Corona-Chronik, Juni 2020
Die Chronik dieser Pandemie hier zum Nachlesen in gesammelten Pressemeldungen.
Ischgel: Antikörperstudie zeigt weltweit höchsten Wert
Ischgl gilt als Brennpunkt für die Ausbreitung des Coronavirus. Eine Antikörperstudie zeigt: Viele Bewohner waren infiziert, die meisten haben es nicht gemerkt. Die Medizinische Universität Innsbruck hat in einer umfassenden Studie untersucht, wie viele Bewohner des österreichischen Skiorts Ischgl Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt haben. Ihr Ergebnis: 42,4 Prozent der untersuchten Menschen wiesen Antikörper auf.
Der Direktorin des Instituts für Virologie, Dorothee von Laer, zufolge ist dies der weltweit höchste bisher publizierte Wert. Rund 80 Prozent der Ischgler Bevölkerung nahmen demnach an der Studie teil. Es wurden 1.473 Probanden und Probandinnen aus 479 Haushalten getestet, darunter 1.259 Erwachsene und 214 Kinder. Ischgl hat rund 1.600 Einwohner.
Antikörper im Blut gelten als Nachweis für eine frühere Infektion.
Ischgl mit seinen Après-Ski-Bars gilt als Brennpunkt für die Ausbreitung des Coronavirus in Europa. Nach Angaben österreichischer Behörden waren zeitweise 40 Prozent aller Fälle im Inland auf Ischgl zurückzuführen. Auch viele deutsche Touristen haben sich nach ihrer Überzeugung in Ischgl mit Sars-CoV-2 infiziert und waren dann wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.
Anzeige gegen das Land Tirol
Dem Land Tirol und der Tourismusbranche wird vorgeworfen, nicht schnell genug auf die Ausbreitung reagiert und den Skibetrieb zu spät gestoppt zu haben. Der österreichische Verbraucherschützer Peter Kolba hatte das Land Tirol wegen des Managements der Corona-Krise angezeigt. Mehr als 6.000 Tirol-Urlauber, darunter viele Deutsche, hatten sich bei ihm gemeldet. Rund 1.000 Personen wollen sich dem Strafverfahren anschließen.
Die aktuelle Studie beweise, dass Covid-19 bereits im Februar in Ischgl verbreitet gewesen sein müsse, da es bei den Touristen, aber eben auch bei den Einheimischen zu einer massenhaften Ansteckung gekommen sei, sagt Kolba. Hätte man bei Personen mit ersten – vielleicht auch unklaren – Symptomen immer gleich getestet, dann wäre das auch bekannt gewesen und die Behörden hätten das Paznauntal zumindest eine Woche früher unter Quarantäne stellen müssen. Das hätte Tausende Touristen vor einer Infektion mit teils schweren Folgen bewahrt.
Eine Kommission untersucht das stark kritisierte Krisenmanagement. Zudem wird seit März gegen einen Gastronomen ermittelt, der die Infektion einer Mitarbeiterin nicht gemeldet hatte.
Bei der Antikörperstudie fiel auf, dass von den positiv auf Antikörper getesteten Personen zuvor nur 15 Prozent die Diagnose erhalten hatten, infiziert zu sein, sagte von Laer. 85 Prozent derjenigen, die die Infektion durchgemacht haben, haben das unbemerkt durchgemacht.
Trotz des hohen Antikörperwerts sei auch in Ischgl keine Herdenimmunität erreicht. Entscheidend für den Rückgang der Fälle seien die Quarantäne und die soziale Distanz gewesen, hieß es. Zeit Online, dpa
Stand Montagmorgen in Deutschland:
7.771 aktive Fälle. Weltweit gibt es der Johns-Hopkins-Universität zufolge mehr als 10,1 Millionen Infektionsnachweise, mehr als 501.000 Menschen starben an Covid-19.
Italien gedenkt der Opfer von Bergamo
Italien hat der tausenden Todesopfer des Coronavirus in der Provinz Bergamo gedacht. Das Land habe durch die Pandemie unauslöschliche Narben
bekommen, sagte Staatschef Sergio Mattarella am Sonntagabend bei einer Zeremonie in der gleichnamigen Provinzhauptstadt. Es sei das ganze Land, das in Bergamo gelitten hat, das verletzt worden ist, das geweint hat
.
Bergamo und andere nördliche Provinzen waren die am schlimmsten von dem neuartigen Virus heimgesuchten Regionen Italiens. Mehr als 6000 Menschen starben allein in der Provinz Bergamo an den Folgen der Infektion. Die dramatischen Bilder von dutzenden sich aufreihenden Särgen am Friedhof oder von Militärkonvois zum Transport von Corona-Toten gingen um die Welt. In der schlimmsten Phase der Krise fanden in Bergamo Bestattungen unter Ausschluss der Familien statt.
Auch an der Gedenkzeremonie am Sonntag am Friedhof Monumentale durften die Hinterbliebenen nicht teilnehmen. Ihre Zahl ist zu groß, als dass die Abstandsregeln zum Schutz vor dem Virus hätten eingehalten werden können. Nach einer Schweigeminute legte Mattarella einen Kranz ab. Die Epidemie hat unsere Leben verändert
, sagte der Staatschef. Alle Bürger hätten Bilder im Kopf, die sie nicht mehr vergessen könnten.
Die Krise habe Schwachstellen im italienischen System
offen gelegt, über die es ernsthaft nachzudenken gelte, sagte Mattarella auch. Doch müssten zugleich die positiven Erfahrungen in Erinnerung behalten werden, so der enorme Einsatz des Gesundheitspersonals und der Sicherheitskräfte.
Insgesamt starben in Italien mehr als 34.000 Menschen an den Folgen der Coronavirus-Infektion. Die Ausbreitung des Erregers ließ in den vergangenen Wochen stark nach, weshalb die Restriktionen des öffentlichen Lebens inzwischen weitgehend gelockert wurden. AFP
Die Lufthansa zahlt Steuern lieber auf Malta
Die Lufthansa muss in der Corona-Krise vom deutschen Staat gerettet werden. Mit Steuergeldern, die sie mithilfe von mehr als 90 Tochtergesellschaften lieber in Ländern wie Malta zahlt. Denn dort profitieren ausländische Unternehmen vom effektiv niedrigsten Steuersatz der EU. Die Lufthansa ist ein großes Unternehmen, weltweit beschäftigt sie etwa 138.000 Mitarbeiter. Zwei von ihnen arbeiten für eine kleine Tochterfirma auf Malta. Die ist so klein, dass die beiden die einzigen Mitarbeiter sind. Trotzdem haben sie voriges Jahr fast 200 Millionen Euro Gewinn für die Fluggesellschaft gemacht. Das ist ein Indiz, dass es sich nicht um eine übliche Arbeitsstätte handelt
, sagt Konrad Duffy, Referent für Finanzkriminalität bei der Bürgerbewegung Finanzwende, in der aktuellen Folge unseres Podcasts Wieder was gelernt
. Als bekannt wurde, dass die Lufthansa in der Corona-Krise mit milliardenschweren Staatshilfen vor der Pleite gerettet werden soll, hat der gemeinnützige Verein deshalb beim Netzwerk Steuergerechtigkeit eine Untersuchung in Auftrag gegeben.
Das Ergebnis ist aus Sicht der Lufthansa wenig schmeichelhaft: Die Airline habe in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt auffällig wenig Unternehmenssteuern gezahlt, heißt es im Fazit. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sie Gewinne in Schattenfinanzzentren verschiebt, also in Steueroasen. Durch Tochtergesellschaften wie der mit den zwei Mitarbeitern auf Malta. Denn davon hat die Lufthansa insgesamt 92.
Der niedrigste Steuersatz der EU
Eine hohe Zahl
, sagt Steuerexperte Duffy. Die könnte legitimiert werden, wenn die Lufthansa transparent aufzeigt, wieso das so ist. Wir finden, der Wert wirft Fragen auf: Beim genaueren Hinschauen hat sich der Verdacht auf Steuer getriebene Unternehmensstrukturen immer nur erhärtet.
Dabei sieht der maltesische Unternehmenssteuersatz auf den ersten Blick alles andere als verdächtig aus. Mit 35 Prozent verlangt die Mittelmeerinsel sogar fünf Prozent mehr als Deutschland. Aber ausländische Unternehmen bekommen einen Großteil ihrer gezahlten Steuern wenig später zurück. Im Endeffekt reduziert das den Steuersatz auf zirka fünf Prozent
, sagt Duffy. Das ist der niedrigste innerhalb der EU.
Um diese Art von Steuerumgehung und dadurch sinkende Steuereinnahmen der Staaten zu vermeiden, wünschen sich Organisationen wie die Bürgerbewegung Finanzwende mehr Transparenz. Im vergangenen November war die EU auch kurz davor, ein sogenanntes Country by Country
-Reporting einzuführen.
EU-Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, Italien und Polen waren für den Vorschlag, denn sie profitieren, wenn Unternehmen dort ihre Steuern zahlen, wo sie sitzen - nämlich in der Regel in den großen Staaten. Kleinere Länder wie Malta, Irland und Luxemburg waren gegen die Regelung. Sie wollen die Steuern über Tochtergesellschaften bei sich verrechnen.
Am Ende ging die Abstimmung knapp verloren. Unter anderem, weil Deutschland sich enthielt. Die SPD hatte das Vorhaben in der Großen Koalition zwar unterstützt, die CDU stellte sich allerdings quer. Das Country by Country
-Reporting würde deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen, ließ Wirtschaftsminister Altmaier damals mitteilen. Die Botschaft war eindeutig: Steuerumgehungen sind in Ordnung, wenn deutsche Unternehmen davon profitieren. In diesem Fall verzichtet die Bundesregierung auch auf wichtige Einnahmen, die sie in Situationen wie der Corona-Krise eigentlich gut gebrauchen könnte - um die betroffenen Unternehmen zu retten. ntv.de, Christian Herrmann
Attila Hildmann droht Journalisten bei Corona-Demonstration
Bei einer Kundgebung gegen die Pandemie-Beschränkungen kam es am Samstag zu einer Auseinandersetzung mit einem Presseteam. Die Polizei griff nicht gleich ein.
Bei der Demonstration des Vegan-Kochs Attila Hildmann, der mit Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam macht, sind Journalisten bedroht worden. Laut Polizei protestierten am Samstag etwa 200 Personen vor dem Messegelände in Berlin gegen die Corona-Regeln. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Presseteam.
Ihr seid Faschisten und wir werden eure Namen finden und dann gucken wir mal weiter
, drohte Hildmann den Journalisten. Ein Demonstrationsteilnehmer schlug auch gegen die Kamera eines Pressevertreters. Zu sehen war der Vorfall in einem Video des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus auf Twitter.
Das Jüdische Forum beschrieb die Szene als Angriff auf die Pressefreiheit
, Anhänger von Attila Hildmann hätten den Angaben zufolge die am Rande stehenden Personen aggressiv
angegangen und sie bedroht und eingeschüchtert.
Der Journalist Tobias Huch hat noch am Samstagabend Strafanzeige gegen den Vegan-Koch gestellt, schrieb dieser auf Twitter.
Kritisiert wurde unter dem Post, dass – aus dem Video ersichtlich – nur zwei Polizeibeamte anwesend waren, die erst mit einem Ja, ist doch okay
einschritten, nachdem ein Journalist die Polizisten mehrfach gebeten hatte, mehr Beamte hinzuzuziehen.
Und die Polizei steht einfach nur dabei?
Der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli schrieb auf Twitter zu dem Video: Und die Polizei steht einfach dabei und sorgt nicht für den Schutz der angegriffenen Menschen. Warum eigentlich?
Die Polizei äußerte sich am Sonntagmittag auf Twitter zu dem Vorfall: Wir haben die Pflicht, Versammlungen ungeachtet ihres Themas und die Pressefreiheit zu schützen
, schrieb sie. Provokantes oder aggressives Verhalten aus Versammlungen heraus
werde immer auch strafrechtlich bewertet. Die Polizei würde den Fall mit in die Vorbereitung künftiger Einsätze einfließen
lassen. Auch kamen einige der Demo-Teilnehmenden sowie Attila Hildmann den Journalisten immer näher, so dass sich diese rückwärts bewegten, um den Mindestabstand wiederherzustellen. Mehrmals baten Sie: Können Sie bitte ein bisschen mehr Abstand halten?
. Die Polizei schritt nicht ein. Die Szenen aus dem Video zeigen, dass weder Presseteam, noch Protestierende oder Polizei einen Mund-Nasen-Schutz trugen.
Auch AfD-naher Youtuber Stefan Bauer war auf der Demo
Auf der Demonstration war auch der AfD-nahe Youtuber Stefan Bauer, der sich in dem Video in die Auseinandersetzung einschaltet. Auch Bauer hielt den vorgeschriebenen Abstand nicht ein und begründete dies nach der Aufforderung des Pressevertreters, bitte Abstand zu halten
damit, dass er ja Journalist sei und keine Abstände einzuhalten brauche. Aus dem Video ist nicht ersichtlich, ob es auch Bauer war, der die Kamera, mit der gefilmt wurde, heruntergeschlagen hat.
Zuvor fuhr Hildmann nach Angaben der Polizei mit etwa 200 Menschen in 80 Fahrzeugen in einem Autokorso vom Olympischen Platz zur Messe Berlin. Dabei kam der Protestzug auch an der Black Lives Matter
-Demonstration an der Siegessäule vorbei. Viele Demonstrierende dürften davon jedoch nichts bemerkt haben – der Autokorso fuhr wegen der Absperrungen nur ein Viertel des Kreisverkehrs. Viele Autos waren mit Deutschlandflaggen behängt oder Transparenten, die sich gegen Bill Gates richteten.
In Brandenburg ermittelt Staatsschutz gegen Hildmann
In den vergangenen Wochen hatte Hildmann mehrfach Demonstrationen und Autokorsos gegen die Corona-Maßnahmen organisiert. Hildmann glaubt, in Kürze werde in Deutschland die Demokratie abgeschafft und von bösen, geheimen Kräften eine Neue Weltordnung
installiert. Er bezieht immer wieder Position gegen Bill Gates, dem er vorwirft, von der Corona-Pandemie zu profitieren.
In Brandenburg ermittelt der Staatsschutz des Landeskriminalamtes gegen Attila Hildmann. Es geht um die öffentliche Androhung von Straftaten sowie mutmaßlich volksverhetzende und antisemitische Äußerungen in seinem Kanal beim Social-Media-Dienst Telegram. Tagesspiegel
Rekordwert in den USA - mehr als 40.000 Neuinfektionen an einem Tag
Dramatische Zahlen aus den USA - den dritten Tag in Folge gibt es Rekordwerte für die nachgewiesenen Neuinfektionen. Nach Berechnung der Washington Post
wurde erstmals die Marke von 40.000 überschritten - mit 43.946 neuen Fällen. Der besonders betroffene Staat Florida reagierte nun mit neuen Shutdown-Maßnahmen. In einem ersten Schritt wurden dort ab sofort die Bars und Restaurants geschlossen. Kurz darauf zog Texas nach - und das, obwohl der Gouverneur Greg Abbott noch einen Tag vorher genau das ausgeschlossen hatte. [Tagesspiegel
Was Mutationen für die Pandemie bedeuten
Immer mehr genetische Veränderungen sammeln sich im Erbgut des Virus. Wird Sars-CoV-2 dadurch gefährlicher – oder macht die Evolution Covid-19 zu einer harmlosen Erkältung?
Das Coronavirus mutiert, und die genetischen Neuerungen können die Spielregeln der Pandemie ändern: Am 30. April berichtete ein Team um Bette Korber vom Los Alamos National Laboratory, eine einzelne Veränderung im Spike-Protein des Virus habe den Erreger ansteckender gemacht. Die als D614G bezeichnete Veränderung, schrieb das Team in seiner Vorabveröffentlichung, entstand im Februar in Europa und verdrängte danach weltweit andere Virusvarianten. Laut Laborstudien infizieren Viren mit dieser Mutation ihre Zielzellen effektiver.
D614G ist eine Punktmutation, bei der ein einzelner Baustein im Erbgut des Virus ausgetauscht wurde. Doch dieser Baustein veränderte das Spike-Protein, das aus der Oberfläche des Coronavirus herausragt und bestimmt, an welche Zellen das Virus andockt und sie infiziert. Aus dem kompakten Kern des Proteins ragen Molekülschleifen hervor, die an den ACE2-Rezeptor binden. Schon wenige solche Mutationen in diesen Schleifen können das Virus besser andocken lassen.
Allerdings sehen viele Fachleute diese Interpretation von D614G kritisch. Der Grund ist, dass Mutationen mit positiven Auswirkungen für das Virus äußerst rar sind, erklärt der Virologe Sébastien Calvignac-Spencer vom Robert Koch-Institut. Die meisten Behauptungen über eine derartige Entwicklung neuer Viruseigenschaften, die sich innerhalb einer Epidemie schnell verbreiteten, haben sich nicht bestätigt
, sagt er. So zum Beispiel bei Ebola.
Zwei bleibende Mutationen pro Monat
Punktmutationen wie D614G sind nicht ungewöhnlich, und die meisten von ihnen haben keine Auswirkungen. Sie sammeln sich im Lauf der Zeit im Viruserbgut an, weil der Kopiervorgang des Viruserbguts fehleranfällig ist. Es gibt umgekehrt jedoch gleich mehrere Faktoren, die den Effekt solcher Mutationen einschränken. Zum einen besitzen Coronaviren einen speziellen Mechanismus zur Fehlerkorrektur. Dann ist ein Teil der verbleibenden Mutationen stumm: Welche Aminosäure im Protein durch eine bestimmte Dreiergruppe von Genbausteinen codiert wird, bestimmen in manchen Fällen nur die ersten beiden Basen. Die dritte ist dann austauschbar, eine Veränderung hier hat keinen Effekt.
Die meisten Mutationen allerdings beseitigt die Selektion. Eine zufällige Veränderung an einem funktionierenden Protein behindert mit überwältigender Wahrscheinlichkeit dessen Arbeit. Mutationen, die großen Schaden anrichten, verschwinden schnell wieder. Etwa ein bis zwei bleibende Mutationen sammeln sich pro Monat in dem 30 000 Buchstaben langen Erbgut von Sars-CoV-2, weit weniger als zum Beispiel bei HIV oder Grippe. »Der größte Teil dieser zufälligen Veränderungen hat keinen Effekt«, erklärt Calvignac-Spencer. Zwar gebe es auch Punktmutationen, die das Virus begünstigen. »Aber das ist sehr selten«.
Viren können jedoch auch größere genetische Sprünge machen, wenn sie ganze Teile ihres Genoms untereinander austauschen. Das passiert besonders leicht bei Grippeviren, die ein segmentiertes Genom aus mehreren getrennten Einzelteilen besitzen. Infizieren zwei unterschiedliche Stämme eines solchen Virus die gleiche Zelle, enthalten die neu gebildeten Viren eine zufällige Zusammenstellung ihrer Gensegmente; ein Prozess, den man als Reassortment bezeichnet.
Allerdings geht das bei Coronaviren nicht, aus einem ganz simplen Grund. Sie haben, wie viele andere Viren, kein segmentiertes Genom. Aber auch sie können ganze Erbgutsegmente austauschen. Das geschieht durch Rekombination, den gleichen Prozess, der auch bei der Bildung von Samen- und Eizellen stattfindet. Dabei tauschen die einzelnen Chromosomen untereinander ganze Teile ihres Erbgutstrangs aus.
Auch Viren können Gene tauschen
Bei Viren ist dieser Prozess insgesamt komplexer, erklärt der Virologe Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. »Die Rekombination kann auch zwischen Virus und Wirtszelle passieren.« Außerdem können nicht zueinander passende Genstücke ebenfalls rekombinieren und unter Umständen Teile der Gene verloren gehen.
Solche Genaustausche modifizierten das Erbgut viel umfassender als Punktmutationen, sagt Calvignac-Spencer. »Allgemein kann man davon ausgehen, dass Reassortment und Rekombination die Eigenschaften deutlicher verändern als die meisten kleinen Mutationen, denn sie entsprechen einer plötzlichen Veränderung an sehr vielen Positionen gleichzeitig.« Bei Coronaviren kämen sowohl Rekombination als auch Punktmutationen relativ häufig vor, Letztere aber seltener als bei der Grippe.
Bisher gibt es keinen klaren Beleg dafür, dass Mutationen des Sars-CoV-2 den Verlauf der Pandemie beeinflussen. Rekombination hat man bisher noch nicht einmal beobachtet. Von einer Mutation mit dramatischen Auswirkungen wissen wir allerdings – jener, die den Erreger befähigte, vom Tier zum Menschen zu wechseln. Dabei erwarb das Spike-Protein eines Fledermausvirus die Fähigkeit, an den menschlichen ACE2-Rezeptor zu binden.
Für einen solchen »Glückstreffer« braucht man nicht nur sehr viele Mutationen. Sie muss auch zum Menschen gelangen und sich dort etablieren, ohne durch Zufall wieder auszusterben. Deswegen sind diese als »spillover« bezeichneten Ereignisse sehr selten. Genetische Indizien deuten darauf hin, dass die Vorläufer von Sars-CoV-2 mindestens 50 Jahre ohne grundsätzliche genetische Veränderungen in Fledermäusen kursierten, bevor es ihnen gelang, sich bei Menschen auszubreiten.
Warum Coronaviren oft auf Menschen überspringen
Trotzdem scheinen Coronaviren extrem gut darin zu sein, zwischen verschiedenen Arten zu wechseln. Allein in den letzten 20 Jahren sprangen drei neue Coronaviren auf Menschen über – in der Geschichte der Infektionskrankheiten beispiellos. Das Erfolgsgeheimnis dieser Viren scheint das Spike-Protein zu sein, mit dem sie an ihre Zielzellen andocken und in sie eindringen.
Wie sich zeigt, ist das Spike-Protein der Coronaviren perfekt dafür geeignet, den Zielrezeptor zu wechseln. An seiner Oberfläche findet sich nicht bloß ein Bereich, sondern gleich mehrere, die mit ihren variablen Proteinschleifen an Rezeptoren binden können. Schon wenige Mutationen in diesen Schleifen können verändern, an was für Rezeptoren das Virus bindet.
Vor allem aber können einige Bindungsstellen vor sich hin mutieren, ohne dass das Protein schlechter an sein ursprüngliches Ziel bindet. Denn daran sind nicht alle Bindungsstellen beteiligt. Tatsächlich können bei verschiedenen Viren unterschiedliche Bindungsstellen die gleiche Funktion übernehmen. So reagieren die Spikes des »Erkältungsvirus« HCoV-NL63 und der Sars-Coronaviren jeweils auf ACE2, allerdings mit Hilfe anderer Schleifen.
Zudem macht sich das Coronavirus das Überspringen der Artgrenze einfacher, indem es sich auf Rezeptoren spezialisiert, die eine bestimmte, in allen tierischen Zellen verbreitete Funktion haben – und deswegen in sehr vielen unterschiedlichen Tieren sehr ähnlich aufgebaut sind. Deswegen sind nur wenige Mutationen nötig, um die Wirtsspezifität zu ändern.
Am Anfang der Pandemie regiert der Zufall
Wie das Beispiel D641G zeigt, können das Spike-Protein und seine Mutationen auch für den weiteren Verlauf der Epidemie im Menschen durchaus entscheidend sein. Denn sie bestimmen, wie ansteckend der Erreger ist – und in den Bindungsstellen sammeln sich am leichtesten Veränderungen an. Zu Beginn einer Epidemie ist jedoch ein anderer Faktor viel wichtiger als Mutation und Selektion: der Zufall.
Das liegt vor allem an der sehr geringen Zahl der Infizierten zu diesem Zeitpunkt. »Hat man zwei Infizierte und einer davon trägt eine leichter übertragbare Variante, dann spielen die Umstände trotzdem eine sehr große Rolle«, sagt Calvignac-Spencer, »unabhängig von der theoretischen Fitness der Virusvariante in einer großen Population.« Beim Ausbruch ist außerdem die Zahl der genetischen Varianten sehr gering.
Den Zufall sehen einige Fachleute jedoch auch bei der auffällig großen Verbreitung der Mutation D614G zu Beginn der Pandemie am Werk. Im Mai 2020 analysierte eine internationale Autorengruppe die Verbreitungsmuster der Epidemie in Europa und Asien und kam zu dem Schluss, dass die Mutation so häufig auftritt, weil sie in drei sehr frühen unkontrollierten Ausbrüchen vertreten war.
Die bei solchen Epidemien wie in Norditalien oder New York auftretenden Genvarianten bekommen durch die hohe Zahl der Nachkommen einen Schub – ohne selbst ansteckender sein zu müssen. In den Worten der Arbeitsgruppe: »Diese Virenlinie scheint durch Glück verbreitet worden zu sein, nicht durch ihre Fitness.« Während definitive Belege noch ausstünden, sei klar, dass die besondere Bedeutung dieser Mutation übertrieben dargestellt wurde.
Dieser Gründereffekt ist bei Viren wie Sars-CoV-2, die sich überwiegend durch Superspreader und große Ausbrüche verbreiten, besonders wichtig. Er bestimmt auch zu einem großen Teil, welche Viruslinien in verschiedenen Regionen dominieren. Da ein großer Teil der Infizierten niemanden ansteckt, sterben viele andere Virenlinien aus und werden durch die Nachkommen der Superspreader-Linie ersetzt. Doch je länger die Epidemie dauert, desto geringer wird der Einfluss des Zufalls. Im Lauf der Zeit erzeugen die Mutationen immer mehr genetische Vielfalt, an der die natürliche Selektion ansetzen kann. Das kann durchaus sehr schnell gehen – zum Beispiel im Körper Infizierter.
So sieht man bei vielen RNA-Viren Fluchtmutationen, mit denen die Viren während der Infektion dem Immunsystem entkommen. Diese Mutationen verändern entscheidende Punkte in Virenproteinen, an denen Antikörper ansetzen, so dass die Viren nicht mehr erkannt werden – bei Sars-CoV-2 wurde das in Versuchen mit Antikörpern bereits beobachtet. Starker Selektionsdruck begünstigt solche Veränderungen, mit denen Viren auf direkte Angriffe reagieren. Deshalb sind sie im Vergleich zu anderen günstigen Mutationen sehr häufig. Derartige genetische Modifikationen können zum Beispiel dazu führen, dass Impfstoffe und Medikamente unwirksam werden, und sind der Grund, warum man sich mit vielen Viren mehrfach anstecken kann.
Die Zukunft von Sars-CoV-2
Aber auch größere Anpassungen, die die Eigenschaften der Epidemie allgemein verändern, sind denkbar. »Meistens werden Mutationen bevorzugt, die eine schnellere Ausbreitung ermöglichen«, sagt Cicin-Sain. Solche Mutationen könnten deswegen in einer eventuellen zweiten Welle häufiger sein. Dazu müssten sie jedoch erst einmal auftauchen, und das geschieht nicht zwangsläufig. »Die Mutationen entstehen aber durch Zufall«, erklärt der Forscher. Deswegen könne es genauso sein, dass das Virus in der nächsten Ansteckungswelle die gleichen Eigenschaften hat wie jetzt.
Langfristig allerdings wird das Virus evolvieren – sich also durch das Zusammenspiel von Mutation und Selektion an den Menschen anpassen. Das heißt auch, dass viele Mutationen, die sich am Anfang der Epidemie noch verbreiten, sich über längere Zeiträume als nachteilig erweisen und wieder verschwinden dürften. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass das Virus an Aggressivität verliert.
So gehen viele Fachleute davon aus, dass Epidemieviren dazu neigen, mit der Zeit harmloser zu werden. »Es ist tatsächlich eine sehr einleuchtende Idee, dass es im Interesse eines Krankheitserregers ist, seine Gefährlichkeit zu verringern, um seine Ausbreitung zu erhöhen und damit seine Chance, in der Bevölkerung zu bestehen«, sagt Sébastien Calvignac-Spencer. Ein extrem tödliches Virus könne zum Beispiel zu schnell töten, um sich effektiv zu verbreiten.
Es gibt eine ganze Reihe Beispiele von Viren, die mit ihren Wirten so lange gemeinsam evolvierten, dass sie nun mit ihnen koexistieren und sie nicht mehr krank machen. Einige Schlupfwespenarten kooperieren sogar mit bestimmten Viren und könnten sich ohne diese nicht mehr fortpflanzen. Auch bei Menschen scheinen einige Viren im Verdauungstrakt positive Auswirkungen auf das Immunsystem zu haben.
Doch das muss nicht so sein. »Vermutlich gibt es ein optimales Gleichgewicht zwischen Übertragbarkeit und Virulenz für Krankheitserreger«, erklärt Calvignac-Spencer, »aber es erscheint inzwischen klar, dass dieses Gleichgewicht auch schon erreicht sein kann, wenn das Virus noch gefährlich ist.« Dafür gibt es diverse Beispiele auch bei Viren, die schon Jahrtausende und länger unter Menschen kursieren – etwa Masern oder Pocken. Es gibt also keine Garantie, dass Sars-CoV-2 im Lauf der Zeit harmloser wird. [Spectrum der Wissenschaft
USA, Wahlkampf: Das Virus wird republikanisch
Donald Trump wollte das Coronavirus unbedingt aus dem Wahlkampf heraushalten. Doch nun erreicht die Zahl der Neuinfektionen ausgerechnet in den Hochburgen seiner Partei einen Höchststand. Wie ernst die Lage in Arizona ist, lässt sich an dem Schild vor einem Buchladen in Phoenix erkennen: Das Tragen von Masken im Laden ist jetzt Pflicht
, steht dort. Bis vor wenigen Tagen war es lediglich eine Empfehlung.
Arizonas Gouverneur Doug Ducey hätte es gern dabei belassen, aber die Zahl der Neuinfektionen mit Covid-19 ist in seinem Staat so dramatisch gestiegen, dass Städte und Landkreise schon seit Längerem auf eine schärfere Regelung gedrängt haben. Seit vergangener Woche dürfen sie nun selbst entscheiden, wie streng sie gegen die Ausbreitung des Virus vorgehen wollen.
Das hat die Ausbreitung von Corona bislang nicht stoppen können. Arizona hat eine der höchsten Raten an Neuinfektionen im ganzen Land. Die Zahl der Patienten mit Covid-19 in den Krankenhäusern ist auf einem Rekordstand, noch nie mussten so viele Patienten an Beatmungsgeräte angeschlossen werden.
Für einen ist das eine besonders schlechte Nachricht: Während Corona in Phoenix wütet, will Donald Trump dort am Dienstag vor Studenten auftreten. 3000 Zuschauer sollen in einer Megachurch im Norden der Stadt dem Präsidenten zujubeln.
Desaster mit Ansage
Das sei ein Gesundheitsdesaster mit Ansage
, kritisiert die Zeitung AZ Central
. Trump dagegen verkündete, er sei überhaupt nicht besorgt
, was die Folgen seines Auftritts angehe.
Es ist bereits die zweite Kundgebung des Präsidenten in einem Staat, der als Corona-Hotspot gilt. In der vergangenen Woche hatte Trump in Tulsa in Oklahoma auf einer Wahlkundgebung geredet. Auch dort steigt die Zahl der Infektionen.
Das könnte sich in nächster Zeit noch häufiger wiederholen. In zahlreichen US-Staaten infizieren sich wieder mehr Menschen mit Covid-19. Neben Arizona registrierten Texas und zuletzt Florida Höchststände bei den Neuinfektionen. Das gilt auch für Georgia, South Carolina, Utah und Arkansas. Sie haben eine Gemeinsamkeit: Sie werden alle von republikanischen Gouverneuren regiert. Eine der wenigen Ausnahmen ist das demokratisch dominierte Kalifornien, das ebenfalls Höchstwerte meldet.
Diese Entwicklung macht es Trump unmöglich, das Virus aus dem Wahlkampf herauszuhalten, wie er es eigentlich vorhatte. Das Weiße Haus hat eingeräumt, dass es mit einer neuen Welle an Infektionen im Herbst rechnet.
Bislang sind Republikaner sorgloser
Bislang hat Trump versucht, seinen Anhängern weiszumachen, das Coronavirus sei weniger gefährlich, als es die Demokraten mit ihrer Panikmache behaupteten. Mit einigem Erfolg: Umfragen zeigen, dass republikanische Wähler sich weniger Sorgen um eine Corona-Erkrankung machen als ihre demokratischen Mitbürger.
Das könnte sich nun ändern. Die von Demokraten regierten Großstädte wie New York, Chicago oder Washington verzeichnen seit einiger Zeit sinkende Zahlen. Dagegen breitet sich Covid-19 nun auch in ländlichen Regionen aus, die mehrheitlich republikanisch wählen.
