Kanaken, Kannibalen, mein Opa und ich
Kapitel 22:
Tänze der Sulka
Die Insel Neubritannien bietet viele interessante Riten und Tänze der verschiedenen Stämme, die mein Großvater wohl nie hatte erleben können, obgleich er so nahe und so häufig auf dieser Halbinsel war. Heute hat unsere Ethnologin zwei Sulka-Gemeinschaften motivieren können, für uns zu tanzen. Die Sulka leben südlich von Kokopo in der Region Warena. Sie hatten am diesjährigen Maskenfest nicht teilgenommen, da einer der ihren vor gut einem Jahr ermordet wurde und die Trauerzeit noch nicht abgeschlossen war.
Der Heiler John Sakle hatte ein InitiationsfestReifefeier oder –weihe, Aufnahme der Knaben in die Gesellschaft der Männer [42] veranstaltet, auf dem zwei Brüder in Streit gerieten. Das Streitthema war, wie so oft in der Südsee, Landverkauf. Während der eine einen Chinesen als Käufer gefunden hatte, bestand der andere auf der Tradition, nach der Land unverkäuflich ist. Eine Tradition, die zwingend zum Konflikt auch mit den ersten Siedlern in der Südsee führen musste.
In Papua Neuguinea wird das Land der Mutter als Leihgabe vergeben. Es kann von ihren Kindern kostenlos bestellt und bebaut werden. Heiratet ein Kind, können die Töchter und ihre Familie das Land der Mutter bestellen und dort wohnen. Stirbt die Tochter der Mutter, wird die Familie besitzlos und muss dieses Land verlassen und sich schadlos an die Mutter der Verbliebenen halten. Ausnahmen werden durch die Adoption des Hinterbliebenen durch die Familie der Verstorbenen erreicht.
Das Wort Landkauf
oder Land verkaufen
gibt es deshalb, wie uns berichtet wird, in den einheimischen Sprachen nicht. Als äußerstes gibt es eine Überlassung im Sinne von zeitlicher Nutzung von Land. Diesen Konflikt hatten die Siedler im 18. und 19. Jahrhundert, wie auch die Kolonialisten nicht erkannt und standen im Glauben, seiner zeit billig Land erworben zu haben, welches teilweise nur mit billigsten Glasperlen bezahlt wurde. Die Kolonialmächte haben sehr schnell ein Landkataster eingeführt und versucht, ihre Käufe so zu legalisieren. Widerstände der Einheimischen wurden von den Kolonialherren durch Strafandrohungen und Strafexpeditionen sanktioniert.
Zurück zum Streit der Brüder, die auf dem Initiationsfest sich derart erzürnten, dass schließlich einer der beiden in Rage geriet und seinen Bruder ermordete. Da der Dorfheiler der Ausrichter des Festes war, obliegt es nach altem Brauch auch ihm, den Streit beider Familien zu schlichten. Dieses Ziel scheint aber nur erreichbar, wenn er eine Feier zur Totenerinnerung ausrichtet. Da solche Feiern eine sehr große Summe Geldes verlangen, muss der Heiler über mehrere Jahre darauf sparen.
Trotzdem bewegten wir den Künstler William Lalu, den Sohn des Heilers Sakle dazu, Masken zu reparieren und auf dem Gehöft des Weilers tanzen zu lassen. Masken werden unter Anleitung eines Künstlers ausschließlich von Männern gefertigt. Die Frauen sind von der Anfertigung vollkommen ausgeschlossen, auch wissen sie nicht, welcher Mann unter welcher tanzenden Maske steckt. Die Masken werden in den Männerhäusern gefertigt, die für Frauen tabuDer Ursprung ist polynesisch [43] sind. Sie liegen am Rande oder außerhalb der Dörfer.
Lalu's Frau war sehr früh nach der Geburt ihres dritten Kindes verstorben. Die Kinder wurden dann liebevoll von Lalu großgezogen. Inzwischen hat er eine neue Frau geheiratet und wohnt mit ihr in einem Nachbardorf.
Mit dem Pickup fahren wir hoch in das Gebirge hinauf, bis wir das Gebiet der Sulka erreichen. An dem Ort, wo der Heiler bis zu dem Mord seine Wohnstätte in unmittelbarer Nähe zum Männerhaus hatte, halten wir an. Das rundgebaute Männerhaus, mit einem Dach aus Palmenwedeln und einer Geisterskulptur auf der Dachspitze, befindet sich in einem tadellosen Zustand. Auch eine benachbarte Scheune mit einem auf Pfählen stehenden Dach ist in gutem Zustand. Hingegen sieht das ehemalige Wohnhaus des Heilers traurig und unbewohnt aus. Auf diesem Platz geschah der Mord!
