Meine Kriegserlebnisse 1940 - 1945
Kapitel 4
Großes Rätselraten
Die Schirme werden gepackt, Waffen und Munition in den Waffenbehältern verstaut und Schwimmwesten ausgegeben. Großes Rätselraten, wohin es gehen soll. Der Balkanfeldzug ist fast beendet, in Nordafrika steht Rommel weit im Osten, so schwanken die Meinungen zwischen Malta, Kreta und Zypern.
Am Abend sind dann alle unsere Fahrzeuge auf den Güterwagen unseres gemischten Eisenbahnzuges verladen, insgesamt 30 Stück, und wir dampfen ab. In der Nacht versuchen wir, mit dem Kompass unsere Fahrtrichtung festzustellen. Es geht stetig in Richtung Süden. Am folgenden Tage fahren wir durch das blühende Elbtal, das tschechische Böhmen, den Böhmerwald und die Vororte von Wien. Alle Fallschirmabzeichen und alle sonstigen Hinweise auf die Art unserer Truppe sind von den Uniformen und Fahrzeugen entfernt worden, die Wachposten tragen normale Fliegerstahlhelme anstatt unserer Fallschirmspringerhelme.
In der Nacht fahren wir durch die ungarische Puszta. Wir sitzen auf den Trittbrettern unserer Personenwagen und genießen die Fahrt. Es geht vorbei am strahlend erleuchteten Budapest, ein ungewohnter Anblick nach dem verdunkelten Deutschland.
Malta kommt als Einsatzziel jetzt nicht mehr in Frage, es bleibt nur noch Kreta oder Zypern. In unseren Abteilen ist genügend Platz, um nachts gut schlafen zu können. Überall winkt die Bevölkerung uns zu, auf einem kleinen Bahnhof spielt uns bei einem kurzen Halt eine Zigeunerkapelle auf. Die Stimmung in der Kompanie ist großartig, keiner macht sich Sorgen über das, was vor uns liegt.
In Arad, Rumänien, ist die Bahnfahrt zu Ende und die Fahrzeuge werden abgeladen. Über Turnu-Severin geht es auf der Straße weiter, dann fahren unsere LKWs eine ganze Zeit entlang der Donau, ein malerisches Bild. Schließlich überqueren wir den Fluß auf einer großen Schiffbrücke.
In Pleven, schon in Bulgarien, übernachten wir bei den bulgarischen Pionieren in deren Kaserne. Ein sehr begehrter Artikel sind unsere Feuerzeuge.
Es geht weiter durch Bulgarien, mitten durch Sofia, wo wir von der Bevölkerung begeistert begrüßt und mit Obst, Zigaretten, Blumen und dergleichen überhäuft werden. Für einige Tage schlagen wir in einem idyllischen Walde ein Zeltlager auf, dessen hervorstechendstes Merkmal neben einem Forellenbach eine Unmenge von Schildkröten ist, die mit Begeisterung gesammelt werden.
Schließlich überqueren wir die griechische Grenze, wo an der befestigten Metaxas-Linie deutliche Kampfspuren zu sehen sind. Wir fahren über Saloniki und überqueren dann das Olympgebirge. Unterwegs nehmen wir eine Zahl griechischer Soldaten mit, die auf dem Wege in ihre Heimatorte sind. Es geht über Larissa, Stylis, wo wir das erste Mal das Ägäische Meer erblicken — bei Mondschein mit Palmen —, Lamia, dann über die Thermopylen bis zu einem Dorf in der Nähe von Levadia. Dort schlagen wir am Ufer eines Baches unser Zeltlager auf, im Hintergrund schneebedeckte Berggipfel. Das Wasser des Bergbaches ist eiskalt, trotzdem baden wir darin, denn die Sonne wärmt schon recht stark. Wir verleben hier eine Reihe schöner Tage.
Einmal fahre ich mit unserem Rechnungsführer, Obj. Klein nach Athen. Die Stadt gefällt mir sehr. Die griechische Bevölkerung steht uns erstaunlicherweise überall ausgesprochen freundlich gegenüber, während sie aus ihrer Abneigung gegen die Italiener keinen Hehl machte.