Trump behauptet, es liege daran, dass mehr getestet werde. Das allein aber, darin sind sich die Experten einig, ist nicht der Grund. Tatsächlich haben Forscher schon vor Monaten prognostiziert, dass Covid-19 nach den Städten auch die Provinz heimsuchen werde.
Zudem sind besonders Staaten betroffen, die wie Texas und Florida erst spät mit landesweiten Regelungen gegen das Virus vorgegangen sind. Oder die, wie Georgia und South Carolina, gegen den Rat von Experten die Wirtschaft früh geöffnet haben.
Es hat auch nicht geholfen, dass Trump das Tragen von Masken zu einer politischen Frage gemacht hat. Dass seine glühenden Anhänger seltener Masken tragen, erhöht die Infektionsgefahr.
Statt nach dem Ende des Lockdowns in einem Triumphzug durchs Land zu ziehen, muss Trump sich wieder wegen seiner Corona-Politik rechtfertigen. Die hat von der Bevölkerung durchweg schlechte Noten bekommen und entscheidend zu seinem Umfragetief beigetragen.
Das war kein Witz, das war ein Geständnis
Joe Biden über Trumps Ankündigung, die Zahl der Covid-19-Tests zu reduzieren.
Der Präsident schätzt die Lage als sehr ernst ein. Er habe seine Leute angewiesen, die Zahl der Tests herunterzufahren, sagte er am Wochenende auf der Kundgebung in Tulsa. Eine Sprecherin erklärte hinterher, das sei nur ein Witz gewesen.
Das war kein Witz, das war ein Geständnis
, erklärte Trumps demokratischer Gegenspieler Joe Biden. Trump hat das Gegenteil von dem erreicht, was er beabsichtige. Er hat gegen eine schnelle Schließung und für eine verfrühte Öffnung der Wirtschaft plädiert. Damit wollte er das Problem schnell lösen und aus dem Wahlkampf heraushalten. Stattdessen ist es wieder mittendrin. Spiegel online
Fast 43.000 Neuinfektionen in Brasilien
Das Coronavirus breitet sich in Brasilien weiter rasant aus. Das Gesundheitsministerium meldet 42.725 Neuinfektionen. Damit steigt die Gesamtzahl der Ansteckungen auf 1,188 Millionen. Die Zahl der Todesfälle legte binnen 24 Stunden um 1185 auf 53.830 zu. Brasilien weist in der Coronavirus-Pandemie nach den USA weltweit die meisten Infektionen und Todesfälle auf. Reuters
46 neue Fälle in Berlin
In Berlin ist die Zahl der Coronavirus-Fälle um 46 auf 8020 gestiegen. 212 am Coronavirus erkrankte Menschen sind bislang gestorben, das war ein Todesfall mehr als am Vortag. 7032 Patienten gelten inzwischen als genesen. Im Krankenhaus werden noch 120 Personen behandelt, 35 von ihnen intensivmedizinisch.
Ein Wert der sogenannten Corona-Ampel steht weiter auf Rot: Die Reproduktionszahl (R-Wert) lag bei 1,32 nach 1,96 am Vortag und damit zum wiederholten Mal in Folge bei einem Wert von 1,2 oder höher. Sie gibt die Dynamik des Infektionsgeschehens an - und in den vergangenen beiden Wochen war ein deutlicher Anstieg der Neuinfektionen beobachtet worden.
Weiter im grünen Bereich sind aber die Zahl der Neuinfektionen pro Woche im Verhältnis zur Einwohnerzahl und der Anteil der Plätze, die auf Intensivstationen für Covid-19-Patienten benötigt werden. Nach der dreiteiligen Berliner Corona-Ampel müssen erst Maßnahmen erörtert und vorbereitet werden, wenn zwei der drei Indikatoren gelb sind. Stehen zwei von drei Indikatoren auf Rot, müssen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen umgesetzt werden. dpa
WHO meldet Rekordanstieg
Weltweit verbreitet sich das Coronavirus so stark wie noch nie. Die Weltgesundheitsorganisation meldet einen Rekordanstieg. In Deutschland schlägt der Ausbruch auf dem Schlachthof in NRW auf die Bilanz.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den höchsten Anstieg von Coronavirus-Fällen innerhalb eines Tages registriert. Weltweit seien mehr als 183.000 neue Fälle festgestellt worden, teilte die WHO mit. In Deutschland meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 537 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden.
Damit haben sich seit Beginn der Corona-Krise 190.359 Menschen in der Bundesrepublik nachweislich mit Sars-CoV-2 angesteckt. 8885 mit dem Virus infizierte Menschen starben - ein Plus von drei im Vergleich zum Vortag. Etwa 175.300 Menschen haben die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden. Das sind 400 mehr als noch einen Tag zuvor.
R-Wert schnellt hoch
Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, stieg nach RKI-Schätzungen über das Wochenende auch wegen des Corona-Ausbruchs auf einem Schlachthof in Nordrhein-Westfalen deutlich über den kritischen Wert von 1
an. Der Wert beträgt demnach 2,88 (Vortag: 1,79). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel zwischen zwei und drei weitere Menschen ansteckt.
Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab. Insbesondere bei einer insgesamt kleinen Anzahl von Neuerkrankungen könnten einzelne Ausbrüche zu verhältnismäßig großen Schwankungen führen, so das RKI.
Brasilien trauriger Spitzenreiter
Weltweit war Brasilien laut WHO-Mitteilung vom Sonntag trauriger Spitzenreiter mit 54.771 neuen Fällen, die USA verzeichneten 36.617 und Indien mehr als 15.400. Am Montag vermeldete das indische Gesundheitsministerium 14.821 neue Fälle. Experten zufolge können steigende Zahlen sowohl auf mehr Tests als auch auf mehr Infektionen zurückzuführen sein.
Bis Sonntag seien weltweit 8.708.008 Fälle registriert worden, so die WHO. 461.715 Menschen waren infolge des Coronavirus verstorben, ein Anstieg um 4743 Menschen im Vergleich zu Samstag. Mehr als zwei Drittel der Toten entfielen auf Nord- und Südamerika.
Zunahme in Indien in ländlichen Gebieten
In Indien nahmen die Infektionszahlen in ländlichen Gebieten zu, in die Binnenmigranten in den vergangene Wochen aus den Großstädten zurückgekehrt waren. In 98 der 112 ärmsten Bezirke seien nun Infektionen festgestellt worden, teilte die staatliche Planungsbehörde Niti Aayog mit.br> Etwa 60 Prozent der Fälle entfallen gleichwohl auf drei Bundesstaaten, in denen sich große Metropolen befinden: die Bundesstaaten mit der Hauptstadt Neu-Delhi, dem Finanzzentrum Mumbai und dem Industriezentrum Chennai. NDR Tagesschau
RKI: 587 Neuinfizierte in den letzten 24 Stunden
Die offiziellen Angaben zur Pandemie kommen vom Robert-Koch-Institut. Demnach steigt die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle um 587 auf 191.449. Weitere 19 Menschen sind binnen 24 Stunden dem Virus erlegen, wodurch die Zahl der Toten bei 8.914 liegt.
Welche Folgen die Corona-App haben könnte
Der Erfolg der Corona-App wird weniger von ihrer Bedienbarkeit abhängen – sondern davon, was nach einer Quarantänemeldung passiert. Es gibt diese magische Zahl, die seit April in der Welt ist, sie lautet 60: Wenn rund 60 Prozent der Bevölkerung die App zur Nachverfolgung von Kontakten Sars-CoV-2-positiv getesteter Menschen nutzen und sich an die Quarantäne halten, dann könnte es möglich sein, die Pandemie zu stoppen. Das ist das Ergebnis einer Modellrechnung der Universität Oxford, die seit ihrem Erscheinen gerne zitiert wird – und mittlerweile ebenso gerne kritisiert. Weil sie suggerieren könnte: 60 Prozent, das ist doch eh nicht schaffbar. Zwar nutzen 80 Prozent der über 14-Jährigen hierzulande ein Smartphone. Doch nicht jede:r wird sich die App installieren wollen und ein nicht unerheblicher Teil der Geräte wird schlichtweg zu alt sein, um die App zu unterstützen.
Nun sind in der Oxforder Modellrechnung noch ein paar Prämissen drin: Neben der App-Nutzung gibt es noch andere Schutzmaßnahmen, zum Beispiel umfangreiche Tests und den besonderen Schutz älterer Personen, die deutlich seltener Smartphones nutzen. Aber: Selbst wenn die 60 Prozent nicht erreicht werden – auch eine niedrigere Zahl an Teilnehmenden könnte laut den Autor:innen immerhin dazu beitragen, die Zahl der Infizierten und Todesfälle zu verringern. Und deshalb ist vielleicht eine andere Zahl aus der Modellrechnung viel interessanter: Pro ein bis zwei App-Nutzer:innen werde eine Infektion verhindert, so die Wissenschaftler:innen.
Die auf der App ruhenden Hoffnungen sind also groß. Sie sind es auch deshalb, weil ihre Nutzung im Vergleich zu anderen Maßnahmen – Abstand halten, Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens – vergleichsweise einfach ist und sich bei weiten Teilen der Bevölkerung in die ohnehin vorhandene Routine integriert: beim Rausgehen Smartphone einstecken.
Die Telekom, selbst an der Entwicklung beteiligt, nutzte die Vorstellung der App gleich zu PR-Zwecken – um dafür zu werben, dass sich Menschen ohne Smartphone in ihren Läden mit simplen Geräten eindecken könnten, inklusive Hilfe bei der Installation der App. Am Tag nach der Veröffentlichung jedenfalls ging die Zahl derer, die sie heruntergeladen hatten, bereits in den einstelligen Millionenbereich.
Wichtige Langstrecke
Doch ob die App ein Erfolg wird im Sinne der Pandemiebekämpfung, hängt nicht nur von dem ab, was war, sondern viel mehr noch von dem, was passieren wird.
Heruntergeladen ist eine App schnell. Bedienbarkeit, optischer Hipness-Faktor oder Energieverbrauch, all das wird vielleicht eine Rolle spielen, wenn es darum geht, die App ein paar Tage laufen zu lassen. Für einen epidemiologischen Nutzen ist aber die Langstrecke viel wichtiger. Also die über Wochen und Monate. Und da ist ein anderer Punkt zentral: Was passiert, wenn die App meldet: "erhöhtes Risiko", bitte zu Hause einquarantänen?
Mehr als eine Empfehlung ist die Meldung nicht, das ginge auch gar nicht anders bei einer freiwillig genutzten App. Nutzer:innen können sich daran halten oder es bleiben lassen. Nehmen wir an, wir haben es mit eine:r verantwortungsbewusste:n Nutzer:in zu tun. Er:sie nimmt die Quarantäne-Meldung ernst und macht sich daran, die in der App gelisteten Hinweise – ans Gesundheitsamt wenden, Arzt kontaktieren – umzusetzen. Und dann?
Bisher, ohne App, lief es so: Das Gesundheitsamt, das über einen möglicherweise risikoreichen Kontakt informiert wurde, zum Beispiel weil ein Tischnachbar des Restaurantbesuchs von letzter Woche erkrankt ist, meldet sich. Es fragt die Kontaktsituation ab und entscheidet, ob eine Quarantäne nötig ist oder nicht. Im Idealfall gibt es regelmäßige Anrufe, um nachzufragen, ob alles in Ordnung ist, ein Test-Team, das zu Hause vorbeikommt und einen Abstrich nimmt, eine Bescheinigung für den Arbeitgeber, dass man wegen Quarantäne zu Hause bleiben muss, und das Angebot, den Kontakt zu lokalen Gruppen herzustellen, die bei Einkäufen und der Versorgung helfen.Doch wenn, App-basiert, die Zahl der in Quarantäne Geschickten stark steigt, könnte folgendes passieren: Der:die verantwortungsbewusste Nutzer:in versucht zwei Tage lang die Hotlines von Gesundheitsamt, Stadt und ärztlichem Bereitschaftsdienst anzurufen, erfolglos. Nicht unrealistisch, so lief es nämlich zu Beginn der Pandemie. Der:die verantwortungsbewusste Nutzer:in hat also keine Quarantänebescheinigung für den Arbeitgeber. Keine Bescheinigung, keine Symptome? Und trotzdem 14 Tage zu Hause bleiben?
Spätestens wer zum dritten Mal in dieser Schleife landet, wird darüber nachdenken, ob der Löschen-Button nicht doch eine sinnvolle Option wäre. Und allen, die es wissen wollen, erzählen, dass das System Mist ist. Zwar hat die Bundesregierung mittlerweile festgelegt, dass, wer eine Quarantänemeldung per App bekommt, Anspruch auf einen Test hat. Das ist gut, aber zum einen machen das längst nicht alle Hausärzt:innen. Und zum anderen löst selbst ein Test den Rest der genannten Probleme nicht. Denn wie stellt das Robert-Koch-Institut so schön fest: Bei Kontakten der Risikoklasse 1 – was beispielsweise nach einem 15-minütigen Gespräch von Angesicht zu Angesicht der Fall ist, also genau die Situation, in der die App anschlägt – verkürzt auch ein negativer Test die 14-tägige Quarantäne nicht.
Was also passieren muss: Schnell und zuverlässig erreichbare zuständige Stellen, wenn ein:e Nutzer:in einen Quarantänehinweis bekommt. Und das braucht Geld und Personal, denn das lässt sich schließlich nicht erst dann anheuern, wenn die nächste Welle da ist.
Außerdem schnelle und unbürokratische Tests in einem Umfeld ohne Ansteckungsgefahr für alle, die sich sicher sind, dass sie eine falsch-positive Meldung der App bekommen haben. Und: Angesichts der aktuellen Forschungslage, die eine Inkubationszeit von einer guten Woche nahelegt, sollte die Quarantänezeit von 14 Tagen bei einem negativen Test gründlich überdacht werden. Eine gute Woche, das wäre schon deutlich überschaubarer.
Gesetzliche Regelung
Es gibt neben dieser Problematik noch einen weiteren Punkt, der die Bereitschaft zur freiwilligen App-Nutzung auf lange Sicht steigern könnte: ein Gesetz. Ob das notwendig ist, oder ob die Einwilligung ausreicht als Grundlage für die Datenverarbeitung, darüber streiten sich Jurist:innen seit einigen Wochen.
Selbst Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), die ein Gesetz derzeit ablehnt, tat sich bei der Vorstellung der App etwas schwer zu erklären, warum ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer:innen nicht dazu verpflichten können soll, die App auf ihren Diensttelefonen zu installieren. Und es ist auch kein vollkommen abwegiges Szenario, dass eine Restaurantbetreiberin oder ein Ladeninhaber entscheidet: Bei mir kommt nur rein, wer seine App mit dem Hinweis "niedriges Risiko" vorzeigt. Um seine Mitarbeitenden zu schützen, andere Kund:innen, sich selbst.
Es gäbe also einiges, was sich klarstellen ließe: Dazu wäre ein gutes, verbraucher- und privatsphärefreundliches Gesetz ein starkes Signal. Eines, das Ängste nimmt davor, dass die App mit der nächsten Infektionswelle doch zur impliziten Pflicht wird.
Open Source, ernsthafte Beteiligung der interessierten Community, ein guter Schutz der Privatsphäre, Datensparsamkeit – es sind zuletzt ein paar Dinge überraschend gut gelaufen bei der Corona-Nachverfolgungs-App. Es wäre schade, das damit aufgebaute Vertrauen zu verspielen. Jetzt, wo es sich auszahlen könnte. taz
Usedom-Urlauber aus Gütersloh aus Mecklenburg-Vorpommern verwiesen
Ein Ehepaar aus Gütersloh wurde am Montag zur Abreise aus Usedom aufgefordert. Das berichtet der NDR unter Berufung auf den Kreis Vorpommern-Greifswald. Die beiden Urlauber stammen aus einem sogenannten Risikogebiet. In der nordrhein-westfälischen Stadt war es zu einem massiven Corona-Ausbruch in der Fleischfabrik der Firma Tönnies gekommen. Bis Montag wurden 1553 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet. Tsp, NDR
Wohin fließt das Geld für leere Klinikbetten?
Bis zu 11,5 Milliarden Euro bekommen Krankenhäuser, weil sie Betten für Corona-Patienten freigehalten haben. Da fehlt Transparenz, sagen Kritiker. Kritik gab es schon frühzeitig: Als sich Bundesregierung, Kassenverbände und Kliniken in der zweiten Märzhälfte geeinigt hatten, die Krankenhäuser durch Zusatzentgelte und eine Vorhaltepauschale für jedes frei gehaltene Bett stark zu machen für die Bewältigung der erwarteten Welle von Corona-Patienten, regte sich Widerstand. Die Regelung sei zu pauschal, hieß es. Die auf Druck der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vereinbarten 560 Euro für jedes im Vergleich zu den Belegungszahlen von 2019 frei gehaltene Bett werde zu teuren Mitnahmeeffekten führen, warnten etwa die Grünen. Ab dem 1. Juli wird die Pauschale nun gestaffelt – je nach ihrem Case-Mix erhalten die Kliniken seither zwischen 360 und 760 Euro pro Bett.
Rund 2,5 Milliarden Euro sollte die Bettenprämie zunächst kosten. Tatsächlich hat das Bundesamt für Soziale Sicherung bereits bis 15. Juni den für die Verteilung zuständigen Bundesländern 5,33 Milliarden Euro überwiesen. Dazu kommen 520 Millionen Euro für zusätzliche Intensivbetten. Bis Ende September, wenn die Regelung ausläuft, könnten daraus 11,5 Milliarden Euro werden. Grund genug, genau hinzusehen, wo das Geld am Ende gelandet ist, sollte man meinen.
Im Moment sieht es jedoch nicht so aus, dass es dazu kommen wird. In den meisten Bundesländern ist keine Evaluation geplant. Auch eine Herausgabe der Daten an die für die Klinikvergütungen zuständigen Landesverbände der Krankenkassen ist nicht vorgesehen. In der dazu mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) geschlossenen Vereinbarung ist nur geregelt, dass die Länder die Daten herausgeben dürfen, aber nicht müssen.
Länder können nicht beziffern, wie Gelder verteilt werden
Auf die Frage etwa, was Nordrhein-Westfalen über die Verwendung der bisher an die Kliniken des Landes verteilten 1,3 Milliarden Euro wisse, teilte ein Sprecher von Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) mit: Hierzu haben wir keine Erkenntnisse.
Das Ministerium achte lediglich darauf, dass die Vorgaben eingehalten werden. Eine differenzierte Betrachtung der Zahlungsempfänger ist bisher nicht vorgesehen.
Auch eine Weiterleitung der Daten an die Kassenverbände ist nicht geplant. Das Gleiche in Bayern. Dort prüft die Landesregierung, ob eine Herausgabe datenschutzrechtlich überhaupt möglich ist. Allein Thüringen gehe bislang mit den Daten transparent um, heißt es.
Ein Unding, findet Sigrid König, Vorstandsmitglied des BKK-Landesverbands Bayern. Wir haben bewiesen, dass das deutsche Gesundheitswesen kurzfristig und flexibel Kapazitäten anpassen kann
, sagt sie. Dabei werde mit der Gießkanne unterstützt. Es mangelt an Transparenz, die schnellstmöglich hergestellt werden muss.
Sonst bestehe die Gefahr, dass über die Corona-Hilfe bestehende strukturelle Defizite zementiert werden
, kritisiert sie.
Strukturelle Defizite sind in Bayern und Nordrhein-Westfalen besonders groß, denn nirgends in Deutschland ist die Kliniklandschaft so zerklüftet und dominiert von kleinen Häusern wie in diesen Bundesländern. Von Dirk Janssen, stellvertretender Vorstand des BKK-Verbands Nord-West, kommt daher die gleiche Kritik: Bei der Entscheidung, eine Freihaltepauschale für alle Krankenhäuser auszuloben, hatte die Politik die schrecklichen Bilder aus Italien vor Augen
, sagt er. Jetzt zeigt sich aber, dass so starke Fehlanreize gesetzt werden.
So seien psychiatrische Einrichtungen genauso begünstigt wie Reha-Einrichtungen oder ländliche Krankenhäuser, die für die Behandlung schwer erkrankter Covid-19-Patienten gar nicht oder wenig geeignet sind
.
Für manche Häuser war es günstiger, keine Leistungen zu erbringen
Dies habe dazu geführt, dass es für etliche ökonomisch schwach aufgestellte Krankenhäuser günstiger war, gar keine Leistungen zu erbringen, als Patienten zu versorgen. Die Subvention fließe inzwischen auch für Betten, die leer geblieben seien, weil Patienten von sich aus Behandlungen vermieden oder verschoben hätten. Im Blick auf die notwendige Form der Krankenhausstruktur wäre es deshalb gut, zu untersuchen, in welchem Umfang die Vorhaltepauschalen überhaupt ihren Zweck erfüllt haben, Behandlungskapazitäten für Corona-Kranke zur Verfügung zu stellen
, findet Janssen.
Eigentlich sei das Aufgabe der Landesregierungen, sagt er. Was auf jeden Fall nicht geht, ist, dass die Landesregierungen einerseits auf eine solche Evaluation verzichten, zugleich aber nicht bereit sind, die Daten an uns weiterzugeben, damit wir diese Aufgabe erledigen können.
Janssen lobt ebenso wie König, dass inzwischen kleine Kliniken weniger Geld erhalten. Gut ist das vor allem für die Patienten. Denn wir wissen, dass etliche Corona-Kranke in kleinen Krankenhäusern gelandet sind, deren ärztliches Personal nicht über die Expertise für die Intensivbehandlung und Beatmung schwer Erkrankter verfügt.
Auch das müsse mit Blick auf eine mögliche zweite Welle aufgearbeitet werden.
Eine Konsequenz aus den jetzigen Erfahrungen muss nach Janssens Ansicht sein, die Krankenhausplanung so auszurichten, dass in Häusern der Spitzenversorgung oder in Spezialkliniken genügend Kapazitäten für den Pandemiefall konzentriert zur Verfügung stehen. Dabei könne eine Evaluierung des Subventionsprogramms für leere Betten
helfen, meint auch Reinhard Brücker, Chef der BKK Viaktiv. Wir dürfen uns nicht scheuen, die Mitnahmeeffekte öffentlich zu machen. Wenn so viel staatliches Geld bewegt wird, muss auch geprüft werden, wozu es am Ende verwendet wurde
, sagt er.
Selbst ein Haus, das geschlossen werden soll, erhält womöglich Geld
Dabei räumt Brücker ein, dass die ab Juli auf 360 Euro reduzierte Vorhaltepauschale für das von der Viaktiv betriebene Geriatrische Hütten-Hospital in Dortmund immer noch auskömmlich sei. Richtig abenteuerlich werde es aber, wenn die Staatsknete für Corona dazu führt, dass ein Haus wie das von Helios betriebene St. Josef-Hospital in Bochum-Linden Geld für leere Betten kriegt
. Bereits im Februar sei beschlossen worden, das Allgemeinkrankenhaus Ende September zu schließen. In der Folge wurde dort bereits tüchtig Personal abgebaut.
Inzwischen hat auch die Opposition im Bundestag das Problem in den Blick genommen. Die Geheimniskrämerei ist nicht nachvollziehbar
, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Maria Klein-Schmeink. Wenn man die Wirkungen dieser Regelungen evaluieren wolle, müsse auch bekannt sein, wie sich die Zahlungen in den jeweiligen Krankenhäusern auswirkten. Jens Spahn muss hier unbedingt gesetzlich nachsteuern und die Länder verpflichten, diese Zahlen offenzulegen.
Die Grünen wollen nun mit einer schriftlichen Frage an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Druck erhöhen. Sie ist eine doppelte und lautet: Beabsichtigt die Bundesregierung eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung der krankenhausindividuellen Ausgleichszahlungen? Und wenn nein, aus welchen Gründen hält die Bundesregierung eine solche Transparenzregelung für nicht notwendig?
Tagesspiegel, Peter Thelen
WHO berichtet über Rekordanstieg bei Neuinfektionen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldet einen Rekordanstieg bei den weltweiten Coronavirus-Fällen.
Die Gesamtzahl der Neuinfektionen steigt nach offiziellen Daten innerhalb eines Tages um 183.020. Laut dem täglichen Bericht der WHO meldet Nord- und Südamerika mit über 116.000 den größten Teil der Neuinfektionen.
Weltweit sind nach Angaben der WHO mehr als 8,7 Millionen Menschen an dem Virus erkrankt und mehr als 461.000 an den Folgen von Covid-19 gestorben. Bislang war am 18. Juni mit 181.232 Fällen der größte Anstieg seit dem Ausbruch des Virus verzeichnet worden.
Mehr als eine Million Infizierte in Brasilien
Brasilien verzeichnet nach offiziellen Angaben im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus mehr als eine Millionen Fälle und mehr als 50.000 Todesopfer. Die Zahl der Toten ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums binnen 24 Stunden um 641 auf 50.617 gestiegen. Weitere 17.459 Infektionen lassen die Gesamtzahl der bestätigten Fälle auf 1.085.038 klettern.
Brasilien verzeichnet nach den USA weltweit die meisten Sars-Cov2-Infektionen und Todesfälle infolge der Atemwegserkrankung. Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer mangels breiter Testmöglichkeiten weitaus höher liegen könnte. Reuters
RKI: 537 neu gemeldete Infektionen binnen 24 Stunden
Die offiziellen Angaben für Deutschland kommen vom Robert-Koch-Institut. Demnach sind die Infiziertenzahlen binnen eines Tages um 537 auf 190.359 gestiegen. Drei weitere Todesfälle sind im Zusammenhang mit Covid-19 verzeichnet. Die Zahl der Toten beläuft sich auf 8882.
Das Tagesspiegel Innovation Lab trägt die Corona-Daten live aus allen Landkreisen zusammen. Demnach gibt es insgesamt 191.576 Infizierte. 175.300 sind wieder genesen, 8961 Menschen starben. 7315 Menschen sind aktuell an Covid-19 erkrankt.
Als Wert, ab dem ein Landkreis neue Lockdown-Maßnahmen beschließen sollte, ist die Zahl 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen festgelegt. Gütersloh mit seinem massiven Ausbruch in einer Fleischfabrik reißt diesen Wert mit 283,2 deutlich. Göttingen - auch hier machte ein Ausbruch Schlagzeilen - liegt aktuell mit 48,2 Fällen pro 100.000 Einwohnern knapp darunter. Der Kreis Warendorf liegt an Platz drei der am stärksten getroffenen Kreise in Deutschland, hier liegt der Wert bei 43,2. Der Kreis grenzt direkt an den Kreis Gütersloh, die hohen Zahlen in Warendorf hängen mit dem Ausbruch in der Fleischfabrik dort zusammen.
R-Wert in Deutschland steigt auf über 2
Der Virus-Reproduktionsfaktor "R" in Deutschland ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts weiter deutlich über den kritischen Wert angestiegen. Der 4-Tage-R
werde nun auf 2,88 geschätzt, der 7-Tage-R
auf 2,03, teilte das Institut am Sonntagabend in seinem täglichen Lagebericht mit. Das sei vor allem auf lokal begrenzte Ausbrüche unter anderem auf einem Schlachthof in Gütersloh zurückzuführen. Am Samstag war der 7-Tage-R
auf 1,55, am Freitag auf 1,17, am Donnerstag auf 1,00 und am Mittwoch auf 0,89 geschätzt worden.
Da die Fallzahlen in Deutschland insgesamt auf niedrigem Niveau liegen, beeinflussen diese lokalen Ausbrüche den Wert der Reproduktionszahl relativ stark
, so das RKI. Die weitere Entwicklung muss in den nächsten Tagen beobachtet werden, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob es auch außerhalb der beschriebenen Ausbrüche zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt
, so das RKI.
Ziel ist ein Wert von unter 1, weil damit die Zahl der Infizierten rechnerisch sinkt. Das ist auch mit Blick auf die Frage wichtig, ob Lockerungen ausgeweitet oder wieder zurückgenommen werden müssten. Reuters
Spahn will Krankenhauslandschaft umbauen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Lehren aus der Pandemie ziehen. Er kündigte eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Politik und einen Umbau der Krankenhauslandschaft an. Ich hielte es für eine gute Idee, wenn der Gesundheitsausschuss zusammen mit ausgewiesenen Experten eine große Evaluation erarbeitet, aus der wir für die nächste vergleichbare Situation lernen können", sagt Spahn in einem Interview der Partnerzeitungen der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft
.
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollten nicht nur aufgeschrieben, sondern auch zügig umgesetzt werden. Dabei sieht er die Notwendigkeit von Restrukturierungen der Krankenhauslandschaft. Die hohe Zahl an Intensivbetten habe sich zwar bewährt, aber die Coronakrise habe auch gezeigt, dass wir gute Konzepte für regionale Versorgung brauchen, gerade bei den Krankenhäusern
. Es müsse deshalb Maximalversorger geben mit klar definierten Aufgaben, auch für den Fall einer Pandemie, und drumherum in der Fläche ein aufeinander abgestimmtes Angebot. Es könne nicht mehr jedes Krankenhaus alles machen.
Reuters
Die aktuellen Zahlen:
Es gibt in Deutschland mehr als 191.200 Infizierte, und 8961 Tote. Weltweit gibt es laut Johns-Hopkins-Universität mehr als 8,7 Millionen Infektionsnachweise, mehr als 464.000 Menschen starben.
Zahl der Infizierten bei Tönnies steigt auf 1331
Die Zahl der Corona-Infizierten in der Tönnies-Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück ist auf 1331 gestiegen. Dies teilte der Kreis Gütersloh am Sonntag mit. Die Reihentestungen auf dem Gelände der Firma seien am Samstag abgeschlossen worden, hieß es. Insgesamt 6139 Tests seien gemacht worden, 5899 Befunde lägen bereits vor.
Bei 4568 Beschäftigten konnte demnach das Virus nicht nachgewiesen werden. Bei den Testungen zeigte sich, dass die Zahl der positiven Befunde außerhalb der Zerlegung deutlich niedriger sind als in diesem Betriebsteil
, hieß es weiter.
In den vier Krankenhäusern im Landkreis werden derzeit 21 Covid-19-Patienten stationär behandelt. Davon liegen 6 Personen auf der Intensivstation, zwei von ihnen müssen beatmet werden. Fünf der sechs sind nach Angaben des Kreises Tönnies-Beschäftigte.
Tönnies-Mitarbeiter waren vor Quarantäne vermutlich im Ausland
Der Kreis Gütersloh hat Hinweise, dass Tönnies-Beschäftigte am Standort Rheda-Wiedenbrück vor Verhängung der Quarantäne abgereist sind. Wir haben vermehrte Mobilität wahrgenommen
, sagte eine Kreissprecherin. Das sei dem Kreis von Bürgern zugetragen worden. Eine Handhabe, das zu unterbinden, hatten wir zu der Zeit nicht.
Der Kreis hatte die Quarantäne am Freitag angeordnet. Sie gilt auch für alle Haushaltsangehörigen der Beschäftigten.
Nach Angaben der Kreissprecherin hat der Leiter des Krisenstabs, Thomas Kuhlbusch, im Zusammenhang mit den Abreisen bereits Kontakt zu den Botschaften der Herkunftsländer aufgenommen und sie darüber informiert. Einige Botschaften hätten sich auch selbst gemeldet. Botschaftsvertreter nahmen auch an der Sitzung des Krisenstabs am Sonntag in Gütersloh teil. Zuvor hatte die Bild
berichtet, dass Arbeiter nach Rumänien und Bulgarien abgereist seien.
Laschet schließt Lockdown nicht aus
Nach dem Coronavirus-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet betont, dass er nicht ausschließen könne, dass es nicht doch zu einem flächendeckenden Lockdown kommt. Unsere Aufgabe ist es zu verhindern, dass das Virus in die Bevölkerung überspringt
, sagte Laschet bei einem Besuch des Krisenstabs in Gütersloh. Es bestehe weiterhin ein enormes Pandemie-Risiko. Die Lage in Gütersloh sei deshalb besonders schwierig, weil die Mitarbeiter dezentral untergebracht seien.
Ordnungsamt und Polizei müssten die Quarantäne der Infizierten jetzt durchsetzen. In unbegrenzter Größe
sollen nun Dolmetscher nach Gütersloh kommen, um den ausländischen Mitarbeitern in ihrer Muttersprache die Auflagen zu erklären.
Den Unternehmer Clemens Tönnies will Laschet in die Pflicht nehmen. Wir werden auch Herrn Tönnies beim Wort nehmen, dass er gesagt hat, es kann keinen Zustand geben wie zuvor. Wir brauchen neue Regeln, neue Bedingungen - und das ist auch das, was wir vom Unternehmen erwarten.
