Unsere Fahrt nach Oslo 1925
Teilnahme an der Allgemeinen Evangelisch-lutherischen Konferenz
Unsere Gastgeber
Auf dem Bahnhof wurden wir durch den Ortsausschuss empfangen und bewillkommnet. Die Namen der auswärtigen Konferenzteilnehmer wurden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und jedem gegen Entrichtung des Konferenzbeitrages von fünf Kronen (wobei aber der Wohltätigkeit bzw. der Umwandlung der Kronen in Mark keine Schranken gesetzt wurden) ein großer Briefumschlag mit dem Konferenzabzeichen, einer weißen, vorn anzusteckenden Rosette, der Adresse des Quartiergebers, einem Programm in norwegischer Sprache und einem Führer durch Oslo übergeben. Noch war der Ausrufende nicht bis zum Buchstaben D gekommen, als ich hinter mir eine Frauenstimme Fräulein Dittrich
rufen hörte. Gleichzeitig wurde mir von einem neben mir stehenden Mitgliede des Ortsausschusses mitgeteilt, dass ich Freiquartier bei Fabrikant O. MustadO. Mustad & Søn ist einer der ältesten norwegischen Industriebetriebe, der 1832 in Gjøvik gegründet wurde. Mustad produzierte früher unter anderem Nägel, Margarine und Eisenwaren, ist heute jedoch als weltgrößter Produzent von Angelhaken bekannt, welche in mehr als 160 Länder exportiert werden. Klick hier für Wikipedia [5] hätte und der auf meinen Namen lautende Briefumschlag übergeben. Die Frau des Hauses war selber auf dem Bahnhof erschienen, um uns mit ihrem Auto abzuholen. Wir machten ihr natürlich sofort unseren Kratzfuß bzw. Knicks und ließen uns in ihr Auto führen, das uns in einer Viertelstunde durch den schönsten Teil der Stadt nach den nordwestlichen Höhen, an die sie sich angelehnt, in einen prachtvollen und musterhaft gehaltenen Garten gelegene Villa führte. Die uns zugewiesenen Zimmer hatten die Aussicht über den Garten und den westlichen Teil der Stadt auf den Fjord mit seinen Schären. Die Zimmer wie das ganze Haus waren auf das gediegenste ausgestattet und zeugten von dem Reichtum und guten Geschmack des BesitzersEs ist anzunehmen, dass nicht der Besitzer, sondern die Dame des Hauses den Geschmack prägte [6]. Die Dame des Hauses forderte uns auf, nachdem wir oben abgelegt, in die unteren Räume zu kommen und eine Tasse Schokolade zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen. Das Mittagessen, zu dem sie uns einlud, würde erst halb vier Uhr stattfinden. Da sie gerade Besuch hatte, entschuldigte sie sich und ließ uns stattdessen durch zwei ihrer Töchter, anmutige junge Mädchen Anfang der Zwanziger, Gesellschaft leisten. Da wir auf ihre Frage sagten, dass wir noch einige Besorgungen in der Stadt zu machen hätten, stellte sie uns sofort ihr Auto wieder zur Verfügung. Wir fuhren also in die Stadt zurück, begleitet von der jüngeren der beiden Töchter, die ihren Violinkasten ins Auto stellte, um zur Musikstunde zu fahren. Ich ging zur Bank, um norwegisches Geld einzuwechseln, ließ mich rasieren und kaufte einige Ansichtskarten, um vor allen Dingen unsere glücklich erfolgte Ankunft nach Hause zu melden.
Um halb vier also Dinner, bei dem wir die ganze Familie kennen lernten. Am oberen Ende saß der Hausherr, ein geborener Norweger, der aber einige Jahre in Deutschland zugebracht, auch seine Studien auf dem Polytechnikum in Hannover gemacht und dabei seine Frau, eine Stadthannoveranerin, kennen gelernt hatte. Die Frau erzählte, dass sie von Höpfnersiehe Erinnerungen Teil 8 Kapitel 1Klick hier für Erinnerungen [7] konfirmiert sei, den sie selbst als sehr frei
bezeichnete. Der Hausherr kannte unter den Geistlichen Hannovers Gelpkesiehe Erinnerungen Teil 8 Kapitel 10Klick hier für Erinnerungen [8] und schätzte ihn. Von Kindern waren drei am Tisch, die beiden uns schon bekannten Töchter und eine achtzehnjährige. Eine ältere Tochter war, wie uns mitgeteilt wurde, bereits verheiratet, die jüngste, anscheinend nicht ganz normal, kam nicht zum Vorschein. Söhne hatte das Paar nicht. Die Unterhaltung wurde bei Tisch natürlich deutsch geführt, das der Hausherr korrekt, wenn auch mit etwas fremdländischem Akzent, sprach, während man der Sprache der Töchter wie selbstverständlich auch der der Mutter nichts fremdländisches anmerkte.
Bei Tisch wurde dann gleich ausgemacht, dass zu dem um fünf Uhr beginnenden Eröffnungsgottesdienst Frau Mustad mit ihren beiden älteren Töchtern uns begleiten solle. So ging's also zum dritten Mal ins Auto. Für die Heimkehr, für die uns Angabe über die Benutzung der Elektrischen gemacht wurde, erhielten wir den Hausschlüssel.
[6] Es ist anzunehmen, dass nicht der Besitzer, sondern die Dame des Hauses den Geschmack prägte.
[7] siehe Erinnerungen Teil 8 Kapitel 1
[8] siehe Erinnerungen Teil 8 Kapitel 10