Die Vorfahren von Johannes Dittrich und Elisabeth Borchers
Kapitel 1:
Die Familie Dittrich
Meine Kenntnis inbetreff meiner Vorfahren väterlicherseits reicht nicht weit hinauf. Ich weiß nur noch die Namen meiner beiden Urgroßväter. Näheres weiß ich auch von ihnen nicht.
Der Vater meines Großvaters hieß Gottfried Dittrich und war, so viel ich weiß, Gerichtskretschambesitzer in Herzogswaldau bei Lüben in Niederschlesien. Kretscham ist in Schlesien die Bezeichnung für den Ortskrug. Da die Ortsgerichtsverhandlungen im Kretscham stattfanden, hatte der Regel nach der Besitzer desselben das Schulzen- oder wie man in Schlesien sagt Scholzenamt. Gottfried Dittrichs Vater oder Schwiegervater - ich weiß es nicht mehr - muss Schneider gewesen sein. Ich besinne mich nur, dass ich einst zu meiner Mutter als ich sie bei einer Näharbeit traf, sagte - ich hatte es irgendwo aufgeschnappt -: Du hast ja Schneiderblut
, worauf sie mir antwortete: das könnte man höchstens von dir sagen, denn dein Urgroßvater oder Ururgroßvater väterlicherseits ist Schneider gewesen.
Ich fragte des Näheren bei meiner Großmutter nach und erhielt von ihr Auskunft, die das bestätigte, habe es aber im Einzelnen vergessen.
Gottfried Dittrich war verheiratet mit Barbara Rosina geb. Hürdler aus Leschwitz bei Parchwitz. Er starb am 4. Mai 1828, seine Frau am 15. Februar 1830. Aus der Ehe stammten sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter. Die jüngste Johanna erbte den väterlichen Hof in Herzogswaldau. Der jüngste Sohn Gottlob fiel in der Schlacht bei Großgörschen am 2. Mai 1813. Der vorjüngste Gottfried heiratete in einen andern Hof in Herzogswaldau. Der älteste Sohn, aber unter den Kindern erst das dritte, Gottlieb, geboren den 9. Mai 1783, war mein Großvater. Er war Lehrer, zuerst Hilfslehrer in Polkwitz [heute Polkowice], dem schlesischen AbderaDie Bewohner der Stadt hatten einen ähnlichen Ruf wie die Schildbürger.Siehe Wikipedia.org [2], von dem man dieselben Geschichten erzählte wie zum Beispiel von Schilda. Dort verlobte er sich mit der Tochter des Kantors Schöbel Ernestine Friederike, geboren den 15. Dezember 1788, die er, nachdem er am 4. Januar 1812 Kantor und Lehrer in Braunau bei Lüben geworden war, als seine Frau heimführte. Von meinem Urgroßvater [Gottfried] Schöbel weiß ich nur, dass als er einst auf seinem Neujahrspflichtgang in der weit ausgedehnten Parochie von Polkwitz begriffen war, vom Schlage getroffen tot zusammenbrach. Er mochte ein hoher Sechziger sein, das Jahr des Todes weiß ich nicht. Den Schafpelz, in dem er gestorben ist, habe ich noch lange Jahre getragen und das Schaffell, als es abgenutzt war, als Fußteppich benutzt.
Mein Großvater [Gottlieb] Dittrich starb schon am 22. Juli 1839 im Alter von erst 56 Jahren. Wie mir erzählt wurde, war er magenleidend. Die Kunst des Fotografierens war damals noch nicht erfunden, und so existiert kein Bild von ihm. Denn ihn malen zu lassen, dazu reichten wohl die Mittel nicht. Ich habe wohl meinen Vater sagen hören: Wenn ich meinen Vater jetzt malen sollte, könnte ich es nicht mehr.