Zu einer Aussage von Clemens Tönnies, das Unternehmen habe aus datenschutzrechtlichen Gründen den Behörden nicht die Wohnadressen aller Mitarbeiter nennen können, sagte Laschet: Wir müssen einen Zustand herstellen - gerade als Lehre aus der Pandemie -, dass zu jeder Zeit feststellbar ist: welcher Mitarbeiter arbeitet im Unternehmen und wo wohnt er
, sagte Laschet. In dieser Frage gebe es im Moment verschiedene Rechtsauffassungen. Gegebenenfalls müssten Gesetze entsprechend geändert werden. Wir werden prüfen, ob es Verstöße im Hygiene-und Arbeitsschutz gab
, sagte Laschet weiter. dpa
Göttingen: Eskalation in abgeriegelten Hochhaus
Göttinger Polizeipräsident nennt Einsatz absolut gerechtfertigt
.
Am Samstagabend kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Hausbewohnern. Zuvor gab es bereits Kritik an den Quarantäne-Maßnahmen. Vor dem nach einem Corona-Ausbruch abgeriegelten Hochhauskomplex in Göttingen ist die Lage am Sonnabend eskaliert. Mehrere der seit Donnerstag in dem Gebäude eingesperrten Bewohner bewarfen Polizisten mit Gegenständen, Beamte setzten Tränengas ein – Augenzeugen zufolge auch gegen Kinder. Es soll mehrere Verletzte gegeben haben.
Der Polizeieinsatz sei, auch wenn im Internet etwas anderes dargestellt wurde
in dieser Form absolut gerechtfertigt
, erklärte der Göttinger Polizeipräsident Uwe Lührig auf einer Pressekonferenz am Sonntagmittag.
Er könne nachvollziehen, dass die Quarantäne-Maßnahmen zu Unmut führen würden, aber er habe kein Verständnis
dafür, dass Angriffe auf die eingesetzten Beamtinnen und Beamten durchgeführt wurden, sagte Lührig weiter.
Dem Einsatzleiter der Göttinger Polizeiinspektion Rainer Nolte zufolge habe sich die Situation gegen 15.20 Uhr am Samstag zugespitzt. Circa 80 bis 100 Einwohner des Gebäudekomplexes hätten sich an der äußeren Absperrung befunden. Zeitgleich habe in circa 50 Metern Entfernung eine Demonstration stattgefunden. Es sei zu verstärkten Unmutsäußerungen
gekommen, die sich in Richtung Eskalation
steigerten, sagte Nolte auf der Pressekonferenz.
Menschen hätten versucht den Bauzaun zu übersteigen und Bewohner hätten sich unter anderem mit brennenden Mülleimern, Pflastersteinen und Möbelstücken bewaffnet. Eine Verstärkung der Einsatzkräfte habe einen Ausbruch verhindern können.
Göttings Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) erklärte auf der Pressekonferenz, dass er zu dem Zeitpunkt der Eskalation selbst vor Ort gewesen sei. Gegen 16.30 Uhr habe er vom Leiter der Polizei eine Nachricht erhalten, dass man zwei Personen gefunden habe, die bereit seien, mit ihm zu sprechen, sagte Köhler am Sonntag.
Er habe daraufhin mit zwei Vertretern der Hausgemeinschaft gesprochen und ihnen erklärt, wie die Quarantäne weiter verlaufen solle. Weiter habe er die beiden Männer darum gebeten, die Versammlungen vor Ort aufzulösen. Dies sei gottseidank erfolgt
.
Köhler: Ausrufe der Demonstrationen haben die Lage zumindest verschärft
Köhler könne die Frage, inwiefern die Demonstration ein Auslöser der Eskalation gewesen sei, nicht beurteilen. Er habe allerdings erkennen können, dass es aus den Demonstrationen heraus Ausrufe gegeben habe, die die Lage zumindest verschärft
hätten.
Eine von der Gruppe ohnehin am Sonnabend geplante Kundgebung zum Aktionstag Shut down Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause für alle!
wurde kurzfristig vom Marktplatz in die Groner Landstraße verlegt. Die etwa 250 Teilnehmenden hätten sich vor dem Gebäude versammelt, um ihre Solidarität mit den dort internierten Bewohnern zu zeigen sowie für den Erlass von Corona-Mietschulden, Verringerung von Mieten und gute Wohnungen für alle zu demonstrieren
, teilt Lena Rademacher von der Basisdemokratischen Linken mit.
Zahlreiche Bewohner verfolgten die Redebeiträge aus den Fenstern heraus, mehrere dutzend weitere versammelten sich an den Absperrungen.
Einsatz von Pfefferspray gegen die Bewohner - auch gegen Kinder
Rademacher zufolge hat die Polizei die Situation auf der Kundgebung eskaliert, indem sie Pfefferspray gegen Bewohnerinnen, darunter auch Kinder, einsetzte. Videos im Internet zeigen ebenfalls einen Tränengas-Einsatz vor dem Haus: Beamte versuchen so offenbar, Bewohner zurückzudrängen, die sich an einem Absperrgitter zu schaffen machen. Zu sehen ist auf einem Film auch, wie die Polizisten von Personen hinter dem Gitter mit verschiedenen Gegenständen beworfen werden. Die Göttinger Polizei sprach am Sonntag von acht verletzten Beamten. Drei von ihnen seien derzeit nicht dienstfähig.
Quarantäne für 700 Bewohner
Die Göttinger Stadtverwaltung hatte für die rund 700 gemeldeten Bewohner der als soziale Brennpunkte geltenden Wohnblocks nach ersten Corona-Fällen Tests angeordnet und eine Ausgangssperre verhängt. Nach den bisher bekannten Testergebnissen haben sich etwa 120 Menschen aus dem Haus mit dem Virus infiziert. Am Montagabend sollen weitere Testergebnisse in Teilen bekanntgegeben werden. Unter den Bewohnern sind auch etwa 200 Kinder und Jugendliche, die dort in teils äußerst prekären Verhältnissen leben.
Politiker der Grünen und Linken sowie Kirchenvertreter hatten die Verantwortlichen zuletzt wegen der drastischen Abriegelung des Wohnkomplexes kritisiert.
Die Bewohner dürfen die Gebäude zunächst bis zum 25. Juni nicht verlassen. Die Eingänge zu dem Grundstück sind verschlossen. Ein mobiles Versorgungszentrum bringt den Menschen Lebensmittel, auch Windeln und Hygieneartikel würden hier ausgegeben, sagt Sozialdezernentin Petra Broistedt.
Oberbürgermeister Ralf-Georg Köhler erklärte am Sonntag, dass die Menschen zweimal täglich mit Essen versorgt werden würden und dass sie zudem fertig verpackte Lebensmittel erhalten würden. Man würde versuchen, die Versorgung jeden Tag zu verbessern.
Eine Bewohnerin des Komplexes sagt allerdings: Wir wurden ohne Vorwarnung nicht mehr rausgelassen, konnten nicht vorher einkaufen. Was uns von der Stadt gegeben wird, sind ein paar Äpfel und abgelaufene Chips!
Stadtverwaltung, Universitätsmedizin und Hilfswerke wie das Rote Kreuz und die Johanniter betreiben vor Ort inzwischen auch eine Gesundheitsstation.
Zu der drastischen Maßnahme hat es aus Sicht von Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) und dem örtlichen Krisenstab keine Alternative
gegeben. Er sei überzeugt davon, dass man korrekt
und im Interesse der Bevölkerung gehandelt habe. Auch wenn man sich die Entscheidung über den unendlich tiefen Eingriff in Grundrechte
nicht leicht gemacht habe.
Das Ziel sei es, zweimal negativ getesteten Personen, die Möglichkeit geben, die Wohnanlage unter Auflagen zu verlassen. Dies würde bedeuten, dass Bewohner maximal zu dritt unterwegs sein dürften, einen Mund-Nase-Schutz tragen und sich beim Verlassen der Wohnung an- und abmelden müssten.
Die Quarantäne sei Köhler zufolge bewusst für sieben und nicht für 14 Tage angesetzt worden. Man wissen, dass an diesem Standort die Quarantäne sehr schwierig durchzuhalten
sei.
Warum treffen Ausgangssperren die Ärmsten der Armen?
Der evangelische Göttinger Pfarrer und Grünen-Ratsherr Thomas Harms spricht allerdings von einem verschärften Arrest
für 700 Personen. Es sei fraglich, ob eine solche Maßnahme auch in den besseren Wohngegenden angeordnet würde: Warum treffen Ausgangssperren die Ärmsten der Armen, darunter sehr viele Kinder?
Die Erniedrigten seien in Krisenzeiten mal wieder die ersten der Geschlagenen
, sagt Harms.
Auch die Basisdemokratische Linke in Göttingen kritisiert das Verhalten der Stadt scharf. Hier würden 700 Leute ohne sie vorab zu informieren interniert
und mit einem Großaufgebot an Ordnungskräften gezwungen, zusammen mit den Infizierten auf dem Gelände zu sein. Es wird riskiert, dass der gesamte Wohnblock krank wird, es wird in Kauf genommen, dass Risikopatienten in Lebensgefahr gebracht werden.
Die Nacht sei dem Einsatzleiter der Polizei Rainer Nolte zufolge ruhig verlaufen. Auch am Sonntag sei es bislang zu keiner derartigen Eskalation gekommen. Tagesspiegel, Reimar Paul, Gloria Geyer
Kein Ende in Sicht
Global gesehen ist die Coronapandemie nicht vorbei, sondern auf ihrem Höhepunkt. Dabei ist nicht Armut das Problem – vielmehr politisches Versagen.
Wer das öffentliche Leben in Deutschland verfolgt, kann leicht den Eindruck bekommen, dass die Coronakrise weitgehend vorbei ist. Geschäfte und Unternehmen haben den Betrieb wieder aufgenommen, in den Schulen läuft der Unterricht wieder an, die Straßen sind fast so voll wie vor der Epidemie. Die täglichen Lageberichte des Robert-Koch-Instituts – am Freitag ist der 100. erschienen – werden kaum noch wahrgenommen.
Und tatsächlich ist Deutschland ja sehr viel besser durch die Krise gekommen, als anfangs befürchtet wurde. Mit 8.800 Menschen sind bisher weniger Menschen gestorben als die 12.000, von denen das Innenministerium Ende März in seinem optimistischsten Szenario ausgegangen war – und nur ein winziger Bruchteil der 1,2 Millionen, mit denen für den schlimmsten Fall gerechnet wurde. Auch die Befürchtung vieler ExpertInnen, dass die Fallzahlen mit der Lockerung der Beschränkungen schnell wieder ansteigen werden, hat sich glücklicherweise bisher nicht bestätigt.
och der Blick auf Deutschland und Europa allein täuscht. Global gesehen ist Corona keineswegs auf dem Rückzug. Im Gegenteil: Die Zahl der weltweiten Neuinfektionen steigt weiterhin auf immer neue Rekorde. Lediglich der geografische Schwerpunkt hat sich verlagert.
Vor allem in Lateinamerika zeigen die Kurven jetzt steil nach oben: Mit über 20.000 bestätigten Infektionen und mehr als 1.000 Covid-19-Toten am Tag hat sich Brasilien inzwischen vor die USA geschoben. Auch in Mexiko und Chile steigen die Zahlen stark an. In Asien sind Indien und Pakistan besonders betroffen. Und weil in diesen Ländern relativ wenig getestet wird, dürfte die Dunkelziffer noch weitaus höher sein als in Europa.
Ausschlaggebend für den starken Anstieg ist nicht primär die Armut breiter Bevölkerungsteile in diesen Ländern. Auch wenn beengte und unhygienische Lebensverhältnisse und ökonomischer Druck das Ansteckungsrisiko erhöhen – was auch die Ausbrüche unter Erntehelfern und in Schlachtbetrieben in Deutschland belegt haben –, zeigen die großen Unterschiede unter Ländern in vergleichbaren wirtschaftlichen Situationen, dass vor allem die Politik dafür entscheidend ist, wie stark ein Staat von Corona betroffen ist.
Fehler der Vergangenheit rächen sich
Zum einen rächen sich jetzt Fehler der Vergangenheit: Je stärker das öffentliche Gesundheitssystem kaputtgespart und privatisiert wurde, desto schlimmer sind die Auswirkungen des Virus. Zum anderen zeigt sich – wie zuvor unter den Industrienationen schon in den USA und Großbritannien zu beobachten war –, wie sehr gerade populistische und rechtsgerichtete Regierungen in der Krise versagen. taz
Fast 500 russische Ärzte und Pfleger gestorben
Fast 500 Ärzte und anderes medizinisches Personal sind in Russland nach Behördenangaben nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Leider habe das Gesundheitswesen bisher 489 Mitarbeiter durch die Pandemie verloren, sagte die Leiterin der nationalen Gesundheitsaufsicht, Anna Samojlowa, der Staatsagentur Tass zufolge am Donnerstag in Moskau. Die Zahl ist höher als die unabhängiger Quellen, die lange Zeit mehr Todesfälle als die Behörden öffentlich gemacht hatten. Noch Ende Mai hatte das Gesundheitsministerium von lediglich 101 Toten gesprochen.
Immer wieder hatte medizinisches Personal miserable Schutzausrüstung in Krankenhäusern beklagt. Viele Mediziner machten in Videoaufnahmen Missstände öffentlich, die dazu führten, dass sich Personal in Kliniken nicht oder nur unzureichend bei der Behandlung von Corona-Patienten schützen konnte. Eine Initiative von Ärzten wandte sich Anfang Juni in einem Brief an die Regierung, um auf die lebensgefährlichen Zustände hinzuweisen.
Medien berichteten, dass das Ausmaß der Krise in den Krankenhäusern unüberschaubar sei, weil viele aus Angst vor Nachteilen im Beruf lieber schwiegen. Auch die Behandlung von Ärzten und Schwestern auf improvisierten Krankenlagern löste in den sozialen Netzwerken Entsetzen aus. Die Beamtin Samojlowa räumte bei einer Videoschalte ein, dass Russlands Gesundheitswesen am Anfang nicht auf die Pandemie vorbereitet gewesen sei. Inzwischen gebe es kaum noch Beschwerden.
Die täglichen Infektionszahlen lagen zuletzt in Russland bei über 7000. Seit Beginn der Epidemie infizierten sich nach offiziellen Angaben rund 561 000 Menschen mit dem Virus. Die Zahl der Toten wurde mit 7660 angegeben, die der Genesenen mit knapp 314 000. Russland begann auch mit klinischen Tests eines Impfstoffs an 50 Freiwilligen. Das Verteidigungsministerium teilte am Donnerstag mit, dass es dabei bisher keine Komplikationen gegeben habe. dpa
Corona-App: Ein Spielzeug für die digitale Oberklasse
In Berlin grassiert das Virus derzeit unter Menschen, die an der neuen App schon wegen fehlender Sprachkenntnisse scheitern. Der Leiter eines Berliner Gesundheitsamts über seinen Alltag fernab von Technologie.
In Berlin ist das Coronavirus in den vergangenen Tagen in mehreren Bezirken wieder verstärkt ausgebrochen. Betroffen waren dabei vor allem Sinti und Roma, die in größeren Familienverbänden nah beieinander wohnen. Im Bezirk Neukölln ist deshalb ein ganzer Häuserblock unter Quarantäne gestellt worden, auch im Bezirk Reinickendorf sind einzelne Wohneinheiten betroffen. Patrick Larscheid leitet das dortige Gesundheitsamt.
SZ: Droht die Gefahr, dass sich das Virus von Neukölln oder Reinickendorf weiter in Berlin ausbreitet?
Patrick Larscheid: Das glaube ich nicht. Die betroffenen Familien leben so dicht beieinander und sind gleichzeitig aber auch sehr abgeschottet vom Leben außerhalb, dass ich da keine Gefahr sehe.
Am Dienstag wurde die Corona-App endlich freigegeben - erhoffen Sie sich davon Hilfe?
Ich sehe die App als ein Spielzeug für die digitale Oberklasse. Mit der Realität hier in Reinickendorf hat das nichts zu tun.
Weshalb nicht?
Wir haben hier ein Infektionsgeschehen unter armen Leuten, die schlecht wohnen. Das sind Zustände, wie sie Rudolf Virchow vor 150 Jahren erlebt und bekämpft hat. Hier gibt es sie immer noch. Medizin, das zeigt sich wieder einmal, ist auch politisch: Diese Leute werden immer wieder krank, weil sie so leben, wie sie leben - in ärmlichen Verhältnissen. Und unsereins lädt sich dann die App herunter und fühlt sich gut. Ich empfinde das als eine ziemliche Heuchelei.
Aber gerade digitale Angebote reichen in unterschiedlichste soziale Schichten - ein Smartphone haben viele.
Die Leute haben tatsächlich Handys, aber die App gibt es auf Deutsch und auf Englisch, beides sprechen sie kaum.
Bringt die App Ihnen bei den Gesundheitsämtern also nichts?
Ich kann nur sagen, dass die Menschen, über die wir gerade in Berlin sprechen, nichts von einer solchen App haben. Wir erwarten uns daher von der App überhaupt nichts.
Bei den derzeit Betroffenen handelt es sich zum großen Teil um Sinti und Roma. Gibt es nur in dieser Gruppe solche Schwierigkeiten?
Nein, das erleben wir mit vielen Menschen, die in eher ärmlichen Verhältnissen leben. Das gilt für Berlin und für ganz Deutschland. Wenn Sie da einen Rädelsführer haben, der sagt, Corona, das gibt's nicht
, dann ist das die Realität, mit der wir bei den Gesundheitsämtern arbeiten müssen.
Wie reagieren Sie?
Wir machen unsere tägliche Arbeit: Wir gehen hin, wir sprechen mit den Leuten, versuchen, Vertrauen aufzubauen. Manche der Leute kennen wir ja schon seit Langem. Das ist eine ziemlich zähe und oft auch undankbare Arbeit. Die ist nie fertig, es ist ein Prozess. An einem Tag haben wir einen guten Kontakt, am nächsten schon wieder nicht.
Hilft Druck?
In unserem speziellen Fall hilft es gar nichts, da autoritär heranzugehen. Da machen die Leute eher zu, als dass Sie irgendetwas erreichen. Das ist ja bei den meisten Menschen so. Und ich werde das Notar-Ehepaar aus dem wohlhabenden Charlottenburg nicht anders behandeln, als den armen Schlucker mit kaum noch Zähnen im Mund. Süddeutsche Zeitung (SZ) Interview von Jan Heidtmann
Attila Hildmann gibt Juden die Schuld – und verteidigt Hitler
Der Berliner Kochbuchautor behauptet, jüdische Familien wollten die deutsche Rasse auslöschen
. Es gibt mehrere Strafanzeigen. Seine Botschaften werden immer hasserfüllter. Er beschimpft Gegner als Parasiten
und Untermenschen
, feiert sich selbst als deutschen Nationalisten
. Dazu verbreitet er einen kruden Mix aus antisemitischen Verschwörungsmythen, nach denen Juden etwa den Holocaust mitfinanziert hätten. Diese Zionisten
- laut Hildmann handelt es sich dabei um einen Judenstamm
- versuchten schon lange, die deutsche Rasse auszulöschen
.
Vor Wochen war der Berliner Kochbuchautor Attila Hildmann noch für seine wirren Theorien ausgelacht worden, hinter Corona stecke ein teuflischer Plan von Microsoft-Gründer Bill Gates.
Die Lügengeschichten, die er nun übers Internet streut, kursieren sonst unter Neonazis und Holocaustleugnern. Zum Beispiel: Weil sich der Judenstamm
der Zionisten für ein auserwähltes Volk
halte, wollte er Deutschland bereits nach dem Ersten Weltkrieg durch Reparationsforderungen zerstören.
Vor diesem Angriff habe Adolf Hitler die Deutschen lediglich zu schützen versucht. Im Vergleich zu Angela Merkel sei Hitler ein Segen
gewesen, schreibt Hildmann.
Der Judenstamm
der Zionisten habe dann den Holocaust mitfinanziert, nach dem Krieg habe er weiter daran gearbeitet, die deutsche Rasse
zu vernichten. Zu diesem Zweck habe er auch Angela Merkel eingesetzt, die dem Stamm ebenso angehöre wie George Soros, Mark Zuckerberg, die Rothschilds und Warburgs sowie Helmut Kohl. Aktuell planten die Zionisten einen globalen Völkermord.
Neben seinen antisemitischen Ausfällen verbreitet Hildmann verstärkt Reichsbürger-Ideologie: Deutschland habe im Zweiten Weltkrieg überhaupt nicht kapituliert, sei heute kein souveräner Staat, sondern besetztes Gebiet. Zudem bewirbt Hildmann auf seinem Kanal das extrem rechte, vom Verfassungsschutz beobachtete Compact
-Magazin. Einer Sprachnachricht gab er den Titel Mein Kampf
.
Antisemitische Lügenschrift als Lesetipp
In einer zweiten Telegram-Gruppe, in der Hildmann seine Anhänger diskutieren lässt, wird ebenfalls wüst gehetzt. Dort wird etwa die antisemitische Lügenschrift Protokolle der Weisen von Zion
zur Lektüre empfohlen. Keiner schreitet ein.
Seine Entgleisungen haben für Hildmann reale Konsequenzen. Sämtliche Händler haben seine Energy-Drinks aus den Regalen verbannt, Mitarbeiter wandten sich ebenso von ihm ab wie die Firma, die seine Flaschen abfüllte. Auch das Musikportal, bei dem Hildmann als Sponsor auftrat, will nicht mehr mit ihm in Verbindung gebracht werden.
Mittlerweile sind bei der Polizei mehrere Strafanzeigen gegen Hildmann eingegangen. Der Staatsschutz habe die Prüfung übernommen, erklärt die zuständige Polizei Brandenburg. Dort lebt der Mann. Zudem erhielt er eine Unterlassungsaufforderung von SAP-Gründer Dietmar Hopp, den Hildmann zuvor beleidigt hatte.
Seine Hoffnung, er würde Anführer einer großen Bewegung gegen die Bundesregierung und ihre Corona-Maßnahmen, hat sich ebenfalls zerschlagen. Die Teilnehmerzahlen seiner Demonstrationen dümpeln vor sich hin, ja sind verschwindend gering im Vergleich zu den Protesten von Black Lives Matter
oder der Seebrücke
. Von Bewegung keine Spur.
Zur Not müsse er eben wieder alleine protestieren, schrieb Hildmann neulich. Dabei hatte er vor kurzem noch großspurig verkündet, er werde schon bald das Amt des deutschen Staatschefs übernehmen.
Beschuss aus den eigenen Reihen
Zudem gerät er inzwischen selbst in den Fokus der Verschwörungsideologen und ihrer wirren Theorien. Manche behaupten, Hildmann sei vom deutschen Geheimdienst geschickt worden, um die Bewegung der Corona-Skeptiker durch sein peinliches Auftreten ins Lächerliche zu ziehen. Andere werfen ihm vor, er sei Mitglied des Islamischen Staats. Schließlich habe er bei Reden mehrfach den Zeigefinger gen Himmel gereckt. So geht das Erkennungszeichen der Terroristen.
Treu zu ihm hält immerhin noch Sänger Xavier Naidoo, der jüngst ebenfalls durch judenfeindliche Entgleisungen aufgefallen ist. Den Zentralrat der Juden beschimpft Naidoo als Zentralrat der Lügen
. Die dort Engagierten seien gar keine echten Juden: Wenn Ihr Juden seid, bin ich ein Koreaner.
Außerdem verkündete Naidoo, die Erde sei kein Globus. Sebastian Leber, Tagesspiegel
Gewerkschaft für sofortiges Verbot von Werkverträgen in Fleischindustrie
Ausbruch des Coronavirus in einem Schlachthof im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen …
Nach dem Ausbruch des Coronavirus in einem Schlachthof (Tönnies) im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein umgehendes Verbot von Werkverträgen. Er erwarte von der Politik, dass diesem kranken System nun endlich ein Ende gemacht wird und der Beschluss der Bundesregierung mit dem Verbot von Werkverträgen ohne Abstriche im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wird
, sagte der stellvertretende NGG-Bundesvorsitzende, Freddy Adjan, der Funke Mediengruppe. Die Fleischwarenindustrie sieht die Umsetzung des von der Bundesregierung angekündigten Verbots von Werkverträgen dagegen skeptisch. dpa
Tönnies: Niedersachsen warnt vor Personal-Verlegungen
Niedersachsen warnt vor Personal-Verlegungen aus einem Schlachthof der Tönnies-Gruppe im Landkreis Gütersloh, in dem sich zahlreiche Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert haben. Das Bundesland habe bereits im Mai nach dem Auftreten erster Infektionen in Schlachthöfen per Erlass das Durchwechseln von Personal in diesem Bereich untersagt, sagt Gesundheitsministerin Carola Reimann: Diesem Erlass ist weiter unbedingt Folge zu leisten.
Die Coronavirus-Krise lege die strukturellen Probleme in der Fleischbranche schonungslos offen
, betont sie. Für Werkvertragsbeschäftigte gebe es etwa keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Dies kann dazu führen, dass Betroffene aus finanzieller Not auch mit Symptomen weiterarbeiten.
Reuters
Corona-Masseninfektion bei Tönnies:
Belastendes Video aufgetaucht - erhebliche Zweifel an Ausbruchs-Theorie
Das Coronavirus breitet sich in Deutschland weiter aus, nun gibt es einen Massenausbruch bei Gütersloh. Der Fleischkonzern Tönnies ist betroffen.
Update, 12.35 Uhr: Robert Tönnies, Mitinhaber und Sohn des verstorbenen Gründers Bernd Tönnies, hat den Rücktritt seines Onkels Clemens Tönnies gefordert. In einem Brief wirft Robert Tönnies der Geschäftsleitung und dem Beirat des Konzerns vor, unverantwortlich gehandelt und das Unternehmen sowie die Bevölkerung gefährdet zu haben.
Beide Parteien halten je 50 Prozent an dem Unternehmen und streiten seit Jahren um die Führung und Strategie des Konzerns. Robert Tönnies wirft der Geschäftsleitung und dem kontrollierenden Beirat vor, seit 2017 geltende Unternehmensleitsätze zur Abschaffung von Werkverträgen nicht umzusetzen. Seine Hinweise und Vorstöße seien stets abgeblockt worden, heißt es in dem Brief.
Dass gerade in Schlachtbetrieben die Infektionszahlen weit überdurchschnittlich hoch sind, ist ganz sicher auch dem System der Werkverträge geschuldet; es zwingt viele Arbeiterinnen und Arbeiter in unzumutbare Wohnverhältnisse, die mit einem hohen Ansteckungsrisiko verbunden sind und nur wenig Schutzmöglichkeiten bieten, wenn einmal eine Infektion auftritt
, schreibt Robert Tönnies.
Update, 11.40 Uhr: Dass der Heimatbesuch der Angestellten über Fronleichnam den Massenausbruch in der Fleischfabrik ausgelöst hat, glaubt eine Expertin - anders als der Pandemiechef bei Tönnies - nicht.
Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Genf sagte, ein Wochenendbesuch könne keine so große Anzahl an Neuansteckungen erklären, da die Inkubationszeit viel länger sei. Der Massenausbruch weise auf ein unbemerktes, schon länger vor sich gehendes Superspreading Event
hin.
Bei engem Kontakt und unter ungünstigen Arbeits- sowie Wohnbedingungen können ein Einzelner oder nur sehr wenig initial Infizierte zu einer sehr hohen Anzahl an Sekundärinfektionen führen
, sagte Eckerle. Als weitere begünstigende Faktoren führt sie die Arbeitskleidung an, die Schmiereninfektionen auslösen könne und wirft eine Frage auf, die auch für andere Fleischbetriebe gelten dürfte: Es wäre wichtig zu klären, inwieweit Masken bei engem Kontakt auf der Arbeit getragen wurden, und ob es überhaupt die Möglichkeit gibt, konstant die aktuellen Regeln wie Abstandhalten und Handhygiene einzuhalten.
Update, 10.34 Uhr: Bei Twitter ist nun ein Video aufgetaucht, das die Zustände in dem Konzern zeigen soll. Darin zu sehen ist eine überfüllte Kantine, in der die Mitarbeiter ohne Coronavirus-Mindestabstand dicht nebeneinander sitzen.
Wie ein Bericht der Tageszeitung Die Glocke sowie Dokumente im Ratsinformationssystem der Stadt Rheda-Wiedenbrück zeigen, ist das Video jedoch nicht aktuell. Mittlerweile erklärte ein Unternehmenssprecher, dass das Video bereits seit Ende März bekannt sei. Inzwischen seien ganz andere Regelungen eingeführt worden, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.
Update vom 18. Juni, 9.58 Uhr: Inzwischen sind mehr als 65 Prozent der Beschäftigten im Bereich Schweineschlachtung mit dem Coronavirus infiziert. Der Kreis Gütersloh hatte insgesamt 1050 Coronavirus-Tests für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Fleischkonzerns angeordnet. Stand Mittwochabend lagen 983 Ergebnisse vor. Am Mittwoch um 14 Uhr war der gesamte Betrieb heruntergefahren worden.
Laut Unternehmenssprecher ist der Bereich Schweineschlachtung besonders betroffen, weil die kühlen Temperaturen* in diesem Bereich für die Verbreitung des Coronavirus ideal sind. Armin Laschet, Ministpräsident von Nordrhein-Westfalen widersprach dem: Das hat mit der Unterbringung von Menschen in Unterkünften und Arbeitsbedingungen in Betrieben zu tun.
Die Ursache des Ausbruchs ist womöglich das lange Wochenende, an dem viele der meist polnischen und rumänischen Beschäftigten zu ihrer Familie gefahren sein dürften. Um weitere und größere Ausbrüche zu verhindern hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) verkündet, alle Arbeitnehmer von Schlachthöfen in NRW testen zu wollen.[Reuters
40.000 ausländische Erntehelfer mit Sonderregelung eingereist
Mit der Sonderregelung für die Landwirtschaft wegen der Corona-Krise sind …
Mit der Sonderregelung für die Landwirtschaft wegen der Corona-Krise sind im Frühjahr insgesamt 40.300 Saisonkräfte aus dem Ausland nach Deutschland gekommen.Das teilte der Bauernverband nach Daten der Bundespolizei mit. Damit wurde das mögliche Kontingent von bis zu 80.000 ausländischen Erntehelfern zur Hälfte ausgeschöpft. Einreisen angemeldet hatten demnach 2300 Landwirtschaftsbetriebe.
Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Sonderregelung sei wegen der geschlossenen Grenzen extrem wichtig für die Betriebe gewesen. Nur so hätten sie weiter der Verpflichtung nachkommen können, die Bevölkerung mit heimischen Nahrungsmitteln zu versorgen. Angesichts drohender Engpässe hatte die Bundesregierung die begrenzte Einreise von Saisonkräften nur per Flugzeug erlaubt. Damit verbunden waren strenge Vorgaben zum Gesundheitsschutz. dpa
Habeck: Corona-App muss auch auf alten Smartphones laufen
Grünen-Chef Robert Habeck hat Einschränkungen der Corona-Warn-App kritisiert. Es ist wirklich ein Problem, dass die App nur auf neueren Smartphones läuft. Dadurch lässt sie ausgerechnet Ältere oder Menschen mit wenig Geld außen vor
, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch sie müssen erfahren können, ob sie mit Infizierten Kontakt hatten. Die Bundesregierung muss jetzt alles dafür tun, dass möglichst alle Menschen die App nutzen können.
dpa
YouGov Umfrage: Corona-App stößt auf breite Ablehnung
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov für Handelsblatt Inside Digital Health
wollen 39 Prozent der Befragten die Corona-Warn-App der Bundesregierung sicher nicht nutzen
. 32 Prozent seien in dieser Frage noch unentschieden. 19 Prozent gaben an, die App nutzen zu wollen. Sieben Prozent sagten, sie würden dies bereits tun. Vier Prozent hatten keine Meinung zu dem Thema. An der am Dienstag durchgeführten Umfrage nahmen den Angaben zufolge 585 Menschen teil. Reuters
Wer bekommt wie viel für die Corona-Warn-App?
Die Bundesregierung hat aufgeschlüsselt, was die neue Corona-Warn-App insgesamt kostet …
Gesamtkosten von 68 Millionen Euro. Die Bundesregierung hat aufgeschlüsselt, was die neue Corona-Warn-App insgesamt kostet und wer wie viel Geld erhält.Die Zahl der Downloads bewegt sich mittlerweile im Millionenbereich.