Nur etwa fünfhundert Meter weiter liegt auf einem, aus Schlaglöchern mit kleinen Verbindungen bestehenden Weg, das Gehöft des Lalu, wo auch die Tänze vorgeführt werden. Hier begrüßt uns als erstes ein hohes Stammesmitglied. Man erwartet uns bereits, was in dieser Region nicht selbstverständlich ist. Im Rahmen der Vorbereitungen haben sie zwischen einem Ofen, der der Kop raherstellung dient, und dem Küchenhaus eine Plane gespannt. Diese soll uns bei unverhofftem Regen vor Nässe schützen. Zum Spannen der Plane wurden Baumrinden verwandt. Ein Männerhaus steht gleich rechter Hand, eine runde, bis auf den Boden reichende Hütte, deren Wände aus braunen Matten bestehen, die aus den grünen, weichen, lanzettförmigen Teilen der Palmwedel geflochten sind. Ebenso ist das Dach aus dem Material der Palmwedel hergestellt und erinnert in Form und Neigung an die typische Kopfbedeckung der chinesischen Feldarbeiter. Auch hier ziert die Mitte des Daches eine aus Holz geschnitzte Figur. Sie stellt eine Mischung aus weiblichem Torso mit zwei hängenden Brüsten und rundem Bauch und einem gleich großen männlichem Kopf mit einer Mütze dar, die der eines Elbseglers
gleicht.
Unsere gesamte Gruppe, also auch die Frauen, darf das Männerhaus betreten und sich hineinsetzen. Der Innenraum ist mit einer aus Geflecht dünner, rotbrauner Zweige geformten Bank, nur den Eingang freilassend, bestückt. Das Sitzen ist äußerst bequem, da das Geflecht weich und unter dem Gewicht der Person und den Konturen des Gesäßes nachgibt. Unter der Decke hängen mehrere pinkfarbene Masken, die schon bessere Tage gesehen haben. Der rosafarbige Ton der Masken ist typisch für die Sulka- Masken, die in verschiedenen Formen auch im Völkerkundemuseum in Hamburg zu besichtigen sind. Allen Masken fehlen jedoch die so typischen Nasenknochen, die normalerweise durch ein in rosa ummaltes Loch quer zur Nase der Maske gesteckt werden.
In Gesellschaften der Sulka wie auch der Tolai sitzen bei Zeremonien wie Initiationsfeiern von männlichen Jugendlichen oder Geisterbeschwörungen die Frauen und Kinder getrennt von den Männern. Letztere sind für die Durchführung der Veranstaltungen verantwortlich, während die Frauen und Kinder eine reine Zuschauerfunktion einnehmen. Bei musikalischen Begleitungen und dem Schlagen verschiedener Trommeln beobachte ich nur Männer, während Frauen wohl bei bestimmten Anlässen in die Gesänge einstimmen oder sie ganz übernehmen, aber nur selten die rhythmische Begleitung spielen.
Fast unglaublich erscheint uns, dass die Gemeinschaft unseretwegen gleich zwei Tabus bricht. Da steht einerseits das Betreten des Männerhauses durch Frauen, welches ein strenges Tabu in der Gesellschaft darstellt und andererseits die Durchführung von Maskentänzen während der Trauerphase und der Zeit, während der keine Versöhnung zwischen den Familien erfolgte. Da wir für die Darbietung an den Heiler einen finanziellen Obolus entrichten und somit die Versöhnungsfeier wahrscheinlicher erscheint, mag hierin ein Grund des Tabubruches zu sehen sein. Unsere Ethnologin glaubt, dass die weißen Frauen nicht als Vollfrauen im Sinne der Sulka gesehen werden und deshalb ihnen mit dem Betreten der Männerhütte kein Tabubruch vorgeworfen werden kann, noch die weißen Frauen in der Lage sind, den Sulkafrauen Informationen über das Innere weiterzuleiten.