Er beschrieb ihn als einen Mann ungefähr von seiner Größe, aber viel schmaler gebaut als er. In einer Festschrift, die mein Vater zum 100-jährigen Jubiläum seiner Kirche in Arnsdorf verfasste und die er in der Anmerkung mit einer kurzen Selbstbiographie versah, charakterisierte er seinen Vater als einen erfahrenen, treuen, praktischen Schulmann. Er muss auch eine gute Redegabe besessen haben. In Braunau hatte der Kantor das Recht, das erste Gemeindelied für den Sonntagsgottesdienst auszuwählen. Als einst, es muss im Jahre 1827 gewesen sein, der Pastor von Braunau, Ulbrich, in der Nacht vor dem Dritten Advent plötzlich infolge eines Schlagflusses verstorben war, hat der Kantor das der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde in ergreifenden Worten mitgeteilt und seitdem alljährlich am Dritten Advent den Gottesdienst mit dem Klopstockschen Liede Wenn ich einst von jenem Schlummer, welcher Tod heißt, aufersteh
beginnen lassen. Von seiner ganzen Familie wurde er jedenfalls sehr verehrt. Auch mit dem Pfarrhause muss er stets in gutem Vernehmen gestanden haben. Der Nachfolger Ulbrichs, Heußer, hat meinen Vater für die Tertia des Gymnasiums vorbereitet und ist stets mit ihm in freundschaftlicher Verbindung geblieben. Ich habe ihn noch im Jahre 1871 mit meinem Vater in Kunnerwitz am Fuße der Landeskrone bei Görlitz, wo er damals Superintendent war, besucht.
Der ganze Stolz der Familie war mein Vater, der als einziger Sohn und Nachkömmling am 30. August 1823 nach drei Schwestern, Emilie geb. 1813, Berta geb. 1815 und Henriette geb. 1817, geboren wurde. Da er am Tage Benjamin geboren war, nannten ihn die Eltern wohl zuerst ihren Benjamin. In der Taufe aber erhielt er den Namen Julius.
Um gleich von den Schwestern meines Vaters zu erzählen, so blieb Emilie bei der Mutter bis zu deren Tode, Berta verheiratete sich, ich glaube im Jahre 1841, mit Kantor Schanter in Hummel bei Lüben, der nachdem sie ihm drei Kinder geboren hatte, die aber sämtlich ganz klein starben, schon im Jahre 1853 starb und nach dessen Tode sie nach dem nicht weit von Hummel gelegenen Heinzendorf zog, Henriette aber nahm eine Stelle als Wirtschafterin auf einem adligen Gut unweit Görlitz an, starb jedoch schon im Jahre 1844 an Typhus.
Mein Vater zeigte von früh auf gute musikalische Begabung, spielte schon als sechsjähriges Kind unter Leitung seines Vaters mit einer Hand im Gottesdienst die Orgel und versah schon mit elf Jahren den Organistendienst selbstständig. Als der Vater starb, war er ein nicht ganz 16-jähriger Sekundaner des Liegnitzer Stadtgymnasiums. Da er zu der Zeit, als der Vater starb, gerade Gymnasialferien hatte, versah er in den ersten Wochen Schul- und Organistendienst, und die Leute hätten ihn gern als Lehrer behalten. Natürlich war daran bei seiner Jugend nicht zu denken. Er selbst aber, der bei seiner guten Begabung und bei seinem Lerneifer in der Schule rasch vorwärts kam, hatte jedenfalls längst das Studium der Theologie ins Auge gefasst. Dem strebte er dann unentwegt entgegen und bestand gegen Michaelis 1842 das Abiturientenexamen. Die Mutter, die als Witwe nach dem nicht weit von Braunau gelegenen Brauchitschdorf gezogen war, beschenkte ihn in Anerkennung seines glänzenden Maturitätszeugnisses mit einem Louisdor. Als er dann nur eineinviertel Jahr später unter ihren Augen in der Brauchitschdorfer Kirche auf der Kanzel des alten Benjamin Schmolls seine erste Predigt hielt, fügte sie ein weiteres Ehrengeschenk hinzu, und er verwandte beide Gaben zu einem Siegelring mit einem Karneol, der den Zeigefinger seiner rechten Hand schmückte.