Die Corona-Warn-App der Bundesregierung ist für die Nutzer kostenlos, für die Steuerzahler aber keineswegs. Für Wartung, Pflege und Betrieb der App und anderer Komponenten veranschlagt der Bund in diesem und im kommenden Jahr insgesamt rund 48 Millionen Euro, allerdings inklusive Umsatzsteuer, die zum Teil an ihn zurückfließt. Das geht aus Antworten des Finanzministeriums auf Fragen des Haushaltsexperten Victor Perli von der Linkenfraktion hervor, die dem SPIEGEL vorliegen.
Als Kosten für die App-Entwicklung waren von der Bundesregierung zuvor rund 20 Millionen Euro genannt worden. Dazu sollten noch 2,5 Millionen bis 3,5 Millionen Euro im Monat für die laufenden Betriebskosten kommen, unter anderem für zwei Telefon-Hotlines - das wären für 2020 und 2021 zusammen zwischen 45 Millionen und 63 Millionen Euro. In diesem Bereich liegen jene 48 Millionen, die in den Antworten an Perli genauer aufgeschlüsselt werden.
Demnach entfallen auf den Softwarekonzern SAP rund 9,5 Millionen Euro für die App-Entwicklung, zuzüglich Umsatzsteuer, plus zwei Millionen für die Wartung der Software in den Jahren 2020 und 2021. Auf die Telekom-Tochter T-Systems entfallen maximal 7,79 Millionen Euro für die Inbetriebnahme (ebenfalls plus Steuern) sowie 43 Millionen Euro für den Betrieb der App. Darunter fallen Kosten für die Wartung und den Betrieb der Server, für die Infrastruktur, die IT-Security sowie die Hotline. Spiegel Netzwelt
Australien will Grenzen bis 2021 geschlossen halten
Australien wird seine Grenzen für ausländische Reisende wahrscheinlich nicht vor kommendem Jahr öffnen, wie Handelsminister Simon Birmingham sagt. Geprüft werde aber eine Lockerung der Einreisevorgaben für Studenten und andere Langzeitbesucher. Reuters
Präsident von Honduras an Covid-19 erkrankt
Der Präsident von Honduras, Juan Orlando Hernández, ist an Covid-19 erkrankt und hat sich in Isolation begeben. Auch seine Ehefrau Ana García de Hernández und zwei seiner Mitarbeiter seien positiv auf das Coronavirus getestet worden, erklärte er in einer Videoansprache. Er habe am Wochenende begonnen, sich unwohl zu fühlen, und sich daher testen lassen, sagte der Staats- und Regierungschef des mittelamerikanischen Landes. Er habe leichte Symptome und fühle sich nach einer ersten Behandlung mit den von honduranischen Medizinern empfohlenen Mitteln bereits besser. Der Präsident stehe unter medizinischer Beobachtung, teilte sein Büro mit. dpa
RKI: 345 nachgewiesene Neuinfektionen in Deutschland
Innerhalb von 24 Stunden haben die Gesundheitsämter in Deutschland dem Robert Koch-Institut (RKI) 345 neue Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Damit haben sich seit Beginn der Corona-Krise 187.184 Menschen in Deutschland nachweislich mit Sars-CoV-2 angesteckt, wie das RKI meldete (Datenstand 17.6., 0.00 Uhr). 8830 mit dem Virus infizierte Menschen starben nach RKI-Angaben in Deutschland - das bedeutet ein Plus von 30 im Vergleich zum Vortag. Etwa 173.600 Menschen haben die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden. Das sind 500 mehr als noch einen Tag zuvor.
Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, sank auf die kritische Marke von 1,0. Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab. Am Vortag hatte er bei 1,19 gelegen. Seit Mitte Mai gibt das RKI zudem ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Es bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 0,86 (Vortag: 0,95). dpa
Mit Schweigen zugedeckt. Die Navajo Nation und der Nuklearunfall von Church Rock
Die Native Americans leben ganz am Rand der amerikanischen Gesellschaft, und in der grössten Reservation
des Landes, der Navajo Nation, wütet auch das Corona Virus besonders stark. Wie ein krasser Fall von Umweltrassismus vor 41 Jahren zeigt, hat die Vernachlässigung der Navajo System.
Schonungslos wirft die Corona-Pandemie ein Schlaglicht auf die extrem ungleichen Lebensverhältnisse in den USA. Anfang Mai 2020 waren im Bundesstaat New Mexiko über 50 Prozent der an Covid-19 erkrankten Personen Native Americans, obwohl sie nur etwas mehr als 10 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Besonders hart schlug das Virus in der Navajo Nation zu, dem grössten Reservat in den USA. Gleich nach New York und New Jersey wies es die dritthöchste Ansteckungsrate pro Kopf auf. Im verarmten Reservat leben zahlreiche Menschen in Mehrgenerationenhäusern und verfügen 30 Prozent der Haushalte über keinen Zugang zu fliessendem Wasser, was Distanz- und Hygienemassnahmen illusorisch macht.
Die staatliche Vernachlässigung besitzt hier Tradition, wie ein krasser Fall von Umweltrassismus aufzeigt, der sich vor 41 Jahren unweit der Navajo Nation zutrug. 1979 ereigneten sich in den USA innerhalb von bloss 14 Wochen zwei schwere Nuklearunfälle: der von Three Mile Island nahe der Stadt Harrisburg im Bundesstaat Pennsylvania und der von Church Rock, New Mexico. Während der erste international für Schlagzeilen sorgte und der jungen Antiatomkraft-Bewegung in Nordamerika und Europa weiteren Auftrieb verlieh, blieb der zweite Vorfall ein regionales Ereignis, das bald in Vergessenheit geriet. Mit der Menge der freigesetzten Radioaktivität lässt sich nicht erklären, weshalb die partielle Kernschmelze von Harrisburg zu einem globalen Medienereignis wurde und der Unfall von Church Rock kaum Beachtung fand. Obwohl die fernsehschauende Welt erstmals in der privaten Wohnstube auf die ausser Kontrolle zu geratenden Vorgänge im Reaktorgebäude von Three Mile Island blickte, gelangte hier weit weniger Radioaktivität in die Umwelt als dreieinhalb Monate später in Church Rock. Dort, weitab der grossen Bevölkerungszentren und der TV-Kameras, trug sich der bislang grösste zivile Atomunfall in den Vereinigten Staaten zu.
Der Uranboom in New Mexico
Church Rock liegt in der Nordwestecke des Gliedstaats New Mexico, am südlichen Rand des Navajo-Reservats. Die kleine, 1979 von etwa 1600 Navajo bewohnte Siedlung wurde im Zweiten Weltkrieg gegründet, als Schlafdorf für indianische Angestellte, die in Fort Wingate, einem riesigen Munitionsdepot der US-Armee, arbeiteten.
Rund um das Navajo-Dorf, östlich der Stadt Gallup und unweit der Zuni-Reservation gelegen, entwickelte sich während des Kalten Krieges eines der wichtigsten Zentren des Uranabbaus in den USA. In der abgelegenen Region des ländlichen Südwestens konnten von 1948 an Bergbaufirmen (wie Kerr-McGee, Anaconda oder United Nuclear) fast ohne Rücksicht auf die Umwelt und die hier lebenden Menschen uranhaltiges Erzgestein aus der Erde sprengen. Für ihr Atombombenprogramm in der Systemkonfrontation mit der Sowjetunion, aber auch um den unersättlichen Energiebedarf ihrer Massenkonsumgesellschaft zu stillen, benötigte die Supermacht Unmengen an Uran. Diesen Rohstoff in ausreichenden Mengen zu fördern, war die entscheidende Voraussetzung dafür, um Atombomben herzustellen und Reaktoren in Kernkraftwerken zu betreiben.
Allein um Church Rock waren über die Jahre 20 Uranminen in Betrieb. Wie auf dem Territorium der Navajo Nation, dem mit mehr als 67.000 Quadratkilometern grössten Indianerreservat in den USA, schuf der Uranboom unzählige schlecht bezahlte Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Gegend. Die von den Betreibern beschäftigen Navajo schufteten in den Minen durchwegs unter prekären Bedingungen, anfänglich meist ohne Schutzkleidung, Masken und Handschuhe sowie ohne jede Aufklärung über die beträchtlichen Gesundheitsgefahren. Viele der Arbeiter waren des Englischen nicht mächtig, wodurch ihnen der Zugang zu unabhängiger Information verwehrt war.
Überdies gab es in der Navajo-Sprache kein Wort für Radioaktivität und keine Denkfigur, um die Wirkung von Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung zu beschreiben. Nach wenigen Jahren bildeten Hunderte von indianischen Minenarbeitern schwere Nieren- und Leberschäden aus, litten an Atemwegserkrankungen oder starben an Lungen-, Knochen-, Magen- und Blutkrebs. Schon in den frühen Boomjahren war das Wissen um die Schädlichkeit des Uranabbaus in der Wissenschaft weit verbreitet. Doch Politiker und Konzernchefs gingen mit grosser Fahrlässigkeit mit diesen Erkenntnissen um – so wie die Gesellschaft. In Las Vegas gehörte es bis 1962 zu den touristischen Attraktionen, von Hotelbalkonen aus mit einem Cocktail in der Hand die Pilzwolken voller Atomstaub zu bestaunen, die nach überirdischen Kernwaffentests auf der Nevada Test Site nach Südosten zogen. Und die Bürgerschaft von Grants, New Mexiko nannte ihre Stadt stolz die Urankapitale der Welt
.
Der Dammbruch
Im verkehrstechnisch günstig gelegenen Church Rock betrieb die United Nuclear Corporation seit 1976 auch eine Uranmühle. In einem Gebäude zermalmten Maschinen das auf Lastern in riesigen Mengen herantransportierte Erzgestein zuerst zu kleinen Brocken und dann zu Sand, bevor Säuren und Laugen zum Einsatz kamen, die schliesslich das begehrte gelbe Pulver, yellow cake
genannt, aus dem Sand herauslösten. Bei dieser Tätigkeit fielen enorme Menge an zerkleinertem und immer noch strahlendem Schutt an, welche die United Nuclear – wie alle anderen Firmen in der Four Corner-Region auch – auf riesigen Schutthalden deponierte und dann unmarkiert sich selbst überliess.
tailings) zurück. In Church Rock leitete die United Nuclear diese in drei Rückhaltebecken unter freiem Himmel, in der Hoffnung, dass ein Teil dieser Abwässer unter der brütenden Sonne New Mexicos verdunsten würde. Die Rückhaltebecken wurden durch einen aufgeschütteten Erddamm gesichert, der auf geologisch instabilem Grund erbaut war. Der massive Damm hielt viele Millionen Liter von hochtoxischen und radioaktiven Abwässern zurück. Die Katastrophe kündigte sich über Monate an. Schon 1977 entdeckten Mitarbeiter des Army Corps of Engineers kleine Risse im Erddamm und warnten in einem Bericht vor ihnen. Entgegen den Empfehlungen unterliess es United Nuclear, diesen fachgerecht zu verstärken, so dass die Risse im Frühsommer 1979 so gross waren, dass eine menschliche Faust in sie passte. Selbst auf diese Meldung eines besorgten Mitarbeiters hin reagierte das Management nicht. Am frühen Morgen des 16. Juli 1979, um 5.30 Uhr, brach der Damm mit einem ohrenbetäubenden Krach, wie sich der Navajo Robinson Kelly später erinnerte. Kelly meinte zunächst einen Donnerschlag vernommen zu haben und schaute reflexartig zum Himmel, ob irgendwo Regenwolken aufzogen. Als er kein Gewitter bemerken konnte, machte er sich zum Puerco River auf, von wo der Höllenlärm gekommen war. Dort sah er, wie sich Fluten rauschenden
Wassersihren Weg durch das Flussbett bahnten und da und dort sogar über die Ufer traten, wo sich Pfützen und kleinere Teiche bildeten. Das Gebräu war von gelblicher Farbe und roch schrecklich faulig.
Ich wusste nicht, was da vor sich ging, aber es war ein hässliches Gefühl.
Die verseuchte Lebensader
Normalerweise führt der Puerco River während des Sommers nur wenig Wasser und quält sich träge durch die wüstenhaften Täler in New Mexico und durch die in Arizona gelegene Painted Desert, bevor er in den Little Colorado mündet, den wichtigsten Zufluss des Colorado River. In dieser regenarmen Region bildet der Puerco für viele Tausende von Menschen und ihre Viehherden ihre Hauptwasserquelle. Die meisten von ihnen gehören den Diné (dem Volk
) an, wie sich die Navajo selbst nennen. Durch den Dammbruch von Church Rock gelangten schätzungsweise 360 Millionen Liter hochtoxische Abwässer und 1100 Tonnen feste radioaktive Rückstände in den Fluss. Diese unglaubliche Menge an Schadstoffen verseuchte diesen bis mindestens 125 Kilometer unterhalb der Unfallstelle. Bei keinem anderen zivilen Einzelereignis wurde in den USA jemals so viel Radioaktivität in so kurzer Zeit freigesetzt wie bei der Umweltkatastrophe von Church Rock.
Nach dem Dammbruch lösten die verantwortlichen Politiker und Beamten im Bundesstaat New Mexico, dessen offizieller Spitzname Land der Verzauberung
(land of enchantment
) lautet, jedoch keinen Katastrophenalarm aus; sie erklärten keinen Notstand, organisierten keine Evakuationen und brachten auch kein umfassendes Hilfsprogramm auf den Weg. Auf Anordnung des Gouverneurs musste United Nuclear zwar die Produktion in der Uranmühle vorübergehend einstellen, verbunden mit dem Auftrag, den kontaminierten Fluss vollständig zu reinigen. Doch die Firma unternahm nur das Allernötigste. Sie beauftragte rund 200 Mann, die mit Schaufeln, Eimern und etwas schwerem Gerät höchstens 15 Kilometer sanierten
, in dem sie kontaminierte Erde oberflächlich abtrugen und diese wegkarrten. Um Goodwill zu schaffen, versorgte United Nuclear einige Navajo-Familien eine Zeitlang auch mit Wasser. Schon nach wenigen Wochen durfte die Uranmühle ihren Betrieb wieder aufnehmen, ohne dass die anfänglichen Auflagen zur Umweltsanierung vollständig erfüllt waren.
Unmittelbar betroffen von der Katastrophe waren 1700 Navajo, die ihr Trinkwasser dem Fluss entnahmen, ihr Vieh dort tränkten und sich mit dessen Nass wuschen, weil viele ihrer Hogans und Häuser über kein fliessendes Wasser verfügten, aber flussabwärts auch viele Tausende weitere Indianer, Hispanics und weisse Amerikaner. Einige Navajo versengten sich die Füsse, als sie den Fluss kurz nach der Havarie durchwateten. In der ersten Zeit nach dem Desaster verendeten Hunderte ihrer Schafe und Rinder, die von dessen Wasser tranken. Viele weitere Tiere bekamen auch Jahre später noch überdurchschnittlich hohe Dosen an Radioaktivität ab. Fortan weigerten sich regionale Schlachtereien, den Navajo weiterhin Schafe, Rinder oder Schafe abzukaufen. Erst spät durch dreisprachige Schilder auf Englisch, Spanisch und Navajo vor dem Gebrauch des Flusswassers gewarnt, konnten die am Puerco lebenden Navajo diesem nicht grundsätzlich fernbleiben oder gar auf dessen Wasser verzichten. Denn Wegziehen war für viele Ältere und Arme keine Option. Wo können wir denn sonst hin? Es gibt keinen anderen Platz für uns
, brachte eine alte Navajo-Frau das Dilemma 1987 auf den Punkt.
Strahlengeschädigte Menschen
Der Unfall, aber auch der Uranbergbau zeitigte langanhaltende Auswirkungen auf das Leben aller am Puerco River lebenden Menschen. Er verseuchte ihre Lebensader und das um sie liegende Weideland, aber durch die strahlenden Schutthalden auch etliche andere Wasserquellen. Unter den betroffenen Navajo nahm die Zahl der Krebserkrankungen überdurchschnittlich stark zu. Überdies kamen immer mehr ihrer Babys mit schweren körperlichen oder geistigen Behinderungen zur Welt. Bis heute sind die in der Gegend wohnenden Navajo einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt. 1994 förderte eine Studie des US Geological Survey zu Tage, dass zwischen 1968 und 1986 auch Kerr McGee und andere Minenbetreiber radioaktiv belastetes Wasser in den Puerco River pumpten. Unterhalb der Unfallstelle ist der Uranpegel im Grundwasser jedenfalls um ein Vielfaches höher als in den frühen 1960er Jahren.
Der Staat von New Mexicos versagte darin, die Navajo vor den Langzeitfolgen des Uranbergbaus und des Nuklearunfalls von Church Rock zu schützen. Als die Opfer Klagen gegen United Nuclear einreichten, zogen sich die Voruntersuchungen endlos hin, bis die Navajo in einen Vergleich einwilligten. Der Konzern spies die einzelnen Kläger mit lumpigen 2.000 Dollar Schmerzensgeld ab, aber nur unter der Bedingung, dass sie bei künftig eintretenden Erkrankungen ganz auf weitere Ansprüche verzichteten. Ursprünglich hatten sie sich 25.000 Dollar pro Person erhofft. Etwas Hilfe kam lediglich aus Washington. Seit Aufgabe der Minen 1983 ist das Gebiet rund um Church Rock eine Stätte des sogenannten "Superfund". Der Zweck dieses staatlich finanzierten Programms besteht darin, einige der durch industrielle oder militärische Tätigkeiten am meisten kontaminierten Stätten der Nation
zu sanieren, um dadurch die öffentliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Verteilt über die 50 Bundesstaaten standen 2019 insgesamt 1344 Stätten auf der Superfund-Liste, was belegt, wie rücksichtslos Industriebetriebe, Bergbaufirmen, Kommunen und das Militär während des Anthropozäns mit den Ökosystemen umsprangen.
Umweltrassismus
Weshalb fand die Umweltkatastrophe von Church Rock, die Umweltorganisationen nach den Reaktorkatastrophen von Fukushima und Tschernobyl als drittschwerstes ziviles Schadenereignis des ganzen Atomzeitalters einschätzen, nicht jene Beachtung, die sie eigentlich verdient? Im Systemwettstreit mit der Sowjetunion wären die USA mit Sicherheit nicht besonders gut dagestanden, wenn sie nur kurz nach Three Mile Island einen noch weit gravierenderen Nuklearunfall hätten einräumen müssen. Allerdings finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Administration von Präsident Jimmy Carter (1977-1981) eine kritische Berichterstattung in den nationalen Medien unterdrückt oder irgendwie behindert hätte. Die Antwort kann sich auch nicht im Argument erschöpfen, dass der Dammbruch keine spektakulären Bilder produzierte und keine unmittelbar sichtbaren Spuren hinterliess.
Zum Non-lieux de mémoire
entwickelte sich der Unfall von Church Rock insbesondere deshalb, weil er sich in einer abgeschiedenen, dünn besiedelten Region des ländlichen Südwestens ereignete und Native Americans seine Hauptbetroffenen waren. In der neueren Environmental Justice
-Forschung gilt er als ein eindeutiger Fall von Umweltrassismus. Die in den USA verbreitete Ungleichbehandlung ethnischer Minderheiten zeigt sich nicht zuletzt darin, dass diese überdurchschnittlich oft in der Nähe von Fabriken, Mülldeponien, Testgeländen oder Minen, aber auch stärker mit verunreinigtem Grundwasser, verpesteter Luft und am Rand oder gar auf ökologisch verwüsteten Gelände leben müssen. Dass unter den Politikern beider grosser Parteien in den 1970er Jahren ein Denken in den Kategorien von national sacrifice zones
verbreitet war, spielte eine zusätzliche Rolle. Im Interesse der nationalen Sicherheit
und zur Deckung des immensen Energiebedarfs der brummenden Massenkonsumgesellschaft schien es vertretbar und ökonomisch sinnvoll zu sein, einige angeblich wertlose Landstriche dem Bergbau zu opfern – mit Auswirkungen bis heute. Aram Mattioli lehrt Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Luzern. Er forscht zum faschistischen Italien und zum indigenen Nordamerika. 2017 erschien bei Klett-Cotta seine Gesamtdarstellung Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700-1910
.
Artikel-URL: https://geschichtedergegenwart.ch/mit-schweigen-zugedeckt-die-navajo-nation-und-der-nuklearunfall-von-church-rock/
Die aktuellen Zahlen:
Demnach gibt es in Deutschland am Dienstagmorgen rund 6000 aktive Coronafälle. Im 7-Tage-Mittel stecken sich pro Tag 330 Menschen neu mit dem Virus an. Weltweit gibt es laut Johns-Hopkins-Universität mehr als acht Millionen Infektionsnachweise, mehr als 430.000 Menschen starben.
Spahn wirbt für Installation – App macht einen Unterschied
Gesundheitsminister hofft auf viele Millionen Nutzer der Corona-Warn-App. Spahn: Diese App macht einen Unterschied
. Gesundheitsminister Jens Spahn hat eindringlich für die Nutzung der Corona-Warn-App geworben. Jeder, der mitmacht, ist ein Gewinn
, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Er hoffe, dass viele Millionen idealerweise
in Deutschland die App herunterladen würden. Ziel sei es, Infektionsketten zu unterbrechen. Diese App macht einen Unterschied
, sagte Spahn.
Das Smartphone-Programm komme nicht zu spät, stellte er klar. Sie kommt gerade rechtzeitig
, sagte der Gesundheitsminister. Denn im Zuge der nun geltenden Lockerungen komme man mit viel mehr unbekannten Menschen zusammen. Die App sei eine Möglichkeit, mit dieser Situation besser umzugehen. Da steckt viel Arbeit drin, deshalb hat es länger gedauert.
Die Forderung nach einem speziellen Gesetz wies Spahn zurück. Das geltende Datenschutzrecht sei ausreichend, um sicherzustellen, dass kein Missbrauch durch die App gemacht werden könnte. Zudem sagte er, die App würde nicht viel Strom ziehen: Durch eine spezielle Bluetooth-Schnittstelle werde der Akku der Telefone nicht übermäßig belastet. [Tagensspiegel, dpa
Smittestopp verboten: Norwegen muss Covid-19-App stoppen
In Norwegen wird die Tracing-App im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus - zumindest vorübergehend - gestoppt. Das haben die Gesundheitsbehörden an diesem Montag angekündigt. Die nationale Datenschutzbehörde Datatilsyn hatte gewarnt, dass die App in Anbetracht der aktuellen epidemiologischen Situation zu sehr in die Privatsphäre eingreife.
Die im April in den nordischen Ländern eingeführte, lokal entwickelte Anwendung Smittestopp ("Stopp der Ansteckung") sammelt die Daten der User, um den Behörden bei der Analyse der Ausbreitung des Virus zu helfen.
Wir sind mit der Bewertung von Datatilsyn nicht einverstanden, aber wir sind verpflichtet, alle Daten zu löschen und unsere Arbeit nach der Warnung zu unterbrechen
, gab die Direktorin des norwegischen Instituts für öffentliche Gesundheit, Camilla Stoltenberg, in einer Mitteilung bekannt.
Die App Smittestopp verwendet - anders als in Deutschland, der Schweiz und Österreich - die von Frankreich und Großbritannien favorisierte zentrale Datenspeicherung und stützt sich sowohl auf Bluetooth-Technologie als auch auf Geolokalisierung. Die zentrale Datenspeicherung wird aus Datenschutzgründen von Experten kritisch gesehen.
An diesem Dienstag sollte die deutsche Coronavirus-App gestartet werden.
Die Anwendung wurde in Norwegen von nur 600.000 Mobilfunknutzern - in einem Land mit 5,4 Mio Einwohnern - heruntergeladen.
Durch die Aussetzung von Smittestopp schwächen wir einen wichtigen Aspekt unseres Systems gegen eine weitere Ausbreitung der Epidemie, weil wir Zeit mit der Entwicklung und Erprobung der Anwendung verschwenden
, erklärte Camilla Stoltenberg.
Gleichzeitig sehen wir, dass unsere Fähigkeit, die gegenwärtige Epidemie zu bekämpfen, eingeschränkt wird. Die Pandemie ist noch nicht vorbei
, warnte sie. [EuroNews
Moskauer Tracking-App sorgt für saftige Geldstrafen
Im Kampf gegen das Coronavirus setzt Russland auf strikte Kontrollmethoden und hohe Geldstrafen. Offenbar massenhaft und zu Unrecht. In Moskau wacht eine Tracking-App über Covid-19-Infizierte. Vladimir Perevalov beispielsweise hielt sich in der Selbstisolation brav an alle Auflagen, sollte jedoch am Ende seiner Quarantäne-Zeit mehrere Geldbußen bezahlen. Wie es aussieht, eine technische Panne, auch wenn die Behörden abwiegeln.
Zuerst war ich verwirrt, denn ich konnte nicht verstehen, warum ich die Geldstrafen erhalten hatte. Ich wusste nicht einmal, dass es welche gibt. Dann dachte ich:
Warum passiert das? Ich habe meine Wohnung nicht verlassen. Warum?
Eingriff in die Privatsphäre
Die digitale Überwachung der Covid-19 Fälle wurde Anfang April eingeführt. Innerhalb eines Monats verhängten die Moskauer Behörden mehr als 50.000 Bußgeldbescheide (zu je 50 Euro) in Höhe von insgesamt 2.7 Millionen Euro.
Für Medienwirbel sorgte der Fall einer behinderten Universitätsprofessorin, die ihre Wohnung schon seit einem Jahr nicht mehr verlassen hat und wegen Nicht-Installation der App zur Kasse gebeten wurde.
Nachdem ihre Geschichte landesweit Schlagzeilen gemacht hatte, wurden ihre Bußgelder gestrichen und die Beamten entschuldigten sich bei ihr. Allerdings nur, weil sie konkrete Beweise vorlegen konnte, sagt Tracking-App-Opfer Irina Karabulatova. Was mit all den anderen Betroffenen geschehen werde, sei die große Frage.
Bei den Moskauer Ämtern häufen sich die Beschwerden, mehr als 200 Klagen wurden bereits eingereicht, drei Onlinepetitionen gegen die App sind im Umlauf. Menschenrechtsaktivisten warnen obendrein vor einem bedrohlichen Eingriff in die Privatsphäre. [EuroNews
Urlauber dürfen nach Dänemark - kilometerlange Staus an der Grenze
Touristen aus Deutschland dürfen seit Montag wieder nach Dänemark einreisen. Bereits am frühen Morgen kamen Autofahrer vor dem Grenzübergang an der A7 nur schleppend voran. Am Grenzübergang Frøslev bildete sich eine sieben bis acht Kilometer lange Schlange, wie die Polizei Südjütland twitterte. Denn die Kontrollen wurden nicht eingestellt. Am Übergang Kruså sei die Schlange einen Kilometer lang.
Seit Montag dürfen deutsche, norwegische sowie isländische Urlauber wieder nach Dänemark, sofern sie mindestens sechs Übernachtungen gebucht haben. Es werden bereits an diesem Tag deutsche Gäste in rund 14.000 gebuchten Ferienhäusern erwartet, darunter allein 5300 in Südjütland, wie der dänische Rundfunksender DR vor einigen Tagen unter Verweis auf Zahlen des zuständigen Branchenverbandes berichtete. Wer als Deutscher ein Sommerhaus in Dänemark besitzt oder seinen Partner in dem Land besuchen will, darf bereits seit Ende Mai wieder einreisen. Zudem dürfen Einwohner Schleswig-Holsteins seit Montag ohne triftigen Grund wieder nach Dänemark einreisen. Tagesspiegel, dpa
Maas: Reisen tut man immer auf eigene Verantwortung
Im ZDF-Morgenmagazin hat Außenminister Heiko Maas darauf hingewiesen , dass es keine zweite große Rückholaktion für Urlauber mehr geben wird. Reisen tut man immer auf eigene Verantwortung
. Sollte es in einem Reiseland einen erneuten Lockdown geben, dann würden zwar die deutschen Botschaften und Konsulate helfen, auch bei der Organisation von Rückflügen. Aber es werde keine vom Bund gebuchten Flüge mehr geben, stellte Maas klar.
Seit heute gelten in fast allen EU-Staaten keine Reisewarnungen und Grenzschließungen mehr. Das gilt für alle Mitgliedsländer außer Finnland, Schweden, Norwegen und Spanien. Maas warnte aber, dass die Pandemie nicht überwunden ist. Das ist noch lange nicht vorbei.
Man dürfe nicht eine normale Reise erwarten.
Für die in der ersten Rückholaktion zurückgebrachten 240.000 Urlauber würden nun Rechnungen verschickt, sagte Maas. Das sei allein deshalb richtig, weil diese sonst bevorzugt wären gegenüber Reisenden, die einen regulären Flug gebucht hätten. Alle, die in Flugzeuge von der deutschen Regierung gestiegen seien, hätten unterschrieben, dass sie einen Teil der Kosten zahlen würden.Jeder, der glaubt, man könne einen Sommerurlaub erleben, wie man es aus der Vergangenheit kennt, der wird sich wundern.
Zudem erklärte der Außenminister, warum bisher nur die Reisewarnungen für EU-Staaten aufgehoben seien. Mit den EU-Staaten seien Standards vereinbart, welche Hygieneregeln es geben soll und wie die Einhaltung überprüft werden kann. Solche Übereinkünfte gebe es für Drittstaaten bisher nicht. Das gelte auch für die Türkei. Maas sagte, dass er noch heute mit seinem türkischen Amtskollegen sprechen werde, um ein Abkommen zu finden. Für die Türkei gelten - Stand heute - die Reisewarnungen bis Ende August.
Jeder, der glaubt, man könne einen Sommerurlaub erleben, wie man es aus der Vergangenheit kennt, der wird sich wundern. [Heiko Maas, Außenminister]
Behörden riegeln weitere Wohngebiete in Peking ab
In Peking werden wegen der erneuten vermehrten Ausbreitung des Coronavirus zehn weitere Stadtviertel abgeriegelt. Ein Vertreter der Stadtverwaltung sagte am Montag, mehrere neue Infektionsfälle seien auf einen Großhandelsmarkt im nordwestlichen Bezirk Haidian zurückzuführen.
Deswegen würden der Markt und nahegelegene Schulen geschlossen sowie zehn Viertel der Gegend unter Quarantäne gestellt.
Am Samstag war in der chinesischen Hauptstadt bereits den Bewohnern von elf Wohngebieten im südlichen Bezirk Fengtai das Verlassen ihrer Wohnungen untersagt worden, nachdem sich dort das Coronavirus ausgebreitet hatte. Diese Fälle verfolgten die Behörden zu einem Großmarkt für frische Lebensmittel in Fengtai zurück, der ebenfalls geschlossen wurde.
Die chinesischen Behörden verzeichneten am Montag landesweit 49 neue Coronavirus-Infektionsfälle innerhalb von 24 Stunden, davon 36 in der Hauptstadt. Am Vortag waren landesweit 57 neue Ansteckungen registriert worden. Wegen des neuen Ausbruchs waren Massentests in Peking gestartet worden.
China gilt als Ausgangsland der Pandemie. In der zentralchinesischen Millionenmetropole Wuhan waren Ende des vergangenen Jahres erste Fälle der Ansteckung von Menschen mit dem neuartigen Coronavirus festgestellt worden. Durch dann seit Ende Januar verhängte strikte Ausgangsbeschränkungen wurde die Ausbreitung des Virus laut offiziellen Angaben weitgehend unter Kontrolle gebracht.
Bei der Mehrzahl der Infektionsfälle, die danach noch in der Volksrepublik festgestellt wurden, handelte es sich nach Angaben der Behörden um Chinesen, die aus dem Ausland zurückgekehrt waren. Dies ist nun aber bei den in den vergangenen Tagen aufgetretenen Ansteckungsfällen anders: Bei ihnen wurde das Virus innerhalb des Landes übertragen und nicht importiert
. Tagesspiegel, dpa
Norwegen stoppt Corona-App aus Datenschutzgründen
Norwegen will nach Kritik der Datenschutzbehörde des Landes seine Corona-Tracing-App stoppen und alle bislang gesammelten Daten löschen. Das kündigt das Norwegische Insitut für öffentliche Gesundheit (NIPH) an. Die Datenschutzbehörde des Landes erklärte am Freitag, angesichts der niedrigen Übertragungsrate und anderer Punkte sei die Gefährdung der Privatssphäre durch die App nicht mehr akzeptabel. Das NIPH teilt dazu mit, durch den Schritt verliere Norwegen einen wichtigen Teil der Vorbeugung gegen eine Verbreitung des Virus. [Reuters
Rentner überlebt Corona – und erhält Rechnung über eine Million Dollar
Ein 70-Jähriger aus der Nähe von Seattle erkrankt schwer an Corona, besiegt das Virus aber schließlich. Doch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus folgt der nächste Schock: eine Rechnung über mehr als eine Million Dollar. Selbst zahlen muss der Rentner die Kosten allerdings wohl nicht.
