Kanaken, Kannibalen, mein Opa und ich
Kapitel 12:
Erneut in Sydney
Zu Grundüberholungen und Reparaturen des S.M.S. »Falke« wurde der Hafen von Sydney in unregelmäßigen Abständen angelaufen. Stets fungierte das Schiff dann auch zum Transport von Post aber auch von Personen.
Am 4. Oktober 1897 erhielt die Mannschaft die Nachricht von dem Tode des Seeoffiziers Friedrich Wilhelm Herzog von MecklenburgFriedrich Wilhelm, Herzog zu Mecklenburg [-Schwerin] (* 5. April 1871 in Schwerin; † 22. September 1897 in der Elbmündung vor Cuxhaven) war ein deutscher Seeoffizier der Kaiserlichen Marine.Siehe Wikipedia.org [18]. Während dieses Aufenthaltes erhielt das Schiff im Rahmen der Instandhaltung einen neuen Fockmast, eine neue Fockrah, neue Spills und die Backbordjolle wurde ersetzt.
Nach einem Monat, in dem,
wie mein Opa schreibt,
wir wieder ordentlich als Menschen lebten, nachdem wir so lange unter den Kanaken zugebracht hatten, war ich viel an Land. Während dieser Zeit verlor die Mannschaft den Matrosen Döring und einen Heizer, beide desertierten. Der Heizer wurde gefasst.
Leider gibt mir mein Opa keine Auskunft darüber, was mit dem Heizer nach dessen Festnahme passierte. Dann notiert er:
Am frühen 5. November war also die Zeit gekommen wo es wieder hieß,heute muss ich fort von hier, dieses Mal sollte das Ziel unserer Reise das schöne Samoa, die Perle der Südsee sein. Um sechs Uhr morgens stachen wir in See, das Wetter war anfangs befriedigend. Ursprünglich hatten wir die Absicht, Fidschi zum Kohlen anzulaufen. Dieser Plan wurde jedoch wieder aufgegeben, da wir durch Wind und Seegang zu weit nach Süden versetzt waren, des Nachts waren wir gezwungen, mit Sturmsegeln beizuliegen. An einem Tage passierten wir den für den Seefahrer so verhängnisvollen 180. LängengradDie Datumsgrenze verläuft zwischen den beiden Polen der Erde durch den Pazifischen Ozean in der Nähe des 180. Längengrads.Siehe Wikipedia.org [19], daher hatte das Logbuch 48 Stunden.
Am Morgen des 9. November 1897 bekamen wir die Küste Samoas in Sicht, immer näher kamen wir dem Ziel, da lag Upolu vor uns, ich sah den schönsten meiner Jugendträume zur Wirklichkeit geworden, gerade so märchenhaft schön hatte ich mir die Südsee vorgestellt. Die Masten eines vor Anker liegenden Schiffes kündigten die Nähe Apias an, es war S.M.S. »Bussard«. Auf den Höhen wurden weiße, aus dem dichten Grün hervorschimmernde Häuser sichtbar, dann kam die in einem Halbkreis am Strande sich hinziehende Stadt in Sicht und eine halbe Stunde später fuhren wir, zwischen Korallenriffen hindurch steuernd, in den reizenden Hafen Apias ein. Schiffstrümmer und der dicht am Strande unmittelbar vor der Stadt liegende Rumpf des S.M.S. »Adler«, welcher hier neben dem »Eber« und den amerikanischen Kriegsschiffen »Frenton«, »Vandalia« und »Nipsic« in dem fürchterlichen Orkan im Frühjahr, am 18. März 1889, seinen Untergang fand, zeugen davon, dass dieser so malerische Hafen für den Seefahrer kein Hort ist, in dem sich's stets gemächlich rasten lässt.
Gegen zwölf Uhr Mittag werfen wir Anker. Kaum war dies geschehen, war auch schon das Deck mit Einheimischen überfüllt. Sie imponierten mir durch ihre vollendet schönen Körperformen, ihre sympathischen Gesichtszüge, ihre malerische Tracht – Hüftschwung, Blätter und Blumengebinde – und ihr eher anschmiegsames als aufdringliches Wesen. Sie waren meist hergekommen, um ihre alten Freunde zu begrüßen, fanden jedoch lauter fremde Gesichter, da ihre alten Freunde doch schon längst wieder in der lieben Heimat waren. Auch waren die samoanischen Wäscherinnen erschienen, um Geschäfte zu machen. Das Waschen ist eine der wenigen Beschäftigungen, die von den Samoanern nicht unter ihrer Würde gehalten wird. Wem es besonderes Vergnügen macht, seine Wäsche von einer Prinzessin von Geblüt besorgen zu lassen, für den dürfte Samoa das geeignete Land sein.Die Kameraden vom »Bussard« befanden sich alle wohl auf, nur wenige Tage waren wir zusammen, da ging der »Bussard« fort nach den Marschall-Inseln und Neuguinea.
[19] Die Datumsgrenze verläuft zwischen den beiden Polen der Erde durch den Pazifischen Ozean in der Nähe des 180. Längengrads. Wer die Datumsgrenze passiert, kommt in eine Zeitzone mit einem anderen Kalenderdatum: Überquert man die Datumsgrenze mit Ostkurs, gelangt man in den vorangegangenen, bei umgekehrter Richtung in den nächsten Kalendertag. Die Bewohner beidseits der Datumsgrenze haben nicht das gleiche Kalenderdatum. Dieses ist auf der westlichen um einen Kalendertag höher als auf der östlichen Seite.