Teil 1 - Arnsdorf, 1852 bis 1857
Kapitel 8:
Herrn Ebertys gelbes Haus
Eine besondere Erwähnung verdient das Ebertysche Haus, eine Villa wundervoll am Abhang des Gräberberges gelegen. Wir konnten es von unserem Schlafzimmer aus sehen und nannten es Herrn Ebertys gelbes Haus
. Der Besitzer war ein jüdischer Bankier, der früher in Berlin gelebt hatte, jetzt den Winter hindurch in Breslau lebte. Er war Witwer und war wohl seinem Sohne nachgezogen, der, Jurist, sich hatte taufen lassen, eine Zeitlang Gerichtsassessor in Warmbrunn gewesen, damals aber außerordentlicher Professor an der Universität Breslau war.
Dieser, Felix EbertyGeorg Friedrich Felix Eberty war ein deutscher Jurist, Amateurastronom und Schriftsteller.Siehe Wikipedia.org [36], war einer der vielseitigsten Menschen, die mir vorgekommen sind. Er betätigte sich schriftstellerisch ursprünglich als Übersetzer englischer und schwedischer Werke. Später ging er zu eigenen Produktionen über, verfasste ein Lebensbild Walter ScottsSir Walter Scott war ein schottischer Dichter und Schriftsteller.Siehe Wikipedia.org [37], später auch ByronsGeorge Gordon Noel Byron, 6. Baron Byron, bekannt als Lord Byron, war ein britischer Dichter und einer der wesentlichen Vertreter der englischen Romantik. [38] und eine mehrbändige preußische GeschichteGeschichte des preußischen Staats. 7 Bände. Breslau 1867–1873 [39]. Daneben dichtete er, zeichnete wunderhübsch, schnitzte und hatte Interesse für die verschiedensten Wissensgebiete. Eine Bleifederzeichnung, die mich als dreijährigen Jungen darstellt, haben meine Eltern aufbewahrt. Meine Frau hat sie einrahmen lassen, und sie hängt nun in ihrer Stube. Ich besinne mich noch gar wohl, wie ich damals, um abgezeichnet zu werden, auf dem Schoß meiner Mutter saß und hinterher fürs Stillsitzen vom alten [Hermann] Eberty einen Pflasterstein
bekam, von denen er immer einen Vorrat für uns und seine eigenen Enkel in seiner Kommode hatte.
Eberty jun. hatte drei Töchter – eine vierte kam hinzu, als wir bereits von Arnsdorf weg waren – Gretchen, Lisel und Babett. Gretchen und Lisel waren eigentlich schon zu groß für uns. Ich besinne mich noch, wie wir ihre Fertigkeit auf Stelzen zu gehen bewunderten. Unsere eigentliche Freundin war Babett, die mit Alexander etwa gleichaltrig war. GretchenMaria Carlotta MargaretheSiehe Wikipedia.org [40] heiratete später den berühmten Juristen Stobbe, damals in Breslau, später in Leipzig. Lisel blieb unverheiratet. BabettClara Bertha Friederike BabetteSiehe Wikipedia.org [41] machte sich später unter dem Namen Hans Arnold als Verfasserin humoristischer Bilder aus dem Familienleben bekannt, die wie man sich denken kann, der Wirklichkeit ihres Elternhauses abgelauscht waren, so dass ihr Vater zuletzt halb belustigt, halb ärgerlich sagte: Lass mich doch endlich zufrieden
.
Für meinen Vater war es eine besondere Freude, dass sich der alte Eberty schließlich von ihm taufen ließ. Er hat das stets zu seinen schönsten Amtserfahrungen gerechnet. Wenige Wochen nach der Taufe starb der alte Herr. Sein Bild hat noch lange in unserer Wohnstube gehangen. Mit der Familie sind wir auch später in Verbindung geblieben, die von Zeit zu Zeit wieder erneuert wurde. Felix Eberty war stets ein besonderer Verehrer meiner Mutter. Hans Arnold
hat in seinen Kindheitserinnerungen der Freundschaft auch Erwähnung getan.
[37] Sir Walter Scott, 1. Baronet FRSE (* 15. August 1771 in Edinburgh; † 21. September 1832 in Abbotsford) war ein schottischer Dichter und Schriftsteller. Er war einer der – nicht nur in Europa – meistgelesenen Autoren seiner Zeit und gilt traditionell als Begründer des Geschichtsromans. Ein Lebensbild. 2 Bände. Breslau 1860
[38] George Gordon Noel Byron, 6. Baron Byron (* 22. Januar 1788 in London; † 19. April 1824 in Messolongi, Griechenland), bekannt als Lord Byron, war ein britischer Dichter und einer der wesentlichen Vertreter der englischen Romantik. Eine Biographie. 2 Bände. Leipzig 1862
[39] Geschichte des preußischen Staats. 7 Bände. Breslau 1867–1873
[40] Am 7. August 1862 heiratete Stobbe Maria Carlotta Margarethe Eberty (* 27. Dezember 1842 Kunnersdorf/bei Hirschberg; † 3. März 1902 in Leipzig), die zweitälteste Tochter des Kollegenfreundes Felix Eberty und dessen Frau Marie Amalie Catharina geb. Hasse
[41] Clara Bertha Friederike
Babettevon Bülow, Pseud. Hans Arnold, geb. Eberty, (* 30. September 1850 in Warmbrunn[1], Niederschlesien; † 8. März 1927 in Arendsee, heute Ortsteil von Kühlungsborn, Mecklenburg-Vorpommern) war eine deutsche Autorin von Novellen, Lustspielen und Schwänken.