Seattle
Der 70-jährige Michael Flor fühlte sich eigentlich als Glückspilz – war er doch so schwer an Corona erkrankt, dass sich seine Frau und seine Kinder schon von ihm verabschiedet hatten. Wider Erwarten überlebte der Rentner aus Seattle die Covid-19-Erkrankung doch, nur um dann den nächsten Schock seines Lebens zu erhalten: Das Krankenhaus schickte ihm eine Rechnung über mehr als eine Million Dollar, berichtet die Seattle Times.
Er habe die Rechnung aufgemacht und seinen Augen nicht getraut, sagte Flor der Zeitung. Die Auflistung der Kosten erstreckte sich über 181 Seiten und lag insgesamt bei 1.122.501 Dollar und 41 Cent – umgerechnet 997.300 Euro. Der größte Kostenpunkt: 408.912 Dollar verlangte das Swedish Medical Center in der Stadt Issaquah dafür, dass sein Zimmer auf der Intensivstation versiegelt und das Personal Schutzanzüge tragen musste. Viel Geld verschlangen demnach auch die Medikamente, die ihn am Leben hielten.
Selbst zahlen muss Michael Flor die Rechnung wohl nicht
Der 70-Jährige ist über Medicare, die Krankenversicherung für ältere Menschen in den USA, abgesichert. Die gute Nachricht: Vermutlich werden weder er noch Medicare für die astronomische Summe aufkommen müssen, berichtet die Seattle Times
. Der US-Kongress will Krankenhäuser für die Behandlung von Covid-19-Patienten entschädigen lassen. RND - Redaktionsnetzwerk Deutschland, 15.6.2020
Sie sollten Hundewindeln als Corona-Schutz tragen: McDonald's-Mitarbeiter streiken
Wir wollen nicht für ihre Hamburger sterben
, wird eine Mitarbeiterin einer McDonald's-Filiale in Oakland zitiert.
Die Manager hatten ihr und ihren Kollegen Masken aus Hundewindeln und Kaffeefiltern als Corona-Schutz verordnet – daraufhin trat die Belegschaft in Streik. Es war nicht der erste Corona-Ausrutscher der Fast-Food-Kette in den USA. Es gibt Sachen, die sind auch dem hartgesottensten und dem humorvollsten Mitarbeiter im Fast-Food-Sektor zu viel. Wie die Los Angeles Times
in ihrer Onlineausgabe berichtete, sei von Angestellten eines McDonald's-Restaurants im kalifornischen Oakland in der vorigen Woche verlangt worden, sie sollten sich Mund-Nasen-Schutzmasken aus Hundewindeln anlegen, um sich gegen eine Corona-Ansteckung zu schützen.
Mitarbeiter verlangen Schutz und Sicherheit
Am Dienstag kamen die 22 Mitarbeiter der Telegraph-Avenue-Filiale nicht zur Arbeit. Der Streik führte zur Schließung des Restaurants. Vier Kollegen und einige Familienmitglieder waren zuvor an Covid-19 erkrankt. Die Streikenden verlangten zwei Wochen bezahlte Quarantäne, die Übernahme medizinischer Kosten durch das Unternehmen, eine Intensivreinigung des Restaurants und geeignete persönliche Schutzausrüstung.
Die Organisatoren des Streiks erzählten der Los Angeles Times
, dass Köche, Kassierer und andere Mitarbeiter des Ladens angehalten worden seien, Masken aus unbenutzten Hundewindeln zu benutzen. Als Alternative seien ihnen Kaffeefilter empfohlen worden. Zuerst hatten die Mercury News
berichtet.
McDonald's behandelt uns wie Hunde
Ein Versorgungsengpass – der Laden hatte keine richtigen Masken mehr – brachte die Geschäftsleitung zum Improvisieren. Vielleicht fand irgendwer die Idee witzig, schließlich hat das Unternehmen ja einen Clown als Maskottchen. Die Mitarbeiter jedenfalls fühlten sich gedemütigt, wollten sich nicht zu Witzfiguren ausstaffieren lassen und sorgten sich vor allem um ihre Gesundheit.
McDonald's behandelt uns wie Hunde
, wurde die Mitarbeiterin Delia Vargas in der Los Angeles Times
zitiert. Wir wollen nicht für ihre Hamburger sterben.
Es war nicht der erste Corona-Protest bei McDonald's
Im Vormonat hatten McDonald's-Mitarbeiter in Hayward einen Protestkonvoi organisiert, um gegen schlechte Bezahlung und ungenügenden Corona-Schutz zu protestieren. Auch in Los Angeles hatte es Anfang April Proteste gegeben, nachdem ein Mitarbeiter positiv getestet worden war. In San Francisco hatten sich McDonald's-Mitarbeiter beim Gesundheitsamt der Stadt beschwert – auch hier hatten Manager ihren Leuten zwecks Virenschutz Kaffeefilter empfohlen. RND/big (Redaktionsnetzwerk Deutschland)
Kriegszustand
soll zweite Coronawelle in Peking verhindern
Möglicherweise neuer Virustyp
Die Pekinger Behörden sind angewiesen, mit drastischen Maßnahmen auf den neuen Ausbruch von Sars-CoV-2 zu reagieren. Ersten Tests zufolge zirkuliert inzwischen ein anderer Untertyp des Erregers. Das nun in Peking zirkulierende Sars-CoV-2-Virus unterscheidet sich einer vorläufigen Untersuchung zufolge wohl etwas von dem Stamm, der das Land zuvor heimgesucht hatte. Das berichtet Zeng Guang, Epidemiologe des Gesundheitsamts, laut der Global Times
. Die Ergebnisse sollen mit Analysen aus anderen Ländern verglichen werden, um die Abstammungslinie des Erregers nachzuverfolgen.
Es ist normal, dass das Erbgut von Viren mit der Zeit mutiert und neue Untertypen entstehen. Dabei können sich Eigenschaften eines Virus verändern, müssen es aber nicht.
Schon 45 Infektionen entdeckt
Das Virus wurde bei dem aktuellen Ausbruch in Peking bis zu einem Hackbrett auf dem Xinfadi-Großmarkt zurückverfolgt, auf dem importierter Lachs verarbeitet worden war. China importiert Lachs aus mehreren Ländern wie Norwegen, Chile, Australien, Kanada und von den Färöer. Der Xinfadi-Markt war am Freitag von den Behörden weitgehend geschlossen worden. Hunderte Polizisten riegelten die gesperrten Bereiche ab und überwachten den Markt.
China hatte das neue Coronavirus schon weitgehend im Griff. Die nationale Gesundheitskommission meldete aber allein am Samstag landesweit 57 bestätigte Infektionen. Es ist die höchste Zahl seit April. 36 Fälle wurden in Peking festgestellt, davon 27 in Verbindung mit dem Markt. Die Zahl der lokalen Ansteckungen wuchs damit in den vergangenen Tagen sprunghaft: Erst am Donnerstag war in Peking der erste Infektionsfall seit zwei Monaten registriert worden. Spiegel 14.06.2020, 16.04 Uhr
Die aktuellen Zahlen:
Für Deutschland trägt der Tagesspiegel die Zahlen live aus allen Landkreisen zusammen. Demnach gibt es in Deutschland am Montag rund 6300 aktive Coronafälle. Im 7-Tage-Mittel stecken sich pro Tag 330 Menschen neu mit dem Virus an. Weltweit gibt es laut Johns-Hopkins-Universität mehr als 7,9 Millionen nachgewiesene Infektionen mit dem Coronavirus und mehr als 434.000 Tote.
Coronavirus weltweit - schlimmer als je zuvor
136.000 Neuinfektionen an einem Tag
Während sich die Lage in Europa entspannt, steigt die Zahl der Infektionen weltweit rapide. Ein Überblick über die aktuellen Epizentren der Pandemie.
Deutschland:
Deutschland entspannt sich: Berliner Kinder können bald wieder im Regelbetrieb in Kitas und Schulen, Thüringen hebt die Kontaktbeschränkungen ganz auf. Bundesweit gibt es täglich nur noch rund 300 Neuinfektionen am Tag, viele Landkreise sind sogar seit Tagen ohne Neuinfektionen.
Am 16. Juni werden die Grenzen wieder offen sein, die Sommerferien stehen vor der Tür und die Mittelmeerländer freuen sich auf die ersten Urlauber aus Deutschland. Klingt, als sei die Corona-Pandemie schon so gut wie überstanden.
Doch das Gegenteil ist der Fall. In Europa verbessert sich die Lage zwar von Tag zu Tag, doch weltweit ist sie so dramatisch wie zu keinem anderen Zeitpunkt seit Beginn dieser Pandemie.
Die erschreckende Meldung der Weltgesundheitsgesundheitsorganisation (WHO) vom Wochenende: Innerhalb von 24 Stunden seien weltweit mehr als 136.000 neue Corona-Fälle gemeldet worden - so viele wie nie zuvor an einem Tag. An neun der vorangegangenen zehn Tage seien es immer mehr als 100.000 Fälle gewesen.
Insgesamt haben sich weltweit bisher bestätigt mehr als sieben Millionen Menschen infiziert, über 400.000 sind an dem Virus gestorben - und der Höhepunkt scheint noch lange nicht erreicht zu sein.
Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, den Fuß vom Pedal zu nehmen
Der Schwerpunkt der Pandemie hat sich inzwischen nach Südamerika verlagert, aber auch in Zentral- und Südasien sowie Afrika nimmt die Zahl der nachgewiesenen Infektionen rapide zu. Darunter sind also Länder, die ein deutlich schlechteres Gesundheitssystem als Deutschland und andere europäische Länder vorweisen können und zudem mit Hunger und wirtschaftlichen Nöten kämpfen.
Der größte Teil der Weltbevölkerung laufe weiterhin Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, den Fuß vom Pedal zu nehmen
, warnte er. Die größte Gefahr in Ländern mit fallenden Zahlen seien Selbstzufriedenheit oder Nachlässigkeit bei den Vorsichtsmaßnahmen.
Auch die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (Paho) zeigt sich besorgt. Die Verbreitung des Virus scheine sich weiter zu beschleunigen
. Paho-Chefin Carissa Etienne rief die südamerikanischen Länder jüngst auf, im Kampf gegen Corona nicht nachzulassen. Für die meisten Staaten sei jetzt nicht die Zeit, die Beschränkungen zu lockern oder Präventivmaßnahmen zu reduzieren
.
Ein Überblick über die derzeit besonders betroffenen Länder:
BRASILIEN:
Südamerika hat sich zu einem Hotspot der Pandemie entwickelt. In Brasilien tötet das Virus gerade etwa einen Menschen pro Minute. Das hat die Zeitung Folha de S. Paulo
ausgerechnet und ihre Internetseite am vergangenen Donnerstag schwarz hinterlegt.
Tatsächlich ist das Land gerade besonders vom Virus betroffen: Am Mittwoch meldete das brasilianische Gesundheitsministerium einen Anstieg um 1.272 Todesfälle binnen 24 Stunden. Mit 32.091 Neuinfektionen meldet das Land außerdem fast doppelt so viele Neuinfektionen wie die USA mit 17.598 Fällen.
Mit mehr als 700.00 bestätigten Fällen insgesamt verzeichnet das Land weltweit die zweithöchste Ansteckungsrate nach den Vereinigten Staaten und die dritthöchste Zahl an Todesopfern. Experten vermuten, dass die Zahl der Infektionen allerdings deutlich höher ist, da es in Brasilien relativ geringe Ressourcen für Tests gibt.
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hatte die von Lungenkrankheit in der Vergangenheit als kleine Grippe
bezeichnet. Die von brasilianischen Bundesstaaten verhängten Corona-Beschränkungen lehnt er ab, da sie die Wirtschaft drosseln. Bei Treffen mit Anhängern hat Bolsonaro selbst wiederholt die Abstandsregeln missachtet. Außerdem hat er jüngst mit einem Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation gedroht. Wir brauchen niemanden, der uns aus dem Ausland in unsere Gesundheitspolitik reinredet
, so Bolsonaro.
Brasiliens Corona-Management stößt bei Experten im In- und Ausland auf scharfe Kritik. Obwohl sich die Zahlen rasant beschleunigen, werden die Einschränkungen in vielen Regionen des Landes in diesen Tagen gelockert. Am Samstag ordnete Rio de Janeiro per Dekret an, dass Bars, Restaurants und Einkaufszentren teilweise wieder öffnen dürfen. Auch einige sportliche Aktivitäten sind wieder erlaubt. Viele Menschen strömten nach den Lockerungen wieder an die Strände.
MEXIKO:
In Mexiko sind inzwischen mehr als 124.000 Infektionen mit dem Coronavirus registriert worden. Das Land ist nach Zahlen der Johns-Hopkins-Universität in den USA das 14. der Welt, das diese Marke überschritten hat - das vierte in Lateinamerika. Inzwischen hat das Land mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl - 130 Millionen Einwohner - in Lateinamerika auch die zweithöchste Zahl der Todesopfer in der Corona-Pandemie nach Brasilien erreicht.
In einigen Gegenden Mexikos waren zuletzt dennoch Anti-Corona-Maßnahmen gelockert worden. Seit Montag dürfen Unternehmen mancher Industrien, die zuvor als nicht essenziell eingestuft worden waren, den Betrieb wiederaufnehmen.
Präsident Andrés Manuel López Obrador, der diese Woche erstmals wieder das Land bereist, spricht von einer neuen Normalität
. Weiter sagte er: Dies ist ein sehr besonderer Tag.
Er hält den Prozess der Normalisierung für die Reaktivierung der Wirtschaft für notwendig.
PERU:
Auch in Peru breitet sich das Coronavirus stark aus. Wie das Gesundheitsministerium in Lima mitteilte, überschritt die Zahl der registrierten Infektionsfälle inzwischen die Schwelle von 200.000. Binnen 24 Stunden wurden demnach 4040 neue Ansteckungen verzeichnet.
Die Krankenhäuser in der Hauptstadt Lima sind völlig überlastet. Die benötigten Sauerstoffflaschen werden knapp, weil die Menschen versuchen, sie für ihre Angehörigen zu kaufen. Wir haben noch keinen Sauerstoff gefunden
, sagte eine Frau in der Hauptstadt Lima. Ich mache mir mehr als alles andere Sorgen um meine Mutter, denn sie wird viel Sauerstoff brauchen, und das Krankenhaus hat nicht genug davon.
In dem Land gelten seit bereits zwölf Wochen rigorose Ausgangsbeschränkungen. Allerdings werden die peruanischen Strände nun wieder vorsichtig für Sonnenbadende, Schwimmer und Surfer geöffnet.
INDIEN:
Die Regierung der indischen Millionenmetropole Delhi hat vor einem sprunghaften Anstieg der Coronavirus-Infektionen und einer Überforderung des Gesundheitssystems gewarnt. Die gegenwärtig fast 29.000 Fälle dürften bis Ende Juli auf 550.000 steigen, sagte Vize-Chefminister Manish Sisodia am Dienstag. Bis dahin würden 80.000 Betten benötigt, vorhanden seien jedoch nur knapp 9000. Der Anstieg der Fallzahlen könne für Delhi "ein großes Problem" werden. Dort leben mehr als 20 Millionen Menschen.
Delhi ist neben Mumbai einer beiden Metropolen in Indien, in denen die Seuche im Moment besonders schnell um sich greift. Das Land mit 1,3 Milliarden Menschen hatte zwar im März Beschränkungen erlassen, um einer Ausbreitung entgegenzuwirken. Allerdings steigt nun die Fallzahl mit dem Hochfahren der Wirtschaft an. Bislang sind in Indien mehr als 276.000 Infektionen gemeldet, der fünfthöchste Wert weltweit.
Dennoch gibt es in Indien einige Lockerungen: Restaurants und Gotteshäuser sind wieder offen. In Shoppingzentren einkaufen und in Büros arbeiten ist wieder möglich.
Das Innenministerium gab jedoch Einschränkungen bekannt: In Gotteshäusern dürfe es etwa keine Chöre oder Segnungen mit heiligem Wasser geben, in Moscheen müssten Gläubige ihre eigenen Gebetsteppiche mitnehmen. Außerdem müssten in Büros die Arbeitszeiten gestaffelt werden. An allen öffentlichen Orten sollten Maskenpflicht und Abstandsregeln gelten.
SÜDAFRIKA:
Das Virus verbreitet sich wie ein Feuer am Kap
, schreibt die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian
. Am Mittwoch verzeichnete Südafrika mehr als 52.000 Infizierte. Von ihnen lebten zwei Drittel in der Region um Kapstadt. Damit ist Südafrikas älteste Stadt gleichzeitig das Corona-Zentrum des Kontinents, etwa jeder sechste Fall in Afrika entfällt auf die Provinz Westkap.
Die Aussichten? Noch mehr Menschen werden in den kommenden Monaten krank, noch mehr Intensivpflege benötigen, noch mehr sterben
, so der südafrikanische Journalist Marcus Low vom Gesundheitsmagazin Spotlight
.
Warum ausgerechnet Kapstadt zum Corona-Hotspot wurde, darüber diskutieren Ärzte und Politiker. Einige sehen den relativen Wohlstand der Region als Grund: Touristen und reisende Südafrikaner hätten das Virus aus Europa importiert. Andere vermuten, dass Gesundheitsbehörden hier einfach mehr Tests durchführen als im Rest des Schwellenstaats. Dass das Westkap für mehr als 800 der insgesamt 1.100 Toten verantwortlich ist, liege an Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder HIV.
Wir befinden uns in einem Krieg
Der Höhepunkt der Corona-Welle wird für Juli erwartet. Wir befinden uns im Krieg und müssen die Personal-Herausforderungen in den Griff kriegen
, sagte Staatschef Ramaphosa bei seinem Besuch vergangene Woche in Kapstadt. 4.000 zusätzliche Ärzte und Pfleger sollen im Westkap eingestellt, Hunderte weitere Betten herangeschafft werden.
Ramaphosa spricht von einer besorgniserregenden, aber nicht alarmierenden
Entwicklung. Die Regierung sei in der Lage, die Auswirkungen der Krankheit auf unsere Bevölkerung zu begrenzen
, versicherte der Staatschef. [Tagesspiegel, Julia Bernewasser; dpa/AFP/epd/Reuters
Behörden in Peking riegeln wegen neuer Corona-Fälle elf Wohngebiete ab
Wegen mehrerer neuer Corona-Infektionsfälle haben die Behörden in Peking elf Wohngebiete abgeriegelt. Auch neun Schulen und Kindergärten seien geschlossen worden, sagten Behördenvertreter am Samstag bei einer Pressekonferenz in der chinesischen Hauptstadt. Die insgesamt sieben Neuinfektionen stehen demnach im Zusammenhang mit einem Fleischmarkt. Sechs der Neuinfektionen seien am Samstag registriert worden, hieß es auf der Pressekonferenz. Sie alle stünden in Zusammenhang mit dem Xinfadi-Fleischmarkt. Dessen Chef sagte der staatlichen Webseite Beijing News, das Virus sei auf Schneidebrettern nachgewiesen worden, auf denen importierter Lachs verarbeitet wurde. Wie die Zeitung Beijing Daily
berichtete, nahmen große Supermarktketten wie Wumart und Carrefour in der Nacht zum Samstag sämtliche Lachsprodukte aus ihrem Sortiment.
45 von bislang 517 untersuchten Personen, die den Markt Xinfadi besucht hätten, seien positiv getestet worden, teilten die Behörden am Samstag mit. Der Markt sei einstweilen geschlossen worden. Für den Stadtbezirk Fengtai seien Notstandsmaßnahmen verfügt worden. 10.000 Händler und Beschäftigte des Marktes sollen getestet werden. Zur Eindämmung des Virus verboten die Behörden zudem umgehend Sportveranstaltungen und Reisen in andere Provinzen. Wegen der neuen Fälle wurden die Pläne fallengelassen, die Grundschulen in Peking für Erst- bis Drittklässler am Montag wieder zu öffnen.
Bereits am Freitag hatten die Behörden zwei Märkte in Peking geschlossen, die einer der Infizierten besucht hatte. AFP-Reporter berichteten von einem massiven Polizeiaufkommen vor den Märkten.
Am Donnerstag hatten die Behörden in Peking erstmals seit zwei Monaten wieder einen Corona-Infektionsfall festgestellt. Der Infizierte hatte Peking laut offiziellen Angaben in den vergangenen Wochen nicht verlassen.
China, das Ursprungsland des neuartigen Coronavirus, hatte die Ausbreitung des Erregers Sars-CoV-2 durch strikte Ausgangsbeschränkungen weitgehend unter Kontrolle gebracht. Bei der Mehrzahl der Fälle in den vergangenen Monaten handelte es sich um Ausländer, die bei ihrer Rückkehr nach China positiv getestet wurden. Tagesspiegel, AFP
Pandemie könnte knapp 400 Millionen Menschen in die Armut stürzen
UN-Forscher: Fortschritte bei der Armutsbekämpfung könnten um 20 bis 30 Jahre zurückgeworfen werden
.
Die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie könnten UN-Forschern zufolge weitere 395 Millionen Menschen in extreme Armut stürzen. Die Gesamtzahl der Menschen, die weltweit von weniger als 1,90 Dollar pro Tag leben, könne damit auf mehr als eine Milliarde steigen, geht aus einem am Freitag veröffentlichten Studie der Universität der Vereinten Nationen hervor. Die Aussichten für die Ärmsten der Welt seien düster, wenn die Regierungen nicht schnell mehr tun, sagte Andy Sumner, einer der Studienautoren. Die Fortschritte bei der Armutsbekämpfung könnten um 20 bis 30 Jahre zurückgeworfen werden.
Die Studie der Uni-Abteilung United Nations University World Institute for Development Economics Research (UNU-WIDER) spielte eine Reihe von Szenarien durch und berücksichtigte dabei die verschiedenen Armutsgrenzen der Weltbank - von extremer Armut, definiert von einem Lebensunterhalt von höchstens 1,90 Dollar pro Tag, bis hin zu höheren Armutsgrenzen von weniger als 5,50 Dollar pro Tag.
Unter dem schlimmsten Szenario - einem 20-prozentigen Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens oder - Konsums - könnte die Zahl derer, die in extremer Armut leben, auf 1,12 Milliarden steigen. Der gleiche Rückgang für die 5,50-Dollar-Schwelle kalkuliert könnte demnach dazu führen, dass mehr als 3,7 Milliarden Menschen unterhalb dieser Armutsgrenze leben - und damit rund die Hälfte der Weltbevölkerung. Am Montag hatte die Weltbank erklärt, sie erwarte, dass 70 bis 100 Millionen Menschen durch die Pandemie in extreme Armut stürzen. Reuters
Die aktuellen Zahlen für Deutschland:
Für Deutschland trägt der Tagesspiegel die Zahlen live aus allen Landkreisen zusammen. Demnach gibt es in Deutschland aktuell 6.344 aktive Coronafälle. Im 7-Tage-Mittel stecken sich pro Tag etwas mehr als 300 Menschen neu mit dem Virus an. Weltweit gibt es laut Johns-Hopkins-Universität mehr als 7,5 Millionen nachgewiesene Infektionen mit dem Coronavirus und rund 420.000 Tote.
Strandbesuch im Corona-Sommer
Um die im Sommer erwarteten Ströme von Urlaubern und Tagesgästen zu lenken, lassen sich Deutschlands Orte an Nord- und Ostsee einiges einfallen: von Bodenaufklebern mit Abstandsregeln, Einbahnstraßensystemen am Strand bis hin zu Strand-Apps. Schleswig-Holstein etwa setzt bei der Unterbindung größerer Menschenansammlungen in Ferienorten und an Stränden auch auf digitale Lösungen.
An der Lübecker Bucht wird gerade eine sogenannte Strand-App entwickelt. Eine echte App wird die Anwendung zwar nicht, wie Doris Wilmer-Huperz, Pressesprecherin der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht, sagt. Geplant sei aber eine Internetplattform, die im Prinzip so funktioniert wie die Onlinebuchung eines Theaterplatzes.
Die Strände an der Lübecker Bucht sind eher schmal und auch bei Tagesgästen populär - das Einhalten der Abstandsregeln fällt da schwerer als beispielsweise auf den nordfriesischen Inseln oder in Sankt Peter-Ording. Verantwortliche winken hier denn auch ab: die Strände seien breit genug, um sich aus dem Weg zu gehen.
Auch auf Usedom in Mecklenburg-Vorpommern ist keine App geplant. Anders als in Schleswig-Holstein gelten in Mecklenburg-Vorpommern aber noch Betretungsverbote für Tagesgäste aus anderen Bundesländern.
Auch auf den ostfriesischen Inseln wie Norderney und Borkum sind weder Leitsysteme noch Strandreservierungen vorgesehen. Wir haben nach wie vor ein Korrektiv: das Verbot von Tagestouristen
, sagt der Geschäftsführer der Tourismusgesellschaft Ostfriesische Inseln.
Der Tourismuschef von Rostock-Warnemünde, Matthias Fromm, ist zufrieden mit dem Start der Saison: Es ist schön, uns wieder als Gastgeber präsentieren zu können.
dpa
Türkischer Außenminister enttäuscht von deutscher Reisewarnung
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu zeigt sich enttäuscht darüber, dass die Bundesregierung die Reisewarnung für Touristen für Drittstaaten außerhalb Europas prinzipiell bis zum 31. August verlängern will. Die wissenschaftlichen Gründe hinter der Entscheidung sind für uns nur schwer zu verstehen
, sagt Cavusoglu dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel
. Alles sei vorbereitet für eine sichere Reise in die Türkei. Die von seinem Land ergriffenen Maßnahmen würden unter anderem vom TÜV Süd überprüft. Reuters
Anmerkung HK: Der TÜV Süd war doch im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten. Hatte der nicht in Südamerika die Sicherheit des Staudammes, Rückhaltebecken einer Eisenmine, geprüft und für sicher befunden, der dann mit verheerenden Folgen gebrochen ist?
Zitat:
ARD-Nachrichten vom 16.10.2019: 272 Menschen starben im Januar bei einem Dammbruch in Brasilien. Monitor-Recherchen zeigen, dass ein deutscher TÜV-Süd-Manager offenbar von der Instabilität des Damms wusste. Gegen ihn und TÜV Süd wurde nun Anzeige gestellt.
Es ist eine der größten Katastrophen in der brasilianischen Bergbaugeschichte: Am 25. Januar 2019 brach der Staudamm einer Eisenerzmine in Brumadinho, im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Eine gigantische Schlammlawine wälzte sich ins Tal, 272 Menschen starben, es gab verheerende Umweltzerstörungen.
Schweden: Fast 1.500 Neuinfektionen
Fast 1.500 Neuinfektionen in Schweden Schweden verzeichnet die bislang höchste Anzahl von Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. 1.474 Erkrankungen seien hinzugekommen, teilt die Gesundheitsbehörde mit. Der Rekord-Anstieg sei eine direkte Konsequenz vermehrter Tests
. Dadurch seien auch Fälle erfasst worden, bei denen die Betroffenen nur milde Symptome gezeigt hätten. Insgesamt seien nunmehr 48.300 Infektionen bestätigt.
Schweden hat in der Pandemie einen anderen Kurs gefahren als die meisten anderen Länder: Das Land hat keinen vollständigen Lockdown praktiziert, sondern mehr auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit bei den Maßnahmen gesetzt.
Laut Zahlen der Zeitung aftonbladet.se befinden sich dort derzeit 1.367 Infizierte in Krankenhäusern, 268 von ihnen auf der Intensivstation. Zum Vergleich: Im benachbarten Norwegen, das sich wie die meisten europäischen Länder zu einem vorübergehenden Lockdown entschieden hatte, sind bislang insgesamt knapp 8600 Infektionen bestätigt, in Dänemark gut 12.000. Die Zahl der Neuinfektionen pro Tag liegt in diesen Ländern im niedrigen zweistelligen Bereich.
Die Zahl der Corona-Toten in Schweden kletterte den Angaben zufolge um 19 auf 4.814. Pro 100.000 Einwohner sind das etwa 47 Tote - deutlich mehr als in den benachbarten nordeuropäischen Ländern - und auch mehr als in Deutschland. Hier liegt die Zahl bei 10, während sie in Norwegen bei 4,5 liegt.
Der schwedische Sonderweg
in der Pandemie wurde bestimmt vom zuständigen Staatsepidemiologen Anders Tegnell. Seine Einschätzung hat das Land international in die Schlagzeilen gebracht. Seit mehr als drei Monaten wird weltweit genau verfolgt, wie sich die Pandemie in dem Land mit seinen rund 10,2 Millionen Einwohnern entwickelt.
Für Tegnells Kritiker ist die Sache längst klar: Sein Weg, in Schweden anders als in anderen Ländern nicht auf einen kompletten Lockdown zu setzen, sei ein riskantes Experiment mit Menschenleben.
Schon vor Wochen hat Tegnell zugegeben, dass seine Behörde von den hohen Zahlen überrascht worden sei. Wir sind in einer schrecklichen Situation gelandet
, sagte er unlängst und bezog sich dabei vor allem auf die hohe Zahl der Covid-19-Toten unter Pflegebedürftigen. Niemand habe zunächst damit gerechnet, dass das Virus derart in Heimen wüten könnte und ältere Menschen so extrem anfällig
sein würden. In dieser Woche gab er außerdem zu, man habe gerade in den Betreuungsanstalten Fehler gemacht, es gibt ganz klar Verbesserungspotenzial
.
3.200 der in Schweden verstorbenen Covid-19-Patienten waren älter als 80 Jahre. Weitere 1.000 zwischen 70 und 79 Jahre alt. Sven Lampkemeyer/Reuters
Anmerkung HK: Man könnte sagen, Schweden hat seine Alten geopfert. Erst durch die Corona-Krise ist es den Staatsfürsten
aufgegangen, wie schlecht die Verhältnisse in schwedischen Alten- und Pflegeheimen tatsächlich sind. Ich habe Schweden bis dahin für sein äußerst soziales Staatswesen geachtet, nun differenziert sich das. In Deutschland ist das bisher noch nicht aufgefallen, doch auch hier sieht es nicht besser aus. Leute, bloß nicht alt werden, bloß nicht zum Pflegefall werden - denn dann gute Nacht!
Italiens Premier muss wegen Coronakrise vor dem Staatsanwalt antraben
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte muss sich im Umgang mit der Corona-Krise in der Lombardei den Fragen der Staatsanwaltschaft stellen. Hinterbliebene von Opfern haben am Mittwoch in der stark betroffenen Provinz Bergamo Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet.Sie werfen den Behörden vor, wegen Fahrlässigkeit und Inkompetenz für zahlreiche Todesfälle durch das Virus verantwortlich zu sein.
Conte, Gesundheitsminister Roberto Speranza und Innenministerin Luciana Lamorgese sollen alle bei der Staatsanwaltschaft als Zeugen gehört werden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.
Wir werden am Freitag reden. Ich werde alles sagen, was ich weiss, in aller Gelassenheit
, sagte Conte am Mittwochabend. Es geht vor allem um die Frage, ob die als Corona-Hotspots bekannten Orte Alzano Lombardo und Nembro zu spät abgeriegelt worden sind.
Wir sind alle aus der Gegend um Bergamo und haben ähnliche Geschichten, Geschichten von Familientragödien. Wir suchen klare und ernsthafte Antworten der Staatsanwälte», sagte Cristina Longhini von der Gruppe «Noi Denunceremo
(Wir werden anklagen). Diese besteht aus Angehörigen von Menschen, die an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben sind.
Die Provinz Bergamo war das Epizentrum der Corona-Krise in Italien. Vor allem an der Regionalregierung der Lombardei wurde Kritik laut, die Gegend nicht zur roten Zone erklärt zu haben. Die Region weist die Vorwürfe zurück und verweist auf die Regierung in Rom, die eine solche Entscheidung hätte treffen müssen. [sda/dpa
Regierung lehnt gesetzliche Grundlage für Corona-Warn-App weiter ab
Berlin – Die Bundesregierung lehnt es weiterhin ab, die Corona-Warn-App gesetzlich zu verankern. Das stellten Regierungssprecherin Ulrike Demmer und eine Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) heute vor Journalisten in Berlin klar.
