Zellen absterben, erkennen einige das Spikeprotein besser und bekommen dadurch ein stärkeres Signal, sich zu vermehren. Sie werden einerseits zu Plasma- und andererseits zu Gedächtniszellen. Durch diesen Prozess der Affinitätsreifung werden die Antikörper immer besser. Küppers: Nach zwei bis drei Wochen passen sie dann gut auf das Antigen.
Was die zweite Impfung bewirkt
Dieses Prinzip steckt auch hinter der zweiten Impfdosis. Nicht umsonst liegen zwischen der ersten und der zweiten Impfung bei den RNA-Impfstoffen mindestens drei Wochen. Die erste Runde der Affinitätsreifung sollte abgeschlossen sein, damit der Booster optimal funktionieren kann.
Eine solche zweite Impfung imitiert eine zweite Infektion. Die Gedächtniszellen mit den gut bindenden Rezeptoren schwimmen im Blut, erkennen das Spike-Protein und begeben sich in die Lymphknoten. Wiederum wird die somatische Hypermutations-Maschinerie angeworfen, wiederum entstehen bei der Zellteilung Plasmazellen, die dann noch besser bindende Antikörper produzieren und Gedächtniszellen, die diese Information abspeichern.Wie wirksam der Boost ist, ob er also eine neue Runde der Affinitätsreifung hervorruft, hängt auch von der Art des Impfstoffs ab. RNA-Impfstoffe werden in Fetthüllen verpackt und injiziert, die vom Immunsystem nicht bekämpft werden. Nach dem Boosten wird deshalb genau wie nach der ersten Impfdosis viel Spike-Protein gebildet
, sagt Steve Pascolo, Mitbegründer des Tübinger Biotech Unternehmens Curevac, Miterfinder der RNA-Impfung und heute Forscher am Universitätsspital Zürich. Dadurch folgt eine starke Immunreaktion auf die zweite Dosis des RNA-Impfstoffs.
Der Grund für unterschiedliche Nebenwirkungen
Entsprechend ist der Anteil der Menschen mit Impfnebenwirkungen bei den Vakzinen von Moderna und Biontech/Pfizer nach der zweiten Dosis höher als nach der ersten. Anders verhält es sich beim Vektorimpfstoff Vaxzevria von Astrazeneca. Die heftige Erstreaktion tritt vor allem bei jüngeren Menschen auf, deren Immunsystem generell stark reagiert – auf eine Dosis von 50 Milliarden injizierten Viren, die bei einer natürlichen Infektion mit Adenoviren kaum erreicht wird.
Die Reaktion bei der zweiten Dosis ist dann schwächer. Das könnte an einer Immunität gegen den Vektor liegen. Im Gegensatz zum RNA-Impfstoff wird ja ein Virus injiziert, gegen das es nach der ersten Dosis eine Immunantwort gibt
, sagt Pascolo. Deshalb werden beim Boost viele Vektoren von Antikörpern weggefangen, es wird wenig Spike-Protein gebildet, die Immunreaktion fällt schwächer aus.
Diese Immunität gegen den Vektor ist wohl auch der Grund dafür, dass Johnson & Johnson auf eine Booster-Impfung verzichtet. Die Entwickler haben wahrscheinlich beobachtet, dass eine zweite Impfung keine stärkere Antikörper-Antwort mehr bringt
, sagt Christian Münz, Professor für virale Immunbiologie an der Universität Zürich. Wir sehen ja bei dem Astrazeneca-Impfstoff, dass sich die Adenovirus-Vakzine kaum boosten lassen.
Bei der Masernimpfung hat die zweite Dosis einen anderen Zweck
Aber nicht bei jedem Impfstoff mit zweiter Impfdosis dient diese der Verstärkung der Antikörper-Antwort. Nach der ersten Masern-Impfung zum Beispiel sind etwa fünf bis neun Prozent der Kinder nicht immun. Dieser Impfstoff besteht aus abgeschwächten Erregern
, erläutert Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Universität Gießen. Diese sind empfindlich. Es kann reichen, einen anderen Infekt zu haben, dann wirken sie nicht mehr.
Denn dann könne das angeborene Immunsystem so stark aktiviert sein, dass die Impfviren so schnell eliminiert werden, dass nicht mehr ausreichend Antikörper gebildet würden. Die zweite Impfdosis dient bei der Masern-Vakzine also dazu, sicherzugehen, dass überhaupt ein Impfschutz besteht. Ein vergleichbarer Effekt sei prinzipiell auch bei Corona-Impfstoffen denkbar, sagt Weber. Auch wenn sich die mRNA und Vektoren ja nicht vermehren müssen, um zu wirken, wie ein abgeschwächtes Virus bei einem Lebendimpfstoff, ist es vorstellbar, dass die Immunantwort nicht voll ausgeprägt wird.
Zusätzlich sind Impfstoffe auch auf Komponenten der Zelle angewiesen, die bei Infekten heruntergeregelt werden. Tatsächlich wisse man, dass die Proteinsynthese bei starken Reaktionen des angeborenen Immunsystem reduziert sei – und auf diesen Prozess sind RNA- und Vektor-Impfstoff angewiesen. Der Grund, warum man bei einem Infekt auf eine Impfung verzichten sollte, ist nicht der Schutz des Körpers, sondern der des Impfstoffs. Es geht bei diesen Einschränkungen für Impfungen aber nur um Infekte, die mit deutlich erhöhter Temperatur einhergehen
, sagt Weber. Ein einfacher Schnupfen ist keine Kontraindikation.
Kombination der Impfstoff-Typen: heterologe Impfung
Es gibt bisher allerdings noch keine Berichte, denen zufolge die Impfungen gegen Covid-19 nicht mehr wirken, wenn man einen Infekt hat. Dass es für Vaxzevria zweier Dosen bedarf, ist möglicherweise Besonderheiten des Zulassungsantrags geschuldet, während der Studien änderte Astrazeneca von einem Ein-Dosis- auf das Zwei-Dosis-Schema. Es gibt jedoch einige Argumente dafür, dass der Impfstoff langfristig entweder in Kombination mit einer anderen Vakzine verwendet wird, eine sogenannte heterologe Prime-Boost-Impfung oder als Einzeldosis. Das Vorbild für letzteres ist der Impfstoff des Unternehmen Johnson & Johnson, der seit Anfang März in der EU zugelassen ist.
Johnson & Johnson ermittelte in den Zulassungsstudien eine Effektivität seines Vakzins gegenüber symptomatischen Erkrankung von 66 Prozent nach einer Dosis, Astrazeneca gab einen Mittelwert von 70 Prozent nach zwei Dosen an. Zuletzt zeigte eine Studie in Lancet, dass bei Astrazeneca die 70 Prozent auch schon nach einer Dosis erreicht wurden.
In einem Teil der Studie mit weniger Patienten verbesserte sich der Schutz, wenn das Boosten nach mehr als zwölf Wochen erfolgte. Vorher fangen die Antikörper, die sich nach der ersten Dosis gegen die Adenovirus-Hülle bilden, die Partikel der zweiten Dosis vermutlich noch ab, noch bevor sie nennenswert infizieren und Spike-Protein bilden können
, sagt Münz. Unter Umständen sinkt diese Antikörperkonzentration, wenn die Zeiträume zwischen erster und zweiter Impfung weiter auseinanderliegen.
Das erhöhe dann die Wirksamkeit.
Auch für die Kombination mit einem anderen Impfstoff gibt es gute Argumente. Dass wie beim Astrazeneca-Impfstoff Vaxzevria der gleiche Vektor für Erstimmunisierung und Boost verwendet wird, ist ohnehin unüblich. Der russische Impfstoff Sputnik V benutzt zwei verschiedene Adenoviren – Ad26 und Ad5 –, um eine Immunität gegen den Vektor zu verhindern. Die Entwickler der Astrazeneca-Vakzine an der Oxford University kombinierten in früheren Impfschemata auch ihren Schimpansen-Adenovirus-Vektor Chadox mit anderen Vektoren, etwa mit einem modifizierten Pockenvirus in einem getesteten Ebola-Impfstoff. Auch der zugelassene Ebola-Impfstoff von Johnson & Johnson beruht auf dem Prinzip eines solchen heterologen Prime-Boost-Verfahrens aus einem Adenovirus basierten und einem Pockenvirus-basierten Impfstoff.
Wohl deshalb laufen mittlerweile auch Studien, die den Astrazeneca-Impfstoff mit anderen Impfstoffen in einem heterologen Prime-Boost-Schema kombinieren – mit dem RNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer und der ersten Dosis des russischen Impfstoff Sputnik V auf der Basis des humanen Adenovirus 26. Sarah Gilbert, Impfstoff-Entwicklerin an der Oxford University, und ihre Gruppe haben oft demonstriert, dass man mit einem heterologen Boost eine sehr robuste Immunantwort bekommt – und das ist sehr ermutigend
, sagte Astrazeneca-Manager Mene Pangalos kürzlich bei einem Pressegespräch. Damit deutete er an, dass man sogar bei dem Pharma-Unternehmen selbst an ein alternatives Impfschema in der Zukunft denkt. Berliner Zeitung, Frederik Jötten
Christian Drosten kritisiert Impfstoff-Wahl: Ältere nehmen Jüngeren Impfung weg
Es geht dabei um Menschen über 60, die eine Impfung mit Astrazeneca ablehnen. Virologe Drosten von der Charité Berlin sagt: Das ist wirklich nicht in Ordnung.
Berlin - Viele Menschen verzichten auf eine Impfung mit Astrazeneca. Sie warten, bis sie einen Impftermin mit den Produkten von Biontech/Pfizer oder Moderna bekommen. Der Grund ist die Angst der Menschen vor einer Sinusvenenthrombosen. Mindestens acht Menschen starben.
Menschen, die älter als 60 Jahre sind und auf eine Impfung mit Astrazeneca verzichten, werden jetzt von Christian Drosten scharf angegriffen.
Hintergrund: In manchen Bundesländern, derzeit auch in Berlin, können sich Menschen über 60 aussuchen, mit welchem Corona-Impfstoff sie geimpft werden worden. Ein damit verbundenes wählerisches Verhalten bezeichnet Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, in seinem Podcast jetzt als ganz schlechte Entwicklung
.
Drosten findet es nicht gut, wenn Ältere jetzt an dieser Stelle wählerisch sind
Da muss man wirklich sagen, dann nimmt man im Juni einem Jüngeren die Impfung weg. Und das ist wirklich nicht in Ordnung
, sagte der Virologe. Und weiter: Ich finde es nicht gut, wenn Ältere jetzt an dieser Stelle wählerisch sind.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Astrazeneca derzeit für Menschen ab 60.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und die Ärztekammer Berlin fordern, ab sofort alle Menschen über 60 Jahren in den Impfzentren nur noch mit dem Impfstoff von Astrazeneca gegen Corona zu impfen.
Die Wahlfreiheit in Berlins Impfzentren muss beendet werden
, erklärten beide ärztlichen Standesvertretungen. Nur so können die Menschen unter 60 Jahren, die zum Beispiel aufgrund ihrer schweren Vorerkrankungen eine dringende Impfung benötigen, schneller berücksichtigt werden. Denn sie dürfen aktuell nur mit Biontech und Moderna geimpft werden.
Kassenärztliche Vereinigung und Ärztekammer Berlin wollen Wahlmöglichkeit abschaffen
KV und Ärztekammer appellieren an ältere Menschen: Wir möchten alle Berlinerinnen und Berliner über 60 Jahren dringend darum bitten, sich mit dem Impfstoff Astrazeneca impfen zu lassen. Bitte vertrauen Sie der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, dass dieser Impfstoff unbedenklich bei allen Personen über 60 Jahren geimpft werden kann.
Bis zum 8. April wurden hierzulande 46 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit Vaxzevria gemeldet. Fünf Frauen und drei Männer starben. Inzwischen wird der Einsatz von Astrazeneca hierzulande nur bei Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hält an ihrer Einschätzung fest, dass der Nutzen des Impfstoffs das Risiko überwiegt.
Am Montag wurde bekannt, dass über 800.000 Berliner trotz Einladung bisher noch keinen Impftermin vereinbart haben. Berliner Zeitung, Philippe Debionne
Zahlen nachträglich korrigiert: Tausende Corona-Tote wurden 2020 nicht gezählt
Im Jahr 2020 sind deutlich mehr Menschen an und mit Corona gestorben, als in der Öffentlichkeit bekannt ist. Selbst Todesfälle vom Beginn der zweiten Welle im frühen November gehen jetzt noch in die Statistik ein. Als das RKI seinen letzten täglichen Lagebericht für 2020 zur Corona-Pandemie herausgab, stand dort eine Zahl: 33.071 Verstorbene. Heute ist klar: Damals waren bereits 8.000 mehr Menschen an und mit dem Virus gestorben. Diese Toten, die in diesem Jahr gemeldet wurden, sind tatsächlich bereits im Jahr 2020 gestorben.
