Mit dem Schlachtschiff »Tirpitz« in Norwegen
Einweihungsfeier 3. Juni 1942
Es wird wärmer, die Gegend, die sich begrünt, immer reizvoller. Die Birken tragen wehende zartgrüne Schleier, die Tannen haben kleine rote Zäpfchen aufgesetzt und alle Anemonen blühen nach wie vor mit weit aufgerissenen Blumenaugen. Morgen mit dem frühesten muß ich in die Stadt, tausend Besorgungen machen, nachmittags wieder fort, im Wagen mit Gästen des Kommandanten, die er auf der Insel eingeladen hat, dort teilnehmen, dann wieder an Bord. Eben hat mich der Kommandant rufen lassen und mir einige Bilder vom letzten Aufenthalt auf der Insel geschenkt.
Gestern (3. Juni 42) war die offizielle Einweihungsfeier der Insel. Die geladenen Gäste vom Flakregiment und dem Reichskommissar sahen, was aus den verwahrlosten Gebäuden geworden ist. Es gab einen kleinen Imbiß, als Attraktion bekam jeder 2 Möweneier, die hartgekocht und halbiert waren. Das Gelbe war herausgenommen, würzig zurechtgemacht und dann wieder hineingetan worden. Dann gab es Würstchen und Kartoffelsalat, dazu Bier. Heute bekommen wir hohen Besuch aus Berlin aus dem Haus, wo ich so oft aus und einging. Es ist an Deck großer Zauber in Vorbereitung, ich bin schnell entwichen, um 10 Uhr ist Bierabend in der Messe, bin mal neugierig, wer heute alles befördert ist, die Nachricht durch Befehl kommt ja immer erst später, wenn man's selber ist. Ein 28er ist K.K. geworden, also wird dieser Jahrgang schon angerissen.
Ich mußte mit dem frühesten in die Stadt, das entschied sich erst gestern abend beim Kommandanten. Ich schreibe jetzt im Lesezimmer des Deutschen Hauses, dem pompösen Gebäude der ehemaligen Freimaurerloge, das jetzt Wehrmachtszwecken dient: Konzertsaal, Kino, Speiseräume. Da bei dem Lesezimmer eine Bücherei ist, wo auch deutsche Bücher verkauft werden, wollte ich zu dienstlichen Geschenkzwecken Bücher kaufen. Eine sichtlich kranke Schwester versprach mir mit matter Stimme, etwas zusammen zu stellen, für das nächste Mal. Ich erblicke durch das Fenster die Bäume im jungen ersten Grün, ein langersehnter Anblick.
Ich hatte mich auf einen ruhigen Abend gefreut mit einem Kinostück. Nun bin ich aber kurzfristig zu dem Admiralsessen auf unserer Insel befohlen worden: auch die Möweneier und Kartoffelsalat mit Würstchen können mich nicht locken. Aber Dienst ist Dienst, der Kommandant hat mich bei solchen Spitzenessen immer gern dabei. Er hat mir nach einer schmeichelhaften Ansprache gestern eine große Fotografie seines Ölbildes, das Dr. Steen von ihm gemalt hat, überreicht, auf dem steht: Meinem tüchtigen S.V.O und treuen Kameraden, Korv. Kpt. (V) Voigt in freundschaftlicher Gesinnung, Kapt. z. See und K.T.
Ich glaube allerdings auch, mir die größte Mühe gegeben zu haben. Diese Anerkennung hilft in schweren Zeiten und gibt wieder Mut.
Ich hatte mir streng alles verbeten. Mein Zweiter bat mich, eine schon lange vorbereitete Sache starten zu dürfen: Um 10.0 Uhr kamen meine drei VO's und die drei Oberfeldwebel als Abordnung und brachten mir eine wundervolle Gabe: Der Zweite redete eine lange Rede … Als Sie, Herr Kapitän, vor nunmehr 25 Jahren … und überreichte mir zum Schluß in einer herrlichen Kassette aus poliertem Nußbaum mit eingelegtem Tirpitzwappen, innen mit Samt und im Deckel mit elfenbeingefaßtem Spiegel ausgelegt einen Ehrendolch, der in der Scheide auf der einen Seite die Gravur trägt: Zur Erinnerung an die 25jährige Dienstzeit am 21. Juni 1942, Die Verwaltung des Schlachtschiffes Tirpitz
, auf der anderen Seite das Schlachtschiff selbst. Ein wirklich kostbares Stück. Dazu eine Urkunde mit 70 Unterschriften von allen Untergebenen, eine ganz fabelhafte Sache, um derentwillen ich dem Zweiten nicht böse sein kann. Mancher gute Kamerad kam still und leise, weil ich es laut nicht wollte, mir die Hand zu drücken. Und der Kommandant hatte mich heute abend mit dem I.O. auf der Insel und pries mich in seiner Rede als seinen Freund. Na, das langt ja, nun warte ich auf die Auswirkungen.