Es handele sich um eine in mehrfacher Hinsicht auf Freiwilligkeit basierende Technik
, sagte Demmer. Insofern brauche es dafür keine gesetzliche Grundlage. Sie betonte, der Vorstoß basiere auch auf der Sorge um den Datenschutz. Dieser sei in dieser App aber zu 100 Prozent umgesetzt
, so Demmer. Selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber habe dies bestätigt.
Die BMG-Sprecherin erklärte, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe zuletzt drauf hingewiesen, dass es mit der Datenschutzgrundverordnung bereits eine gesetzliche Grundlage für die Anwendung der App gebe. Dort sei für jeden eindeutig alles notwendige
zur Freiwilligkeit und zur ausrücklichen freiwilligen Einwilligung der Datennutzung geregelt, sagte sie weiter.
Die Bundesregierung will mit der Tracing-App die Infektionsketten von SARS-CoV-2 besser erkennen. Sie soll mit dazu beitragen, dass bei einer Lockerung für das öffentliche Leben die Ausbreitung des Virus nicht wieder stark ansteigt.
Wird ein Nutzer positiv auf COVID-19 getestet und dieser Status in der App erfasst, sollen die anderen Anwender darüber informiert werden, dass sie sich in der Vergangenheit in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben.
Die Corona-Warn-App soll Anfang der kommenden Woche vorgestellt werden. Dies könnte bereits am Montag erfolgen, heißt es aus gut informierten Kreisen. Die Corona-Warn-App wird im Auftrag der Bundesregierung von der Deutschen Telekom und SAP programmiert. Ärzteblatt
Studie sieht drohende Vereinsamung älterer Alleinstehender
Berlin − Viele ältere Menschen in Deutschland sind in der Coronakrise bei anhaltender sozialer Isolation von Vereinsamung bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt eine heute veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Demnach steigt mit zunehmendem Alter die Zahl der Alleinstehenden, und viele dieser Menschen haben keine in der Nähe lebenden Kinder und keinen Internetanschluss. Darüber hinaus gehen laut DIW diese Risikofaktoren häufig mit niedrigen Werten auf einer Skala für mentale Gesundheit einher.
In Deutschland leben der Studie zufolge etwa 38,7 Prozent der über 65-Jährigen in Einpersonenhaushalten. Der Anteil alleinlebender Menschen steigt demnach mit dem Alter stark an: Sind es bei den 65- bis 69-Jährigen ein Viertel der Menschen, steigt im Alter von 75 bis 79 Jahren der Anteil der Alleinlebenden auf etwa 38 Prozent. Im Alter von 85 oder älter leben zwei Drittel der Menschen in einem Einpersonenhaushalt.
Während etwa die Hälfte der älteren Menschen, die mit anderen Personen in einem Haushalt lebt, auch noch Kinder am selben Ort hat, ist bei den Alleinlebenden dieser Anteil besonders niedrig.
Er beträgt bei den 65 bis 74-Jährigen 35 Prozent. Bei den über 80-Jährigen haben weniger als 50 Prozent der Alleinlebenden Kinder am selben Ort. Zudem werden Besuche aus weiter entfernten Orten in Zeiten von sozialer Distanzierung
und Infektionsangst erschwert.
Das Potenzial, direkte persönliche Kontakte wenigstens durch virtuelle Kontakte über das Internet auszugleichen, ist bei den besonders von Vereinsamung bedrohten Alleinlebenden im hohen Alter den Forschern zufolge begrenzt.
Über alle Altersgruppen hinweg liegt der Anteil der Menschen, die einen Internetanschluss im Haushalt haben, bei den Alleinlebenden etwa 20 Prozentpunkte niedriger als bei denen, die mit mehreren Personen in einem Haushalt leben. Zudem sinkt dieser Anteil mit dem Alter stark ab und liegt bei den über 85-Jährigen nurmehr bei 20 Prozent.
Die Untersuchung basiert auf Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) und nimmt ausschließlich die Situation von Personen in Privathaushalten in den Blick. Menschen, die in Seniorenheimen, Hospizen oder ähnlichen Einrichtungen leben, sind nicht Gegenstand der Untersuchung. kna/aerzteblatt.de
COVID-19: Sterblichkeit unter Pflegebedürftigen fünfzigmal höher
Bremen – Die Sterblichkeit infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 ist unter Pflegebedürftigen mehr als fünfzigmal so hoch wie im Rest der Bevölkerung. Das geht aus einer Studie der Universität Bremen hervor, die auf einer Onlinebefragung von 824 Pflegeheimen, 701 Pflegediensten und 96 teilstationären Einrichtungen beruht.
Werden die Befragungsergebnisse auf die Bundesrepublik hochgerechnet, zeigt sich, dass rund 60 Prozent aller Verstorbenen von Pflegeheimen oder Pflegediensten betreute Pflegebedürftige sind, wobei deren Anteil an allen infizierten Personen nur insgesamt 8,5 Prozent beträgt
, erklärte Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik an der Universität Bremen, einer der Studienautoren.
Pflegeheime sind damit der wichtigste Ort in Bezug auf mit COVID-19 Verstorbenen. Hier treten die Hälfte aller Todesfälle auf, obwohl nur knapp ein Prozent der Bevölkerung in dieser Wohnform lebt.
Neben den Pflegebedürftigen seien auch die versorgenden Pflegekräfte durch erhöhte Infektionsrisiken gefährdet, erklärte die Leiterin der Studie, Karin Wolf-Ostermann vom Institut für Public Health und Pflegeforschung. So sei der Anteil infizierter Mitarbeiter in ambulanten Pflegediensten doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung – in stationären Einrichtungen sogar sechsmal so hoch.
Dennoch hätten drei Fünftel der Pflegedienste und drei Viertel der Pflegeheime noch keinen COVID-19-Fall zu verzeichnen. Dies zeige, dass Schutzmaßnahmen bisher erfolgreich seien, erklärten die Studienautoren. Dort, wo eine erste Infektion auftrete, seien die Folgen jedoch schnell gravierend. Deshalb müsste das Einschleppen erster Infektionen konsequent vermieden werden und Schutzkonzepte die Verbreitung unter den Pflegebedürftigen und Mitarbeitenden verhindern.
Eindämmung der Infektion möglich
Dass eine Eindämmung der Infektion möglich sei, zeigten die Infektionen von Mitarbeitenden und Pflegebedürftigen, so Wolf-Ostermann und Rothgang weiter. Denn jeweils mehr als die Hälfte der Einrichtungen mit infizierten Mitarbeitern weisen der Studie zufolge keine infizierten Klienten oder Bewohner aus. Schlüssel hierbei seien schnelle Testergebnisse zur Identifikation von potenziellen Infektionsherden und ausreichende Schutzmaterialien zur Vorbeugung der Übertragung.
Wenngleich die anfangs mangelnde Versorgung mit Schutzmaterialien an Bedeutung verloren habe, berichteten immer noch jeder vierte Pflegedienst und jede sechste stationäre Einrichtung von diesbezüglichen Engpässen, erklärten die Studienautoren. Zudem seien Tests teilweise noch schwer zugänglich.
Die Übermittlung der Ergebnisse erfolgt erst nach drei bis vier Tagen – zu spät, um ihr Potenzial als Teil eines wirkungsvollen Schutzkonzepts voll zu entfalten
, so Wolf-Ostermann. Erforderlich seien daher Reihentests, deren Ergebnisse schneller zur Verfügung stehen.
Im Hinblick auf die quantitative Versorgung berichtete der Studie zufolge knapp die Hälfte aller Pflegedienste von deutlichen Veränderungen, die dadurch entstehen, dass Leistungen von den Pflegebedürftigen nicht mehr in Anspruch genommen werden und teilstationäre Angebote oder Betreuungskräfte in den Haushalten nicht mehr zur Verfügung stehen.
Dies führe dazu, dass einerseits vier von zehn Pflegediensten unter wirtschaftlichen Folgen zu leiden hätten und andererseits die Versorgung von Klienten gefährdet, instabil oder aktuell nicht sichergestellt sei.
Um über die akute Pandemiesituation hinaus Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, muss den Forderungen der Pflegedienste und stationäre Einrichtungen nachgekommen werden
, betonten Wolf-Ostermann und Rothgang.
Dazu gehören bundesweite und praktikable Handlungsempfehlungen, eine dauerhafte ausreichende Bereitstellung von Schutz- und Desinfektionsmitteln, die systematische und regelmäßige Testung von Bewohnerinnen und Bewohnern, sowie eine bessere Vergütung der Pflegekräfte und eine bessere Personalausstattung.
fos/aerzteblatt.de
Verschwörungstheorie, -mythos oder -ideologie?
Nein, die Corona-Pandemie ist keine Erfindung von Bill Gates, um der Weltbevölkerung Mikrochips zu implantieren. Solche Behauptungen kennen die meisten als Verschwörungstheorie - aber es gibt bessere Begriffe dafür.
Während der Corona-Pandemie erhält wissenschaftliches Arbeiten deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit - vor ein paar Monaten wäre es noch unvorstellbar gewesen, dass sich große Leitmedien über Tage hinweg mit der wissenschaftlichen Diskussion zu einer bestimmten virologischen Studie auseinandersetzen. Gleichzeitig bekommen aber auch spezielle Theorien
Zulauf, die nichts mit wissenschaftlicher Empirie gemein haben: So wird behauptet, dass das neue Coronavirus wahlweise frei erfunden oder von Menschen erschaffen worden sei. Eine Befragung im Rahmen einer Studie der Universität Erfurt und weiterer Forschungspartner Mitte Mai ergab, dass je 17 Prozent eine der beiden Aussagen glaubten - zehn Prozent sogar beide. Rund um Corona kursieren noch wesentlich haarsträubendere Behauptungen, zum Beispiel dass der IT-Milliardär und Philanthrop Bill Gates im Rahmen einer verpflichtenden Impfung den Menschen Mikrochips implantieren wolle, um sie zu kontrollieren.
Derlei Behauptungen werden meist Verschwörungstheorie
genannt - aber aus sprachlicher Sicht gibt es treffendere Begriffe.
Verschwörungstheorie
Um das Phänomen zu beschreiben, ist kein Begriff im Deutschen so verbreitet wie der der Verschwörungstheorie
. Doch er ist irreführend: Der Theoriebegriff meint ja eben genau, dass man eine Annahme hat auf Basis von Fakten
, sagt die Sozialpsychologin Pia Lamberty von der Universität Mainz. Wenn die Fakten nicht zur Theorie passen, muss die Theorie irgendwann angepasst oder verworfen werden
, sagt Lamberty der DW. Und genau das passiert bei Verschwörungserzählungen eben nicht.
Der Politikberater Johannes Hillje schreibt auf Twitter, der Begriff Theorie
habe gar einen wissenschaftlichen Anklang, mit dem man diesen Unfug nicht adeln sollte
. Hillje befürchtet, dass der Begriff Verschwörungstheorie
dazu führen könnte, dass deren Verbreiter sich als Gegenwissenschaft
verstanden fühlen.
Johannes Hillje @JHillje
Verschwörungsideologien oder Verschwörungsmythen trifft es begrifflich besser alsVerschwörungstheorien.
Theorieist begrifflich neutral, hat gar einen wissenschaftlichen Anklag, mit dem man diesen Unfug nicht adeln sollte.#CoronaVirusDE #COVID19
Johannes Hillje @JHillje
DerTheorie-Begriff spielt letztlich sogar den Verschwörungsideologen in die Hände, da sie sich selbst eben nicht als Wissenschaftsfeinde, sondern als eine ArtGegenwissenschaftzumMainstreamsehen (analog zur Idee derGegenöffenlichkeit).
Verschwörungsmythos
/ -erzählung
Pia Lamberty, die mit einem Sachbuch zu dem Thema auch gerade in diversen Bestsellerlisten auftaucht, unterscheidet im eigenen Sprachgebrauch zwischen Verschwörungsmythos
und Verschwörungserzählung
: Eine Verschwörungserzählung, das sind diese konkreten Geschichten, also wenn Menschen annehmen, dass es sich bei 9/11 um einen
Als Beispiel nennt sie Verschwörungserzählungen über den ungarisch-amerikanischen Milliardär George Soros, die wiederum auf den antisemitischen Mythen um eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung aufbauen.Inside Job
handele (also, dass Verschwörer von innerhalb der US-Regierung für den Anschlag verantwortlich seien; Anm. d. Red.) oder dass Prinzessin Diana noch leben würde. Der Verschwörungsmythos ist für mich eher das abstrakte, übergeordnete Motiv, also so etwas wie die jüdische Weltverschwörung
, die sich dann in konkreten Verschwörungserzählungen wiederfindet und auch gesellschaftlich anpasst, also aktualisiert.
Beide Begriffe haben gemein, dass sie häufig weiter überliefert und dadurch immer wieder ergänzt und verändert werden.
Verschwörungsideologie
Manche Verschwörungserzählungen sind derart komplex, dass sie ein geschlossenes Weltbild errichten und der Begriff Ideologie angemessen ist: Ausgehend von den USA verbreitet sich in einschlägigen Foren etwa die Behauptung, ein Geheimbund halte Tausende entführte Kinder in Verliesen gefangen und trinke deren Blut, um jung zu bleiben. US-Präsident Donald Trump gilt den Anhängern der Ideologie als Befreier, sein Vorgänger Barack Obama und seine Herausforderin im Wahlkampf 2016 Hillary Clinton als Mitglieder der Verschwörung. Ihren Namen leitet die Ideologie von einem anonymen angeblichen US-Regierungsmitarbeiter mit der Sicherheitsfreigabestufe Q
ab - QAnon
.
Ein weiteres Beispiel für eine Verschwörungsideologie liefern die sogenannten Reichsbürger, die im Kern der Ansicht sind, das Deutsche Reich bestehe weiter fort und die Institutionen der Bundesrepublik seien daher nicht legitimiert. Reichsbürger vertreten häufig rechtsradikale Positionen, außerdem gibt es gewisse Überschneidungen zur Prepper-Szene, deren Anhänger sich auf Kriegs- und Weltuntergangsszenarien vorbereiten (von englisch to prepare
). Am Beispiel Reichsbürger lässt sich gut veranschaulichen, wie gefährlich Verschwörungsideologien werden können: Im Oktober 2016 tötete ein schwer bewaffneter mutmaßlicher Reichsbürger einen Polizisten.
Während selbsternannte Reichsbürger gemeinsam mit anderen Verschwörungserzählern und Extremisten, aber auch harmloseren Demonstranten gegen die Corona-Beschränkungen demonstrieren, verbot Bundesinnenminister Horst Seehofer erstmals eine Reichsbürger-Gruppe. Deutsche Welle
Drei Maßnahmen könnten besonders vor Corona schützen
Forscher werten 172 Studien aus
Kanadische Forscher haben Dutzende Studien zu Coronaviren ausgewertet. Demnach gibt es zum Schutz vor Ansteckung drei wichtige Verhaltensregeln. Die Erkenntnisse sollen den Behörden weltweit helfen.Eine Kombination aus Abstandhalten, Mund-Nasen-Maske und Augenschutz könnte laut einer neuen Analyse eine Corona-Infektion bestmöglich verhindern. Das schreiben Forscher der kanadischen McMaster-Universität im Fachblatt Lancet
, nachdem sie 172 Studien systematisch ausgewertet haben. Ein Teil der Studien beschäftigte sich mit SARS-CoV-2, ein weiterer mit SARS und ein dritter mit MERS. All diese Erreger gehören zu den Coronaviren. Ziel der Metaanalyse, so die Mediziner, sei gewesen, den bestmöglichen Einsatz verschiedener Schutzmaßnahmen zu überprüfen, um daraus eine Grundlage für Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO zu schaffen, welche die Studie zum Teil auch finanzierte. Dies sei umso wichtiger, da es weltweit unterschiedliche und teils auch widersprüchliche Empfehlungen gebe.
Ergebnisse der Analyse
Bei ihrer Analyse kamen die kanadischen Wissenschaftler zu folgenden Haupterkenntnissen:
- Ein Abstand von einem Meter oder mehr ist mit einem wesentlich geringeren Infektionsrisiko verbunden, als wenn eine kleinere Distanz gewahrt wird (2,6 Prozent versus 12,8 Prozent Infektionsrisiko). Jeder weitere Meter Abstand, bis zu drei Meter, könnte dieses Risiko weiter halbieren, wobei die Autoren die Beweislage für diese Aussage als
moderat
beschreiben. - Visiere, Schutzbrillen und Brillen im Allgemeinen scheinen das Risiko ebenfalls zu senken (5,5 Prozent versus 16 Prozent Infektionsrisiko). Hier sei die Beweislage allerdings eher
gering
, so die Autoren. Es gibt die Annahme, dass das Auge ein möglicher Eintrittsort für das Virus sein kann. - Ein ähnliches Resultat zeigt sich bei den Effekten von Gesichtsmasken (3,1 Prozent versus 17,4 Prozent Infektionsrisiko). Auch hier bewerten die Autoren die Beweissicherheit allerdings insgesamt als eher
niedrig
.
Herausforderungen der Schutzstrategien
Die Mediziner hoffen, dass ihre Ergebnisse von Regierungen und Verantwortlichen der Gesundheitssysteme genutzt werden, um klare Regelungen und Empfehlungen zu formulieren. Allerdings sollte dabei immer auch berücksichtigt werden, wie akzeptabel, machbar, ressourcenintensiv und zugänglich all diese Maßnahmen seien.
So habe ein Teil der analysierten Studien zu allen drei Viren ergeben, dass Menschen die Schutzstrategien zwar akzeptierten und als beruhigend empfänden, aber auch Herausforderungen bemerkten. Diese reichten von Hautirritationen durch Gesichtsmasken bis hin zu erschwerter Kommunikation im Pflegekontext.
Ein weiteres Ergebnis der Metaanalyse hebt Epidemiologin Raina MacIntyre von der australischen Universität von New South Wales in einem unabhängigen Kommentar hervor: So habe die Auswertung auch gezeigt, dass Atemschutzmasken und mehrschichtige Masken besser abschirmten als solche aus einer einzigen Stoffschicht. Das sei insbesondere mit Blick auf die Tatsache wichtig, dass viele selbst geschneiderte Masken nur einlagig seien. Eine gut gestaltete Stoffmaske sollte aus wasserabweisendem Gewebe bestehen, mehrere Schichten haben und gut an das Gesicht angepasst sein
, empfiehlt MacIntyre. [Nachrichtenagentur dpa
Schweden: Ein Eingeständnis mit Folgen
Anders Tegnell, erster Epidemiologe des Landes, räumt Fehler in der Seuchenbekämpfung ein. Die Regierung gerät unter Druck. Die Schweden selbst aber wollen wieder reisen.
Eine solch große Demonstration hat Stockholm seit Jahren nicht mehr erlebt: Tausende Menschen ziehen am Mittwochabend durch die schwedische Hauptstadt, vor allem junge Leute gehen an diesem Abend auf die Straße. Doch sie protestieren nicht gegen Corona-Politik des Landes – sondern drücken ihre Solidarität mit dem von US-Polizisten getöteten George Floyd aus. Das Vertrauen der Schwedinnen und Schweden in ihren eigenen Staat ist auch nach mehr als 4.600 Corona-Toten im Land nicht erschüttert. Doch so langsam scheint sich der Wind im 10-Millionen-Land zu drehen. Dazu hat nicht zuletzt der Mann, der Schweden seit mehr als vier Monaten durch die Corona-Krise steuert, selbst beigetragen: Anders Tegnell, erster Epidemiologe des Landes, verehrt und kritisiert zugleich. Am Mittwoch musste er in einem Interview mit dem schwedischen Rundfunk einräumen: Wir hätten von Anfang an härtere Maßnahmen erlassen sollen.
Welche das gewesen wären, lässt Tegnell zwar offen. Aber auf die Frage, ob zu viele Menschen zu früh gestorben seien, antwortet er mit einem kurzen Ja!
.
Das Eingeständnis hat Folgen. Der politische Frieden im Land ist vorbei. In einer aktuellen Fragestunde im Parlament bauten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten Druck auf: "Die Corona-Politik der Regierung ist gescheitert", stellte die Abgeordnete Ann-Christine From Utterstedt fest. Wenn am Sonntag die erste große Fernsehdebatte seit Ausbruch der Corona-Krise ansteht, wird sich die Regierung wohl viele kritische Fragen gefallen lassen müssen.
Reiseverbot und offene Schulen
Es sind nicht nur die vielen Toten, die immer mehr Menschen am Sonderweg Schwedens zweifeln lassen. Es sind auch die Reisebeschränkungen. Seit März warnt das Außenministerium vor unnötigen Reisen ins Ausland und die Reisewarnung ist noch bis zum 15. Juli in Kraft. Bis dahin müssen alle im Land bleiben. Für die reisefreudigen Schweden ist das eine völlig ungewohnte Situation. Hinzu kommt, dass schwedische Touristen längst nicht mehr überall willkommen sind. Dänemark hält seine Grenzen nach wie vor geschlossen. Wer aus Schweden nach Tschechien, Zypern oder Griechenland reisen will, muss vor Ort erst einmal einen Corona-Test über sich ergehen lassen – sonst wird die Einreise verwehrt.
Das Reiseverbot macht auch Sara Lindstrand Sorgen. Die 42jährige ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrem Mann auf Östermalm. Die Familie besitzt ein kleines Ferienhaus in den italienischen Alpen. Sie sind Italien-Fans und haben den Kurs ihrer Regierung immer unterstützt, obwohl einige ihrer Freunde an Covid-19 erkrankt waren – die meisten kamen allerdings glimpflich davon. Jetzt fürchtet die Familie um ihren Sommerurlaub. Wir wissen noch immer nicht, wohin wir reisen können
, sagt Sara. Als sie im März aus Italien zurückkamen, mussten sie für 14 Tage in Quarantäne. Jetzt ist sich Sara unsicher, ob eine schwedische Familie in Italien überhaupt willkommen ist. Wir haben mit unseren Nachbarn telefoniert. Die haben gesagt:
, sagt sie.Macht Euch keine Sorgen. Kommt einfach
Wirtschaftliche Folgen
Dass Anders Tegnell Fehler einräumen musste, hat auch Sara gehört. Aber den schwedischen Weg ganz verurteilen will sie nicht. Vor allem die offenen Schulen waren gut für uns alle
, meint sie.
Dass die Schweden ihre Schulen bis Klasse neun und ihre Kindergärten über die gesamte Zeit offen gelassen haben, hat bei vielen Beobachtern im Ausland für Kopfschütteln gesorgt. Mittlerweile scheint sich aber in ganz Skandinavien die Ansicht durchzusetzen, dass Kinder bei der Verbreitung des Coronavirus eine eher geringe Rolle spielen. Die Norweger verzichten seit dieser Woche auf sämtliche Abstandsregeln in den Schulen. Und die Dänen können nach sechs Wochen mit offenen Grundschulen keinen Anstieg der Infektionszahlen erkennen.
Negativ sind in Schweden dagegen auch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise: Hotels und Restaurants beklagen Umsatzeinbrüche von bis zu 90 Prozent. Bei Volvo laufen die Bänder nur noch an drei Tagen pro Woche. Die Arbeitslosigkeit steigt. Sie könnte bis zum Jahresende einen Wert von mehr als zehn Prozent erreichen. Die Preise am Immobilienmarkt fallen. Und für die angeschlagene skandinavische Fluglinie SAS interessieren sich chinesische Investoren. Die Aussichten für das Exportland Schweden sind nicht gut.
Wer keine Symptome hat, darf wieder reisen.
Wenigstens nimmt inzwischen die Zahl der Covid-19-Todesfälle ab, aber längst nicht so stark wie in anderen Ländern. Noch immer sterben täglich rund 50 Menschen an den Folgen der Erkrankung. Besonders beunruhigend: Während sich in Stockholm die Lage zu entspannen scheint, nehmen in anderen Landesteilen die Infektionen zu, etwa in der Region rund um Göteborg, Schwedens zweitgrößter Stadt. Nördlich von Göteborg liegen auch die beliebten Ferienorte der Schweden: Lyseksil, Smögen oder Fjällbacka. Selbst viele Stockholmer haben dort ein Sommerhaus. Derzeit liegt auch das zu weit entfernt, sofern man sich an die Vorgaben der Gesundheitsbehörde hält. Denn im Land gilt die Empfehlung, dass sich jeder nicht mehr als zwei Stunden von seinem Heimatort entfernen soll.
Zumindest galt die Empfehlung bis Donnerstag. Da überbrachte der unter Druck geratene Ministerpräsident Stefan Löfven die vielleicht beste Nachricht der Woche selbst. Wer keine Symptome hat, darf wieder reisen
, verkündete er. Wie das mit den steigenden Fallzahlen in einigen Regionen des Landes zusammenpasse, wurde er von Journalisten gefragt. Statt selbst eine Antwort zu geben, sagt er nur: Die Lage ist nach wie vor ernst. Wenn die Zahlen steigen, werden wir die Restriktionen wieder anheben.
Besonders erfreut war man über die Entscheidung der Regierung in Vimmerby. Dort liegt – mehr als zwei Stunden von Stockholm entfernt – die Astrid-Lindgren-Welt. Zum 75. Jubiläum von Pippi Langstrumpf in diesem Jahr hat man viel Geld in eine neue Villa Kunterbunt investiert. Am 17. Juni wird der Park wieder öffnen. Dann hofft man nicht nur auf schwedische Besucher, sondern auch auf viele Touristen aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland. Eine große Fährlinie wirbt in Deutschland schon seit Tagen mit dem Slogan: Endlich wieder Schweden sorgenfrei genießen
– auch wenn es nur ein frommer Wunsch sein mag. Die Schweden selbst hoffen darauf wohl am meisten. [Zeit-Online, Christian Stichler, Stockholm
Deutsche Forscher finden Corona-Blocker
Die Suche nach Medikamenten und Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus läuft weltweit auf Hochtouren. Ein Forscherteam aus Niedersachsen testet 6000 künstlich hergestellte Antikörper an menschlichen Zellen und macht damit erstaunliche Fortschritte.
Bei der Erforschung des neuartigen Coronavirus haben Braunschweiger Wissenschaftler einem Medienbericht zufolge Antikörper nachweisen können, die das Virus am Eindringen in Zellen hindern. Das ist eindeutig ein Durchbruch, der zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg für die Entwicklung eines Medikaments gegen Covid-19
, sagte der Virologe Luka Cicin-Sain vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) der Braunschweiger Zeitung
.
Cicin-Sain und sein Team haben dem Bericht zufolge 6000 verschiedene künstlich hergestellte menschliche Antikörper analysiert. Dabei fanden die Forscher mehr als 750 Antikörper, die an das Coronavirus andocken - eine Voraussetzung dafür, den Erreger erfolgreich zu bekämpfen. Nun werden die Antikörper an Zellkulturen auf ihre Wirksamkeit getestet.
Ziel der Wissenschaftler ist keine Impfung, sondern ein Arzneimittel, um schwer kranke Corona-Patienten akut zu behandeln: Das Wirkprinzip, mit dem wir arbeiten, ist die sogenannte Passiv-Immunisierung
, sagte Stefan Dübel von der Technischen Universität Braunschweig. Die Wirkung tritt sofort ein: Die Antikörper nehmen dem Virus das Potenzial.
Erste Behandlungen im Herbst?
Die Suche nach dem besten Antikörper-Kandidaten für ein späteres Medikament solle noch bis Mitte Juni fortgesetzt werden, sagte Thomas Schirrmann vom an dem Projekt beteiligten Biotech-Unternehmen Yumab. Dann gelte es, den Favoriten auf Herz und Nieren
zu prüfen und die Entwicklung für die klinische Praxis vorzubereiten. Unsere Vision ist, dass im Herbst die ersten Corona-Patienten mit dem Medikament behandelt werden
, sagte Schirrmann.
Niedersachsens CDU-Wissenschaftsminister Björn Thümler würdigte die Leistung des Forscher-Teams: Ich freue mich außerordentlich über diesen großen Erfolg der niedersächsischen Forschungseinrichtungen, der auf bessere Heilungserfolge bei Covid-19 hoffen lässt
, sagte der Politiker der Braunschweiger Zeitung
. Quelle: ntv.de, agr/AFP
Blutgruppe könnte Covid-19-Verlauf entscheiden
Der Zusammenhang fällt schon chinesischen Forschern auf, nun können ihn norwegische und deutsche Wissenschaftler in einer Studie zeigen. Menschen mit bestimmten Blutgruppen erleiden bei einer Covid-19-Erkrankung häufiger Atemversagen. Schon länger wird vermutet, dass bei der Immunabwehr gegen das Coronavirus genetische Faktoren eine Rolle spielen könnten. Eine neue Studie norwegischer und deutscher Wissenschaftler zeigt nun einen Zusammenhang zwischen bestimmten Blutgruppen und der Wahrscheinlichkeit eines Atemversagens während einer Coronavirus-Infektion.
Die Forscher um Tom Karlsen vom Osloer Universitätsklinikum und Andre Franke von der Universität Kiel konnten auf Blutproben von 1610 Patienten zurückgreifen, die auf dem Höhepunkt der Epidemie in sieben Kliniken in Spanien und Italien wegen einer schweren Covid-19-Erkrankung behandelt wurden.
Das DNA-Material dieser Patienten wurde extrahiert und an bestimmten Stellen untersucht, an denen es häufig zu Varianten kommt. Die dabei gefundenen genetischen Merkmale wurden dann mit denen von 2205 gesunden Blutspendern aus beiden Ländern verglichen. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass Menschen mit dem Bluttyp A+ ein höheres Risiko für Atemversagen aufgrund von Covid-19 haben. Menschen mit Typ-0-Blut waren hingegen besser vor dem Virus geschützt.
Zwei heikle Stellen
Die vorab veröffentlichten Ergebnisse der norwegischen und deutschen Wissenschaftler zeigen, dass die Variante rs657152
zu 32 Prozent häufiger und die Variante rs11385942
zu 77 Prozent häufiger bei den COVID-19-Patienten auftrat als in der Kontrollgruppe. Bei rs657152
handelt es sich um die Variante, die sich auf dem Chromosom 9q34 im ABO-Gen befindet, das die Blutgruppeneigenschaften bestimmt. Die Forscher weisen darauf hin, dass rs657152
bereits mit erhöhten Interleukin-6-Konzentrationen bei übergewichtigen Kindern in Verbindung gebracht wurde. Die Variante "rs11385942" betrifft die Antwort auf Entzündungsgeschehen im Körper.
Chinesischen Forschern war schon bei früheren Untersuchungen aufgefallen, dass überdurchschnittlich viele Covid-19-Patienten die Blutgruppe A hatten. Auch sie vermuteten bereits eine gewisse Schutzwirkung der Blutgruppe 0. Außerdem ist schon seit Längerem bekannt, dass Menschen mit der Blutgruppe 0 kaum an schwerer Malaria erkranken. Blutgruppe A ist hingegen eher gegen die Pest gefeit.
In Deutschland haben 37 Prozent der Menschen die Blutgruppe A+ und 35 Prozent die Blutgruppe 0+. Die Blutgruppe B+ kommt bei neun Prozent der Menschen in Deutschland vor, die Blutgruppen A- und 0- bei jeweils sechs Prozent. Am seltensten sind die Blutgruppen AB+ mit vier Prozent, B- mit zwei Prozent und AB- mit einem Prozent. ntv.de, sba
Forscher sind den Aerosolen auf der Spur
Während die Fallzahlen an Corona-Infizierten in Deutschland abnehmen, gibt das Virus weiter Rätsel auf. So ist die Übertragung weiterhin nur in Ansätzen geklärt. Forscher auf der ganzen Welt nehmen nun Aerosole verstärkt in den Fokus - und liefern erste Erkenntnisse.
Bei der Erforschung von Corona-Infektionswegen nehmen Wissenschaftler zunehmend sogenannte Aerosole unter die Lupe. Damit wird ein Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen - wie Partikel von Sars-CoV-2 - in der Luft bezeichnet. Wir sind ziemlich sicher, dass Aerosole einer der Wege sind, über die sich Covid-19 verbreitet
, sagte der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch.
Schmierinfektionen etwa spielten eine geringere Rolle. Es seien aber noch viele Fragen offen, so Scheuch - zum Beispiel, wie sich das Virus beim Sprechen verbreite oder welche Rolle die Temperatur spielt. Da muss viel Forschungsarbeit gemacht werden
, sagte er. Aber es wird gerade immer mehr in die Richtung geforscht.
Längst nicht geklärt ist demnach auch, wie infektiös getrocknete Aerosole sind.
Laut Robert Koch-Institut erfolgt die Übertragung des neuartigen Virus hauptsächlich über Tröpfchen, die beim Husten und Niesen entstehen und beim Gegenüber über die Schleimhäute aufgenommen werden. Aerosole - definiert als Tröpfchenkerne kleiner als fünf Mikrometer - könnten aber ebenso dazu beitragen, auch wenn eine abschließende Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig ist
.