Wer heute nach der Zahl der Toten im Jahr 2020 googelt, stößt als erstes auf Medienberichte mit einer Zahl, die schon deutlich höher ist als die aus dem täglichen Report: 39.201. Diesen Wert hatte das Statistische Bundesamt Ende Januar in einer Sonderauswertung zur Übersterblichkeit herausgegeben. Sie stützte sich auf den aktuellen wöchentlichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts, der mit einer Sicherheitsfrist von drei Wochen relative Vollständigkeit
der Zahl der Todesfälle gewährleisten soll.
Jeder zweite Todesfall umgehend beim RKI
Die Statistik ändert sich rückwirkend durch Informationen, die nachträglich aus den Ländern ans RKI fließen. Melde- und tatsächliches Sterbedatum der Corona-Toten können Monate auseinander liegen. t-online hat diese Daten in Relation gesetzt.
Es kann auch schnell für die Statistiker gehen, wenn ein Mensch in Deutschland an Corona stirbt: Bei etwa jedem zweiten Sterbefall mit Corona landet die Information bereits am nächsten Tag beim RKI, teilt die Behörde mit. Doch: Bei einem gewissen Anteil der Fälle, der jedoch großen Schwankungen unterliegt, liegt diese Information erst zehn Tage oder noch später am RKI vor.
Wenn ein Toter dem RKI gemeldet wird, kann er auch schon vor Wochen gestorben sein. Und die Information zum Sterbedatum kann noch lange nach der Meldung des Todes beim RKI eingehen.
Bei 2.000 Todesfällen, also etwa jedem 20., dauerte es bis in den Februar, März oder sogar Mai, bis sie dem Jahr 2020 zugeordnet wurden. Inzwischen liegt die Zahl der laborbestätigten Corona-Toten im Jahr 2020 bei 41.240 – und wird sich noch weiter leicht erhöhen.
Im Mai drei Fälle von Anfang November
So stieg mit der jüngsten wöchentlichen RKI-Veröffentlichung am 7. Mai die Zahl der Corona-Toten des Jahres 2020 noch einmal um 48. Die jetzt nachgetragenen Fälle reichen zurück bis Anfang November: So sind für die Woche vom 2. bis 8. November genau ein halbes Jahr später noch drei Corona-Tote in die Statistik eingegangen. Das bedeutet nicht, dass diese Toten nicht zwischenzeitlich vom RKI schon in Tagesberichten gemeldet wurden, sondern dass erst jetzt klar wurde, dass sie bereits Anfang November gestorben sind.
Für zeitnahe Auswertungen wie eine Übersterblichkeit in einer Pandemie sei zeitlicher Verzug ein Nachteil, sagt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD) zu t-online.
Söders täglichen Flugzeugabsturz
gab es früher
In der Praxis bedeutete das: Zunächst zeigten die täglichen Meldezahlen zu den Toten der zweiten Welle gar nicht die ganze Dramatik. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder rüttelte beim Bund-Länder-Gipfel am 25. November mit einem Vergleich auf: Es würden täglich rund 300 Corona-Tote pro Tag gezählt, das sei, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen.
Mit den Daten von heute ist klar: Söder hätte das schon eine Woche vorher sagen können: In der 47. Woche starben nicht wie damals bekannt 1.537 Menschen, die in den Tagesberichten neu gemeldet wurden, sondern mindestens 2.108 – also 300 pro Tag.
Eine der Ursachen für die unvollständigen Daten liefert Teichert: In Todesbescheinigungen wird lediglich das Grundleiden ausgewertet – wenn dort Herzinsuffizienz oder Diabetes stand, kann ein Mensch dennoch durch und mit einer Covid-Infektion verstorben sein.
Erst die genauere Auswertung für den Infektionsschutz ergibt, dass es sich um einen Covid-19-Fall handelt. Zudem müssen die Daten von den Gesundheitsämtern an die Landesämter für Statistik geleitet werden – Durchschläge, in Papier
. Kommt ein anderes Bundesland ins Spiel, bedeutet das zeitlichen Verzug bei der Meldungsweitergabe.
Risklayer: 100 von 400 Kreisen hinken sehr hinterher
Das RKI kann bis dahin mit dem Fall nicht arbeiten. Im besonders betroffenen Sachsen etwa haben zwar Standesämter auf dem Höhepunkt der zweiten Welle Sonderschichten eingelegt. Doch das war nicht überall so. Und Gesundheitsämter waren das Nadelöhr. Schuldzuweisungen kommen vom RKI nicht, aber eine Bestätigung: Bei hohem Fallaufkommen und großer Belastung der Gesundheitsämter kann es sein, dass Informationen erst mit Verzug nachgetragen werden.
Der Anteil der Fälle, die erst zehn Tage oder noch später beim RKI landen, unterliege großen Schwankungen
.
Guten Überblick hat auch James Daniell, Chef von Risklayer: Das Unternehmen erstellt mit einer Gruppe von Helfern wie das RKI eine Sammlung von Corona-Daten, erfragt die Angaben der Landkreise aber selbst und ist damit schneller als das RKI, das auf die verifizierte Übermittlung wartet. Daniell zu t-online: Wir wussten, dass im Zeitraum von November bis Februar vielleicht 100 der rund 400 Kreise und kreisfreien Städte sehr hinterherhingen.
Einige Gesundheitsämter seien mit ihren Meldungen fünf Tage hinterher gewesen, manche acht Tage, manche viel mehr
. Deutschland fehle ein zentrales Todesfallregister, was in Katastrophenlagen sehr wichtig ist
, so Daniell, dessen Unternehmen weltweit Risikoanalysen und Bewertungen vornimmt.
Expertin: Mit digitaler Todesbescheinigung wird's besser
Mit dem Abflauen der Welle wurden dann zum Teil deutlich mehr Fälle gemeldet, als aktuell zu dem Zeitpunkt starben – der Pandemie fielen zu dem Zeitpunkt nicht mehr so viele Menschenleben zum Opfer, wie es den Anschein hatte. Für die Perspektive in dem jeweiligen Moment ist das irreführend, das Gesamtbild wurde damit aber korrekter. Bei validen, vergleichenden Auswertungen mit Grundleiden und Todesursache nach ICD (Statistiken) braucht es eine Prüfung und Kodierung und entsprechende Bearbeitungszeit
, sagt Teichert.
Das Problem wäre aber so nicht aufgetreten, wenn Deutschland bei der Digitalisierung schneller wäre. Teichert: Die Länder arbeiten bereits seit Längerem an einer digitalen Todesbescheinigung, die dann automatisch an alle Stellen geschickt wird, die die Daten benötigt und weiterverarbeitet.
Damit sollen Daten nicht nur schneller verarbeitet werden, durch hinterlegte Plausibilitätsprüfungen sollen auch Fehler beim Ausfüllen verhindert werden. T-Online, von Lars Wienand, Laura Stresing - verwendete Quellen: RKI: Täglicher Lagebericht 31. Dezember 2020, RKI: Todesfälle nach Sterbedatum
RKI meldet 6125 Neuinfektionen und 283 Tote
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 6125 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen vom Dienstagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.20 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 7534 Neuansteckungen gelegen.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 115,4 (Vortag: 119,1; Vorwoche: 141,4).
Deutschlandweit wurden den Angaben zufolge binnen 24 Stunden 283 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 315 Tote gewesen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie insgesamt 3.533.376 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 3.196.900 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 85.112.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Montagabend bei 0,88 (Vortag: 0,90). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 88 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Ruf nach Strafen für Impf-Vordrängler wird lauter
Angesichts zunehmender Versuche von Impfwilligen, sich ungerechtfertigt und teils mit falschen Angaben eine vorzeitige Impfung zu verschaffen, wird der Ruf nach Strafen laut. Zwar werden Tausende erwischt, aber es fehlt an Sanktionen
, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. Sich beim Impfen vorzudrängen, ist weiterhin keine Ordnungswidrigkeit.
Viele Impfzentren klagen nach einem Medienbericht über Aggressivität von Impfwilligen und zunehmende Versuche, sich eine vorzeitige Impfung zu erschleichen. Das SWR-Fernsehmagazin Report Mainz
berichtete von mehreren tausend Fällen.
Allein das Hamburger Impfzentrum meldete demnach zuletzt 2000 Vordrängler in einer Woche. Um vorzeitig an einen Impftermin zu kommen, würden etwa falsche Alters- oder Berufsangaben gemacht, berichtete Report
. In München würden bis zu 350 Vordrängler in der Woche erwischt, in Saarbrücken bis zu 140. Die Redaktion hatte bei den Impfzentren der Landeshauptstädte nachgefragt, allerdings erfassen nicht alle die Zahlen zu Impfvordränglern.
Der Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, Martin Helfrich, sagte dem ARD-Magazin: Die Stimmung wird aggressiver. Den Menschen ist teilweise sehr klar, dass sie nicht berechtigt sind und trotzdem versuchen sie, sich impfen zu lassen.
Report
-Recherchen zeigen demnach, dass die Impfbetrüger sich oft als höher priorisierte Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen oder Schwangeren ausgeben. Denn eine pflegebedürftige Person etwa kann zwei Kontaktpersonen benennen, die vorrangig geimpft werden. In einem der SWR-Redaktion bekannten Fall schafften es aber statt zwei acht junge und gesunde Leute, sich als Kontaktpersonen impfen zu lassen. dpa
WHO fürchtet durch Pandemie mehr Fettleibigkeit bei Kindern
Das Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO befürchtet, dass die Coronavirus-Pandemie auch zu mehr Fettleibigkeit unter Kindern führen wird. Das in Kopenhagen ansässige Regionalbüro geht davon aus, dass die Schließung von Schulen und Lockdowns negative Folgen für Ernährung und Bewegung von Kindern haben könnten, etwa durch den fehlenden Zugang zu Schulmahlzeiten und mangelnde körperliche Aktivität. Vorbeugemaßnahmen müssten deshalb während der Pandemie eine Priorität erhalten, forderte das Büro.
Covid-19 könnte unter Umständen einen der beunruhigendsten Trends in der WHO-Region Europa verstärken - zunehmende Fettleibigkeit bei Kindern
, erklärte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge. Übergewicht und Fettleibigkeit stünden in direkter Verbindung mit lebensbedrohlichen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Um den kommenden Generationen eine bessere Zukunft zu ermöglichen, müssten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Daten basierende Maßnahmen umgesetzt werden, die eine gesündere Ernährung und körperliche Betätigung förderten und dabei helfen könnten, Fettleibigkeit bei Kindern zu verringern.
Wie aus einem am Dienstag veröffentlichten WHO-Bericht hervorging, lebt in manchen Ländern der Region jedes dritte Kind im Alter von sechs bis neun Jahren mit Übergewicht oder Fettleibigkeit. Am größten ist dieses Problem in den Mittelmeerstaaten, wo sich die Situation demnach aber langsam bessert: Unter anderem Griechenland, Italien, Portugal und Spanien zeigten einen abnehmenden Trend. Der Bericht basiert auf den jüngsten verfügbaren Daten aus 36 Ländern aus den Schuljahren 2015/16 und 2016/17. Deutschland war nicht darunter. dpa
Dutzende mutmaßliche Corona-Tote am Ufer des Ganges gefunden
Im Norden Indiens sind zahlreiche Leichen an den Ufern des Ganges angespült worden, bei denen es sich mutmaßlich um Corona-Tote handelt. Rund 40 Leichen wurden im Bezirk Buxar nahe der Grenze zwischen den Bundesstaaten Bihar und Uttar Pradesh entdeckt, zwei der ärmsten Regionen des Landes, wie ein Behördensprecher am Montag mitteilte. Sie sollten nun begraben oder eingeäschert werden. In Medienberichten war von bis zu hundert Leichen die Rede.
Die Corona-Pandemie hat mit großer Geschwindigkeit Indiens ländliche Regionen erfasst. Örtliche Gesundheitseinrichtungen, Krematorien und Friedhöfe sind mit der Situation überfordert. Einheimische sagten der Nachrichtenagentur AFP, vermutlich seien die Toten wegen der überfüllten Krematorien in den Fluss geworfen worden. Möglicherweise hätten sich die Hinterbliebenen auch das Holz für einen Scheiterhaufen nicht leisten können.
