Teil 11 - Diepholz, 1900-1906
Kapitel 11
Sorge um die Ausbildung der Kinder
Die Frage der Ausbildung meiner Kinder nötigte mich inzwischen, noch nach einer anderen Stelle mich umzusehen, die mir hierfür günstigere Bedingungen bot. Auch der Besuch der Swinemünder Schule durch Magdalene und Käthe, die mir meine Mutter ermöglicht hatte, konnte nur die Wirkung eines Aufschubs haben, da die Swinemünder Schule nur neunklassig war und also keinen Anschluss an höhere Lehranstalten bot.
Ich hatte mich daher schon 1904 um die durch den Tod des Superintendenten Dieckmann erledigte erste Stelle am Dom in Verden beworben und muss bei der Behörde für dieselbe schon ernstlich in Frage gekommen sein. Schließlich aber hatte man doch einem anderen Bewerber den Vorzug gegeben, bei dem die Verhältnisse wohl noch dringender lagen als bei mir. Ich musste mich daher einstweilen weiter gedulden. Das Jahr 1905 brachte mir noch allerhand ephorale Arbeiten, drei Einführungen von Geistlichen, zwei Visitationen und im September die Teilnahme an einem unter Leitung von Philipp Meyer stattfindenden Kursus für Jugendpflege in Hannover. Da brachte im Dezember, als ich an einer Sitzung des Ausschusses der Pfingstkonferenz teilnahm, Freytag in dieselbe die Nachricht von dem plötzlich erfolgten Tode des Superintendenten Rakenius in Lesum. Als ich spätabends nach Hause kam, fand ich auch bereits die Todesanzeige vor. Lesum, vor den Toren Bremens gelegen, bot ja für meine Kinder Fortbildungsgelegenheiten wie wenig andere Orte. Ich fasste daher gleich den Entschluss, mich um diese Stelle zu bewerben. Gleich nach Neujahr waren wir zur Hochzeit meines Neffen Albert Plathner in Thedinghausen. Dort traf ich meinen Schwager Rudolf Borchers, der mir als früherer Pastor von Osterholz, das zur Inspektion Lesum gehörte, nähere Auskunft geben konnte, und befragte ihn darum. Außerdem wandte ich mich schriftlich an Pastor sec. Freyer in Lesum. Es kam mir vor allen Dingen darauf an, zu wissen, ob auch in Lesum selbst eine Mittelschule wäre, da sonst die Ausbildungsmöglichkeiten für meine jüngeren Kinder gegen Diepholz sich verschlechtert hätten. Die Auskunft lautete befriedigend, und so ließ ich noch im Januar meine Bewerbung abgehen und wartete der kommenden Dinge.
Es war in der Tat der gegebene Zeitpunkt. Denn Ostern 1906 waren Magdalene und Käthe mit der Schule in Swinemünde fertig, und gleichzeitig Irmgard mit der Schule in Diepholz. Ich wartete daher mit großer Spannung auf das Ergebnis meiner Bewerbung. Zunächst stand Magdalenes und Käthes Konfirmation bevor. Schwager Hellmuth [Wiesener] hatte sie in Swinemünde unterrichtet. Anderthalb Wochen vor Palmsonntag kamen sie zurück, um noch den letzten Unterricht von mir zu empfangen. Da erkrankte Magdalene unmittelbar nach der Rückkehr. Der Arzt stellte ein typhöses Fieber fest. Die Konfirmation musste also aufgeschoben werden, auch Käthes, die ja an der Prüfung am Sonntag JudicaDer Sonntag vor Palmsonntag, also zwei Wochen vor Ostern [37] teilnahm und der das sehr bitter war, die aber nun nicht ohne die ältere Schwester konfirmiert werden sollte, für die allein konfirmiert zu werden besonders peinlich gewesen wäre. 26 Jahre lang hatte ich konfirmiert, ohne dass ein derartiger Fall eingetreten wäre, und nun musste mir das bei meinen eigenen Kindern passieren.
Es waren aufregende Tage. Auch Elisabeth musste wegen eines schmerzhaften rheumatischen Leidens, das sie sich durch eine Erkältung zugezogen, für einige Tage das Bett hüten. Eine Pensionärin, die wir damals im Hause hatten, Margarete Heyder, Tochter eines braunschweigischen Pfarrhauses, die im Austausch mit Thekla, die Ostern 1905 Flensburg wieder verlassen hatte, bei uns den Winter über gewesen war, musste schleunig der Ansteckungsgefahr wegen abreisen.
Zu unserer Freude und Beruhigung kam Thekla ebenso schnell zurück. Ich sehe sie noch, wie sie unangemeldet, wir saßen gerade beim Nachmittagskaffee, ihr freundliches Gesicht zur Tür herein steckte und ungesäumt die Leitung des Haushaltes in die Hand nahm.
Gottlob nahm Magdalenes Krankheit einen günstigen Verlauf und wandte sich bald zur Besserung. Ostern war sie schon wieder auf, und für QuasimodogenitiDer erste Sonntag nach Ostern [38] konnte die Konfirmation in Aussicht genommen werden. In der Osterwoche erteilte ich beiden den letzten Unterricht. Die Konfirmationsfeier schloss sich in diesem Fall natürlich an den gewöhnlichen Verlauf des Gottesdienstes an. Ich predigte über die Epistel des Sonntags, beiläufig den Text meiner ersten Konfirmationsrede in der Schlosskirche in Hannover, ohne Bezugnahme auf die Konfirmation, bat die Gemeinde nach der Predigt, an der Konfirmationsfeier teilzunehmen, und leitete dieselbe durch eine ganz kurze Ansprache im Anschluss an die Predigt ein. Die Gemeinde folgte der Feier mit Teilnahme und Aufmerksamkeit. Käthes Patentante Tina Gleiß war zu der Feier aus Geestemünde, wo sie an der dortigen höheren Mädchenschule unterrichtete, herübergekommen. Ostern kam wieder eins meiner Kinder in die Schule, Annelise, und zwar gleich in die erste Abteilung der untersten Klasse der Mittelschule. Ich hätte sie, da sie weit genug war, schon ein Jahr früher zur Schule schicken können. Da ihr aber einige Tage an dem gesetzmäßigen Alter fehlten und ich gerade als Kreis-Schulinspektor mich verpflichtet hielt, mich bei meinen Kindern streng an die gesetzlichen Vorschriften zu binden, behielt ich sie zu Hause, unterrichtete sie aber privatim, wie ich es seinerzeit mit Käthe und Irmgard getan, und hatte den gleichen günstigen Erfolg mit meinem Unterricht wie bei diesen. Martin unterrichtete ich privatim in Latein.
- Grete
- Thekla
- Gerhard
- Eva
- Annelise
- Elisabeth, geb. Borchers
- Käthe
- Johannes Dittrich
- Irmgard
- Martin
- Magdalene
Johannes Dittrich und Elisabeth Borchers mit Kindern (1905)
[38] Der erste Sonntag nach Ostern