Da der Mutter Leben von nun an seinen Hauptinhalt in der Sorge für den Sohn hatte, folge ich nun wohl am besten dessen Entwicklungsgang. Er bezog im Herbst 1842 die Universität Breslau zum Studium der Theologie. Stipendien ermöglichten ihm das Studium, hinderten ihn aber auch, eine andere Universität zu beziehen als das damals wenig auf der Höhe stehende Breslau. In dem Gymnasialprogramm von Liegnitz, das ihn als Abiturienten verzeichnet, steht neben Breslau auch Halle, wo sich damals besonders auch viele Schlesier um die beiden aus Schlesien stammenden Berühmtheiten TholuckAugust Tholuck (1799-1877) war ein protestantischer Theologe. Er lehrte an der Universität Halle.Siehe Wikipedia.org [3] und MüllerJulius Müller (1801-1878) war ein protestantischer Theologe. Er lehrte an der Universität Halle.Siehe Wikipedia.org [4] sammelten, als zweite in Aussicht genannte Universität. Wie gesagt, er sah sich auf Breslau beschränkt und beteiligte sich mit fröhlichem Sinne an dem studentischen Leben. Er schloss sich der Burschenschaft an. Noch in späten Jahren habe ich ihn zu fröhlichen Studentenliedern am Klavier, auf dem er besonders in der Dämmerung zu spielen liebte, sich begleiten hören. So lernten wir von ihm: 's gibt kein schöner Leben als Studentenleben
, Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust
, Sind wir nicht zur Herrlichkeit geboren
, Bemooster Bursche zieh ich aus
und vor allem Gaudeamus igitur
. Als er einst sporenklirrend zu den Ferien bei seiner Mutter eintrat, rief ihm die entgegen: Der Tausend, drei Sporen hat er, zwei an den Füßen und einen im Kopf
. Aber alle Studentenfröhlichkeit ließ ihn fleißiges Studium nicht versäumen. Dass er auch in Professorenkreisen als tüchtiger Student galt, davon zeugt der Umstand, dass er wiederholt bei Inauguratdisputationen von Dozenten als Opponent aufgestellt wurde. So opponierte er als KursorisAbweichlerSiehe Wikipedia.org [5], [der] sich als extrordinarius in die Fakultät eindisputierte zusammen mit dem Konvertiten Alexius von Puskás. So als Heinrich August Hase, der Sohn des berühmten Bekämpfers des Rationalismus, der um diese Zeit General-Superintendent der Provinz Schlesien wurde, sich als Privatdozent habilitierte.
In den späteren Semestern seines Studiums nahm er eine Hauslehrerstelle an bei dem Professor des Kirchenrechts RegenbrechtEduard Regenbrecht (1791-1849) war ein deutscher Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer.Siehe Wikipedia.org. [6] Regenbrecht war Katholik. Aber seine Frau und seine zahlreichen Kinder waren evangelisch, und waren es mit Bewusstsein, während Regenbrecht selbst jedenfalls ein liberaler Katholik war, der damals gerade um seines Liberalismus willen, da in Breslau stiftungsmäßig ein Katholik und ein Protestant in der Verwaltung des Rektorats wechseln musste, zum Rektor gewählt wurde. Er schloss sich der deutschkatholischen Bewegung an, die zuerst in Schlesien, da RongeJohannes Ronge (1813-1887) war ein suspendierter deutscher katholischer Priester, der wesentlich zur Gründung des Bundes Freireligiöser Gemeinden beitrug und als Begründer des Deutschkatholizismus gilt.Siehe Wikipedia.org [7] ein Schlesier war, anfangs weit Breite fand. Durch Regenbrecht wurde auch mein Vater mit dem Deutschkatholizismus bekannt, besuchte auch wiederholt mit demselben die betreffende Versammlung, sah sich aber von vornherein von dem Treiben der Deutschkatholiken, das er in seinem Tagebuch gewöhnlich als Gotteslästerung bezeichnet, abgestoßen. Auch Regenbrecht wandte sich bald von denselben ab und trat zur evangelischen Kirche über.