In Indien sterben derzeit täglich rund 4000 Menschen durch das Coronavirus. Die Gesamtzahl der Todesopfer beläuft sich auf fast 250.000. Experten vermuten, dass die Zahlen wesentlich höher sind. AFP
Intensivmediziner zeigen sich zuversichtlich
Führende Intensivmediziner äußern sich zuversichtlich zu den sinkenden Infektionszahlen und der abnehmenden Zahl von Corona-Intensivpatienten in Deutschland. Wir befinden uns auf einer abschüssigen Zielgeraden. Die dritte Welle ist gebrochen
, sagte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, der Rheinischen Post
. Die Situation auf den Intensivstationen werde sich wegen der fortschreitenden Impfungen der über 50-Jährigen voraussichtlich bis Ende Juni entspannen. Es müssten jedoch Vorsichtsmaßnahmen für Flugreisende aus weiter entfernten Ländern getroffen werden, um das Einschleppen möglicherweise gefährlicher Virus-Varianten zu vermeiden. Reuters
NRW: Ab Montag Lolli-Tests an Grund-und Förderschulen
Nordrhein-Westfalen führt an diesem Montag als erstes Bundesland sogenannte Lolli-Tests flächendeckend an allen Grund- und Förderschulen ein. Mit dem Test sollen alle mehr als 730.000 Schülerinnen und Schüler der knapp 3800 Grund- und Förderschulen zwei Mal pro Woche in ihrer jeweiligen Lerngruppe auf das Coronavirus getestet werden. Die Testung geschieht zunächst gruppenweise. Erst wenn eine Gruppe positiv getestet wurde, werden Einzeltests der Gruppenmitglieder vorgenommen.
Die Lolli-Tests werden uns dabei helfen, Infektionen frühzeitiger als mit Selbsttests zu entdecken und Infektionsketten von vornherein in Schulen zu unterbrechen
, hatte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) gesagt. Die Tests werden Lolli-Tests genannt, weil die Schülerinnen und Schüler auf dem Teststäbchen wie auf einem Lolli 30 Sekunden lang herumlutschen müssen. Die Proben werden in PCR-Testverfahren von Laboren untersucht. Täglich soll es NRW-weit rund 35.000 Pooltestungen geben. Zwölf Labore sollen sich darum kümmern. dpa
Drosten erwartet guten Sommer
Der Berliner Virologe Christian Drosten hat sich zuversichtlich über den Verlauf der Corona-Pandemie im Sommer gezeigt. Ich denke, dass wir zum Juni hin erstmals Effekte sehen, die der Impfung zuzuschreiben sind
, sagte der Direktor der Virologie am Universitätsklinikum Charité am Sonntagabend im ZDF-Heute Journal
. Der Sommer kann ganz gut werden in Deutschland.
Gerade im Außenbereich werde wieder vieles zugelassen werden können, erklärte er auf die Frage nach Urlaub, Außengastronomie und Grillen mit Freunden. Man dürfe aber nicht zu früh in totale Euphorie
verfallen.
Für den Herbst werde die Herdenimmunität die Situation verbessern. Die Krankheit wird im Herbst nicht verschwunden sein
, Ungeimpfte würden sich weiter anstecken und erkranken können, sagte Drosten. Aber eine unkontrollierte Verbreitung werde es so nicht mehr geben.
Hinzu komme dann allerdings die Situation der noch ungeimpften kleineren Kinder. Viele Erwachsene hätten im Herbst ihre Impfung ein halbes Jahr hinter sich, und deren Schutz werde schwächer. Dabei gehe es dann weniger um die Gefahr einer eigenen Erkrankung der geimpften Erwachsenen als um das Risiko der Weitergabe des Virus an Kinder. Die Studien zu Impfungen kleinerer Kinder seien kompliziert und dauerten. Ich bin ich nicht so sicher, ob man so schnell kleinere Kinder impfen kann
, sagte Drosten. dpa
CSU Maskendeal: Millionen-Honorar für Andrea Tandler
Als zwei Schweizer Jungunternehmer Kontakte in deutsche Ministerien suchten, half ihnen die Tochter des Ex-CSU-Politikers Tandler. Nach Informationen von WDR, NDR und SZ bekam sie dafür viele Millionen Euro. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie betrieb Andrea Tandler eine kleine PR-Agentur in München. Sie warb für bayrische Wurst, bayrisches Bier, bayrisches Müsli und bayrische Landhausmöbel. Was man halt so macht als PR-Fachfrau. Doch dann wollten die beiden Schweizer Jungunternehmer Jascha Rudolphi, 23, und Luca Steffen, 24, Corona-Schutzmasken aus China an deutsche Ministerien verkaufen. Ein Deal, bei dem ihnen Tandler helfen sollte.
Gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestags räumte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein, dass ihn Tandler am 9. März 2020 über das Angebot der Firma Emix informiert habe. Es sollte einer der größten Maskendeals der Bundesrepublik werden. Für mehr als 670 Millionen Euro kaufte Deutschland persönliche Schutzausrüstung bei Emix ein, deren beide Betreiber damit vermutlich 130 bis 200 Millionen Euro verdienten.
Provision in zweistelliger Millionenhöhe
Zustande gekommen war der Kontakt von Emix zu Minister Spahn über Tandler, wiederum vermittelt durch die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, Tochter der CSU-Legende Franz Josef Strauß und bestens bekannt mit Tandler. Diese ist selbst Tochter des langjährigen CSU-Politikers Gerold Tandler. Tandler, 84, war CSU-Generalsekretär und nacheinander Innenminister, Wirtschaftsminister und Finanzminister.
Nach allem, was bekannt ist, hat Hohlmeier zwar mit Kontakten geholfen, aber nichts an dem Geschäft verdient. Andrea Tandler sollte dagegen nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung
(SZ) mit ihrer PR-Firma Little Penguin GmbH zwischen 5 und 7,5 Prozent Honorar und Provision von Emix bekommen, je nach Geschäft. Gemessen an der Gesamtsumme mit deutschen Ministerien hätte die PR-Firma somit Anspruch auf 34 bis 51 Millionen Euro aus den Maskendeals. Ein großer Teil davon soll auch geflossen sein - letztlich Steuergeld.
Emix verkaufte Masken auch an NRW und Bayern
Tandler selbst und ihre Rechtsanwältin äußerten sich auf Anfrage nicht zum Honorar, ebenso wenig wie die Firma Emix. Letztere teilt lediglich mit, dass Tandler als Projektmitarbeiterin
für Emix gearbeitet habe. Andrea Tandler war nicht nur eine Vermittlerin, sondern hat alle logistischen Herausforderungen wie zum Beispiel Liefer- und Flugpläne der eigens von Emix gecharterten Flugzeuge mit den abnehmenden Ministerien in Deutschland koordiniert.
Sie habe den ganzen Prozess mit größtem persönlichen Arbeitseinsatz begleitet
, schreibt Emix per E-Mail. Sie werden Verständnis haben, dass wir uns zu Aufwendungen für externe Projektmitarbeiter nicht äußern.
Ihre Masken verkauft hat Emix nicht nur an das Gesundheitsministerium von Jens Spahn, sondern auch an das bayrische Gesundheitsministerium und an das NRW-Gesundheitsministerium. Auch der Kontakt zur damaligen bayrischen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) soll über Hohlmeier gelaufen sein.
Mehr als 100.000 Corona-Tote im brasilianischen Bundesstaat São Paulo
Der brasilianische Bundesstaat São Paulo hat die Marke von 100.000 Corona-Toten überschritten. Seit Beginn der Pandemie starben dort 100.649 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19, wie am Sonntag aus Behördendaten hervorging. Damit zählt der reichste Bundesstaat Brasiliens rund ein Viertel aller Toten im Zusammenhang mit Covid-19 in dem von der Pandemie schwer getroffenen Land. Wäre er ein Land, würde der Bundesstaat mit mehr als 40 Millionen Einwohnern weltweit den neunten Rang hinter Frankreich und vor Deutschland unter den Ländern mit den meisten Corona-Toten einnehmen.
Brasilien ist eines der weltweit am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Ende April überschritt das größte Land in Lateinamerika mit rund 210 Millionen Einwohnern die Marke von 400.000 nachgewiesenen Corona-Todesfällen. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat das Coronavirus von Anfang an verharmlost, Schutzmaßnahmen lehnt er - aus wirtschaftlichen Gründen - weiterhin ab. Mittlerweile zieht der Rechtspopulist auch den Sinn von Impfungen in Zweifel. dpa
Altmaier warnt vor Flickenteppich bei Öffnungen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat angesichts sinkender Corona-Infektionszahlen vor einem Flickenteppich unterschiedlicher Lockerungen gewarnt. Der CDU-Politiker plädierte am Sonntag im ARD-Bericht aus Berlin
für abgestimmte Maßnahmen, auch wenn diese dann je nach regionaler Infektionslage unterschiedlich schnell greifen. Ich würde es für richtig halten, dass wir uns mit Bund und Ländern gemeinsam darauf verständigen. Und dass wir Schritt für Schritt die Öffnungen machen, und zwar so, dass im Sommer auch Urlaub in Deutschland möglich ist
, sagte er. Wir reden mit den Ländern und versuchen, ein einheitliches Vorgehen zu erreichen.
dpa
Saudi-Arabien - Wallfahrt Hadsch erneut unter strengen Auflagen
Die muslimische Wallfahrt Hadsch in Saudi-Arabien findet wegen der Corona-Pandemie auch dieses Jahr nur unter strengen Auflagen statt. Es werde in Mekka ein sicheres Umfeld
geschaffen, um die Gesundheit der Pilger zu schützen, kündigte das zuständige Ministerium der Staatsagentur SPA zufolge am Sonntag an. Dieses Jahr beginnt der Hadsch Mitte Juli.
Für gläubige Muslime zählt die Wallfahrt zu den fünf Grundpflichten. Jeder fromme Muslim, der gesund ist und es sich leisten kann, sollte einmal im Leben nach Mekka pilgern. Für die weite Anreise aus Asien, Afrika oder anderen Teilen der Welt sparen viele von ihnen Jahre.
Schon vergangenen Sommer fand die Wallfahrt wegen der Pandemie nur unter strengen Auflagen statt. Zugelassen waren nur wenige Tausend Pilger und damit ein Bruchteil der rund 2,5 Millionen, die 2019 teilnahmen. Der Hadsch und die kleine Wallfahrt Umrah bescheren dem Königreich normalerweise wichtige Einnahmen. Zudem gewinnt der saudische König Salman einen Teil seiner Legitimität aus der Hoheit über die Städte Mekka und Medina, die als Wiege des Islam gelten.
In Saudi-Arabien wurden bisher rund 425 000 Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Das Land mit rund 34 Millionen Einwohnern hatte im Dezember seine Impfkampagne gestartet. Bisher wurden dabei rund zehn Millionen Impfungen verabreicht. dpa
Gericht verbietet weitere nächtliche Ausgangssperre auf Kanaren
Die bei Deutschen beliebten Ferieninseln der Kanaren dürfen ihre nächtliche Ausgangssperre nach dem Ende des Corona-Notstandes in Spanien nicht aufrechterhalten. Dies hat das Oberste Landesgericht entschieden, wie die Nachrichtenagentur Europa Press am Sonntag berichtete. Zur Begründung hieß es, die Behörden verfügten über alternative Maßnahmen, um Infektionen während der Nachtstunden zu unterbinden.
Das Auswärtige Amt in Berlin stuft die Inselgruppe weiter als Risikogebiet ein. Von touristischen Reisen dorthin wird abgeraten. dpa
Ein Drittel aller Erwachsenen in Großbritannien voll geimpft
Im Kampf gegen das Coronavirus hat Großbritannien einen symbolischen Meilenstein erreicht. Ein Drittel der Erwachsenen sei nun vollständig geimpft, teilten die Gesundheitsbehörden am Sonntag mit. Etwa 17,7 Millionen Menschen erhielten die für den vollen Schutz als notwendig erachteten zwei Spritzen. Die vier Landesteile England, Schottland, Wales und Nordirland liegen dabei etwa gleichauf. Eine erste Impfung bekamen bisher 35,4 Millionen.
Großbritannien ist eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder Europas. Mit oder an Covid-19 sind etwa 150.000 Menschen gestorben. Mittlerweile hat die Regierung aber zahlreiche Corona-Maßnahmen auch wegen des Erfolgs der Impfkampagne wieder aufgehoben. Die Zahl der Neuinfektionen stagniert auf niedrigem Niveau. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei 20,5. dpa
mexikanischer Variante
Warum es keine gute Idee ist, den Abstand zwischen zwei Astra-Zeneca-Spritzen zu verkürzen
Besserer Impfschutz gegen Urlaubsplanung: Was taugt der lebenspraktische
Vorschlag von Gesundheitsminister Spahn?
Es ist knapp sechs Wochen her, da empfahl die Ständige Impfkommission (Stiko), die zwei für den vollständigen Immunschutz notwendigen Spritzen mit dem Vakzin des Herstellers Astra Zeneca mit einem Abstand von zwölf Wochen zu verabreichen. Einerseits um möglichst viele Erstimpfungen in kurzer Zeit schaffen zu können, andererseits aber auch, weil sich gezeigt hat, dass die Wirksamkeit dann höher ist. Doppelt gute Sache also, den Impfabstand zu verlängern. Das war Anfang April.
