Teil 1 - Arnsdorf, 1852 bis 1857
Kapitel 9:
Tante Laura, Onkel Wilhelm und andere Freunde
Auch außerhalb des Dorfes gab es verschiedene Familien, mit denen meine Eltern befreundet waren und zu denen wir gelegentlich mitgenommen wurden. Vor allem wäre da des Lehrers Göbel in Steinseiffen zu gedenken, der nach langen Kämpfen der Nachfolger des wegen seiner Beteiligung an der Revolution abgesetzten Lehrers geworden war. Er stammte aus Groß Tinz und war Mitkonfirmand meiner Mutter gewesen. Er war ein hervorragend tüchtiger Schulmann. Mit keinem Lehrer hat mein Vater wohl so viel und in solcher Gemeinschaft des Geistes zusammengearbeitet wie mit ihm. Besondere Erfolge erzielte er auch als PräparandenbildnerLehrer; Sehr beherzigungswerth ist die Aeußerung, daß der Präparandenbildner nicht allein seinen Zögling unterrichten, sondern auch erziehen muß.. In Anerkennung derer wurde er Seminarlehrer und schließlich Seminardirektor. Auch mit uns Jungen beschäftigte er sich viel. Seine älteste Tochter war Altersgenossin und Freundin Ellys.
In Schmiedeberg lebte eine Frau von Wechmar mit ihren Töchtern. Ein Sohn derselben war als Kind im Hause meiner Großeltern gewesen und die Verbindung wurde daher von meiner Mutter weiter gepflegt. In die Nachbarpfarre StonsdorfStaniszów (deutsch Stonsdorf) ist ein Dorf in der Landgemeinde Podgórzyn (Giersdorf) im Powiat Jeleniogórski in der Woiwodschaft NiederschlesienSiehe Wikipedia.org [42] zog einige Jahre nach meinen Eltern meiner Mutter jüngste Schwester Laura [Rogge] als Gattin des dortigen Pastors Lang. Dort in dem freundlichen Pfarrhause am Prudelberge waren wir oft zum Besuch. Mein Onkel Lang machte seinem Namen alle Ehre. Er war fast sechs Fuß lang und sehr schmächtig. Auch einen recht großen Mund hatte er. Ich wurde viel mit meinem kleinen Mund geneckt und pflegte dagegen ziemlich energisch zu opponieren. Eines Tages, als in Onkel Langs Gegenwart auch auf meinen kleinen Mund die Rede kam, erklärte ich: Nein, ich habe einen ganz großen Mund, so wie der da
, indem ich auf den Onkel hinwies, der sich darüber ausschütten wollte vor Lachen. Man hätte auf mich damals überhaupt das Wort aus Goethes Götz anwenden können: Es scheint, Ihr seid dazu bestellt, Wahrheiten zu sagen.
Und nicht immer wurde das so gut aufgenommen wie damals von Onkel Lang.
Auch einen andern Onkel sahen wir öfter bei uns, den jüngsten Bruder meiner Mutter, Onkel Wilhelm [Rogge], der damals noch das Gymnasium in Hirschberg besuchte, später General-Superintendent von Altenburg wurde. Auch er erfreute sich einer recht stattlichen Körperlänge. Aus Verwandtschaftsgefühl für ihn habe ich mir einmal eine Gewalttätigkeit gegen einen Verwandten der Familie Eberty zuschulden kommen lassen. Auf einem Familienausflug im Richterbüschel
wurde Katz und Maus gespielt, Onkel Wilhelm war Katze, jener Verwandte Ebertys, ein junger Student, Maus. Es empörte nun mein Verwandtschaftsgefühl, dass jener uns Fremde überall durchgelassen wurde, mein Onkel Wilhelm aber überall am Durchschlüpfen verhindert wurde. Als dann die Gesellschaft zusammensaß, machte ich meinem Unmut dadurch Luft, dass ich auf ihn lossprang und ihn wie ein Böcklein stieß, was ihm eine blutige Nase einbrachte.