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Kaiserreich, Kolonialzeit - 1850 - 1919

1850
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Kaiserreich und Kolonialzeit 1850 bis 1919

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Teil 5 - Göttingen, 1873 bis 1874
Kap.11 - Mein letztes Semester

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  1. 🔺 Teil 4: Leipzig, 1870-1873
  1. Anreise und erste Orientierung
  2. Die Honoratioren und meine Immatrikulation
  3. Pflichtkollegia und praktische Seminare
  4. Übungsgottesdienste und Katechesen
  5. Professor Peip
  6. Offene Abende bei den Professoren
  7. Ausflüge
  8. Zwei gastliche Pfarrhäuser
  9. Auf dem Hermannsburger Missionsfest
  10. Anschluss an Kommilitonen
  11. Mein letztes Semester
  12. Das Examen rückt näher
  13. Schriftliche und praktische Prüfungen
  14. Examen und verlockendes Angebot
  1. 🔻 Teil 6: Hauslehrerzeit, 1874 - 1875

Teil 5 - Göttingen, 1873 bis 1874
Kapitel 11
Mein letztes Semester

Dann kam mein letztes Universitätssemester. Der Anfang war ziemlich kümmerlich. Ich hatte mir durch Reibung eine Schwellung des Knöchels an dem einen Fuß zugezogen und musste infolgedessen eine Zeitlang auf dem Sofa liegen und auch hinterher noch einige Wochen zweierlei Stiefel tragen. Ich hörte in dem Semester Geschichte der Philosophie bei Peip, Pädagogik bei Schöberlein und Geschichte der neueren Theologie bei Ehrenfeuchter. Dies Kolleg, in dem Ehrenfeuchter zum größten Teil das gab, was er hernach in seinem Werk Christentum und moderne Weltanschauung veröffentlichte, interessierte mich in hohem Grade. Es zeigte mir den ganzen Geistesreichtum des Mannes und seine staunenswerten Kenntnisse in den verschiedensten Gebieten nicht nur der Theologie und die Freiheit seiner Urteile. Er zeigte ja nicht die Gabe konkreter Darstellung und schlagender Charakterisierung, die wir an Kahnis bewunderten. Dafür ließ er uns noch mehr in das Gedankengetriebe der von ihm dargestellten Persönlichkeiten hineinblicken. Bewundernswert war auch seine Ausdrucksweise. Er sprach langsam, in manchmal recht ausgedehnten Perioden, so dass man zuweilen besorgt war, wie er dieselben wohl zu Ende führen würde. Aber er tat es stets, ohne sich zu versprechen und aus der Konstruktion zu fallen.

Außerdem fuhr ich fort, bei Bartheau Arabisch zu treiben, der uns in dem Semester beispielsweise einmal arabische Kriegsdepeschen aus dem Kriege 1970/71 vorlegte und nahm an einem Repetitorium des neu eingetretenen Repetenten GutheHermann Guthe (1849-1936) war später Alttestamentler und Palaestinaforscher. 1877 war er zusammen mit Franz Delitzsch Mitbegründer des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas.Siehe Wikipedia.org [43] teil. Zwei Repetenten waren nach dem Ausscheiden Dorners in Göttingen neu eingetreten, der Braunschweiger Guthe und der Rheinländer KattenbuschFerdinand Kattenbusch (1851-1935) war evangelischer Theologe, später Ordinarius, Dekan einer Theologischen Fakultät und Universitätsrektor.Siehe Wikipedia.org [44]. Guthe hielt eine ganz wackere Antrittspredigt über das Evangelium vom Königischen. Im Kolleg zeigte er sich noch etwas unbeholfen. Als der bedeutendere galt entschieden Kattenbusch, der ja auch eine sehr viel glänzendere akademische Laufbahn gehabt hat als Guthe. Seine Predigt zu hören war ich durch mein Fußleiden verhindert, habe auch sonst ihn nicht kennen gelernt.