Mein Vater, unter dem Einfluss der im Anfange seines Studiums vorzugsweise rationalistischen Fakultät zuerst selbst Rationalist, erlebte im Regenbrechtschen Hause, wohl nicht ohne Zutun der weiblichen Glieder desselben, eine innere Umwandlung. Wenigstens bekennt er in einem Briefe der ältesten Tochter Elisabeth, der er besonders nahe trat, so dass er wohl auch eine Zeit lang ernstlich an Heirat mit ihr dachte, dass sie den Jakobskampf für ihn gekämpft. Er gehörte in seinen letzten Semestern zu dem Häuflein gläubiger Studenten. Als im Jahre 1845 ein neues Ordinariat errichtet und in dasselbe Oehler aus Tübingen berufen wurde, gehörte er zu der kleinen Zahl derer, die als derselbe von der rationalistisch gerichteten Studentenschaft boykottiert werden sollte, ihm ein Auditorium sicherten.
Als er das Studium beendet und das erste theologische Examen bestanden hatte, lag ihm besonders daran, in das Haus eines bewährten Geistlichen zu kommen, um unter dessen Anleitung in die pastorale Praxis eingeführt zu werden. Er wurde aufmerksam auf das Haus des Pastors [Wilhelm] Rogge in Groß Tinz [heute Tyniec Legnicki] bei Liegnitz, der weithin als einer der gesegnetsten Seelsorger, freilich auch um seiner Bekenntnistreue willen viel angefochtener Mann bekannt war, und der damals gerade einen Hauslehrer für seine jüngsten Söhne suchte. Auf einem Missionsfest, das am 28. August 1846 in Groß Tinz gefeiert wurde, stellte er sich vor und wurde für Michaelis des Jahres als Hauslehrer angenommen. Er hat lebenslang bekannt, wie viel er Rogge für seine Amtsführung verdankte. Andrerseits erwarb er sich durch seine pädagogische Tüchtigkeit und Treue, mit der er die drei Söhne Gustav, Albert und Wilhelm leitete, sowie durch seine geisterfüllten Predigten, mit denen er den Vater ja nur darin vertrat, dessen Hochschätzung. Vor allem aber wurde sein für weibliche Anmut leicht entzündliches Herz durch den Liebreiz der mittleren der drei erwachsenen Töchter des Hauses, Margarete, gewöhnlich Meta genannt, gefesselt. Er fand auch deren Gegenliebe, die auch dadurch gewährt wurde, dass er ihr Lieder besorgte für ihre klangvolle Stimme und dieselbe auf dem Klavier begleitete. Aber gerade das Liebesverhältnis wurde Anlass, dass er nach anderthalb Jahren die Stelle im Groß Tinzer Pfarrhaus aufgab. Denn besonders von der Mutter wurde diesem Verhältnis auf alle Weise entgegengewirkt. Sie war ein stolze Frau, von Haus aus vornehm gewöhnt, in ihren Ansprüchen wohl noch bestärkt durch die Heirat ihrer ältesten Tochter [Anna] mit dem damaligen Major [Albrecht] von Roon, dem wohl damals schon eine bedeutende Zukunft winkte. Da genügte ihr der aus einem schlichten Kantorhause stammende Kandidat als Schwiegersohn nicht. Zudem war bei dem damaligen Kandidatenüberfluss auf eine baldige Anstellung nicht zu rechnen, und ihr graute vor dem Gedanken, ihren Liebling in einem unabsehbaren Brautstand verblühen zu sehen. Die Tochter wurde wiederholt auf kürzere Zeit verschickt, um möglichst den Augen des Bewerbers entrückt zu werden. Es kam auch gelegentlich zu peinlichen Auseinandersetzungen. Kurz, der junge Kandidat sah sich genötigt, das Haus, das ihm so teuer und nun doch durch den erwachten Gegensatz so unleidlich geworden war, zu räumen und sich nach einer anderen Hauslehrerstelle umzusehen. Die bot sich ihm bald in nicht zu großer Entfernung bei dem Freiherrn von Rothkirch-TrachMehr zur Familie Rothkirch-Trach in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 2, Kapitel 3Siehe Erinnerungswerkstatt.de [8] auf Bärsdorf. Die trat er am 1. April 1848 an, doch nicht ohne die Erkorene seines Herzens an sich gefesselt zu haben.