Am Mittwoch stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) diese Idee auf den Kopf. Es sei lebenspraktisch
, den Abstand auf vier Wochen zu verkürzen, viele würden die Zweitimpfung lieber früher haben, auch mit Blick auf den Sommer
, sagte Spahn im Fernsehen. Die Monatsfrist zwischen den beiden Spritzen sei durch die Zulassung des Impfstoffs gedeckt, das von der europäischen Arzneimittelagentur EMA erlaubte Intervall spannt sich von vier bis zwölf Wochen. Dass ein längerer Abstand zu besserer Wirksamkeit führt, war dem Minister bewusst. Es steht besserer Impfschutz gegen Urlaubsplanung. Bund und Länder schafften am Donnerstagabend dafür auch formal die Voraussetzung und hoben die Priorisierung für Impfungen mit Astra Zeneca bundesweit auf.
Die schnellere Immunisierung soll den Impfstoff attraktiver machen
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein regte in dieser Woche in einem Schreiben an Ärztinnen und Ärzte an, ihren Patientinnen und Patienten den Minimalabstand von vier Wochen bei Impfungen mit Astra Zeneca anzubieten. So soll der Impfstoff mit dem ramponierten Ruf attraktiver gemacht werden.
Viele Menschen hegen inzwischen Vorbehalte gegen den Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens. Nachdem vor allem bei jüngeren Frauen nach einer ersten Impfung mit dem Astra-Zeneca-Vakzin sehr seltene Thrombosen in Hirnvenen mit auffälligen Begleiterscheinungen aufgetreten waren, hatte die Stiko empfohlen, das Produkt nur noch für Menschen älter als 60 Jahre einzusetzen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA sprach sich gegen eine Altersbeschränkung aus. Ein Hinweis auf das Auftreten ungewöhnlicher Blutgerinnsel sollte jedoch in die Fach- und Gebrauchsinformation des Präparats aufgenommen werden. Zuletzt berichtete eine Forschergruppe nach der Analyse von Daten aus Deutschland, dass es womöglich auch für Frauen über 60 Jahre ein leicht erhöhtes Risiko für Hirnvenenthrombosen gibt. Doch sind die Daten nicht vollständig, und die Untersuchung wurde noch nicht von unabhängigen Fachleuten begutachtet.
Wie sehr aber leidet die Wirksamkeit, wenn man das Impf-Intervall von Astra Zeneca von zwölf auf vier Wochen verkürzt? Es gibt zu dieser Frage bisher kaum Studien, doch im Februar lieferte eine Untersuchung im Fachjournal The Lancet ein paar erstaunliche Antworten: Wurde zwölf Wochen oder länger mit der zweiten Spritze gewartet, betrug die Schutzwirkung des Vakzins 81 Prozent im Vergleich zu der ungeimpften Kontrollgruppe. War das Intervall hingegen kürzer als sechs Wochen, sank die Schutzwirkung auf etwa 55 Prozent. Solide abgesichert durch weitere Studien sind diese Werte noch nicht. Doch vielleicht ist es nicht verkehrt, auch diesen Aspekt bei der Urlaubsplanung zu bedenken. Süddeutsche Zeitung, von Hanno Charisius
Impfgegner machen im Supermarkt Stimmung gegen Corona-Impfung
Impfgegner haben in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern über einen mitgebrachten Lautsprecher die Kunden eines Supermarktes zum Verzicht auf die Corona-Impfung aufgefordert. Wie die Polizei am Samstag mitteilte, betrat am Freitagnachmittag eine Gruppe dunkel gekleideter Menschen den Einkaufsmarkt. Über den Lautsprecher wurde eine Tonbandansage abgespielt mit der Aufforderung, sich nicht verarschen
und auch nicht impfen zu lassen, wie die Polizei weiter mitteilte.
Zudem führte die Gruppe ein Transparent mit der Aufschrift Wehrt euch gegen Impfwahnsinn und Panikmache
mit sich. Die alarmierte Polizei stellten bei sechs Männern und einer Frau die Personalien fest. Sie kommen demnach alle aus der Region. Gegen sie wurde Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz erstattet, sie erhielten zudem einen Platzverweis für den Supermarkt. AFP
Dänemark: 50 Fälle von mexikanischer Variante
In Dänemark haben sich etwa 50 Menschen mit einer zunächst in Mexiko entdeckten Corona-Variante infiziert. Es sei der größte Ausbruch dieser Variante in dem nordeuropäischen Land, teilte die nationale Behörde für Patientenschutz am Samstag nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Ritzau mit. Bei den Infizierten handle es sich vorwiegend um Personal und Gäste eines Restaurants in der Gegend Nordsjaelland nördlich der Hauptstadt Kopenhagen. Die Behörde stufte den Ausbruch nicht als besonders gefährlich ein.
Wie die aus Mexiko bekannte Variante nach Dänemark kam, ist noch nicht bekannt. Regierung und Parlament hatten sich im März auf einen umfassenden Öffnungsplan geeinigt, mit dem die Beschränkungen des öffentlichen Lebens nach und nach zurückgefahren werden sollen. Bisher haben knapp 1,5 Millionen Menschen in dem EU-Land eine erste Corona-Impfung erhalten - rund ein Viertel der Bevölkerung. 800.000 Menschen haben die für den vollen Schutz notwendige zweite Dosis. dpa
Auf Island gelten neue Einreiseregeln
Auf Island sind am Freitag neue Regeln für die Einreise in Kraft getreten. Gemäß dem neuen System werden die Kriterien geändert, inwieweit Länder als Hochrisikogebiete betrachtet werden: Neben der 14-Tages-Inzidenz schauen die Isländer nun auch darauf, wie hoch der prozentuale Anteil an positiven Corona-Tests an der gesamten Testmenge ist.
Deutschland sowie fast 150 weitere Länder und Gebiete gelten laut Auflistung der isländischen Regierung ab jetzt als Hochrisikogebiete. Für deutsche Island-Urlauber ohne Corona-Impfung oder überstandene Infektion bedeutet das, dass für sie Quarantäne in einer dafür vorgesehenen Einrichtung wie einem Quarantänehotel vorgeschrieben ist. Wie Reisende aus 129 anderen Staaten sowie von den spanischen Inseln können sie aber eine Ausnahme davon beantragen. Darin müssen sie vor Reiseantritt hinreichend aufzeigen, dass sie auch in einer von ihnen gewählten Bleibe alle Quarantäneregeln erfüllen werden.
In 17 weiteren Ländern ist die Infektionslage nach isländischer Beurteilung so schlecht, dass Reisende von dort keine Ausnahmen erhalten. Die Auflistung gilt zunächst bis zum 24. Mai. Reisende aus Grönland und von den Färöer-Inseln sind von den Maßnahmen komplett ausgenommen.
Island mit seinen nur knapp 360.000 Einwohnern hat europaweit die auf die Bevölkerungszahl gerechnet mit Abstand geringsten Neuinfektionszahlen. Die 14-Tages-Inzidenz lag zuletzt bei etwa 30. Quelle: dpa
RKI meldet 18.485 Neuinfektionen und 284 Tote
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 18.485 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen des RKI von Freitagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05:10 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Am Freitag vor einer Woche hatte der Wert bei 24.329 gelegen. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag laut RKI am Freitagmorgen bundesweit bei 125,7 (Vortag: 129,1; Vorwoche: 153,4).
Deutschlandweit wurden nach RKI-Angaben binnen 24 Stunden 284 neue Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche waren es 306 Tote.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.491.988 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 3.128.800 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 84.410.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstagabend bei 0,88 (Vortag: 0,83). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 88 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Olympia-Stadt Tokio vor Verlängerung des Notstands
Der Corona-Notstand für die Olympia-Stadt Tokio wird weniger als drei Monate vor Beginn der Sommerspiele abermals verlängert. Man plane eine Verlängerung bis Monatsende, erklärte der zuständige Minister, Yasutoshi Nishimura, am Freitag. Die Regierung hatte erst kürzlich den Notstand bis zum 11. Mai verlängert. Angesichts der weiter angespannten Lage sei eine Verlängerung notwendig
, hatte Tokios Gouverneurin Yuriko Koike gesagt. Eine offizielle Entscheidung der Regierung wurde noch am Freitag erwartet.
Die Verlängerung des inzwischen dritten Notstands bis zum 31. Mai gilt auch für die stark betroffene westliche Region Osaka. Darüberhinaus soll der Notstand auch auf die Präfekturen Aichi und Fukuoka ausgeweitet werden. Zwar hatte die Olympia-Stadt Tokio während der vergangenen Goldenen Woche
, einer Aneinanderreihung nationaler Feiertage, relativ geringe Neuinfektionen gemeldet. Am Donnerstag waren es 591 Fälle innerhalb von 24 Stunden gewesen. Doch war wegen der Feiertage auch weniger getestet worden. Daher befürchten Experten, dass die Infektionszahlen nun wieder steigen dürften.
Der Notstand bedeutet jedoch keine Ausgangssperren wie in Europa. Die Bürger des Landes sind lediglich aufgefordert, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben. Tokios Gouverneurin Koike rief die Bevölkerung erneut auf, Kontakte zu anderen Menschen zu vermeiden und möglichst von zu Hause zu arbeiten. In weniger als drei Monaten will das asiatische Inselreich in Tokio die Olympischen Sommerspiele eröffnen - ein Jahr später als geplant. dpa
Gefährliches Spike-Protein Forscher:
Covid-19 ist eine Gefäßerkrankung
Dass das Spike-Protein des Coronavirus etwas Besonderes ist, weiß man schon länger. Offenbar ist es jedoch schon für sich betrachtet äußerst verhängnisvoll. Das zeigen Forscher an einem Pseudovirus
.
Bisher wird das Spike-Protein des Coronavirus vor allem mit der besonderen Ansteckungsgefahr von Sars-Cov-2 in Verbindung gebracht. Eine Studie zeigt nun, dass die Proteine auch bei der durch das Virus ausgelösten Covid-19-Erkrankung eine Schlüsselrolle spielen.
In dem in der Fachzeitschrift Circulation Research
veröffentlichten Paper zeigen Forscher aus den USA und China, dass Sars-CoV-2 das Gefäßsystem auf zellulärer Ebene schädigt und angreift. Aus ihrer Sicht ist Covid-19 deshalb eine Gefäßerkrankung. Nur so lassen sich ihrer Meinung nach die große Zahl von anscheinend nicht zusammenhängenden Komplikationen nach Corona-Infektionen erklären.
Viele Leute halten es für eine Atemwegserkrankung, aber es ist wirklich eine Gefäßerkrankung
, wird Uri Manor, einer der Autoren der Studie, in einer Mitteilung des Salk Institute for Biological Studies zitiert. Das könnte erklären, warum manche Menschen Schlaganfälle haben, und warum manche Menschen Probleme in anderen Körperteilen haben. Die Gemeinsamkeit zwischen ihnen ist, dass sie alle vaskuläre Grundlagen haben.
Dieser Spur in den Blutgefäßen gingen die Forscher nach.
Spike-Protein allein reicht
Für ihre Studie erstellten sie ein Pseudovirus
, das von der klassischen Sars-CoV-2-Krone aus Spike-Proteinen umgeben war, jedoch kein tatsächliches Virus enthielt. Das Pseudovirus führte bereits am Tiermodell zu einer Schädigung der Lunge und der Arterien - ein Beweis dafür, dass das Spike-Protein allein ausreichte, um eine Krankheit zu verursachen. Gewebeproben zeigten zudem eine Entzündung in den Endothelzellen, die die Wände der Lungenarterie auskleiden.
Das Team wiederholte diesen Prozess im Labor und setzte gesunde Endothelzellen dem Spike-Protein aus. Dabei zeigte sich, dass das Spike-Protein die Zellen durch Bindung von ACE2 beschädigte. Das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 wird hauptsächlich von Zellen der Lunge produziert, wo es an der Zelloberfläche als Eintrittspforte für das Virus dienen kann. ACE2 wird aber auch in löslicher Form produziert und verteilt sich im Serum des Menschen. Seine physiologische Funktion besteht im Abbau des blutdrucksteigernden Hormons Angiotensin I. Die beschädigte Bindung störte die molekulare Signalübertragung von ACE2 an Mitochondrien, die Organellen, die Energie für Zellen erzeugen. Dadurch wurden die Mitochondrien beschädigt und fragmentiert. Wird die Schädigung zu groß, stirbt die Zelle.
Frühere Studien zeigten einen ähnlichen Effekt, wenn Zellen Sars-CoV-2 ausgesetzt waren. Dies ist jedoch die erste Studie, die zeigt, dass der Schaden bereits auftritt, wenn Zellen lediglich dem Spike-Protein ausgesetzt sind. Auch ohne Vervielfältigungsfähigkeiten des Virus hat es immer noch eine große schädliche Wirkung auf die Gefäßzellen
so Manor. Der Grund dafür sei die Fähigkeit, an diesen ACE2-Rezeptor, den Spike-Protein-Rezeptor, zu binden.