Die meiste Zeit nahmen natürlich die praktischen Seminare in Anspruch. Zum Senior wählten wir in diesem Semester Bartels, der vor Wiesinger, als er sich diesem als solcher vorstellte, ermahnt wurde, darauf zu achten, dass die Herren ihre Arbeiten pünktlich lieferten. Manche von den Herren sind so saumselig. Ich musste mich meines Fußübels wegen gleich von einem anderen in der Katechese vertreten lassen, lieferte aber einen Entwurf ab, der von ihm anerkennend besprochen wurde, und katechisierte dann später über den Beschluss des Vaterunsers, wo er, im Übrigen wohlwollend zensierend, bemerkte, dass ich bisweilen in eine Sackgasse geraten sei, was ich natürlich noch öfter von Freunden zu hören bekam. Meine liturgische Leistung wurde von Schöberlein ziemlich abfällig kritisiert. Ich gefiel mir wohl darin, meine laute und durchdringende Stimme recht zur Geltung zu bringen, und da ich in den Tagen gerade etwas heiser war, musste ich wohl besondere Anstrengungen machen, um meine Stimme ordentlich herauszubringen. Dadurch erhielt sie einen scharfen Klang, durch den Schöberlein sich wenig angenehm berührt sah. Besser ging's mir mit meinen homiletischen Leistungen. Zuerst hatte ich die Vorlesungen über Philipper 4, 1-9. Es wurde hier lectio continuawörtlich: kontinuierliche Lesung, die Praxis des sequentiellen Lesens der Bibel über einen bestimmten Zeitraum. Jede Lesung, die jeden Tag oder jeden Sonntag stattfinden kann, beginnt dort, wo die vorherige Lesung endete. [45] zugrunde gelegt und die Abgrenzung der Abschnitte dem jeweiligen Homileten überlassen. Ehrenfeuchter erkannte richtige Abgrenzung und angemessene Ausführung an. Als Predigttext erhielt ich Röm. 1,16. Am Sonnabend vor dem 3. Advent war ich an der Reihe. Vierzehn Tage vorher musste schon der Predigtentwurf dem Leiter des Seminars vorliegen und wurde von ihm besprochen. Ehrenfeuchter billigte meine exegetische Ausführung, war aber mit der von mir proponierten Disposition - ich weiß nicht mehr, wie ich disponiert hatte - nicht einverstanden und erklärte als die naturgemäßeste Disposition die, dass die Frage beantwortet würde: Warum schämen wir uns des Evangeliums von Christo nicht? Weil es 1.) eine Kraft Gottes ist, 2.) die da selig macht, 3.) diese Seligkeit für alle da ist, die da glauben. Ich arbeitete danach die Predigt aus, und sie ging mir von der Hand. Ehrenfeuchter fing dann auch gleich mit der Bemerkung an, dass man an der Predigt sehen könne, wie es sich belohnt hätte, dass ich mir seine Hinweisungen zur Richtschnur hätte dienen lassen, um dann in wirklich beschämenderweise das Lob der Predigt zu bringen.

An Nachhausereisen war Weihnachten bei der großen Entfernung natürlich nicht zu denken. Rocholls hatten mich schon beizeiten zum Weihnachtsabend eingeladen, den ich denn auch traulich im Familienkreise verlebte. Am ersten Weihnachtstag war ich in Grone zu Tisch und verlebte eben da den Nachmittag und Abend. Einmal war ich auch bei Zahns zu Tisch und zwischen dem Fest und dem Sonntag nach Weihnachten einen Tag in Harste. Sonntag nach Weihnachten hielt ich meine Seminarpredigt in Grone, und der alte Helmolt empfing mich beim Herunterkommen von der Kanzel auch mit einem gut gemacht. Nachmittag war viel Jugend da und es herrschte sehr angeregte Stimmung, sodass es mir schwer wurde, mich gegen Abend zu entfernen, da ich zum Abend eine Einladung zu Ehrenfeuchters hatte. Als ich aber in meiner Wohnung ankam, empfing mich die doppelte Meldung, einmal, dass ich zu Schöberleins zum Kaffee eingeladen gewesen, sodann, dass Frau Ehrenfeuchter sehr bedaure, mich nicht bei sich sehen zu können, da ihr Mann sich nicht wohl befinde. Das war also doppeltes Pech. Als ich Helmolt am andern Tage mein Schicksal erzählte, fragte er mich: Warum bist du nicht wieder nach Grone gekommen? Ich antwortete: Hättest du das an meiner Stelle getan? Das musste er mir zugeben.

Silvesterabend war ich, nachdem ich Hildebrandt predigen gehört, wieder bei Rocholls eingeladen und brachte den Abend dort zu. Am Neujahrstage erhielt ich vom alten Preu, dem ich erzählt hatte, dass ich Sonntag nach Weihnachten meine Seminarpredigt in Grone hielte, einen Brief: Lieber Herr Dittrich! Ich bin so krank, - er zählte alle Organe auf, an denen es ihm fehlte, es blieben nicht viele ungenannt - können Sie nicht nächsten Sonntag Ihre Seminarpredigt bei mir halten? Große Lust hatte ich nicht, aber ich dachte: Du darfst es dem alten Knaben nicht abschlagen. Sonnabend machte ich mich auf den Weg. Das Wetter war wenig verlockend und der Weg mit dem glitschigen Göttinger Lehmboden schauderhaft. Aber ich dachte: Es ist ein Werk christlicher Barmherzigkeit gegen den alten, kranken Mann. Als ich aber im Harster Pfarrhause die Tür öffnete, kam mir auf den Klang der Türglocke der kranke, alte Mann höchst fidel entgegen und hieß mich willkommen. Im ersten Augenblick war ich wirklich etwas ärgerlich, ich wurde aber durch das treuherzig gutmütige Wesen des alten Mannes bald entwaffnet, und er zeigte sich wirklich dankbar.


[43] Hermann Guthe (1849-1936) war später Alttestamentler und Palaestinaforscher. 1877 war er zusammen mit Franz Delitzsch Mitbegründer des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas.
[44] Ferdinand Kattenbusch (1851-1935) war evangelischer Theologe, später Ordinarius, Dekan einer Theologischen Fakultät und Universitätsrektor.
[45] wörtlich: kontinuierliche Lesung, die Praxis des sequentiellen Lesens der Bibel über einen bestimmten Zeitraum. Jede Lesung, die jeden Tag oder jeden Sonntag stattfinden kann, beginnt dort, wo die vorherige Lesung endete.
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  • Autor: Johannes Dittrich, Aufzeichnung transkribiert durch die Sütterlinstube Hamburg im Mai 2014, digitalisiert 2018
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