Im Rothkirchschen Hause erwarteten ihn ganz neue Verhältnisse. Die Seele des Hauses war jedenfalls die Baronin, eine geborene von Bissing, Tochter eines Offiziers, der bei Jena gefallen war, eine schöne und dabei kluge und tatkräftige Frau, die ihren Mann wohl gänzlich beherrschte, nicht ohne sympathische Eigenschaften, insbesondere eine gewisse Gutherzigkeit, aber durch und durch weltlich und aufs äußerliche gerichtet. Der Baron trat hinter seiner Frau zurück. Er war Oberlandesgerichtsrat a.D. und Mitglied des Herrenhauses, aber doch wohl ziemlich unbedeutend und wenig entschlussfähig, was man auch dem Zustand seiner großen Besitzungen anmerkte, die einen ziemlich verwahrlosten Eindruck machten, und trotz seines Reichtums immer in Geldnot. Zu Unterricht und Erziehung waren meinem Vater zwei Knaben vertraut von damals 13 und 10 Jahren, nicht unbegabt, aber durch die Verhältnisse verwöhnt und wenig lernlustig. Besonders den jüngeren der beiden, der der begabtere war, schilderte mein Vater als besonders träge. Sehr viel höher schätzte er den älteren, der bei allen Fehlern etwas Nobles hatte und der Vater auch dauernd Anhänglichkeit bewahrt hat. Vater hatte es, besonders da der Vorgänger offenbar wenig gewissenhaft gewesen war, anfangs nicht leicht, wusste sich aber bald die Achtung seiner Schüler und die Hochschätzung der Eltern zu erwerben, sodass dieselben schon damals ihm die Absicht aussprachen, wenn der zeitige damals schon hoch in den Sechzigern stehende Pastor gestorben sei oder den Dienst nicht mehr versehen könne, ihn zu dessen Nachfolger zu berufen.
Natürlich wollte Vater nicht darauf warten, sondern war eifrig bemüht, möglichst bald eine Stelle zu bekommen, und sandte verschiedene Bewerbungen ein. Nachdem einige derselben nicht berücksichtigt worden waren, wurde er zu einer Gastpredigt in Arnsdorf [heute Miłków (Podgórzyn)] unter der Schneekoppe aufgefordert und dort auch mit großer Majorität gewählt. Da gleichzeitig eine andere Stelle in dem Bärsdorf benachbarten Langenwaldau angeboten wurde, wo er die Gemeinde durch die Predigt, die er nach dem Tode des dortigen Pastors gehalten, für sich gewonnen hatte, fuhr er mit Zustimmung seiner Prinzipalität nach Groß Tinz, um von dort die Entscheidung sich zu holen. Dort durfte er sich nun die Zustimmung der Eltern seiner Meta zu seiner Verlobung holen, und diese entschied für ArnsdorfMehr zu Arnsdorf in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 1Siehe Erinnerungswerkstatt.de. [9]
Freilich wollten die Eltern das Töchterlein noch nicht so schnell hergeben. Er musste also, als seine Einführung auf den 24. Juni 1849 festgesetzt war, ohne dieselbe seinen Einzug in sein Pfarrhaus halten. Stattdessen begleiteten ihn Mutter und Schwester, die nun von Brauchitschdorf Abschied nahmen, um vorerst dem Sohn und Bruder den Haushalt zu führen. Auch als er am 14. Februar 1850 seine Braut heimführte, verließen dieselben zwar das Pfarrhaus, mieteten sich aber unweit in Arnsdorf ein und waren nun mitfühlende und mithelfende - das gilt besonders von der treuen Tante Emilie - Genossen des aufblühenden Hauses. Als Vater dann im Herbst 1857 dem ihm längst in Aussicht gestellten Ruf nach BärsdorfMehr zu Bärsdorf in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 2Siehe Erinnerungswerkstatt.de [10] folgte, trat zwar zunächst eine Trennung ein. Aber 1861 siedelten beide auch nach Bärsdorf über, und mit ihnen ging auch die Tante Berta nach Bärsdorf, die nun mit beiden einen gemeinsamen Haushalt führte, von dem es ein reges Herüber und Hinüber zum Pfarrhause gab. Besonders wir Kinder waren fast täglich Gäste bei Großmutter und den Tanten
.