Die Wissenschaftler wollen nun mit weiteren Studien an mutierten Spike-Proteinen neue Erkenntnisse über die Infektiosität und den Schweregrad von mutierten Coronaviren gewinnen. Außerdem hoffen sie als Nächstes den Mechanismus genauer untersuchen zu können, durch den das zerstörte ACE2-Protein die Mitochondrien schädigt und sie dazu bringt, ihre Form zu ändern. ntv.de, sba
RKI registriert rund 22.000 Neuinfektionen, Inzidenz sinkt auf 129
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 21.953 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen des RKI von Donnerstagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05:01 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Am Donnerstag vor einer Woche hatte der Wert bei 24.736 gelegen. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag laut RKI am Donnerstagmorgen bundesweit bei 129,1 (Vortag: 132,8; Vorwoche: 154,9)
Deutschlandweit wurden nach RKI-Angaben binnen 24 Stunden 250 neue Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche waren es 264 Tote. Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Mittwochabend bei 0,83 (Vortag: 0,82). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 83 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Lockerungen für Geimpfte: Psychologen sehen Risiko für Unmut
Die vom Bundeskabinett beschlossenen Lockerungen für Geimpfte könnten aus Sicht von Psychologen auch für Unmut sorgen. Zu Schwierigkeiten bei der Akzeptanz der Beschlüsse könne es etwa kommen, wenn Geimpfte bei den Urlaubsplänen bevorzugt behandelt werden, sagte Ernst Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. Sollten Bundestag und Bundesrat bis Freitag zustimmen, könnten die Lockerungen schon am Samstag gelten.
Der Sozialpsychologe Ulrich Wagner von der Uni Marburg sieht vor allem den geplanten Wegfall der Impfpriorisierung im Sommer kritisch: Wird die Priorisierung aufgegeben oder ist es nicht mehr erkennbar, nach welcher Maßgabe geimpft wird, dann entsteht ein Gefühl der Ungerechtigkeit.
Dieses Risiko sei schon bei der Impfung durch Hausärzte gegeben.
Ein weiterer Kritikpunkt Wagners ist, dass es noch keinen digitalen Impfpass gibt. Mit ihm sollen sich vollständig Geimpfte ausweisen können. Wagner fragt sich, wie die Ordnungskräfte die neuen Regelungen effektiv kontrollieren sollen. Der Sozialpsychologe sieht jedoch nicht alles kritisch. So hält er es für richtig, dass auch in der absehbaren Zukunft Geimpfte weiter Masken tragen und Abstand halten müssen. Es gehe darum, eine allgemeingültige Norm aufrecht zu erhalten, die auch kontrolliert werden könne. dpa
Desinformation:
Wie Russland und China europäische Impfstoffe schlechtmachen
Im vorigen Frühjahr waren es die Masken, jetzt sind es Impfstoffe: Laut einer Studie der EU vermarkten Russland und China aggressiv ihre Produkte, während sie das Vertrauen in westliche Produkte untergraben.
Impf-Diplomatie ist an die Stelle von Masken-Diplomatie getreten – so fasst der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) die jüngsten Entwicklungen der Desinformation in der Corona-Krise zusammen. Im vorigen Frühjahr hatte China versucht, mit Lieferungen von Schutzmasken und begleitender Propaganda die öffentliche Stimmung in Europa zu beeinflussen. In diesem Frühjahr sind Impfstoffe das knappe Gut.
China hat davon inzwischen zwei im Angebot, Russland einen. Beide Staaten haben ihre Vakzine in den vergangenen vier Monaten in Medien, die ihnen gehören oder ihnen nahestehen, mit aller Kraft vermarktet und zugleich die Konkurrenz aus dem Westen schlecht gemacht. Diese sogenannte
, schreibt die EAD-Einheit für strategische Kommunikation, die derlei Kampagnen im Auftrag des Europäischen Rats analysiert. Impf-Diplomatie
folgt der Logik eines Null-Summen-SpielsSie geht einher mit Versuchen der Desinformation und Manipulation, um das Vertrauen in vom Westen hergestellte Impfstoffe, EU-Institutionen und westliche/europäische Impfstrategien zu untergraben.
Ablehnung als Selbstmord
Seit Anfang des Jahres hat die Einheit mehr als hundert Beispiele kremlnaher Desinformation
in ihre öffentlich zugängliche Datenbank aufgenommen. Das russische Vakzin Sputnik V wird nahezu täglich von russischen Behörden, Staatsunternehmen und staatlich kontrollierten Massenmedien beworben, kombiniert mit Angriffen auf die EU und Verschwörungstheorien. Ein beliebtes Ziel war die Europäische Arzneimittelagentur, die für die europaweite Zulassung von Impfstoffen verantwortlich ist. Sie sei politisch voreingenommen und verzögere die Genehmigung von Sputnik V, hieß es – auch schon, als Moskau seinen Antrag auf Zulassung nicht einmal eingereicht hatte.
Entsprechende Vorwürfe wurden oft vom offiziellen Sputnik V-Account auf Twitter verbreitet, sie richteten sich auch gegen andere EU-Vertreter wie Industriekommissar Thierry Breton. Sie gingen mit Drohungen einher, das Vakzin nicht nach Europa zu liefern, aber auch mit dem Hinweis, dass es bei einer Ablehnung Selbstmord
begehen würde. Mehrere Staaten haben den Impfstoff bestellt oder planen dies, darunter Ungarn, die Slowakei und das Land Bayern.
Wenn die EU auf ihr strenges Zulassungsverfahren verweist, halten ihr auch chinesische Staatsmedien vor, doppelte Standards
anzuwenden, im antichinesischen Geist
zu handeln und Lügen
oder Gerüchte
zu verbreiten. Sie selbst stürzten sich hingegen auf Berichte über einzelne Patienten, die nach einer Impfung mit Biontech/Pfizer gestorben waren und stellten sogleich einen Kausalzusammenhang her. Auch die moderne mRNA-Technologie, die dieser Konzern und andere verwenden, wurde attackiert. Sie führe zu allergischen Reaktionen und besonderen Risiken für ältere Menschen. China und Russland verfügen selbst nur über traditionelle Vektor-Impfstoffe.
Wo liegt die Schwelle zur Desinformation?
Auffällig ist, dass Moskau seine Kampagne nur gegen den Westen richtet, nicht gegen Peking. Ein gefundenes Fressen waren die seltenen Fälle von Patienten, die nach einer Impfung mit Astra-Zeneca an Blutgerinnseln im Hirn starben. Letztens wurde dieser Impfstoff aber auch wieder gelobt – er gehört nämlich ebenfalls zur Gruppe der Vektor-Vakzine. Außerdem habe er das Vereinigte Königreich, in Verbindung mit dem Brexit, vor Impf-Chaos
bewahrt.
Diese Beispiele zeigen freilich auch die Grenzen der Analyse und ihrer Methodik. Das Brexit-Narrativ musste Moskau nicht erfinden. Es ist im Vereinigten Königreich weit verbreitet, bis in die Regierung hinein. Und die Komplikationen mit Astra-Zeneca standen auch in Europa wochenlang im Zentrum der Berichterstattung. Wann ist aber die Schwelle zur Desinformation überschritten? Der EAD misst das nicht primär daran, ob Informationen wahr oder falsch sind, sondern ob sie die Meinungsbildung verzerren und in dieser Absicht verbreitet werden. Wir sind nicht das Ministerium für Zensur
, rechtfertigt sich ein EU-Beamter dafür. Intentionen sind aber viel schwerer nachzuweisen als falsche Fakten.Außerdem macht der EAD keine Angaben zur Reichweite der Medien, die er beobachtet. In der Regel handelt es sich um eher randständige Sender, Publikationen und Internetseiten, die in Europa nur einen geringen Marktanteil haben. Zwar können Narrative von dort in den Mainstream eindringen, doch kann der Dienst diese These nicht quantitativ untermauern. Im vorigen Jahr hatte er das wenigstens noch versucht.Immerhin auf ein Paradoxon weist der Bericht aber selbst hin: Während vom Staat kontrollierte Medien täglich das hohe Lied von Sputnik V singen, ist ausgerechnet in Russland die Impfskepsis besonders hoch und die tatsächliche Impfquote gering. Entweder verfängt die Propaganda also nicht einmal beim heimischen Publikum. Oder die negative Darstellung westlicher Vakzine befördert die Impfskepsis sogar noch. F.A.Z.
RKI meldet 18.034 Neuinfektionen und 285 Tote
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 18.034 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen des RKI von Mittwochmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05:15 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Am Mittwoch vor einer Woche hatte der Wert bei 22.231 gelegen. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag laut RKI am Mittwochmorgen bundesweit bei 132,8 (Vortag: 141,4; Vorwoche: 160,6)
Deutschlandweit wurden nach RKI-Angaben binnen 24 Stunden 285 neue Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche waren es 312 Tote.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.451.550 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.084.700 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 83.876.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Dienstagabend bei 0,82 (Vortag: 0,88). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 82 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
Besondere Vorsicht geboten
EU-Impfpass offenbar einfach zu fälschen
Ein europaweit anerkannter Nachweis soll Geimpften bald weitgehende Freiheiten ermöglichen. Doch das Dokument ist einem Bericht zufolge einfach zu fälschen. Die Materialien dazu könne sich jeder auf Amazon zusammenklicken
, warnen Hacker.
Der geplante europäische Corona-Impfnachweis lässt sich einem Medienbericht zufolge problemlos fälschen. Nach Planungen des Gesundheitsministeriums sollen die im gelben Impfpass eingetragenen Impfnachweise umstandslos in Arztpraxen, Impfzentren oder in Apotheken auf den neuen EU-Impfausweis übertragen werden können, wie die Welt am Sonntag
berichtet. Da dieser Nachweis im gelben Impfpass leicht zu fälschen ist, sei auch das darauf aufbauende neue EU-Zertifikat entsprechend anfällig für Betrug.
Das Bundesgesundheitsministerium räumte gegenüber der Zeitung die Sicherheitslücke ein. Bei der Prüfung der analogen Impfpässe sei besondere Vorsicht geboten
. Das gelte, auch wenn die Informationen in einen digitalen Impfpass übertragen werden
, erklärte das Ministerium.
Die Hackervereinigung Chaos Computer Club sieht die Verantwortung für die offene Sicherheitslücke beim Gesundheitsministerium. Beim Eintrag in den gelben Ausweis fehle die Absicherung gegen Fälscher komplett, sagte Sprecher Matthias Marx. Das hätte man auch besser lösen können - mit Hologrammaufklebern etwa, mit geprägtem Papier, mit Materialien, die sich nicht jeder auf Amazon zusammenklicken kann.
Gesundheitsminister Jens Spahn hatte vergangene Woche angekündigt, den digitalen Impfpass möglichst schnell zugänglich zu machen. Dafür solle das Infektionsschutzgesetz entsprechend geändert werden, sagte Spahn. Demnach soll der digitale Impfpass in der zweiten Hälfte des zweiten Quartals
einsatzbereit sein. ntv.de, mbo/AFP
Luca-App:
Forschende halten Risiken der Luca-App für völlig unverhältnismäßig
Wenig Nutzen, dilettantische Sicherheitslücken: Führende IT-Sicherheitsforscher raten von der Luca-App ab. Mehrere Bundesländer hatten sie zuvor teuer eingekauft.
Mehr als 70 führende deutsche IT-Sicherheitsforscherinnen und -forscher kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme die Luca-App. Sie sprechen sich gegen einen De-facto-Zwang zur Nutzung einer Lösung
aus, die grundlegende Entwicklungsprinzipien eklatant verletzt
. In der Erklärung, die ZEIT ONLINE vorab vorliegt, fordern die Autorinnen und Autoren, Politik und Verwaltung sollten sich stattdessen auf dezentrale Lösungen wie die Corona-Warn-App besinnen.
Unterzeichnet haben die Erklärung führende Kryptologinnen und IT-Sicherheitsforscher der wichtigsten deutschen Institutionen in diesem Bereich. Unter anderem zählen dazu Professorinnen und Professoren des CISPA Helmholtz Center for Information Security, der Ruhr-Universität Bochum, der TU Darmstadt, des neu gegründeten Forschungsinstituts Code der Universität der Bundeswehr und zahlreicher weiterer Universitäten und Institute.
Grundsätzlich befürworteten sie digitale Werkzeuge zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen von Corona-Infizierten, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Allerdings habe man bereits vor einem Jahr, in der Debatte um die Corona-Warn-App, auf vier Grundprinzipien zur Entwicklung solcher Werkzeuge hingewiesen: Zweckbindung, Transparenz, Freiwilligkeit und Risikoabwägung. Das bereits in vielen Bundesländern eingesetzte Luca-System erfüllt keine dieser Prinzipien.