Höhe des Raumes und Lüften entscheidend
Es gibt schon Studien, die sich mit der Verbreitung von Tropfen und Aerosolen in der Luft befassen. Allerdings kommen die zu teils unterschiedlichen Ergebnissen. So hat ein Team um Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München mit einer Sängerin Experimente gemacht und kommt zu dem Schluss, dass die Luft beim Singen nur bis 0,5 Meter vor dem Mund in Bewegung versetzt wird - unabhängig etwa davon wie laut der Ton war. Als Tipp zum Selbertesten raten die Forscher, sich vor eine brennende Kerze zu stellen und zu schauen, wann die Flamme anfängt zu flackern, wenn man sich ihr beim Sprechen nähert.
Die Wissenschaftler Talib Dbouk und Dimitris Drikakis wiederum haben berechnet, wie weit sich Speicheltropfen bei leichtem Husten verbreiten: ohne Wind nicht weiter als zwei Meter, aber bei Winden von 4 und 15 Stundenkilometern durchaus auch sechs Meter. Zwar nähmen Konzentration und Größe der Tropfen ab, aber womöglich reiche eine Entfernung von zwei Metern nicht aus. Forscher aus Washington analysierten die Ansteckung innerhalb eines Chores und vermuteten, dass die Übertragung einem Abstand von unter zwei Metern geschuldet war.
Allerdings macht Kähler klar, dass neben dem Abstand auch zu beachten sei, ob jeweils Hygieneregeln eingehalten wurden oder zum Beispiel Hände geschüttelt und Stühle gemeinsam verrückt wurden. Weitere Aspekte, die Einfluss auf die Infektionswege haben können, sind etwa die Höhe des Raumes und die Durchlüftung. So rät beispielsweise Kähler, es sollte einerseits die Luftwechselrate in Zeiten der Pandemie deutlich erhöht werden, andererseits sollte bei einer idealen Raumbelüftung die Luft von unten durch den Boden zugeführt und flächig über die Decke abgesaugt werden
.
FFP-Masken können Viren wohl nicht aufhalten
Im chinesischen Wuhan haben Forscher für eine Studie in Kliniken nach Sars-CoV-2-Erbgut in Aerosolen gesucht. Die Menge sei etwa in belüfteten Patientenzimmern sehr niedrig gewesen, in Toilettenbereichen jedoch höher. An der frischen Luft sei sie nicht nachweisbar gewesen, außer in zwei Bereichen, die zu Überfüllung neigten. Auch Kähler sagt, im Freien bestehe kaum Gefahr. Man atme etwa einen halben Liter Luft aus, der sei schnell verdünnt. Gefährlich werde es, wenn man sich etwa wegen einer Blaskapelle im Hintergrund näher kommt und lauter spricht. Das ist dann aber wieder eine Frage des Abstands.
Wie lange eine potenzielle Gefahr besteht, haben Forscher auch schon untersucht: Ein weiteres Team aus den USA hat mit Laserlicht die Lebensdauer kleiner Tröpfchen in der Luft gemessen, die beim Sprechen entstehen. Demnach verschwinden sie in einer geschlossenen Umgebung bei stehender Luft erst nach 8 bis 14 Minuten. Im Fazit heißt es, dass es eine erhebliche Wahrscheinlichkeit gibt, dass normales Sprechen in beschränkten Umgebungen eine Übertragung von Viren in der Luft verursacht
.
Laut Scheuch, der eine Firma für Bio-Inhalation führt, könnten sich Aerosole in geschlossenen Räumen sogar über Stunden halten und infektiös sein. Ein Atemstoß enthalte 1000 Teilchen. Draußen ist die Verdünnung stark, innen sammelt es sich.
Abhilfe soll der Mund-Nase-Schutz schaffen. Allerdings muss man dabei wissen, dass die sogenannten Community-Masken Partikel etwa mit einem Durchmesser bis zu zwei Mikrometern nahezu gar nicht stoppen können, was Kählers Team eindrucksvoll mit Videoaufzeichnungen dargestellt hat.
Dennoch hätten die einfachen Masken einen wichtigen Effekt, betont der Professor: Sie bieten Strömungswiderstand. Anstatt dass man Partikel weit nach außen pustet, halten sie sich nah am Kopf.
Scheuch geht sogar einen Schritt weiter: Weil das Coronavirus nur rund 0,1 bis 0,14 Mikrometer groß sei, reichten nicht mal die sogenannten FFP-Masken. Die sind für größere Bakterien. Aber so kleine Teilchen lassen sich schlecht filtern.
Schwebstofffilter seien wohl besser geeignet. Aber auch das sei noch zu erforschen. ntv.de, Marco Krefting, dpa
Wirtschaftsweise
korrigieren Prognose
Die sogenannten Wirtschaftsweisen
rechnen durch die Pandemie mit einem stärkeren wirtschaftlichen Einbruch als bislang angenommen. Wir haben in diesem Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu erwarten, der voraussichtlich zwischen minus 6 Prozent und minus 7 Prozent liegen wird
, sagte der der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Lars Feld, den Zeitungen der Funke Mediengruppe
.
Im März hatten die Regierungsberater drei Szenarien vorgelegt und im schlechtesten Fall mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 5,4 Prozent gerechnet.
Der Lockdown hat länger gedauert, und die Außenwirtschaft wird härter getroffen als erwartet. Vor allem im Hinblick auf die USA waren wir deutlich zu optimistisch. [Lars Feld Vorsitzender der Wirtschaftsweisen
Deutsche haben in Corona-Krise Medikamentenvorräte angelegt
Die Deutschen haben zu Beginn der Corona-Krise nicht nur Vorräte an Nudeln und Toilettenpapier angelegt, sondern offensichtlich auch Medikamente gebunkert. Das zeigen Zahlen der Techniker Krankenkasse. Demnach gab es in der zweiten Märzhälfte einen Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel um rund 18 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Die Ausgaben hätten bei knapp 104 Millionen Euro gelegen, gut 30 Millionen Euro mehr als in der gleichen Kalenderwoche 2019. [mdr Aktuell
Coronavirus bedroht brasilianische Ureinwohner
Das Coronavirus breitet sich immer stärker unter brasilianischen Ureinwohnern aus. Die Todesfälle in diesem Teil der Bevölkerung verfünffachten sich im vergangenen Monat, teilte ein Verband mit. Viele Epidemiologen hatten vergebens gehofft, dass die Stämme durch ihre sehr abgelegenen Siedlungsgebiete geschützt würden. [mdr Aktuell
Studie: Hydroxychloroquin schützt nach Virusexposition nicht vor COVID-19
Minneapolis – Die Einnahme von Hydroxychloroquin hat in einer randomisierten Studie Personen nach einem Kontakt mit einer mit SARS-CoV-2 infizierten Person nicht vor Symptomen einer COVID-19-Infektion geschützt. Dies kam in einer placebokontrollierten Studie im New England Journal of Medicine (2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2016638) heraus.
Das Malariamittel Hydroxychloroquin, das in-vitro die Vermehrung von SARS-CoV-2 stoppen kann, ist derzeit auch als Mittel zur Vermeidung einer Erkrankung bei Personen in der Diskussion, die Kontakt mit einem Infizierten hatten.
Ein Team um David Boulware von der Universität von Minnesota in Minneapolis hat über die sozialen Medien 821 asymptomatische Personen rekrutiert, die sich im Haushalt oder am Arbeitsplatz einer Person mit COVID-19 länger als 10 Minuten auf weniger als 6 Fuß Distanz (1,83 Meter) genähert hatten und von denen 719 dabei keinen Mund-Nase-Schutz getragen hatten. Die übrigen 102 Teilnehmer hatten einen Mund-Nase-Schutz aber keinen Augenschutz getragen.
2/3 der Teilnehmer kamen aus dem Gesundheitswesen, wo sie Kontakt zu einem infizierten Patienten hatten. Die Studie wurde am 17. März begonnen. In den ersten Tagen gab es keine Möglichkeit, alle Kontaktpersonen auf SARS-CoV-2 zu testen. Nach dem 23. März war jedoch ein positiver PCR-Test bei dem Kontakt Voraussetzung für die Teilnahme.
Die Teilnehmer mussten sich innerhalb von 4 Tagen nach der Exposition gemeldet haben. Sie erhielten dann per Boten 19 Tabletten, die sie in den folgenden 5 Tagen (4 Tabletten sofort, 3 weitere Tabletten nach 6 bis 8 Stunden und an den folgenden 4 Tagen jeweils 3 Tabletten) einnehmen sollten. Die Tabletten enthielten bei der Hälfte der Teilnehmer jeweils 200 mg Hydroxychloroquin und in der anderen Gruppe ein Placebo.
Der primäre Endpunkt der Studie war eine COVID-19-Erkrankung. Der Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 wurde nicht gefordert. Die Diagnosen wurden per E-Mail erfragt.
Wie Boulware berichtet, kam es in der Hydroxychloroquin-Gruppe bei 49 von 414 Teilnehmern (11,8 %) zu einer Erkrankung mit Symptomen von COVID-19. In der Placebo-Gruppe erkrankten 58 von 407 Teilnehmern (14,3 %).
Dies deutet auf eine mögliche schwache Wirkung einer Postexpositionsprophylaxe hin, doch die Differenz von 2,4 %-punkten war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von minus 2,2 bis 7,0 %-punkten nicht signifikant. Eine durch Labortest bestätigte SARS-Co-V2-Infektion wurde in der Hydroxychloroquin-Gruppe bei 11 Patienten (2,7 %) gegenüber 9 Patienten (2,2 %) in der Placebo-Gruppe diagnostiziert, was eher gegen eine Wirksamkeit von Hydroxychloroquin spricht.
Die Behandlung war erwartungsgemäß häufiger mit Nebenwirkungen verbunden (40,1 versus 16,8 %). Es kam jedoch zu keinen ernsthaften Komplikationen. Hydroxychloroquin kann durch eine Verlängerung des QT-Intervalls lebensgefährliche Arrhythmien auslösen, was aber bei den jüngeren Teilnehmern der Studie (Alter 31 bis 51 Jahre) nicht zu erwarten war, von denen 3/4 keine Vorerkrankungen hatten. Die meisten COVID-19-Erkrankungen verliefen milde. In beiden Gruppen kam es jeweils zu einer Hospitalisierung, aber zu keinem Todesfall.
Die Studie ist nur eine von derzeit etwa 60 auf ClinicalTrials.gov gelisteten Studien, die den Wert von Hydroxychloroquin zur Prävention von COVID-19 untersuchen. Die größte Studie ist die HERO-HCQ-Studie mit 15.000 Teilnehmern aus dem Gesundheitswesen, deren Ergebnisse bereits im Juli vorliegen sollen. [© rme/aerzteblatt.de
Mehrere ausgesetzte Tests mit Hydroxychloroquin können wieder aufgenommen werden.
Genf – Mehrere ausgesetzte Tests mit dem Malariamedikament Hydroxychloroquin bei COVID-19-Erkrankten können wieder aufgenommen werden. Experten hätten sämtliche Daten erneut überprüft und seien zu dem Schluss gekommen, dass nichts gegen eine Fortsetzung der Tests spreche, sagte der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, gestern in Genf.
Das Mittel war Bestandteil einer von der WHO koordinierten Forschungsreihe mit mehr als 3.500 Patienten in 35 Ländern. Dabei wird untersucht, ob verschiedene schon vorhandene Medikamente etwa gegen Malaria, HIV, Ebola und Multiple Sklerose einen Effekt gegen COVID-19 haben.
Nach einem Bericht in der Fachzeitschrift The Lancet, dass Hydroxychloroquin womöglich die Todesrate erhöhen könnte, waren die Versuche Ende Mai vorübergehend ausgesetzt worden.
Das sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, die nach Urteil der Experten nicht mehr nötig sei, sagte Tedros. Soumya Swaminathan, Chefwissenschaftlerin der WHO, betonte aber: Es gibt bislang keine Beweise, dass irgendein Medikament die Mortalität reduziert.
Unter anderem hatte ein Artikel im Fachjournal Nature sich Ende Mai kritisch über die Studie in The Lancet geäußert und dazu, dass daraufhin viele Studien zu Hydroxychloroquin ausgesetzt worden waren.
US-Präsident Donald Trump hatte Hydroxychloroquin wiederholt als Wundermittel gepriesen. Zuletzt sorgte er für Aufregung mit der Aussage, er nehme das Medikament prophylaktisch ein, um sich vor dem Virus zu schützen. [© dpa/aerzteblatt.de
Manipulation mit Malaria-Mitteln?
Es ist der bisher größte Skandal in der Corona-Arzneiforschung: Eine kleine Datenfirma steht wegen zweier großer Medikamenten-Studien unter Betrugsverdacht, die Weltgesundheitsorganisation schlingert und die Medizinbranche ist in Aufruhr. An Pfingsten noch war eine amerikanische Lieferung von zwei Millionen Dosen nach Brasilien angekündigt worden, doch da hatte die hitzige wissenschaftliche Debatte um das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin in den sozialen Netzen längst eine neue Stufe erreicht. Der Grund: Eine Studie im renommierten Medizin-Fachblatt Lancet
, die nach Patientenzahl gerechnet bis dahin umfangreichste Beobachtungsstudie zur Behandlung mit dem Malaria-Medikament und weiterer analoger Chloroquin-haltiger Mittel mit und ohne begleitendes Antibitiotikum, hatte die Fachleute in Aufruhr versetzt. Unter den fast 15.000 mit den antiviralen Medikamenten behandelten Patienten waren Herzrhythmusstörungen auffallend oft aufgetreten, und auch die Sterblichkeit war – am deutlichsten in der zusätzlich mit Antibiotika behandelten Gruppe – bei Covid-19-Patienten in den Kliniken deutlich erhöht.Das schlechte Abschneiden war nicht unbedingt Auslöser des neuen Streits. Zweifel an der Nützlichkeit und Sicherheit der Anti-Malaria-Pillen gibt es seit Wochen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte schnell: Wegen akuter Sicherheitsbedenken wurden die zahlreichen, von der WHO koordinierten kontrollierten Solidarity
-Studien mit den Chloroquin-haltigen Medikamenten ausgesetzt. Gleichzeitig aber kamen rasch ernste Zweifel an der Lancet-Studie selbst auf: Wie sollte eine so gewaltige Studie mit insgesamt 96.000 Covid-19-Patienten aus 671 Kliniken von sechs Kontinenten
so schnell realisiert werden? Wie hätten die Ethikkommissionen, die das Einverständnis der Patienten haben mussten, in dieser Kürze grünes Licht geben und die Datenübermittlung genehmigen können? Wie vor allem sollte die Auswertung dieser riesigen Datenmengen gehen mit nur vier Studienautoren, die im Kopf des Lancet-Papers aufgeführt sind? Kurzum: Es wurde tiefer gebohrt, und es verdichtete sich schnell der Verdacht, dass man es mit dem bisher größten Skandal der Pandemie-Forschung zu tun hat.
Datenfirma entlarvt
Ins Visier kam vor allem die vom Zweitautor der Lancet-Sudie geleitete Datenfirma Surgisphere aus Chicago. Die britische Tageszeitung The Guardian
hakte bei dem Unternehmen nach, sprach mit dem Gründer, Sapan Desai, der die Lancet-Studie offensichtlich mit den Daten gefüttert hatte. Das Ergebnis der Recherche ist atemberaubend: Desai ist ein offenbar umstrittener Gefäßchirurg, der bis vergangenes Jahr in mindestens drei Kunstfehler-Prozesse in Illinois verwickelt war, und der vor Jahren mit einer gehypten Neugründung einer Augmented-Reality-Computerfirma aufgefallen war.
Bei Surgisphere beschäftigt er angeblich lediglich sechs Mitarbeiter ohne wissenschaftlichen Hintergrund, sein wissenschaftlicher Sprecher sei ein Science-Fiction-Autor, die Marketing-Chefin komme aus der Pornobranche. Was die wissenschaftlichen Meriten angeht und die Internet-Aktivitäten, war Surgisphere bis zum Beginn der Corona-Pandemie blank. Zwischen Oktober 2017 und März 2020 gab es auf der Twitter-Timeline der Firma keinen einzige Eintrag. Auf nichts konnte man verweisen, 107 Follower waren registriert, und auch auf LinkedIn war man kaum vernetzt.
Dann plötzlich kam Corona und der Publikationserfolg. Mit der angeblichen Sammlung von Patientendaten hat Surgisphere innerhalb kürzester Zeit nicht nur die Lancet-Studie mit einem Hauptautor der Harvard Medical School in Boston initiiert, sondern vor kurzem auch eine Studie im nicht minder renommierten New England Journal of Medicine
über die Verwendung von ACE-Hemmern bei Covid-19-Patienten. Als nun australische Forscher anmerkten, dass in der Lancet-Studie 73 australische Patienten gelistet waren, offiziell aber nur 67 Covid-19-Tote in der Sterbestatistik des Landes registriert waren, kam Surgishere unter Druck. Desai versuchte sich damit herauszureden, dass man versehentlich eine asiatische Klinik mit in die australische Statistik eingezogen habe – und korrigierte.
Journals und WHO reagieren
Was die Sache noch verschlimmerte: Auskunft über die Originaldaten oder wenigstens die Namen der Kliniken wollte weder Surgisphere noch die Medizin-Zeitschrift geben. Dabei hatte sie sich wie alle renommierten Journals anfangs der Pandemie verpflichtet, alle Daten und Ergebnisse offenzulegen und transparent über Covid-19-Forschungen zu berichten. Die beiden betroffenen Fachzeitschriften gerieten deshalb immer stärker unter Druck, und als nun die Hintergründe der dubiosen Datenfirma aus Chicago ans Licht kamen, reagierten sie: Beide Redaktionen verschickten eine Notiz, dass die betreffenden Studien-Publikationen überprüft würden. Und auch die Reaktion der WHO ließ nicht lange auf sich warten. Forscher und Mediziner drängten, nun erst Recht möglichst umfassend die Sicherheit und Wirksamkeit der Malaria-Mittel in guten, kontrollierten Studien zu überprüfen. Gestern Abend gab die WHO in Genf unabhängig von dem Veröffentlichungsskandal die Fortsetzung der Solidarity-Untersuchungen mit den Malaria-Mitteln bekannt. F.A.Z. - Von Joachim Müller-Jung
Zahl infizierter Erntehelfer in Bad Krozingen gestiegen
Nach dem Tod eines mit dem Coronavirus infizierten Erntehelfers in Bad Krozingen bei Freiburg sind weitere Mitarbeiter des Spargelhofs von dem Virus betroffen. Die Zahl der positiv auf Covid-19 getesteten Menschen sei auf 16 gestiegen, teilte das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald am Dienstag mit. Die Infektionen seien glimpflich verlaufen. Die Betroffenen zeigten keine oder nur leichte Beschwerden. Die steigende Infektionszahl lasse sich damit erklären, dass das Gesundheitsamt nach dem Tod des Erntehelfers das Umfeld des Mannes gezielt untersucht habe.
Der aus Rumänien stammende 57 Jahre alte Mann war in der Woche vor Ostern in Bad Krozingen gestorben. Er war laut Behörden mit dem Coronavirus infiziert. Den Angaben zufolge war er am 20. März nach Deutschland gereist und auf einem Spargelhof in Bad Krozingen als Erntehelfer tätig. Die Vorgaben zur Beschäftigung von Erntehelfern hat der landwirtschaftliche Betrieb laut Landratsamt eingehalten.
Mitarbeiter des Spargelhofs können sich weiter freiwillig testen lassen, teilte die Behörde mit. Infizierte würden ärztlich betreut. [© dpa-infocom GmbH
Und wer rettet die Erntehelfer?
Überfüllte Zimmer, Akkordlohn, wenig Pausen. Wie schlecht die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter sind, zeigt die Krise. Warum ist es so schwer, daran etwas zu ändern?
Es ist ruhig im Terminal L in Berlin-Schönefeld. So ruhig, dass man das gleichmäßige Ruckeln der Rolltreppe hören kann. An diesem Donnerstag Ende April ist der Ankunftsbereich, in dem sonst Tausende Menschen am Tag aneinander vorbeidrängen, mit rot-weißem Sperrband abgesperrt. Polizeisperrung
steht darauf. Gerade mal vier Flüge landen an dem Tag in Berlin-Schönefeld: aus London, Dublin, Minsk und aus Cluj, einer mittelgroßen Stadt in Rumänien, auch bekannt als Klausenburg. Das Flugzeug aus Cluj ist kein gewöhnliches Flugzeug. Ein deutscher Landwirt hat es gechartert. In ihm sitzen 153 Rumänen, die in Deutschland Spargel stechen sollen. Für sie hat die Polizei einen Teil des Flughafens abgetrennt.
Vor einigen Wochen sah es für kurze Zeit so aus, als müssten die Deutschen dieses Jahr auf den Spargel verzichten. Doch dann einigten sich Landwirtschaftsministerium und Innenministerium darauf, im April und Mai bis zu 80.000 Erntehelfer einzufliegen. Vor wenigen Tagen wurde dieses Vorhaben auf Mitte Juni erweitert. Fast jeden Tag landen seit Anfang April Flugzeuge aus Sibiu, Bukarest oder Timișoara in Baden-Baden, Düsseldorf und Hamburg. Darin: die dringend benötigten Erntehelfer, die den deutschen Spargel retten sollen. Sie dürfen mit einer Sondergenehmigung ins Land, denn eigentlich sind die Grenzen wegen des Coronavirus geschlossen.
Das Spargelstechen überlassen deutsche Landwirte schon lange ausländischen Arbeitskräften. Es gilt als harte Arbeit: Das Bücken, um die Stangen aus der Erde zu graben, geht auf den Rücken und auf den ungeschützten Feldern brennt sich die Sonne in die Haut ein. In der Krise haben sich zwar viele Deutsche als Freiwillige für die Spargelernte gemeldet, doch eingesetzt wurden sie nur selten und eher für Hilfsarbeiten wie das Lüften der Plastiktunnel. Die eigentliche Ernte müssen Profis machen
, sagte der Vorsitzende des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer in einem Interview mit der Lebensmittel Zeitung. Und deutsche Profis scheint es nicht zu gaben.
Seit die EU 2014 die Arbeitnehmerfreizügigkeit erweitert hat, dürfen auch Menschen aus Rumänien und Bulgarien ohne Einschränkungen in Deutschland arbeiten. Neben ihnen arbeiten hierzulande vor allem Ungarn und Polen auf den Feldern. Sie gehören zu den verwundbarsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Viele von ihnen sprechen kein Deutsch, sie kehren nach getaner Arbeit wieder in ihre Heimat zurück. Bezahlt werden die Arbeiter nach Akkordlohn. Das heißt: Wer schneller arbeitet, verdient auch mehr. Das heißt aber auch: Wer zu langsam ist, bekommt oft nicht mal den Mindestlohn. Die engen Zimmer teilen sich die Arbeiter meist mit einem Dutzend Kollegen, manche müssen auf dem Boden schlafen. An den Feldern gibt es oft weder Toiletten noch Schattenspender.
Wie kritisch die Bedingungen sind, unter denen osteuropäische Menschen auf Spargelfeldern und in Schlachtereien in Deutschland arbeiten, wurde in der Pandemie besonders deutlich. Abstandhalten ist in überfüllten Unterkünften kaum möglich, die hygienischen Zustände sind mangelhaft. Für Aufsehen sorgte beispielsweise der Fall eines rumänischen Erntehelfers, der Mitte April mit Covid-19 infiziert starb. Auf einem Spargelhof in Niedersachsen kam es kurz nach der Ankunft von 20 Erntehelfern zum Streit mit einem Landwirt über die Umsetzung der Quarantäne. Der Landwirt soll ihnen daraufhin mit Essensentzug gedroht haben. In einem Schlachthof in Nordrhein-Westfalen, wo hauptsächlich Rumänen arbeiten, wurden Mitte Mai gar mehr als 200 Beschäftigte positiv auf Corona getestet. Während der Pandemie wächst der Druck auf die Arbeitgeber und die geloben Besserung. Doch ob die strengen Auflagen auch noch eingehalten werden, wenn nicht mehr so genau hingeschaut wird?
Die 153 Menschen, die an diesem Tag landen, werden alle in einem Hof im Spreewald arbeiten. Es ist kurz vor 8 Uhr morgens, die Rumänen sind schon da und warten im Gate. Doch der Bus, der sie zu ihrem Hof bringen soll, fehlt. Ein Polizist, der dafür sorgt, dass niemand zu nah an die Absperrung kommt, erzählt, dass der Landwirt den Bus absichtlich später geschickt habe, da er beim letzten Mal zu lange habe warten müssen.
Viel zu bewachen gibt es eigentlich nicht. Auf der anderen Seite der Absperrung warten zwei Frauen und ein Mann von der Gewerkschaft: Sie haben Visitenkarten auf dem Boden hinter der Absperrung verteilt, wegen der Abstandsregeln dürfen sie sie den Erntehelfern nicht selbst in die Hand drücken. Auf einem grünen Plakat, das die Frauen in die Luft halten, steht eine Nummer, die die Erntehelfer anrufen können, wenn sie Probleme haben. Auf Polnisch, Rumänisch, Bulgarisch, Ungarisch und Kroatisch können sie sich dort über ihre Arbeitsrechte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie informieren. Eingerichtet hat sie das Projekt Faire Mobilität. Gerade jetzt gibt es viele Fragen für die Beschäftigten aus Osteuropa
, sagt Dominique John, der Leiter des Projekts. Wer bezahlt den Rückflug? Darf ihnen während der Quarantäne gekündigt werden? All diese Fragen seien nicht geklärt, sagt John. Als Berater kümmert er sich um die Rechte von Beschäftigten aus Osteuropa in Deutschland: Saisonarbeiter, internationaler Straßentransport, Fleischindustrie, 24-Stunden-Pflege. Branchen, in denen Osteuropäer in Deutschland hängen bleiben, so nennt John sie.
Es ist gut, dass diese Berufe jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommen. Medien und Behörden gucken nun darauf
, sagt John, der heute mit zwei Kolleginnen zum Flughafen gekommen ist. Eine von ihnen, Nicoleta Badulescu, spricht Rumänisch. Als die Rumänen in kleinen Gruppen hinter dem Sperrband auftauchen, spricht sie sie an. Guten Tag, wenn ihr Probleme habt oder euch informieren wollt, dann gibt es hier eine kostenlose Hotline. Ihr könnt jederzeit anrufen.
Vor sich hält sie das grüne Plakat. Manche wirken eingeschüchtert, treten automatisch einen Schritt zurück. Andere zucken mit den Schultern. Ich habe keine Probleme.
Ihr wisst es nur noch nicht
, sagt Badulescu leise auf Deutsch und zuckt mit den Schultern. Es sei immer dasselbe. Häufig meldeten sich die Erntehelfer gegen Ende der Saison. Das hat gute Gründe. Denn oft werden Erntehelfer erst am Ende für ihre Arbeit bezahlt und merken dann zum Beispiel, dass ihnen mehr Geld für die Unterkunft abgezogen wurde, als sie erwartet hatten. Die, die jetzt denken, sie hätten keine Probleme, seien wahrscheinlich zum ersten Mal da, vermutet Badulescu.
Viele Rumänen kommen, weil sie in Deutschland auf klare Regeln und faire Bezahlung hoffen. In ihrer Heimat verdienen sie ausgesprochen wenig: Der Mindestlohn in Rumänien liegt bei 310 Euro im Monat. In Deutschland können sie, wenn sie schnell sind, über den deutschen Mindestlohn von 1.621 Euro im Monat kommen. Dass auch hier nicht alles so geregelt läuft, wie ihnen das versprochen wurde, spricht sich nur langsam rum.
Damit die rumänischen Arbeiterinnen und Arbeiter nicht erst am Ende ihres Aufenthalts von ihren Rechten und Pflichten erfahren, haben sich Faire Mobilität und die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) dafür eingesetzt, dass die Informationen über Hotline und Rechte den Arbeitern schon am Flughafen zusammen mit den Hygienerichtlinien gegeben werden. Das zuständige Landwirtschaftsministerium hat aber entschieden, die Aufklärung auf Betriebsebene stattfinden zu lassen
. Das heißt: Die Landwirte sind dafür zuständig, ihren Arbeitern Informationen über Arbeitsrechte auszuhändigen.
Damit machen wir den Bock zum Gärtner
, sagt Sarah Kuschel, die Fachreferentin für Forst und Agrar bei der IG Bau ist. Sie will sich vorsichtig ausdrücken, um nicht den Landwirten unrecht zu tun, die sich vorbildlich verhalten. Doch bislang habe sie die Erfahrung gemacht, dass landwirtschaftliche Betriebe den Zugang zu solchen Informationen nur ungern unterstützen
.
Fehlt es also schlicht am politischen Willen, die Missstände in der Saisonarbeit ganz zu unterbinden? So einfach ist es nicht. Der Mindestlohn gilt auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter aus Osteuropa. Der Arbeitsschutz ebenso. Nur kontrolliert wird das oft nicht. Und da wird es kompliziert: Zuständig dafür ist je nach Bundesland und nach Art des Problems (Arbeitszeit, Lohn oder Unterkunft) eine andere Institution. Die Lohnabrechnung muss der Zoll kontrollieren, die Unterkünfte die Berufsgenossenschaft in der Regel, und momentan ist wegen der Pandemie das Gesundheitsamt zuständig. Kontrollen zu Arbeitsschutz und Hygieneauflagen finden viel zu selten statt
, sagt Kuschel.
Deshalb versucht die IG Bau nun, Saisonkräfte in die Gewerkschaft zu bringen. Doch leicht ist das nicht. Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft kostet einen kleinen Prozentsatz des Bruttogehalts. Saisonarbeiter, die kaum Deutsch sprechen und oft am Ende der Saison wieder abreisen, sind noch schwerer vom Wert einer Mitgliedschaft zu überzeugen. Die IG Bau hat sich deshalb eine besondere Mitgliedschaft speziell für Saisonarbeiter ausgedacht, die sich direkt nach ihren Bedürfnissen richtet und automatisch nach einem Jahr endet. Niemand solle in Rumänien noch ein Kündigungsformular ausfüllen müssen, erklärt Kuschel. Im kommenden Jahr kann die Mitgliedschaft dann erneuert werden. Bisher halte sich das Interesse jedoch in Grenzen.
Auch Badulescu, die am Flughafen auf die Arbeiter einredet, ist überzeugt, dass nur die Arbeiter sich selbst schützen können. Im Rahmen des von der EU-Gleichbehandlungsstelle geförderten Modellprojekts Minor Kontor versucht sie deshalb die Erntehelfer weniger auf den Feldern oder dem Flughafen abzuholen, sondern vor allem im Internet. Mit zehn verschiedenen Sprachen sind die Beraterinnen und Berater von Minor Kontor auf Facebook und YouTube unterwegs und beantworten dort Fragen zum Arbeitsschutz. Das klappt richtig gut
, sagt Badulescu. In Gruppen wie Polen in Frankfurt
oder Rumänen in Düsseldorf
kommunizieren die Arbeiter untereinander. Am Anfang haben Badulescu und ihre Kollegen auf Posts reagiert und den Kontakt aktiv gesucht, mittlerweile melden sich viele Arbeiter auch direkt mit ihren Fragen bei den Beratern. Auf YouTube postet Badulescu außerdem Videos zu Urlaubsansprüchen und Entlassungen durch Arbeitgeber oder erklärt, was man beachten sollte, wenn man selbst kündigen will. Ihr bislang größter Erfolg: ein Beitrag auf Rumänisch über Kurzarbeitergeld. Der Post hatte über 90.000 Visits. [Zeit Online, Luisa Jacobs 4. Juni 2020
Hotspots im Norden: Ein katastrophales Verhalten
Die Göttinger Behörden bemühen sich um eine Eindämmung des Infektionsgeschehens und drohen mit geschlossenen Einrichtungen
. Von den Evangeliums-Christen
in Bremerhaven scheinen Spuren derweil nach Frankfurt zu führen.