Es war denselben verständlicherweise nicht leicht, als unser Vater schon im Herbst 1864 dem Ruf als Regierungs- und Schulrat nach CöslinMehr zu Cöslin in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 3 Siehe Erinnerungswerkstatt.de [11] [heute Koszalin] folgte. Die weite Entfernung, die so anders gearteten Lebensverhältnisse und der Großmutter hohes Alter ließen es ausgeschlossen erscheinen, dass sie mit uns nach Pommern übersiedelten. So war der Abschied nicht ohne bitteres Weh, und die Großmutter hat sich wohl kaum völlig mit der Trennung ausgesöhnt. Sie hatte ja die Freude, Sohn, Tochter und sämtliche Enkel noch einmal zu sehen, als wir im Sommer 1866 die schlesische Heimat besuchten. Natürlich musste sie das Wiedersehen mit vielen andern teilen, und auch das wurde ihr nicht ganz leicht. Mein Bruder Alexander und ich blieben noch am längsten bei ihr. Sie begleitete uns, als wir zur Bahn gingen, bis auf den großen Kirchsteg, der nahe ihrer Wohnung über die Schnelle Deichsa
führt. Als wir ihr Lebewohl gesagt und uns im Gehen noch einmal umwandten, um ihr zu winken, drehte sie sich nicht mehr um. Sie fühlte wohl, dass es ein Abschied für das Leben sei. Im Sommer des folgenden Jahres kamen Briefe, die uns besorgt machten. Die Brustwassersucht bildete sich aus. Im September kam, als unser Vater gerade im abgelegensten Winkel Hinterpommerns auf einer Schulrevisionsreise war, ein Telegramm, das ihre tödliche Erkrankung meldete. Von uns wieder telegraphisch benachrichtigt - das Telegramm erreichte ihn erst über eine westpreußische Stadt - eilte er an das Sterbebett der Mutter, die in seinen Armen, nachdem sie aus seinen Händen noch das heilige Abendmahl empfangen, am 14. September 1867 entschlief.
Die beiden Tanten blieben in Bärsdorf wohnen, haben uns aber wiederholt in Cöslin besucht, wie auch von uns bald der eine bald der andere sie besuchte. Emilie starb im April 1881. Berta wurde, da sie infolge körperlicher Vernachlässigung sehr hilflos geworden war, 1889 nach Stettin zu unserer Mutter übergesiedelt und starb im Januar 1893 in Finkenwalde, wohin meine Mutter, da ihre Vermögensverhältnisse sich verschlechtert hatten, von Stettin verzogen war.
[3] August Tholuck (1799-1877) war ein protestantischer Theologe. Er lehrte an der Universität Halle.
[4] Julius Müller (1801-1878) war ein protestantischer Theologe. Er lehrte an der Universität Halle.
[5] Abweichler
[6] Eduard Regenbrecht (1791-1849) war ein deutscher Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer.
[7] Johannes Ronge (1813-1887) war ein suspendierter deutscher katholischer Priester, der wesentlich zur Gründung des Bundes Freireligiöser Gemeinden beitrug und als Begründer des Deutschkatholizismus gilt.
[8] Mehr zur Familie Rothkirch-Trach in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 2, Kapitel 3
[9] Mehr zu Arnsdorf in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 1
[10] Mehr zu Bärsdorf in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 2
[11] Mehr zu Cöslin in den Erinnerungen von Johannes Dittrich Teil 3