Von der Luca-App erhoffen sich manche, dass sie den Lockdown während der Corona-Pandemie größtenteils überflüssig machen könnte. Mit der App sollen Menschen an Orten wie Restaurants, Shoppingmeilen, im Theater oder auf einem Konzert einchecken können. Stellt sich später heraus, dass sie sich in der Nähe einer zu dem Zeitpunkt mit Corona infizierten Person befunden haben, kann das Gesundheitsamt Zugriff auf ihre Kontaktdaten bekommen und entscheiden, ob sie in Quarantäne müssen. Nutzer sollen zudem von der App informiert werden, dass das Gesundheitsamt ihre Daten angefragt hat – und können sich gegebenenfalls dann schon testen lassen. Die Daten der Nutzerinnen und Nutzern werden dabei auf zentralen Servern gespeichert, darunter können auch Ortungsdaten fallen. Mehrere Bundesländer haben die App nun für mehr als 20 Millionen Euro gekauft und wollen sie einsetzen. Manche Orte können Menschen bereits nur noch betreten, wenn sie die App heruntergeladen haben.
Konzeptionelle Sicherheitslücken
Die Forscherinnen und Forscher haben gleich mehrere Kritikpunkte an der App. Insbesondere die mit dem Luca-System verbundenen Risiken erscheinen völlig unverhältnismäßig
, heißt es in der Erklärung. Die App erfasse in großem Umfang
Bewegungs- und Kontaktdaten. Eine derart umfassende Datensammlung an einer zentralen Stelle berge ein massives Missbrauchspotenzial und das Risiko von gravierenden Datenleaks. Solche Systeme seien erfahrungsgemäß kaum vor Angriffen zu schützen, warnen die Sicherheitsforscher – selbst große Unternehmen scheiterten daran. Es ist nicht zu erwarten, dass dies einem Start-up, das bereits durch zahlreiche konzeptionelle Sicherheitslücken, Datenleaks und fehlendes Verständnis von fundamentalen Sicherheitsprinzipien aufgefallen ist, besser gelingen sollte.
Und selbst wenn: Die viel beworbene doppelte Verschlüsselung der Kontaktdaten liefert schon deshalb nicht die versprochene Sicherheit, da sich Bewegungsprofile der Nutzer:innen allein aufgrund der anfallenden Metadaten erstellen lassen.
Zu Metadaten kann zum Beispiel die IP-Adresse zählen oder die Information, wann jemand mit der Luca-App in einer Bar eingecheckt hat. Sprich: Über Luca könnte nachvollzogen werden, wo jemand wann war – und damit könnten möglicherweise auch Rückschlüsse auf die Person gezogen werden.
Diese Risiken müssten gegen die Vorteile abgewogen werden. Der Nutzen des Luca-Systems bleibe allerdings zweifelhaft, weil die App im Wesentlichen Papierlisten digitalisiere, die aufwendige Auswertung jedoch weiterhin durch die Gesundheitsämter erfolge, schreiben die Forschenden. Durch schlechte Datenqualität, etwa aufgrund von manipulierten Anmeldungen, könne die Belastung der Gesundheitsämter sogar noch zunehmen.
Auch gegen andere Prinzipien verstoße Luca: Es gibt keine technische Zweckbindung, sondern es wurden bereits weitere Geschäftsmodelle basierend auf Luca diskutiert
, heißt es in der Erklärung. Gemeint ist: Das Unternehmen hinter Luca könnte die App, die dann auf Millionen deutschen Mobiltelefonen installiert ist, später für kommerzielle Zwecke nutzen. Damit entstehe eine Abhängigkeit von einem einzelnen Privatunternehmen. Zudem sei ein intransparent entwickeltes System
in Betrieb genommen worden, und selbst leicht zu findende Sicherheitslücken
seien erst im laufenden Betrieb entdeckt worden.
Tatsächlich ist erst kürzlich eine Schwachstelle im Luca-System gefunden worden, die es Angreifern erlaubte, Bewegungsprofile einzelner Nutzerinnen abzufangen. Bereits Ende März hatten Datenschützer und Sicherheitsforscherinnen die App deutlich kritisiert, in den vergangenen Wochen wurde die Kritik immer stärker. Der Chaos Computer Club hatte etwa kürzlich eine Bundesnotbremse für die Luca-App gefordert.
Nutzung von Daten und Datenschutz schließen sich nicht aus
Am Ende des Schreibens empfehlen die Autorinnen und Autoren eindringlich eine Rückbesinnung auf die genannten Prinzipien
und verweisen unter anderem auf die Corona-Warn-App. Auch in dezentralen und datensparsamen Systemen könnten notwendige Informationen zur Pandemiebekämpfung erhoben und den Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellt werden. Und sie könnten nach Ansicht der Forscherinnen zu mehr Vertrauen und damit einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung beitragen. Die Corona-Warn-App fußt auf einem ähnlichen Prinzip wie Luca, speichert aber Daten bis zum Infektionsfall dezentral auf den Smartphones der Nutzerinnen und Nutzer und erfasst keine persönlichen Daten wie Namen oder Telefonnummern.Die Anzahl und Bedeutung der Unterzeichnenden der Stellungnahme ist bemerkenswert. Es sind mehr deutsche Wissenschaftler daran beteiligt als am internationalen Joint Statement vor einem Jahr, in dem mehr als 600 internationale Forscherinnen ihre Regierungen aufgefordert hatten, Technologien zur Kontaktnachverfolgung verantwortungsbewusst einzusetzen.
Die breite Unterstützung zeigt, dass das Thema einen Nerv trifft
, sagt Anja Lehmann, Professorin für Kryptografie am Hasso-Plattner-Institut. Sie habe die Stellungnahme unterschrieben, weil sie finde, dass privatsphärenfreundliche Technologien die Pandemiebekämpfung besser unterstützen könnten als Luca. Mit moderner Technologie besteht ein immenses Potenzial, verschiedene Interessen auszubalancieren
, sagt sie. Insbesondere schließen sich die Nutzung von Daten und Datenschutz nicht aus.
Aktuell lassen die Corona-Verordnungen der Länder eine alleinige dezentrale und anonyme Lösung nicht zu, wie sie beispielsweise die Corona-Warn-App ermöglicht, da die Gesundheitsämter personenbezogene Daten bekommen sollen. Sollten diese Verordnungen geändert werden? Wichtiger ist, dass zunächst das Problem definiert wird, das gelöst werden soll
, sagt Ben Stock, Forschungsgruppenleiter am CISPA Helmholtz Center for Information Security, der die Erklärung ebenfalls unterzeichnet hat. Meines Wissens gab es nie ein Statement seitens des RKI, welche Daten gebraucht werden.
Eine eindeutige Spezifikation sei aber die Voraussetzung für eine gute und sichere technische Lösung. Wenn man das Problem klar definiert und entsprechende gesetzliche Vorgaben macht, dann gibt es viele gute Leute in Deutschland, die das bestmöglich machen.
Mit Luca sei der Prozess aber von hinten aufgezäumt worden: Es gab eine App, bevor geklärt war, was wir lösen wollen.
Klar definierte Ziele könnten auch vor enttäuschten Erwartungen schützen, sagt Tibor Jager, Professor für IT-Security und Kryptografie an der Bergischen Universität Wuppertal, der die Erklärung ebenfalls unterzeichnet hat. Was mir und vielleicht auch anderen in der Community sauer aufgestoßen ist, ist das Versprechen der Macher der Luca-App, die Menschen aus dem Lockdown zu holen. Das kann keine App.
Zudem sei nicht geprüft worden, ob es verhältnismäßig sei, dafür derart viele Daten zentral zu verarbeiten. Man sollte mit wertvollen Ressourcen schonend umgehen: Zeit, Geld und Vertrauen der Bürger
, sagt Jager. Unter der Debatte um Luca würde auch der Ruf anderer digitaler Anwendungen leiden. Das zeige unter anderem eine aktuelle Erhebung der Hertie School, laut der Bürgerinnen auch starke Zweifel am Datenschutz der Corona-Warn-App haben – obwohl dort keine persönlichen Daten gesammelt und verarbeitet werden. Durch haltlose Versprechen wie die der Anbieter der Luca-App und die dadurch entstehende Diskussion wird leider das nötige Vertrauen in digitale Hilfsmittel zur Pandemiebekämpfung leichtfertig verspielt.
ZEIT ONLINE
RKI registriert 7534 Neuinfektionen
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 7534 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen des RKI von Dienstagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05:08 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Am Dienstag vor einer Woche hatte der Wert bei 10.976 gelegen. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100. 000 Einwohner lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 141,4 (Vortag: 146,9; Vorwoche: 167,6)
Deutschlandweit wurden nach RKI-Angaben binnen 24 Stunden 315 neue Todesfälle verzeichnet. Vor genau einer Woche waren es 344 Tote.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.433.516 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.061.500 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 83 591. dpa
Amtsärzte wollen auch für Geimpfte weiter Tests
Die Amtsärzte haben die geplanten Ausnahmeregelungen für gegen Corona geimpfte Menschen kritisiert. Geimpfte müssen unbedingt weiterhin getestet werden. Es wäre fatal, wenn Geimpfte und Genesene künftig von allen Testpflichten etwa bei der Einreise ausgenommen würden
, sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, dass bei Einreisen nach Deutschland künftig ein vollständiger Impfnachweis anstelle eines Tests ausreichen soll.
Teichert meinte aber: Ohne umfassende Tests verlieren wir den Überblick über das Infektionsgeschehen - gerade auch mit Blick auf Virusvarianten.
Wenn Reiserückkehrer nicht mehr getestet würden, wisse man nicht, ob sie Mutanten einschleppten.
Sie kritisierte zudem, dass die Bundesregierung Geimpften Rechte zurückgeben wolle, bevor ein einheitlicher Nachweis für den Impfstatus zur Verfügung stehe. Die Politik darf nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen: Bevor es bundesweit Erleichterungen für Geimpfte gibt, muss ein einheitliches Zertifikat als Impfnachweis eingeführt werden
, sagte sie. Das Zertifikat müsse digital und in Papierform zur Verfügung stehen und unbedingt fälschungssicher sein. dpa
Jeden dritten Tag ein Femizid
Zahl der Frauenmorde in Deutschland steigt dramatisch
Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt ein Femizid. In den meisten Fällen sprechen Medien von Familientragödie
oder Liebesdrama
. Doch das Problem heißt Frauenmord.
Hunderte Frauen werden jedes Jahr in Deutschland Opfer von Femiziden. Doch in der Kriminalstatistik werden Gewalttaten aus Frauenfeindlichkeit bisher nicht erfasst. Das muss sich ändern, fordern Experten. Denn nur so komme man hinter die wirklichen Tatgründe.
Ehrenmord, Familiendrama, lange gab es in Deutschland für die Ermordung von Frauen beinahe entschuldigende Umschreibungen. In Prozessen wurden vor allem bei Beziehungstaten für die Täter oft strafmildernde Umstände geltend gemacht. Dabei wird geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in vielen Teilen der Welt längst deutlich benannt.
In Deutschland war das bisher nicht so, doch inzwischen tut sich etwas. Die Digitalstaatsministerin der Bundesregierung, Dorothee Bär, sprach sich erst vor wenigen Wochen für die gezielte Erfassung frauenfeindlicher Straftaten in der Kriminalstatistik aus. Und der bislang in dieser Sache eher zögerliche Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigt sich nun offen dafür. Wir wissen, wie oft Frauen Opfer von Straftaten werden. Wir wissen aber nicht, wie viele dieser Taten aus frauenfeindlichen Motiven begangen werden
, sagte der CSU-Politiker dem Spiegel
. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht könnte sich sogar vorstellen, den Begriff frauenfeindlich
als strafverschärfendes Motiv im Strafgesetzbuch einzuführen. Bei der Entscheidungsfindung könnten auch der SPD-Ministerin bessere Daten helfen.
2019 wurden in Deutschland 267 Frauen getötet, weitere 542 überlebten Tötungsversuche. Das geht aus einer Beschlussvorlage von mehreren Bundestagsabgeordneten hervor, die erreichen wollen, dass Femizide in Deutschland untersucht, benannt und verhindert werden. In den Jahren zuvor waren die Zahlen übrigens noch höher: 2018 wurden 367 Frauen Opfer einer gewaltsamen Tötung, im Jahr 2017 sogar 380. Dies sind die offiziellen Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der Kategorien Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) und Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 227, 223 StGB)
, schreiben die Abgeordneten. Und: Es ist anzunehmen, dass diese Zahlen nicht das gesamte Ausmaß von tödlicher Gewalt gegen Frauen umfassen.