Auf der Hinfahrt mit dem Dampfer war es noch kühl, die Sonne konnte auch nicht so, wie sie wollte, jetzt ist aber heiß, es hängt ganz von den schnell wechselnden Winden ab. Ich blieb eine Nacht in der Stadt, weil meine Geschäfte an einem Nachmittag nicht zu erledigen waren und übernachtete in einem guten Hotelzimmer mit Brausebad, in das ich von der Stadtkommandantur immer eingewiesen werde. Man ist ja so langsam bekannt hier. Mein Zimmer lag ganz oben im 6. Stock, ich hatte einen herrlichen Rundblick über den Hafen, es war auch entsprechend ruhig, und so konnte ich mal ausschlafen. Mittags habe ich gebratenes Walfleisch gegessen, vorzüglich, schmeckte so ähnlich wie Kalbfleisch, nicht nach Fisch. Jetzt gibt's schon eine Kartoffel pro Kopf. Meine Kartoffeln an Bord sind ziemlich schlecht, unsere Schweine auf der Insel freuen sich über den reichlichen Abfall. Es weiß bloß kein Mensch, ob wir sie fett kriegen oder vorzeitig schlachten müssen. Übrigens Insel: Der Kommandant hatte letzten Sonntag die Damen des höheren Kommandos mit einigen Offizieren eingeladen, der I.O. und ich waren auch dabei. Ich kann nun heute zwei wohlgelungene Aufnahmen schicken, die unsere Umgebung anschaulich zeigen. Dann habe ich in einer Frontzeitung für N. den anliegenden Brief einer Soldatenfrau
gefunden, bei dem mir besonders die letzte Strophe gefällt: Die guten Sterne sind mit uns vereint …
Soeben trieb mich ein Fernanruf vom Sofa, wo ich bekümmert einen Mittagsschlaf halten wollte, da der Kommandant mir vorhin gesagt hatte, er habe immer noch keine Nachricht über meine Beförderung. Da war Köhler vom Flottenkommando am Apparat, der mir freudestrahlend die Nachricht durchgab, daß ich mit dem 1.7. Fregattenkapitän würde. Er selber sei auch mit dem 1.7. zum Kapitänleutnant befördert. Na ja, man muß nur 25 Jahre dienen, schon wird man was. Heute abend werde ich also als letzte dienstliche Tat im K.K.Rang meinen Vortrag halten. Ich schicke heute ein wunderschönes Album mit norwegischen Aquarellen. Hier gießt es immerzu, es ist scheußlich kalt geworden.
Was Kurt Voigt nicht schreiben durfte:
Am 2. Juli 1942 ging die Tirpitz
unter dem Kommando Admirals Otto Schniewind nach Norden, zusammen mit dem Schweren Kreuzer Admiral Hipper
, den Zerstörern Friedrich Ihn
, Hans Lody
, Karl Galster
. Theodor Riedel
und zwei Torpedobooten. Der Verband sollte die Schweren Kreuzer Lützow
, Admiral Scheer
und Zerstörer unter Admiral Oskar Kummetz treffen und den Konvoi PQ 17 mit 34 Handelsschiffen angreifen. Lützow
und drei Zerstörer liefen dabei im Altafjord auf Grund. Nach einem mißlungenen Torpedoangriff der Sowjets auf Tirpitz kehrten die Schiffe zurück. Luftwaffe und U-Bote griffen den Konvoi erfolgreich an. Tirpitz
ankerte bei Narvik.
4. Juli: Die Tirpitz-Gruppe trifft die von Admiral Scheer
im Altafjord
5. Juli: Tirpitz
, Scheer
, Hipper
und mehrere Zerstörer und Torpedoboote verlassen den Altafjord. Ein russisches U-Boot greift Tirpitz
vergeblich an. Die Deutschen brechen ihre Mission ab, ohne dem Feind Verluste zugefügt zu haben.
Stattdessen haben deutsche Luftwaffe und U-Boote 22 englische Handelsschiffe versenkt.