Im Nordwesten Deutschlands häufen sich gegenwärtig die Corona-Ausbrüche. Im Raum Göttingen versuchen die Gesundheitsbehörden einen großen Corona-Infektionsherd in Großfamilien mit Migrationshintergrund einzudämmen. Die Zahl der positiv getesteten Personen wurde am Dienstagabend auf 80 beziffert, es stehen jedoch noch Testergebnisse aus. In Quarantäne befinden sich nach Angaben des Krisenstabs in diesem Zusammenhang 370 Personen. Die Mehrzahl von ihnen lebt in Göttingen und Umgebung, manche auch in Nordrhein-Westfalen oder Thüringen. Unter den bisher identifizierten Kontaktpersonen befinden sich, Stand Montag, 57 Kinder und Jugendliche. Als Konsequenz bleiben alle Schulen im Göttingern Stadtgebiet bis zum 7. Juni präventiv geschlossen, ebenso wie 11 Schulen im Landkreis. Außerdem schließen fünf Kitas in Göttingen für diesen Zeitraum.
Fehlende Kooperationsbreitschaft
Ausgangspunkt des Corona-Ausbruchs waren nach Angaben der Stadt Göttingen mehrere private Familienfeiern
am vergangenen Wochenende. Die Göttinger Sozialdezernentin Petra Broistedt äußerte zudem, dass eine Gruppe junger Männer nach den Feiern in einer Shisha-Bar gemeinsam aus einer Pfeife geraucht habe. Die Shisha-Bar war illegal geöffnet und wurde mittlerweile von den Behörden geschlossen. Das Verhalten der jungen Männer nannte Broistedt eine Katastrophe
.
Schwierigkeiten bereiten den Behörden auch fehlende Kooperationsbereitschaft sowie Sprach- und Verständnisbarrieren
. Inzwischen sind jedoch nahezu alle Personen auf Covid-19 getestet worden, die im Zusammenhang mit den Familienfeiern zum Test angemeldet wurden. Das niedersächsische Gesundheitsministerium hatte nach Weigerungen zuvor angekündigt, dass man entschlossen sei, die Testungen notfalls auch mit Hilfe von Gerichten und Polizei durchzusetzen. Wer gegen Quarantäneauflagen verstoße, begehe eine Straftat und könne in eine geschlossene Einrichtung verbracht werden, hieß es am Dienstag. Bei einem Mann aus Göttingen, der mehrfach gegen Quarantäneauflagen verstoßen haben soll, hat sich inzwischen allerdings erwiesen, dass er nicht mit dem Coronavirus infiziert ist.
Die Gesundheitsbehörden arbeiten aufsuchend
In der Region Bremerhaven sind die bremischen und niedersächsischen Behörden gleich mit zwei Corona-Ausbrüchen beschäftigt. Im Zusammenhang mit einer freikirchlichen Gemeinde russlanddeutscher Evangeliums-Christen
stieg die Zahl der Infizierten inzwischen auf 57. Die Behörden halten es mittlerweile für wahrscheinlich, dass die Infektionen im privaten Rahmen unter den teils großen Familien weitergegeben wurden. An den Gottesdiensten der Evangeliums-Christen
sollen jeweils nur bis zu siebzig der rund 800 Gemeindemitglieder teilgenommen haben. Um das Verständnis für die Eindämmungsmaßnahmen unter den Angehörigen der Religionsgemeinschaft zu erhöhen, arbeiten die Gesundheitsbehörden mittlerweile aufsuchend
, wie ein Sprecher der Stadt Bremerhaven darlegte. Er teilte zudem mit, dass es nach Auffassung der Gesundheitsbehörde mittlerweile ausgesprochen wahrscheinlich
sei, dass der Corona-Ausbruch unter Evangeliums-Christen
in Bremerhaven direkt mit dem kürzlich bekanntgewordenen Corona-Ausbruch unter Evangeliums-Christen
in Frankfurt zusammenhängt. Dort sind bisher rund 200 Personen an Corona erkrankt.
Die Stadt Bremerhaven teilte am Dienstag ferner mit, dass man einen weiteren Infektionsherd unter türkischstämmigen Muslimen mit bisher elf erkrankten Personen festgestellt habe. Ausgangspunkt dieses Corona-Ausbruchs war offenbar eine private Feier zum islamischen Zuckerfest. Dabei sei vermutlich gegen Hygieneregeln verstoßen worden, teilte ein Sprecher der Stadt dieser Zeitung mit. Die Behörden kamen dem Ausbruch auf die Spur, weil zwei Schüler der zweiten Klasse positiv auf das Coronavirus getestet wurden. [Frankfurter Allgemeine, Reinhard Bingener
Anmerkung mb: Wegen der Conora-Pandemie sollen die Gesundheitsämter gestärkt und Personal ausgestockt werden.
Ergebnis:
Mopo: Hamburg kämpft gegen das Coronavirus. Doch mitten in der wohl größten Gesundheitskrise der jüngeren Vergangenheit verzichtet unsere Stadt auf eine eigenständige Gesundheitsbehörde! SPD und Grüne haben sich darauf geeinigt, die Behörde von Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) aufzulösen.
Im Hamburger Koalititonsvertrag hat Rot/Grün folgendes festgelegt: Das Thema Gesundheit soll künftig zur von der SPD-geführten Sozialbehörde gehören. Eine Staatsrätin soll sich darum kümmern.
Norwegen: Hurtigruten plant Wiederaufnahme der Postschiffroute ab Mitte Juni
Lieber Gast, wir befinden uns nun seit zwei Monaten in einer wirklich außergewöhnlichen Situation. Auf die eine oder andere Weise wirken sich die Folgen der COVID-19-Pandemie auf jeden von uns aus. Auch wir bei Hurtigruten sind davon betroffen. Zum ersten Mal in unserer 127-jährigen Geschichte liegen unsere Schiffe still. Nichts ist für uns wichtiger als die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Gäste und unserer Besatzung. Auf keinem unserer Schiffe gab es vermutete oder bestätigte Fälle von COVID-19. Wie Sie wissen, wirkt sich die Pandemie jedoch sehr stark auf den weltweiten Reiseverkehr aus.
Der Liniendienst entlang der norwegischen Küste bleibt bis zum 15. Juni eingestellt. Alle Expeditions-Seereisen bleiben bis auf weiteres ausgesetzt.
Es herrscht immer noch große Unsicherheit darüber, wie sich die Situation in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird. Aber wie Sie sicher wissen, werden die Beschränkungen von Land zu Land nun langsam gelockert, da die Pandemie Schritt für Schritt unter Kontrolle gebracht wird. In vielen Ländern öffnen wieder die Geschäfte und der Alltag kehrt langsam zurück. In Norwegen sind bereits Schulen, Kindergärten, Kinos und Friseursalons geöffnet.
Da Hurtigruten als Lebensader entlang der norwegischen Küste seit 1893 ein fester Bestandteil der norwegischen Gesellschaft ist, bedeutet dies auch, dass wir unseren Betrieb nun schrittweise wieder aufnehmen werden. Dies wird auf eine sichere und verantwortungsvolle Weise geschehen, selbstverständlich unter Einbeziehung der nötigen Einschränkungen.
- Der Liniendienst entlang der norwegischen Küste bleibt bis zum 15. Juni 2020 eingestellt.
- Die erste Abfahrt erfolgt am 16. Juni 2020 mit MS Finnmarken ab Bergen.
- Danach folgen Reisen mit MS Richard With am 19. Juni, MS Trollfjord am 21. Juni und MS Midnatsol am 24. Juni 2020.
- Die 4 Schiffe werden auf der klassischen Postschiffroute zwischen Bergen und Kirkenes hin- und herfahren.
- Das Ausmaß der schrittweisen Wiederaufnahme unseres Schiffbetriebs mit weiteren Schiffen hängt von nationalen und internationalen Reisebeschränkungen, Staatshilfen und anderen externen Faktoren ab, auf die wir keinen Einfluss haben.
- Wir bitten um Verständnis, dass wir Sie erst im weiteren Verlauf über Ihre Reise informieren können. Alle Gäste werden so schnell wie möglich, jedoch spätestens 3 Wochen vor der geplanten Abfahrt ihres Schiffes benachrichtigt.
- Unsere Expeditions-Seereisen werden schrittweise in Gebieten wiederaufgenommen, in denen die Beschränkungen zurückgenommen werden – an Orten, an denen es unserer Auffassung nach sicher ist, und zu einem Zeitpunkt, den wir als sicher einschätzen. Wir werden bei jeder einzelnen Reise gezielt entscheiden und betroffene Gäste rechtzeitig kontaktieren. Alle Gäste werden so schnell wie möglich, jedoch spätestens 3 Wochen vor der geplanten Abfahrt benachrichtigt.
Wenn wir unseren Betrieb wiederaufnehmen, werden diese Fahrten in norwegischen Gewässern unsere ersten Schritte in Richtung der neuen Normalität sein. Derzeit wissen wir nicht, wie die internationalen Reisebeschränkungen in diesem Sommer aussehen werden. Ihre Fragen werden sicher lauten: Was passiert nun als nächstes? Und was muss ich tun?
Um Ihnen in diesen unsicheren Zeiten mehr Flexibilität und Sicherheit zu geben, bieten wir Ihnen an, die flexible Umbuchungsrichtlinie von Hurtigruten zu nutzen. Sie können Ihre Reise kostenlos umbuchen.
Noch strengere Maßnahmen – für Ihre Sicherheit und Ihren Komfort
Die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Gäste und Besatzung haben für uns oberste Priorität. Seit Beginn der Pandemie hat Hurtigruten strenge Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus umgesetzt. Dank der enormen Anstrengungen unseres Teams hatten wir keinen einzigen Fall von COVID-19 auf unseren Schiffen. Diese Erfahrungen bilden die Grundlage für weitere umfangreiche Maßnahmen, die vor der Wiederaufnahme unseres Betriebs eingeführt werden.
Insgesamt werden wir eine Vielzahl an Maßnahmen umsetzen, um für die Sicherheit und Gesundheit unserer Gäste und unserer Besatzung zu sorgen. Diese reichen von strengeren Hygienemaßnahmen bis hin zu einer reduzierten Anzahl an Passagieren, um Abstandsvorgaben einhalten zu können. Sie haben mein Wort, dass es unser Ziel ist, Ihnen eine sichere Reise zu ermöglichen, ohne dabei Ihr Erlebnis zu beeinträchtigen.
Bei Hurtigruten geht es bei Regeln und Vorschriften nicht darum, nur einen Mindeststandard einzuhalten. Ein internationaler Standard stellt für uns nur eine Ausgangsbasis dar. Wir werden die Situation weiterhin genau beobachten sowie alle erforderlichen Schritte unternehmen und unsere Abläufe selbstverständlich allen Empfehlungen der zuständigen Behörden anpassen.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung und Ihr Vertrauen. Wir freuen uns darauf, Sie bald an Bord eines unserer Schiffe begrüßen zu dürfen und Ihnen die Reise Ihres Lebens zu bieten, mit allem, was Hurtigruten so besonders macht.
Geben Sie auf sich Acht und bleiben Sie gesund.
Mit freundlichen Grüßen, Daniel Skjeldam, CEO von Hurtigruten
Intensivpfleger über Rave vor Krankenhaus Kann man unsere Arbeit noch mehr verhöhnen?
Im Urban-Krankenhaus kämpfen Menschen um ihr Leben, davor ist Schlauchboot-Party. Intensivpfleger Ricardo Lange beschreibt, warum das besonders verletzend ist. Ein Protokoll.
Neun Wochen ist es her, dass ich mich an dieser Stelle über klatschende Menschen auf den Balkonen beschwert hatte. Ich befürchtete damals, dem Applaus würden keine Taten folgen. Schade, dass ich Recht hatte.
Von den Balkonen schallt abends schon lange nichts mehr. Dafür wummert neuerdings Techno von Schlauchbooten über den Landwehrkanal. Die Videos der Feiernden im Urbanhafen vom Pfingstsonntag haben mich ganz schön mitgenommen.
Ich verstehe ja, dass die jungen Leute Nachholbedarf haben. Ich verstehe, dass Clubbetreiber Unternehmer sind, die um ihre Existenz bangen. Aber muss eine solche Party ausgerechnet vor einem Krankenhaus stattfinden?
Darin kämpfen Patienten und ihre Pfleger und Pflegerinnen um Leben. Die Leute brauchen Ruhe. Schon ganz ohne Corona und die möglichen Folgen dieses Raves frage ich mich: Kann man unsere Arbeit noch deutlicher verhöhnen?
Der Bonus von Spahn ist nicht angekommen
Aber auch, was die Politik betrifft, ist eingetreten, was ich befürchtet hatte. Weil wir in Deutschland die Pandemie - glücklicherweise - ganz gut im Griff haben, wird in den Talkshows nicht mehr über Pflege debattiert.
Jens Spahns Versprechungen eines Corona-Bonus
haben nur einen Teil der Alltagshelden
erreicht, die ambulanten und Altenpflegenden, die es natürlich verdienen.
Bei mir und meinen Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation jedoch ist noch nichts angekommen, und das, obwohl wir zu denen gehören, die seit Wochen in engstem Kontakt mit Covid-19- Patienten stehen. Elf Prozent aller in Deutschland mit dem Virus Infizierten arbeiten in medizinischen Berufen - wir sind nach wie vor einem besonderen Risiko ausgesetzt.
Unsere Arbeitsbedingungen haben sich durch das Tragen der (teilweise zunächst unvollständigen) Schutzkleidung außerdem massiv erschwert. Es blieb beim Applaus als Zeichen der Anerkennung.
Bis zu 100.000 Vollzeitstellen fehlen
Meine Wünsche an die Politik haben sich nicht verändert, selbst wenn es hier keine Leichenberge wie in New York oder Bergamo gab. Dass der Pflegenotstand gravierend ist, hat uns doch nicht erst Corona gezeigt.
Verdi geht von 80.000, die Böckler-Stiftung gar von 100.000 Vollzeitstellen aus, die in Kliniken fehlen. Junge Kolleginnen und Kollegen, die bei uns eingearbeitet werden, werfen oft nach wenigen Wochen das Handtuch, weil ihnen die Arbeitsbedingungen zu hart sind. Und viele meiner Kollegen sind bereits älter und gehen bald in Rente, wer kommt nach?
Ich kenne Intensivpfleger, die wegen eines ungeschützten Kontakts zu einem Covid-19-Patienten in Quarantäne mussten, daheim laut Gesundheitsamt nicht mal den Müll ohne Androhung von Bußgeldstrafen runterbringen durften - aber trotzdem zur Arbeit mussten (mit dem Risiko eh schon geschwächte Patienten anzustecken). Mit welcher Begründung? Natürlich, Personalmangel!Der Staat unterstützt die Lufthansa mit neun Milliarden, der Autoindustrie soll eine Neukaufprämie helfen. Und uns?
Rentenalter sollte gesenkt werden
Ich wünsche mir, dass das Rentenalter für Pflegekräfte in Schichtarbeit herabgesetzt wird. 67 ist zu spät - wir haben schon so viel Lebenszeit verloren.
Ich wünsche mir eine bessere Bezahlung für die Stammbelegschaft an den Kliniken: Wer Schicht arbeitet und die Verantwortung für Menschenleben trägt, sollte, Zuschläge inklusive, 3000 Euro netto verdienen.
Außerdem wünsche ich mir, dass Jens Spahn richtige Personaluntergrenzen einführt. Wegen Corona wurden sie ja nun gelockert, aber auch davor passten sie nicht zur Realität: Man betrachtete sie als Durchschnittswerte, und so kam es, dass ich in manchen Schichten doch wieder vier Patienten intensivpflegerisch zu betreuen hatte – statt maximal 2,5 Patienten pro Pflegekraft in der Tagschicht und 3,5 Patienten pro Pflegekraft in der Nachtschicht. Das macht einen gewaltigen Unterschied!
Wir brauchen eine klare Festlegung in absoluten Zahlen. Also: Maximal zwei Patienten pro Pfleger in der Tag- und drei pro Pfleger in der Nachtschicht. Zumal ein paar Krankenhäuser die Unter- als Obergrenzen verstanden und sogar Personal reduzierten.
Und ich wünsche mir, dass die Schlauchboot-Orgie vom vergangenen Wochenende keine Folgen hat. Denn obwohl ich lese, dass in einigen Kliniken die Zahlen der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen sinken - bei uns sind sie seit letzter Woche deutlich gestiegen.
Ricardo Lange, 38, ist Intensivpfleger in Berlin. [Tagesspiegel, Julia Prosinger
Trump Die große Gefahr
Über Jahre nahmen zu viele Beobachter Trump nicht beim Wort und verharmlosten auf diese Weise seine Monstrositäten. Aber Trump macht, was er angekündigt hat: Er setzt in der Hauptstadt Washington das US-Militär ein. Schwerstbewaffnete Soldaten, die Trump direkt befehligt. Hubschrauber, die im Tiefflug Kriegstaktiken gegen unbewaffnete Demonstranten anwenden. Trump lässt mit Tränengas den Weg zu einer Kirche freiräumen, wo er sich mit der Bibel in der Hand präsentiert. Ein Experte für die religiöse Rechte der USA sieht hier das fundamentalistische Narrativ Gut gegen böse
bei Trump, eine Endzeiterzählung mit heiligem Kampf, der wichtiger ist als jede Demokratie. Denn Trump repräsentiert Jesus. Der Kongressabgeordnete David Cicilline twittert: Wir waren einer Diktatur nie näher.
[Spiegel Netzwelt, Sascha Lobo
RKI meldet 213 Neuinfektionen
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 213 Corona-Infektionen binnen eines Tages gemeldet. Damit haben sich seit Beginn der Corona-Krise 182.028 Menschen in Deutschland nachweislich mit Sars-CoV-2 angesteckt. Bislang starben nach RKI-Angaben in Deutschland 8522 nachweislich mit dem Virus Infizierte, damit stieg die Zahl der gemeldeten Toten innerhalb von 24 Stunden um 11. Etwa 166.400 Menschen haben die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden, das sind 600 mehr als noch einen Tag zuvor.[ARD live-Ticker; Stand: 02.06.2020
USA: Fast 26.000 Altenheim-Bewohner unter Corona-Toten
Unter den inzwischen mehr als 100.000 Todesopfern der Corona-Pandemie in den USA waren mindestens ein Viertel Bewohner von Pflegeheimen. Dies geht aus einem neuen Bericht für Gouverneure der US-Staaten hervor. Demnach dürfte die Zahl steigen. Den Angaben zufolge wurden in Altenheimen 60.000 Corona-Fälle registriert. Erstellt wurde der Report von den Zentren für Krankenversicherungen Medicare und Medicaid sowie für Seuchenkontrolle und Prävention. [ARD live-Ticker; Stand: 02.06.2020
Frankreich lockert Corona-Auflagen weiter
Frankreich lockert ab heute seine Corona-Auflagen weiter. Erstmals können die Bürger wieder im ganzen Land reisen. Bisher waren in der Regel nur Fahrten im Radius von 100 Kilometern um den Wohnort erlaubt. Auch Restaurants, Bars und Cafés können wieder öffnen. Im Pariser Großraum sind zudem Parks und öffentliche Gärten wieder zugänglich.
Die französische Hauptstadt und ihr Umland bleiben aber unter erhöhter Beobachtung der Behörden, weil es dort besonders viele Infektionen gab. Eine Corona-Warn-App für Handys begleitet die zweite Phase der Lockerungen. Mit mehr als 28.800 Todesfällen ist Frankreich eines der am stärksten betroffenen Länder Europas. [ARD live-Ticker; Stand: 02.06.2020
England: Fahrplan ins Chaos
Kein europäisches Land ist vom Coronavirus so betroffen wie Großbritannien. Auch die Wirtschaft wird massiv leiden. Zeit für Risikovermeidung in Sachen Brexit? Nicht mit Premier Johnson.
Seit Corona spricht auf der Insel niemand mehr vom Brexit. Als ob die Briten selbst des Themas müde geworden seien. Das aber dürfte sich jetzt ändern. Denn Ende Juni droht die letzte Deadline vor dem EU-Austritt. Hat Premierminister Boris Johnson bis dahin keine Verlängerung der Übergangsphase beantragt, sind die Briten am 31. Dezember dieses Jahres unwiderruflich draußen, mit oder ohne Abkommen. Und so wie es aussieht, ist ein No Deal
, also ein chaotischer Brexit ohne Abkommen, derzeit der wahrscheinlichere Ausgang. Trotz Corona und, so absurd das auf den ersten Blick klingt, möglicherweise genau deshalb.
Denn die Verhandlungen, die seit Ausbruch des Virus nur noch virtuell geführt wurden, sind vollkommen festgefahren. Und die Stimmung ist so gereizt wie noch nie. EU-Unterhändler Michel Barnier, sonst eher bekannt für seinen chronisch unterkühlten Ton, drohte London am Wochenende in der Sunday Times
das erste Mal seinerseits offen mit einem No Deal
. Die Briten hätten deutlich mehr zu verlieren als Brüssel, erklärte er.
Schwerste Rezession seit Jahrhunderten?
Und hier hat er die Fakten auf seiner Seite. Die Briten exportieren knapp die Hälfte ihrer Waren in die EU, während andersherum nur knapp zehn Prozent der EU-Exporte nach Großbritannien gehen. Hinzu kommt, dass die Briten durch Corona vor einer epochalen Wirtschaftskrise stehen. Die Bank of England rechnet mit der tiefsten Rezession seit mehr als 300 Jahren. Die Notenbank geht für 2020 von einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von 14 Prozent aus. Zum Vergleich: Die Bundesregierung erwartet für Deutschland ein Minus von 6,3 Prozent.
Es wäre also nur vernünftig, wenn Johnson in der gegenwärtigen Corona-Krise eine Verlängerung der Übergangsphase beantragen würde. Die EU hat das mehrfach angeboten. Aber Vernunft ist Johnsons Sache nicht. Stattdessen schloss er eine Verlängerung noch vor wenigen Wochen emphatisch aus, und wenig deutet daraufhin, dass er sich aus der eigenen Rhetorik jetzt noch befreien könnte. Ist doch der schnelle Vollzug des Brexit das Mantra, mit dem er die Wahl gewonnen hat, und das einzige Thema, was seine Regierung derzeit noch wirklich zusammenschweißt.
Johnson wegen Corona stark unter Druck
Und das ist wichtiger denn je, denn Johnson steht mit dem Rücken zur Wand. Seine Corona-Politik ist ein Desaster, Großbritannien hat die höchsten Todeszahlen in Europa. Nach fast drei Monaten gibt es noch immer kein funktionierendes Testing and Tracing
. Den Lockdown lockerte er jetzt dennoch, woraufhin sich selbst Wissenschaftler aus dem regierungseigenen Krisenstab von seinem Schlingerkurs distanzierten. Zu unvorbereitet, zu früh, warnten sie.
Seit außerdem bekannt wurde, dass Johnsons engster Berater Dominic Cummings den Lockdown bereits Ende März mit einer privaten Reise durch halb England gebrochen hat, tobt auch noch eine Rebellion in den eigenen Reihen. Eine große Gruppe aufständischer Tories fordert Cummings' Rücktritt. Johnson aber hält bislang an dem umstrittenen Chefberater fest, der die Lage noch zuspitzte, indem er jede Entschuldigung für sein Fehlverhalten ablehnte.
Der Verstoß gegen jedes Fair Play aber ging auch vielen Briten zu weit, selbst die rechte Boulevardpresse spielte plötzlich nicht mehr mit - und so hat Johnson diesmal jede Menge politisches Kapital auch im eigenen Lager verspielt, das er nun wieder hinter sich versammeln muss.
Wie wird ein Brexit in Corona-Zeiten funktionieren?
Der Vollzug des Brexit wird dadurch umso dringlicher, egal in welcher Form. Je härter umso besser, jubeln derzeit schon manche der fanatischeren Brexiteers. Denn im Corona-Chaos, so ihre zynische Spekulation, dürfte der zusätzliche wirtschaftliche Schaden durch einen No Deal
-Brexit ganz unbemerkt untergehen.
Tatsächlich aber warnen so gut wie alle britischen Wirtschaftsexperten derzeit eindringlich vor den fatalen Domino-Effekten, die ein No Deal
-Brexit in Kombination mit der Corona-Rezession provozieren würde. Ist die Juni-Deadline aber erst einmal verstrichen, bleibt kaum Zeit für ein Abkommen. Der No Deal
wird dann immer wahrscheinlicher - ein Ausgang der Brexit-Saga, den sich keine britische Regierung bewusst zum Ziel setzen kann. Auch Johnson nicht.
Alles ohne Sicherheitsgurt
Aber der fährt nun einmal am liebsten ohne Sicherheitsgurt ins Ungewisse, und wenn es eng wird, auch gern zusätzlich mit Vollgas. In der vagen Hoffnung, dass die Fahrt für ihn schon irgendwie gut ausgehen wird. Womit die Chancen, dass er in seiner momentanen Not die Juni-Deadline heroisch verstreichen lässt und so den letzten rettenden Abzweig vor dem drohenden Abgrund tollkühn überfährt, denkbar groß geworden sind.
Bislang ist er selbst mit dieser Strategie noch immer irgendwie durchgekommen. Für die britische Wirtschaft aber wäre der No Deal
ein Totalschaden.
[Eine Analyse von Annette Dittert, ARD-Studio London
Trump droht mit Militäreinsatz
Trump droht mit dem Einsatz des US-Militärs im Land selbst - gegen protestierende Amerikaner.
Vereinfacht gesagt untersteht die jeweilige Nationalgarde wie die Polizei eher den regierenden Gouverneuren eines Bundesstaats, die Armee dagegen untersteht eindeutig dem Präsidenten. Nicht nur, dass er damit auf gefährliche Weise polarisiert, er nutzt dafür ein über 200 Jahre altes Gesetz, das ihm als Oberbefehlshaber der Streitkräfte die direkte Ausübung der Exekutivgewalt auf der Straße ermöglicht. [Spiegel Netzwelt, Sascha Lobo
Befragung bestätigt Verlust des Geruchssinns
Eine international angelegte Befragung belegt, dass eine Coronainfektion mit dem Verlust des Geruchssinns einhergehen kann. Das Virus greife offenbar Zellen des Riechepithels an und sorge für einen Ausfall der Rezeptoren, teilte das an der Analys beteiligte Universitätsklinikum Dresden mit. Da sich die Zellen regelmäßig erneuern, klinge die Geruchsstörung bei vielen Betroffenen auch wieder ab. Das Phänomen gehe - anders als etwa bei einem grippalen Infekt - nicht mit einer verstopften Nase einher. Die Ergebnisse resultieren aus einer Onlinebefragung, an der mehr als 4000 Corona-Patienten aus über 40 Ländern teilgenommen haben. Die Analyse wurde bisher nur in einer sogenannten Preprint-Version veröffentlicht - das heißt sie wurde noch nicht von unabhängigen Gutachtern beurteilt. [Liveblog ARD, Tagesschau.de
Lockerungen trotz 9000 Neuinfektionen in Russland
In Russland sind 9035 Neuinfektionen registriert worden - rund 200 weniger als am Tag zuvor. Damit sei die Zahl der Ansteckungsfälle binnen 24 Stunden auf 414.878 gestiegen, teilten die Behörden mit. Am Sonntag waren noch 9268 neue Fälle gemeldet worden. Die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind, stieg um 162 (Vortag: 138) auf 4855. Trotz der anhaltenden Infektionszahlen kam es heute erstmals zu größeren Lockerungen. Nach mehr als zwei Monaten strenger Ausgangssperren dürfen etwa die Menschen in Moskau an einzelnen Tagen wieder zu Spaziergängen auf die Straße. Erlaubt ist auch Sport zwischen fünf und neun Uhr morgens. Allerdings gilt eine verschärfte Maskenpflicht. Zum ersten Mal muss der Mund- und Nasenschutz auch im Freien getragen werden - bisher nur in öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln. In Moskau öffneten auch wieder Einkaufszentren sowie mehrere Dienstleister wie Reinigungen und Werkstätten. Auch in vielen anderen russischen Regionen sind Lockerungen geplant. [Liveblog ARD, Tagesschau.de
Die Superspreader
sind entscheidend
Bei der Verbreitung der Coronaviren richtete die Wissenschaft lange das Augenmerk auf die Infizierten. Doch neue Studien zeigen: Es sind vor allem die Ereignisse, die Masseninfektionen möglich machen.
Eine Après-Ski Bar in Ischgl, eine Chorprobe in Berlin, eine Karnevalsfeier in Gangelt: An diesen Orten steckten sich sehr viele Menschen mit dem Coronavirus an. Und in allen Fällen war vermutlich eine einzige Person der Ausgangspunkt. Es handelt sich um klassische Superspreading Events
. Frei übersetzt: um Superverteilungsereignisse.
Zu solche Ereignissen kommt es unter speziellen Bedingungen: Ein Infizierter, der unbemerkt hoch ansteckend ist, trifft auf eine Menschenansammlung und macht Dinge, bei denen viele Tröpfchen oder virenbeladene Aerosole entstehen. Das kann lautes Sprechen auf einer Party oder auch Singen in einem Probenraum sein. Es kommt also auf vieles an, nicht nur auf die hochinfektiöse Person. Theoretisch kann jeder zum Superspreader
werden, wenn die Umstände ungünstig sind.
Viele Infektionen durch wenige Infizierte
Bei Superspreading Events
steckt ein Infizierter gleich Dutzende an. In vielen anderen Fällen aber passiert auch nichts oder nur wenig. Vielleicht wird der Partner krank - und das war es dann auch schon. Es scheint geradezu typisch für Covid-19 zu sein, dass Neuinfektionen unterschiedlich verteilt auftreten. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von Streuung und bemessen sie mit dem Dispersionsfaktor k. Für Covid-19 ist dieser Faktor noch nicht abschließend bestimmt. Aber verschiedene Schätzungen sprechen für eine große bis mittelgroße Streuung. Eine Studie aus Hongkong lässt vermuten, dass 20 Prozent der Infizierten ungefähr 80 Prozent der Infektionen anstoßen könnten. Auch eine Chorprobe kann ein Superspreading Event
sein.
Man muss nicht alles gleichermaßen im Auge behalten
Solche Effekte haben Forscher schon bei SARS beobachtet. Dass sie auch bei Covid-19 auftreten könnten, wurde nicht unbedingt erwartet, weil die beiden Krankheiten sich deutlich unterscheiden. SARS startete in der Lunge und machte sofort schwer krank. Nur wenig Patienten kamen auf die Idee, das Bett zu verlassen, und verursachten dann punktuelle Infektionscluster. Bei Covid-19 dagegen fängt alles im Rachen an. Infizierte sind schon ansteckend, bevor sie das erste Kratzen im Hals bemerken. Alle würden herumlaufen und die Krankheit gleichmäßig verteilen, dachte man deshalb. Aber es scheint doch anders zu sein.
Für die Seuchenbekämpfung ist das eine gute Nachricht. Es bedeutet nämlich: Man muss nicht alles gleichermaßen im Auge behalten, sondern vor allem die von wenigen ausgelösten, aber hochbrisanten Masseninfektionen. Beim Infizierten anzufangen, ist dabei nicht wirklich praktikabel. Ihm ist nicht anzusehen, dass er gerade sehr ansteckend ist. Aber die Ereignisse, bei denen er seine Erreger verteilen könnte, lassen sich kontrollieren. Besonders unübersichtliche Großveranstaltungen wird man vielleicht noch für längere Zeit absagen müssen. In Kitas, Schulen, Pflegeheimen oder Schlachthöfen helfen Masken und Aufmerksamkeit.
Nicht auf Testergebnisse der Kontaktpersonen warten
Der Virologe Christian Drosten empfiehlt in diesem Zusammenhang, an der einen oder anderen Stelle über einen Strategiewechsel nachzudenken. Wenn wir einen Fall entdeckt haben, müssen wir verstärkt schauen, hatte der in der letzten Zeit eine Sozialsituation, die verdächtig ist im Hinblick auf ein
, so der Berliner Virologe. Superspreading Event
Wenn der Infizierte in so einer Verdachtssituation war, muss man alle Personen, die ebenfalls in dieser Verdachtssituation gewesen sind, als infiziert betrachten und sofort isolieren.
Auf Testergebnisse der Kontaktpersonen zu warten, hieße wertvolle Zeit zu verlieren.
In Japan zeigte sich bereits, dass so eine Strategie funktionieren kann. Auf sehr harte Lockdown-Maßnahmen hat man dort verzichtet, aber auf Superspreading Events
geachtet, neue Cluster schnell ausgemacht und alle Kontaktpersonen sofort isoliert. Die Infektionszahlen sinken seitdem langsam, aber beständig. Drosten stimmt das optimistisch. Ich glaube so langsam, dass wir sogar eine Chance hätten, mit dieser generellen Steuerung von Maßnahmen sogar ohne Impfung glimpflich in den Herbst und in den Winter zu kommen. Ohne eine tödliche neue zweite Welle
, sagt er im NDR-Podcast Coronavirus-Update
. Studien zur Corona-Verbreitung [ARD