Teil 1 - Arnsdorf, 1852 bis 1857
Kapitel 13:
Die Rogges und die Roons
So galt es denn, den Bergen Lebewohl zu sagen. Aber vor dem Abschied verlebten wir noch einen reichen Sommer im Gebirge. Das wichtigste war der Besuch der Roonschen Familie. Die Eltern hatten, als Vater im Frühjahr zur Abhaltung einer Gastpredigt in Bärsdorf gewesen, die Gelegenheit benutzt, einen Besuch in Groß Tinz, in Breslau und auch in [?(Originaltext, nicht transkribiert)] wo [Albrecht von] Roon damals als Brigade-Kommandeur stand, damit zu verbinden.
Ihr Inneres scheint Ihrem Äußeren nicht zu entsprechen
, musste er lachend recht geben mit den Worten: Sie sind ein Menschenkenner.
Ein wahrhaft verwandtschaftliches Interesse nahm er an dem Ergehen seiner zahlreichen Neffen und Nichten. Er hielt es nicht für unter seiner Würde, meinen Bruder am Tage nach der Schlacht bei Gravelotte aufzusuchen und ihm eigenhändig einen Schinken und eine Flasche Rotwein zu bringen. Aber auch an meinen Studien und Beschäftigungen nahm er eingehendes Interesse. Er hatte uns schon vor der Zeit, von der ich hier rede, einmal besucht. Als er in die Küche unten im Hause, wo wir Kinder uns aufhielten, mit dem Hut auf dem Kopfe eintrat, rief ihm Elly keck entgegen: In der Stube nehmt man den Hut ab.
Und als er sagte: Gib mir ein Küsschen
, antwortete sie mit dem Blick auf seinen buschigen Schnurrbart: Du hast ja keinen Mund.
Einmal ging er mit seiner Generaluniform in die Kirche. Für uns Jungen war das natürlich etwas höchst Interessantes. Wir durften beim Anziehen zugegen sein und bewunderten jedes einzelne Uniformstück. Er erklärte aber, als er aus der Kirche kam, unserem Vater, nie würde er hier wieder in Uniform zur Kirche gehen, alle Leute hätten ihn angesehen.
O, es ist schon nach eins.
Natürlich große Bestürzung bei mir, bis mich die anderen beruhigten, es sei noch nicht so spät. Seitdem traute ich ihr nicht mehr zu, dass sie nach der Uhr sehen könne. Sie hatte mich nur uzen wollen.
Den Nachtisch, Kompott oder süße Speise, konnte ich für gewöhnlich nicht mehr abwarten. Aber wenn um drei Uhr die Schule aus war, warteten die anderen vor dem Schulhause auf mich, Hedwig, den Kinderwagen führend, voran. In den musste ich mich setzen und fand darin säuberlich auf einem kleinen Teller den für mich aufgehobenen Nachtisch. Nun ging's aber nicht etwa nach Hause, dazu war der Weg lange nicht weit genug, sondern im Galopp erst eine gute Strecke durchs Dorf, während ich meinen Nachtisch verzehrte. Da der Wagen im Boden ein Loch hatte, musste ich achtgeben, dass das Tellerchen nicht durchfiel. Hedwig hatte es überhaupt auf mich abgesehen. Einst wurde im Hausflur Kirche gespielt. Hedwig stieg als Pastor auf die Treppe, die die Kanzel vorstellte, und wählte zum Thema ihrer Predigt mich. Den Hauptinhalt bot wieder mein kleiner Mund, den sie als ein zu großes Nasenloch bezeichnete. Ich kann nicht gerade sagen, dass diese gegen mich zur Schau getragene Liebe meine Gegenliebe hervorgerufen hätte. Dazu war ich doch noch zu klein. Und als Hedwig nach der Abreise der Roons an Mutter einen Dankbrief schrieb, und darin ihren zuckersüßen Hans
besonders grüßen ließ, worüber ich natürlich von den anderen gehörig geneckt wurde, erklärte ich trotzig: Ach, ich mag von Hedwig überhaupt nichts wissen.
Sie ist später eine durch viel Trübsal bewährte Christin geworden, die auch in langjährigem Leiden ihren Humor bewahrte und mit der ich mich immer gut verstanden habe. Josua war ein wohlerzogener Junge, der mir verschiedentlich als Muster vorgestellt wurde. Dass wir als Jungen gelegentlich gegeneinander anprahlten, lässt sich denken. Er hatte als Stadtkind und aus größeren Verhältnissen stammend viel Gelegenheit dazu. Wir waren ihm dafür durch unsere Schulbildung über. Im Ganzen haben wir uns, so viel ich mich erinnere, gut vertragen.
Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren
begrüßten. Dem Fährmann, der sie fuhr, perlten die Tränen über die Wangen. Hinterher fand ein Familiendiner in einem Gasthof in Erdmannsdorf statt, bei dem mir die fächerförmig gefalteten und in die Weingläser gesteckten Servietten besonderen Eindruck machten.
Das ist eine der letzten Erinnerungen aus der Arnsdorfer Zeit. Sonntag den 27. September hielt Vater nachmittags einen Abschiedsgottesdienst, bei dem viel Tränen flossen. Das wunderte mich weiter nicht, wohl aber, dass Mutter auch weinte, da sie ja bei Vater blieb, und ich ließ mir darüber nachher von ihr eine Erklärung geben. Schon an diesem Tage aßen wir aus geliehenem Geschirr. Montag früh waren ein Möbelwagen und ein offener Frachtwagen da, um unsere Möbel aufzunehmen. Wir waren an dem Tag natürlich überflüssig und gingen unter Herrn Jäkels Schutz hinauf nach Wang.
[49] Heute: Bukowiec (Mysłakowice). Der Landschaftspark von Buchwald war einer der größten seiner Art in Schlesien. Der Park ist geprägt von der "romantischen Idee" und sollte zur Kontemplation anregen. Dabei wurde auf die Gestaltung von schönen Plätzen mit Ausblicken in die weite Landschaft besonderer Wert gelegt und die natürlich gewachsene Landschaft der Umgebung mit dem gestalteten Park und seinen Bauten verbunden.[7] Gegenwärtig sind auf dem Plan der Parkanlage etwa 70 Einzelelemente (Gebäude, Naturdenkmale und Infotafeln) ausgewiesen.