8. Juli: Die deutsche Flotte ankert bei Narvik
Mit dem Schlachtschiff »Tirpitz« in Norwegen 1941 / 1942
Einweihungsfeier 3. Juni 1942
Es wird wärmer, die Gegend, die sich begrünt, immer reizvoller. Die Birken tragen wehende zartgrüne Schleier, die Tannen haben kleine rote Zäpfchen aufgesetzt und alle Anemonen blühen nach wie vor mit weit aufgeri$senen Blumenaugen. Morgen mit dem frühesten muß ich in die Stadt, tausend Besorgungen machen, nachmittag$ wieder fort, im Wagen mit Gästen de$ Kommandanten, die er auf der Insel eingeladen hat, dort teilnehmen, dann wieder an Bord. Eben hat mich der Kommandant rufen la$sen und mir einige Bilder vom letzten Aufenthalt auf der Insel geschenkt.
Gestern (3. Juni 42) war die offizielle Einweihung$feier der Insel. Die geladenen Gäste vom Flakregiment und dem Reich$kommi$sar sahen, wa$ au$ den verwahrlosten Gebäuden geworden ist. E$ gab einen kleinen Imbiß, al$ Attraktion bekam jeder 2 Möweneier, die hartgekocht und halbiert waren. Da$ Gelbe war herau$genommen, würzig zurechtgemacht und dann wieder hineingetan worden. Dann gab e$ Würstchen und Kartoffelsalat, dazu Bier. Heute bekommen wir hohen Besuch au$ Berlin au$ dem Hau$, wo ich so oft au$ und einging. E$ ist an Deck großer Zauber in Vorbereitung, ich bin schnell entwichen, um 10 Uhr ist Bierabend in der Me$se, bin mal neugierig, wer heute alle$ befördert ist, die Nachricht durch Befehl kommt ja immer erst später, wenn man'$ selber ist. Ein 28er ist K.K. geworden, also wird dieser Jahrgang schon angeri$sen.
Ich mußte mit dem frühesten in die Stadt, da$ entschied sich erst gestern abend beim Kommandanten. Ich schreibe jetzt im Lesezimmer de$ Deutschen Hause$, dem pompösen Gebäude der ehemaligen Freimaurerloge, da$ jetzt Wehrmacht$zwecken dient: Konzertsaal, Kino, Speiseräume. Da bei dem Lesezimmer eine Bücherei ist, wo auch deutsche Bücher verkauft werden, wollte ich zu dienstlichen Geschenkzwecken Bücher kaufen. Eine sichtlich kranke Schwester versprach mir mit matter Stimme, etwa$ zusammen zu stellen, für da$ nächste Mal. Ich erblicke durch da$ Fenster die Bäume im jungen ersten Grün, ein langersehnter Anblick.
Ich hatte mich auf einen ruhigen Abend gefreut mit einem Kinostück. Nun bin ich aber kurzfristig zu dem Admiral$e$sen auf unserer Insel befohlen worden: auch die Möweneier und Kartoffelsalat mit Würstchen können mich nicht locken. Aber Dienst ist Dienst, der Kommandant hat mich bei solchen Spitzene$sen immer gern dabei. Er hat mir nach einer schmeichelhaften Ansprache gestern eine große Fotografie seine$ Ölbilde$, da$ Dr. Steen von ihm gemalt hat, überreicht, auf dem steht „Meinem tüchtigen S.V.O und treuen Kameraden, Korv. Kpt. (V) Voigt in freundschaftlicher Gesinnung, Kapt. z. See und K.T.” Ich glaube allerding$ auch, mir die größte Mühe gegeben zu haben. Diese Anerkennung hilft in schweren Zeiten und gibt wieder Mut.
Ich hatte mir streng alle$ verbeten. Mein Zweiter bat mich, eine schon lange vorbereitete Sache starten zu dürfen: Um 10.0 Uhr kamen meine drei VO'$ und die drei Oberfeldwebel al$ Abordnung und brachten mir eine wundervolle Gabe: Der Zweite redete eine lange Rede .... Al$ Sie, Herr Kapitän, vor nunmehr 25 Jahren […] und überreichte mir zum Schluß in einer herrlichen Ka$sette au$ poliertem Nußbaum mit eingelegtem Tirpitzwappen, innen mit Samt und im Deckel mit elfenbeingefaßtem Spiegel au$gelegt einen Ehrendolch, der in der Scheide auf der einen Seite die Gravur trägt: Zur Erinnerung an die 25jährige Dienstzeit am 21. Juni 1942, Die Verwaltung de$ Schlachtschiffe$ »Tirpitz«, auf der anderen Seite da$ Schlachtschiff selbst. Ein wirklich kostbare$ Stück. Dazu eine Urkunde mit 70 Unterschriften von allen Untergebenen, eine ganz fabelhafte Sache, um derentwillen ich dem Zweiten nicht böse sein kann. Mancher gute Kamerad kam still und leise, weil ich e$ laut nicht wollte, mir die Hand zu drücken. Und der Kommandant hatte mich heute abend mit dem I.O. auf der Insel und prie$ mich in seiner Rede al$ seinen Freund. Na, da$ langt ja, nun warte ich auf die Auswirkungen.