Macht und Kontrolle
Gunda Wössner vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht verspricht sich von der Benutzung des Femizidbegriffs, dass man hinter die wirklichen Tatgründe
kommt. Indem man Femizide als solche anerkennen würde, ist man gezwungen, sich mit den strukturellen Gründen auseinanderzusetzen, die hinter diesen Taten stehen
, sagt die promovierte Psychologin ntv.de. Solange Tötungsdelikte an Frauen mit anderen Taten gleichsetzt werden, wird so getan, als wenn es keine besonderen Gründe für diese Straftaten gibt. Doch Frauen werden meist aufgrund eines hierarchisch verstandenen Geschlechterverhältnisses umgebracht.
Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind
, bringen es die Bundestagsabgeordneten auf den Punkt. Bei Tötungsdelikten an Frauen geht es häufig um Macht und Kontrolle und um die dahinter liegenden Geschlechterrollen
, fasst Wössner die Forschung zu diesen Taten zusammen. Besonders häufig stünden die Tötungen mit Trennungssituationen im Zusammenhang. Viele Männer wollen die Trennung nicht akzeptieren, weil sie ein bestimmtes Männer- und Frauenbild haben.
Selten finden die Richter jedoch so deutliche Worte wie in dem Prozess gegen den Mann, der im Oktober 2019 seine 31-jährige Frau in Limburg auf offener Straße getötet hatte. Er fuhr sie zunächst mit dem Auto an und attackierte sie dann mit einem Beil und einer Axt so lange, bis sie starb. Nach Aussagen von Zeugen beschimpfte er dabei die sterbende Mutter seiner Kinder. Im Juli 2020 wurde er dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. In der Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter, der Mann habe seine Frau bestrafen wollen, weil sie ihn verlassen und sich mit den Kindern in ein Frauenhaus geflüchtet hatte. Zuvor hatte er seine Frau mehrfach geschlagen. Bei der Tat habe er einen unbedingten Vernichtungswillen
gezeigt. Er war tief gekränkt, sein Selbstbild vom treu sorgenden Familienvater brach zusammen.
Auffällig ist, dass der Verweis auf die moderne Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland
mit ihrer individualistischen und freiheitlichen Ausrichtung
, in der auch Frauen volles Selbstbestimmungsrecht genießen, vor allem bei Tätern mit migrantischen Wurzeln auftaucht. Dabei ziehen sich die Taten durch alle Altersgruppen, Bildungs- und Gesellschaftsschichten, Beziehungsarten und Kulturen, wie die Autorinnen Laura Backes und Margherita Bettoni in ihrem Buch Alle drei Tage
schreiben.
Angriff auf selbstbestimmtes Leben
Die Soziologin Monika Schröttle, die an der Universität Nürnberg-Erlangen seit langem zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen forscht, sagte dem MDR: Es sind Tötungsdelikte, bei denen nicht akzeptiert wird, dass die Frau frei ist und ihre eigene Entscheidung trifft. Das Recht auf ein gewaltfreies Leben - auch ohne den Ex-Partner - wird nicht akzeptiert.
Wenn ein Täter aber seinem Opfer kein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zugesteht, stehen dahinter meist Besitzansprüche und Ungerechtigkeiten aufgrund des Geschlechts
, formuliert es Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund gegenüber der Deutschen Welle. Das sei die Definition eines Femizids. Es geht um die strukturelle Ungleichheit, das patriarchale System, in dem wir immer noch leben, auch wenn wir in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern viel erreicht haben
, sagt Wössner dazu. Hier gelte es, als Gesellschaft stetig der historisch gewachsenen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen sowie tradierten Rollenbildern entgegenzuwirken
.
Mit der Unterzeichnung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, hat Deutschland bereits 2018 anerkannt, dass Gewalt gegen Frauen als geschlechtsspezifische Gewalt einen strukturellen Charakter hat
und dass es Handlungsbedarf gibt. Passiert ist seitdem noch nicht viel. Wössner hält wenig von Strafverschärfungen oder symbolpolitischen Gesetzesänderungen
und hat Sorge, dass der Fokus auf dieses Phänomen gerade für politisch gewollte Strafverschärfungen instrumentalisiert wird. Sie würde sich aber wünschen, dass das Thema viel mehr in der juristischen und polizeilichen Ausbildung berücksichtigt wird. Zudem sei eine wissenschaftliche Aufarbeitung wichtig, so Wössner, um der Politik und der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten.
Vor allem aber muss es noch mehr Präventionsangebote geben, für Frauen, die sich aus gewaltgeprägten Beziehungen befreien wollen, aber auch für Männer, die möglicherweise Täter werden könnten. Es ist wichtig zu wissen, dass man mit dem Problem nicht allein ist, dass es Anlaufstellen für Antigewalttrainings gibt, dass es auch finanziert wird. Dort kann man lernen, mit inneren Konflikten oder Kränkungen umzugehen, ohne Frauen dafür verantwortlich zu machen.
ntv.de
Intensivmediziner optimistisch: Notbremse hat viele tausend Menschenleben retten können
Die deutschen Intensivmediziner haben angesichts sinkender Infektionszahlen eine erste positive Bilanz der bundesweiten Corona-Notbremse gezogen. Wir sind zuversichtlich, dass die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen sinken wird - und das hängt dann unmittelbar mit den Maßnahmen der Bundes-Notbremse, wie aber auch dem deutlichen Fortschritt beim Impfen zusammen
, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, der Düsseldorfer Rheinischen Post
.
Das rückläufige Infektionsgeschehen werde auf den Intensivstationen in einer Woche sichtbar, davon sind wir überzeugt
, sagte Marx weiter. Die Bundes-Notbremse hat aus unserer Sicht also viele tausend Menschenleben retten können.
Von einer Entspannung auf den Intensivstationen könne aber noch keine Rede sein. Seit einer guten Woche sei eine Plateau-Bildung
bei der Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen von um die 5.000 Patienten zu beobachten. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich: Wir haben berechtigte Hoffnung, dass die Kombination Bundes-Notbremse plus fortschreitende Impfkampagne uns die Pandemie in den nächsten Monaten bewältigen lässt, also dass die dritte auch die letzte große Covid-Patienten-Welle war.
AFP
Immer mehr Schwangere an Covid-19 erkrankt
Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) versorgen Intensivmediziner zunehmend an Covid-19 erkrankte Schwangere. Allein in den vergangenen zwei Wochen habe es fünf solcher Fälle gegeben, sagte der Direktor der Klinik für Intensivmedizin am UKE, Stefan Kluge, der Deutschen Presse-Agentur. Diese Fälle sind besonders dramatisch. Wir sollten in Deutschland unbedingt auch Schwangere impfen.
Das sei auch die Einschätzung im Kollegenkreis. Schwangere hätten ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf, wenn sie sich mit Sars-CoV-2 infizieren. Bei ihnen sei das Immunsystem generell etwas herabgesetzt und die Sauerstoffaufnahme reduziert.
Die aktuelle Häufung hat nach Einschätzung Kluges auch damit zu tun, dass die Frauen wegen der UKE-Expertise aus anderen Häusern dorthin verlegt werden. Allerdings habe es am UKE im gesamten Jahr 2020 nur einen solchen Fall gegeben, in den ersten Monaten 2021 schon sieben. Wir sehen diese Fälle nun häufiger, das ist ein neues Phänomen
, sagte Kluge. Das liege auch an der Variante B.1.1.7, die deutlich ansteckender ist und im Verdacht steht, schwerere Krankheitsverläufe zu verursachen: Deutschlandweit haben wir mittlerweile viel mehr Infektionen bei Jüngeren unter 50 Jahren, auch bei Kindern.
Frauen im gebärfähigen Alter scheinen nun also eher vom Virus erreicht zu werden. Kluge sagte, ein Teil der Frauen habe sich wahrscheinlich bei den eigenen Kindern angesteckt. Meist sei die ganze Familie positiv. dpa
RKI meldet 16.290 Neuinfektionen und 110 Tote
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 16.290 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 110 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen vom Sonntagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 04:58 Uhr wiedergeben. Nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich. Am Sonntag vor einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 18.773 Neuinfektionen und 120 neue Todesfälle verzeichnet.
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag laut RKI am Sonntagmorgen bundesweit bei 146,5 - damit entwickelt sich die Sieben-Tage-Inzidenz am sechsten Tag in Folge rückläufig. Am Vortag hatte das RKI diese Sieben-Tage-Inzidenz mit 148,6 angegeben, vor eine Woche mit 165,6.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.416.822 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 3.024.600 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 83.192.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Samstagabend bei 0,93 (Vortag: 0,94). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 93 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen. dpa
EU: Staaten sollten Abwasser auf Virenlast untersuchen
Zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollten die EU-Staaten nach Ansicht der EU-Kommission systematisch das Abwasser auf Coronaviren untersuchen. Die Überwachung von Abwasser kann eine kostengünstige, schnelle und verlässliche Quelle für Informationen sein über die Verbreitung des Virus und seinen Varianten in der Bevölkerung
, sagte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius der Welt am Sonntag
. Die 27 Staaten sollten schnellstmöglich effektive Abwasser-Überwachungssysteme einrichten
. Diese ließen sich innerhalb von maximal sechs Monaten auf die Beine stellen.
Sinkevicius forderte, dass in Städten und größeren Gemeinden künftig möglichst zwei Stichproben wöchentlich genommen werden sollten. Diese wiederum sollten regelmäßig, vorzugsweise zweimal im Monat, analysiert werden. Die Analyse von Abwasser könne als Frühwarnsystem eingesetzt werden. Wenn das Virus dagegen nicht im Abwasser nachgewiesen wird, kann das ein Hinweis darauf sein, dass die untersuchten Gebiete als mit geringem Risiko behaftet angesehen werden können
, sagte Sinkevicius. dpa
Geplanter EU-Impfnachweis nicht fälschungssicher
Der geplante europäische Corona-Impfnachweis lässt sich einem Medienbericht zufolge problemlos fälschen. Nach Planungen des Gesundheitsministeriums sollen die im gelben Impfpass eingetragenen Impfnachweise umstandslos in Arztpraxen, Impfzentren oder in Apotheken auf den neuen EU-Impfausweis übertragen werden können, wie die Welt am Sonntag
berichtet. Da dieser Nachweis im gelben Impfpass leicht zu fälschen ist, sei auch das darauf aufbauende neue EU-Zertifikat entsprechend anfällig für Betrug.
Das Bundesgesundheitsministerium räumte die Sicherheitslücke ein. Bei der Prüfung der analogen Impfpässe sei besondere Vorsicht geboten
. Das gelte auch wenn die Informationen in einen digitalen Impfpass übertragen werden
, erklärte das Ministerium.
Die Hackervereinigung Chaos Computer Club (CCC) sieht die Verantwortung für die offene Sicherheitslücke beim Gesundheitsministerium. Beim Eintrag in den gelben Ausweis fehle die Absicherung gegen Fälscher komplett, sagte Sprecher Matthias Marx. Das hätte man auch besser lösen können - mit Hologrammaufklebern etwa, mit geprägtem Papier, mit Materialien, die sich nicht jeder auf Amazon zusammenklicken kann.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vergangene Woche angekündigt, den digitalen Impfpass möglichst schnell zugänglich zu machen. Dafür solle dass Infektionsschutzgesetz entsprechend geändert werden, sagte Spahn. Demnach soll der digitale Impfpass in der zweiten Hälfte des zweiten Quartals
einsatzbereit sein. AFP
Festnahmen bei Corona-Protesten in Finnland
In Finnland und Schweden sind hunderte Menschen gegen die Corona-Beschränkungen auf die Straßen gegangen. Bei den Protesten in der finnischen Hauptstadt wurden nach Polizeiangaben am Samstag rund 50 Menschen festgenommen. Demnach versammelten sich bis zu 300 Demonstranten zu einer nicht genehmigten Protestaktion. In der schwedischen Hauptstadt Stockholm demonstrierten bis zu 600 Menschen.
In Helsinki löste die Polizei die Demonstration auf und nahm dabei rund 50 Menschen fest. Sie müssen nun ein Bußgeld zahlen. In Helsinki gilt für Versammlungen derzeit eine Obergrenze von sechs Teilnehmern.
Finnland hatte bis vor kurzem eine der niedrigsten Corona-Ansteckungsraten in Europa, was vor allem auf die niedrige Bevölkerungsdichte in dem 5,5-Millionen-Einwohner-Land zurückgeführt wurde. Die Finnen hielten sich aber auch gut an die Corona-Regeln, bei denen es sich zunächst nur um Empfehlungen handelte.
Ab Mitte Februar stiegen die Infektionszahlen aber an. Die Regierung erließ daraufhin strengere Maßnahmen. Seitdem sind etwa Restaurants geschlossen. Einen Gesetzentwurf, der die Bewegungsfreiheit der Finnen stark eingeschränkt hätte, zog die Regierung Anfang April zurück.