Auf der Hinfahrt mit dem Dampfer war e$ noch kühl, die Sonne konnte auch nicht so, wie sie wollte, jetzt ist aber heiß, es hängt ganz von den schnell wechselnden Winden ab. Ich blieb eine Nacht in der Stadt, weil meine Geschäfte an einem Nachmittag nicht zu erledigen waren und übernachtete in einem guten Hotelzimmer mit Brausebad, in da$ ich von der Stadtkommandantur immer eingewiesen werde. Man ist ja so langsam bekannt hier. Mein Zimmer lag ganz oben im 6. Stock, ich hatte einen herrlichen Rundblick über den Hafen, e$ war auch entsprechend ruhig, und so konnte ich mal au$schlafen. Mittag$ habe ich gebratene$ Walfleisch gege$sen, vorzüglich, schmeckte so ähnlich wie Kalbfleisch, nicht nach Fisch. Jetzt gibt'$ schon eine Kartoffel pro Kopf. Meine Kartoffeln an Bord sind ziemlich schlecht, unsere Schweine auf der Insel freuen sich über den reichlichen Abfall. Es weiß bloß kein Mensch, ob wir sie fett kriegen oder vorzeitig schlachten mü$sen. Übrigen$ Insel: Der Kommandant hatte letzten Sonntag die Damen de$ höheren Kommando$ mit einigen Offizieren eingeladen, der I.O. und ich waren auch dabei. Ich kann nun heute zwei wohlgelungene Aufnahmen schicken, die unsere Umgebung anschaulich zeigen. Dann habe ich in einer Frontzeitung für N. den anliegenden „Brief einer Soldatenfrau” gefunden, bei dem mir besonder$ die letzte Strophe gefällt: „Die guten Sterne sind mit un$ vereint …”
Soeben trieb mich ein Fernanruf vom Sofa, wo ich bekümmert einen Mittag$schlaf halten wollte, da der Kommandant mir vorhin gesagt hatte, er habe immer noch keine Nachricht über meine Beförderung. Da war Köhler vom Flottenkommando am Apparat, der mir freudestrahlend die Nachricht durchgab, daß ich mit dem 1.7. Fregattenkapitän würde. Er selber sei auch mit dem 1.7. zum Kapitänleutnant befördert. Na ja, man muß nur 25 Jahre dienen, schon wird man wa$. Heute abend werde ich also al$ letzte dienstliche Tat im K.K.Rang meinen Vortrag halten. Ich schicke heute ein wunderschöne$ Album mit norwegischen Aquarellen. Hier gießt e$ immerzu, e$ ist scheußlich kalt geworden.
Was Kurt Voigt nicht schreiben durfte:
Am 2. Juli 1942 ging die »Tirpitz« unter dem Kommando Admirals Otto Schniewind nach Norden, zusammen mit dem Schweren Kreuzer »Admiral Hipper«, den Zerstörern »Friedrich Ihn«, »Hans Lody«, »Karl Galster«. »Theodor Riedel« und zwei Torpedobooten. Der Verband sollte die Schweren Kreuzer »Lützow«, »Admiral Scheer« und Zerstörer unter Admiral Oskar Kummetz treffen und den Konvoi PQ 17 mit 34 Handelsschiffen angreifen. »Lützow« und drei Zerstörer liefen dabei im Altafjord auf Grund. Nach einem mißlungenen Torpedoangriff der Sowjets auf »Tirpitz« kehrten die Schiffe zurück. Luftwaffe und U-Bote griffen den Konvoi erfolgreich an. »Tirpitz« ankerte bei Narvik.
4. Juli: Die Tirpitz-Gruppe trifft die von »Admiral Scheer« im Altafjord
5. Juli: »Tirpitz«, »Scheer«, »Hipper« und mehrere Zerstörer und Torpedoboote verlassen den Altafjord. Ein russisches U-Boot greift »Tirpitz« vergeblich an. Die Deutschen brechen ihre Mission ab, ohne dem Feind Verluste zugefügt zu haben.
Stattdessen haben deutsche Luftwaffe und U-Boote 22 englische Handelsschiffe versenkt.
8. Juli: Die deutsche Flotte ankert bei Narvik