In Stockholm protestierten bis zu 600 Menschen mit Transparenten, die Freiheit
und Wahrheit
forderten. Die Polizei versuchte, die Menge auseinanderzutreiben.
Schweden war in der Pandemie-Bekämpfung lange Zeit einen Sonderweg gegangen und hatte sich im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern gegen einen Lockdown und weitere strenge Beschränkungen entschieden. Die Regierung gab stattdessen nur Leitlinien in Form von Empfehlungen heraus.
Angesichts der zweiten Infektionswelle verhängte die Regierung im November allerdings doch Maßnahmen und beschränkte öffentliche Versammlungen auf acht Teilnehmer. Auch Cafés, Bars und Restaurants müssen um 20.30 Uhr schließen. AFP
England will striktes Reiseverbot offenbar Mitte Mai aufheben
Die Menschen aus England sollen Berichten zufolge ab Mitte Mai wohl wieder unter strengen Auflagen ins Ausland reisen dürfen. Die Regierung wolle in der kommenden Woche verkünden, dass das bisherige Reiseverbot am 17. Mai aufgehoben werde, berichteten die Times
und der Telegraph
am Samstag unter Berufung auf Regierungskreise.
Seit Monaten sind Reisen ins Ausland nur in wenigen Ausnahmen erlaubt - etwa bei medizinischen Notfällen, Beerdigungen oder für die Arbeit. Die Regierung muss die Lockerung noch formal bestätigen. Da die Infektionslage in Großbritannien mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von rund 24 derzeit sehr stabil ist, wird damit jedoch gerechnet.
Ab Mitte Mai soll dann ein Ampelsystem für Reisen eingeführt werden. Je nach Infektionslage im jeweiligen Land gelten für Einreisende in England unterschiedlich strenge Regeln. Für die Rückkehr aus grünen Ländern
reichen Tests bei der Rückkehr, bei gelben Ländern
- zu denen wohl auch Deutschland zunächst zählen wird - wird außerdem Quarantäne fällig.
Für Rückkehrer aus roten Ländern
bleibt die zehntägige Hotel-Quarantäne auf eigene Kosten bestehen. Damit will die Regierung die gute Corona-Lage im eigenen Land nicht durch eingeschleppte Fälle und Varianten gefährden. Schottland, Wales und Nordirland machen ihre eigenen Corona-Maßnahmen, setzen aber auf ähnliche Regeln. dpa
Millionen Chinesen am Tag der Arbeit auf Reisen
Fast eineinhalb Jahre nach dem Ausbruch des Coronavirus hat der 1. Mai in China einen Vorgeschmack gegeben auf das Leben nach der Pandemie. Millionen Menschen machten sich am Tag der Arbeit auf Reisen quer durchs Land. Die chinesischen Behörden erwarteten rund 265 Millionen Reisende während der fünftägigen Ferien.
Derart hohe Zahlen Reisezahlen hatte es in der Volksrepublik zuletzt vor zwei Jahren gegeben. An Sehenswürdigkeiten, Ausflugsorten und in Restaurants drängten sich unzählige Menschen, viele davon ohne Schutzmasken. AFP
Kliniken und Krematorien überlastet
Indien meldet 400.000 Neuinfektionen – an einem Tag
Indien hat sich zum Epizentrum der Coronavirus-Pandemie entwickelt. Die Lage ist außer Kontrolle. Internationale Hilfe rollt an. Ob das ausreicht, ist fraglich.
Es sind verstörende, unfassbare Szenen, die sich in der Coronavirus-Pandemie derzeit in Indien abspielen: Kliniken sind überfüllt, das Personal ist am Limit, es fehlt Sauerstoff, um Covid-19-Patienten zu beatmen. Da es für die vielen Erkrankten auch an Ambulanzfahrzeugen mangelt, versuchen Angehörige, ihre Familienmitglieder selbst zu medizinischen Einrichtungen zu transportieren. Oft vergebens – etliche sterben buchstäblich auf der Straße. Und die große Zahl der Covid-19-Toten schafft weitere Probleme: Die Krematorien in dem südasiatischen Land haben schon seit Tagen keine Kapazitäten mehr.
Am Samstag meldete der Staat mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern weltweit als erstes Land über 400.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Es seien fast 402.000 Fälle gemeldet worden, teilte das indische Gesundheitsministerium am Samstag mit. Damit erreichte Indien den neunten Tag in Folge einen Höchstwert. Die Gesamtzahl der Infektionen seit Beginn der Pandemie stieg auf rund 19 Millionen. Die Zahl der Covid-19-Toten erhöhte sich nach Angaben des Ministeriums um 3523 auf insgesamt fast 212.000.
Viele Kliniken weisen Patienten inzwischen ab, weil alle Betten belegt sind, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. So harrte ein 62-jähriger schwer atmender Patient verzweifelt vor dem Holy Family Hospital in Neu Delhi aus. Wir sind seit sechs Uhr morgens auf der Suche nach einem Krankenhausbett
, sagte ein Freund, der den Kranken begleitete. Wohin sollen wir nur gehen?
Zwar sind die Zahlen in Relation zur Einwohnerzahl im Vergleich mit anderen Ländern sogar noch geringer. So meldet Indien der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität zufolge pro eine Million Einwohner rund 157 Covid-19-Tote und 14.169 positive Tests. Im südamerikanischen Corona-Epizentrum Brasilien sind es 1928 Tote und 69.982 bestätigte Infektionen, auch die USA (1761/98.865) oder europäische Staaten wie Italien (1999/66.566), Frankreich (1563/84.760) und auch Deutschland (1002/41.064) liegen deutlich darüber.
Experten gehen allerdings in Indien bei den Fallzahlen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. Zudem bereitet die Dynamik des Infektionsgeschehens in dem Land, dessen Gesundheitssystem seit langem unterfinanziert ist und als völlig marode gilt, große Sorgen. Allein seit Anfang April wurden in dem Schwellenland rund sieben Millionen Ansteckungen verzeichnet.
Wegen des Ende vergangenen Jahres vergleichsweise geringen Infektionsgeschehens wurden zudem die Corona-Schutzmaßnahmen stark gelockert. Es gab Massenveranstaltungen wie religiöse Feste, Wahlkampfauftritte und Sportevents, die zum Teil von zehn- und sogar hunderttausenden Menschen besucht wurden – meist ohne Masken und Abstand. Inzwischen sind die Maßnahmen in den meisten Regionen wieder verschärft worden. Der indische Premier Narendra Modi wird inzwischen für seine Corona-Politik scharf kritisiert.
Ob der dramatische Anstieg der Infektionszahlen hauptsächlich auf die neue Virusvariante B.1.617 zurückzuführen ist, ist noch unklar. Der Virologe Christian Drosten hält die indische Coronavirus-Variante nicht für den entscheidenden Faktor für die verheerende zweite Welle. Die Mutante B.1.617 sei zwar etwas verbreitungsfähiger und robuster gegen die Immunität, sagte der Wissenschaftler von der Charité in Berlin im jüngsten NDR-Podcast Coronavirus-Update
. Das sei auch im Vergleich mit anderen Varianten nichts, was einen wirklich groß beunruhigt
.
Dorsten zufolge gibt es weitere Effekte: Herdenimmunität sei in Indien einer Studie zufolge bei weitem noch nicht erreicht gewesen. Es werde nun eine Bevölkerung durchseucht, die schon ein bisschen die Anfangsimmunität aus den bisherigen Wellen zu verlieren beginne. Zudem sei die Impfquote bisher gering.
In Indien fehlt nun Impfstoff
Wegen der Mutante haben zahlreiche Länder wie Deutschland und am Samstag die USA inzwischen die Einreiseregeln verschärft. Das Robert-Koch-Institut hat bisher in Deutschland nur etwas mehr als 20 Fälle der Virusvariante B.1.617 registriert.
Ab Samstag haben in Indien eigentlich alle Erwachsenen ein Anrecht geimpft zu werden. Dies betrifft den Plänen der Regierung zufolge rund 500 bis 600 Millionen Menschen, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Bisher war dies nur Menschen über 45 Jahren oder mit Vorerkrankungen möglich. Auch Beschäftigte im Gesundheitswesen wurden bereits geimpft.
Indien hatte sich Anfang des Jahres noch als Apotheke der Welt
präsentiert und Millionen Impfdosen an ärmere Länder verschenkt. Nun fehlt dem Land selbst der Impfstoff. Bisher wurden etwa zehn Prozent der Einwohner einmal geimpft, rund zwei Prozent sind vollständig geimpft. Wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt, ist in der Hauptstadt Neu Delhi unklar, wann wirklich alle Menschen über 18 Jahren geimpft werden. In der Finanzmetropole Mumbai wurden am Freitag die Impfzentren für mindestens drei Tage geschlossen.
Der deutsche Botschafter in Indien, Walter J. Lindner, sagte dem indischen TV-Sender CNN-News 18, dass Indien in der Coronavirus-Krise viel getan habe, Impfstoffe und Medikamente hergestellt habe. Nun sei es Zeit für Freunde, mitzuhelfen. Am startete ein erster Flug mit Hilfslieferungen aus Deutschland.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums bringt eine Luftwaffenmaschine 120 Beatmungsgeräte sowie Medikamente nach Indien. Mit an Bord sind demnach 13 Kräfte des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Sie sollen kommende Woche in Indien eine Anlage zur Herstellung von Sauerstoff für Covid-19-Patienten aufbauen und Personal vor Ort in die komplexe Anlage einweisen.
In der kommenden Woche sind weitere Flüge geplant. So soll mit zwei A400M-Transportflugzeugen die Sauerstoffanlage eingeflogen werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Lage in Indien als Worst-Case-Szenario
bezeichnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte mitteilen lassen, Deutschland stehe Seite an Seite in Solidarität mit Indien
.
Mehr als 40 Länder, darunter mehrere EU-Länder, haben Indien Hilfe zugesagt. Am Freitag traf eine erste Lieferung aus den USA ein. Ein Transportflugzeug des US-Militärs mit 400 Sauerstoffflaschen, anderer Klinikausrüstung und fast einer Million Corona-Schnelltests an Bord landete in Neu Delhi. Auch aus Russland sind schon erste Lieferungen eingetroffen.
Der britische Thronfolger Prinz Charles forderte mehr internationale Hilfe. Zusammen werden wir diesen Kampf gewinnen
, schrieb Charles am Mittwoch in einer öffentlichen Nachricht an die Menschen in Indien. Er sei tief traurig über die tragischen Bilder aus dem Land. Die Betroffenen in Indien seien in seinen Gedanken und Gebeten.
Hilfsorganisationen rufen zu Spenden auf
Zu Spenden riefen am Mittwoch auch die Diakonie Katastrophenhilfe und Caritas international auf. Caritas stellt nach eigenen Angaben sofort weitere 500.000 Euro für Hilfen bereit. Damit sollten 150 Quarantäne-Zentren in der Nähe von Krankenhäusern unterstützt werden. Dafür seien etwa Inhalationsgeräte und Sauerstoffmessgeräte angeschafft worden.
Zudem wolle Caritas Aufklärungskampagnen starten, in denen über Hygieneregeln und Impfungen informiert werde. Neben medizinischer Hilfe sei es auch wichtig, die Ärmsten wie etwa Wanderarbeiter zu unterstützen, deren Not sich wegen der vielerorts wieder geltenden Ausgangsbeschränkungen weiter verschärfe.
Wie das Entwicklungshilfswerk Misereor am Freitag in Aachen berichtete, sei die Situation vor allem in den Mega-Metropolen des Landes wie Neu Delhi oder Mumbai besonders verzweifelt, wie dortige Partner schilderten. Gerade die Bevölkerung in den engen Armenvierteln der Städte, das Gesundheitspersonal oder die vielen Leichenbestatter – meist Dalits, die am untersten Ende der sozialen Schicht stehen – sind der Pandemie oft hilf- und schutzlos ausgeliefert. Zudem leiden sie Hunger und müssen weiterarbeiten, um zu überleben
, sagte die Leiterin der Abteilung Asien und Ozeanien, Elisabeth Bially, der Nachrichtenagentur KNA. Aber auch auf dem Land spitze sich die Situation zu.
Ähnlich äußerte sich die Welthungerhilfe. Die Ärmsten könnten sich am wenigsten schützen, indem sie zu Hause blieben, sagte die Landesdirektorin der Organisation, Nivedita Varshneya. Sie müssen täglich auf Arbeitssuche gehen oder auf den Feldern arbeiten, denn sonst haben sie kein Einkommen und keine Nahrung zum Überleben. Gleichzeitig ist auf dem Land die Unwissenheit über das Virus hoch und Schutzregeln werden auch aus der Not heraus nicht befolgt.
Tgs, Sven Lemkemeyer