Die Sulka zeigen drei verschiedene Masken und Tänze. Wie bereits bei den Tänzen der Tolai und Baining, kommen die maskierten und mit langen grünen Gewändern verkleideten Personen aus dem mystischen Wald, jeweils begleitet von einer kleinen Männergruppe, die die rhythmischen Takte auf Trommeln schlägt und dazu singt. Diese bilde n eine heterogene Altersstruktur, von gerade initiierten Knaben bis Männern um die sechzig Jahre. Noch vor Beginn der Tänze, die immer wieder durch uns nicht ersichtliche Gründe verzögert werden, kommen auf Lastkraftwagen Männer, Frauen und Kinder aus Nachbargemeinden. Erstaunlicherweise nehmen die zuschauenden Männer-, Frauen- und Kindergruppen die Tänze schweigend, ruhig sitzend oder stehend zur Kenntnis. Weder kann ich eine körperliche Beteiligung an den Rhythmen noch die Teilnahme an den Gesängen beobachten, noch nehme ich Anerkennung oder Gefallen durch Mimik, Klatschen, Lachen oder sonstige Zeichen wahr. Ob dieses eine Reaktion auf den Tabubruch oder der Trauerzeit gezollt ist?
In der erwähnten Zeremonie anlässlich des Totengedenkens war die Situation völlig anders. Die Zuschauer waren dort gleichzeitig Mitwirkende, die versorgten, eingriffen, begleitend tanzten. Bei den Tänzern hier dominieren die Farben dunkelgrün und tief rosa. Der gesamte Körper ist durch einen aus tiefgrünen lanzettartigen Blättern hergestellten Umhang bedeckt, der im Rücken bis zum Haaransatz reicht, während er vorn von einem Kragen aus länglichen Blättern mit gelblichen bis weißen Rändern in Schulterhöhe ersetzt wird. Hierauf sitzt die dunkelrosa gefärbte Maske. Sie blickt mit starren, weißen Augen auf die Zuschauer. Ein rechteckiges, gelbes Viereck mit weißen, spitzen Zähnen, die von einem schwarzen Rachen umrandet sind, unterstreicht die Gefährlichkeit des Geistes. Die Nase ist in rosa gehalten und wirkt durch ihre hervorgehobenen Konturen. Die Wangen sind durch gelb- grüne Dreiecke, die mit ihrer kürzesten Seite auf den Kanten des Mundes liegen, angedeutet. Zwei riesige, kräftig gelbe Ohren, aus Holz geformt, reichen vom Mund bis über die Haare. Letztere, aus Bast strähnig drapiert, wirken zerzaust und unterstreichen die Unberechenbarkeit der Geister.
Eine zweite Gruppe von Geistern hat ebenfalls das dunkelgrüne Gewand und schließt am Hals mit einem grünen Kragen mit weißlich und gelblich auslaufenden grünen Blättern ab. Darauf lagert ein langgezogener, spitzer Kegel, der aus Reihen von grünen und weißen Rauten, wie bei einem Harlekin- Kleid, besteht und einen bunten, kürbisförmigen Kopf trägt, geziert durch ein Büschel grüner und gelber Blätter. Als Grundton des ovalen, kürbisartigen Kopfes, der höher als breit ist, taucht auch hier das dunkle Rosa auf. Auf dem Kopf sind mit grünen, weißen und gelben Farben Figuren, wie beispielsweise ein stilisiertes Herz, aufgemalt.
Die Herstellung der Masken erfolgt im Männerhaus, welches meist abseits, außerhalb der Dorfgemeinschaft liegt. Vor der Initiationsfeier werden die Knaben in diesen Häusern auf ihr Erwachsenwerden vorbereitet. An der Anfertigung kann jeder Eingeweihte unter Anleitung des Stammeskünstlers teilnehmen und mitwirken. Die Anfertigung und Bemalung der Masken ist sehr zeitaufwendig und zieht sich über viele Monate hin. Die Maskentänze sind ritualisiert und finden insbesondere zu Initiationsfeiern und Zeremonien zum Totengedenken statt. Wer tiefer gehende Informationen zur Herstellung und Maskenarten sucht, sei auf die Ausführungen von Hermann Mückler (2009)Siehe Literaturnachweis: Mückler, Hermann, Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, Facultas.wuv, Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien, 2009 [44] und George A. Corbin (2003)Siehe Literaturnachweis: Corbin, George A., Die Kunst der Baining und Sulka im Museum für Völkerkunde Hamburg, Südsee, Expedition ins Paradies, 2003 [45] verwiesen.
Als unsere Begleiterin die Vorführung von Tänzen der Sulka organisierte, ergab es sich, dass eine benachbarte Mope-Gemeinde davon erfuhr und ebenfalls anbot, uns ihre Masken und Tänze darzubieten. Während unserer langen Wartezeit kommen wir hierauf zu sprechen. Die Gruppe um Lalu und Sakle lässt uns deutlich verstehen, dass wir dort nicht hingehen müssten, da sowohl die Masken als auch die Tänze hier vor Ort viel schöner wären und mehr bieten würden. Den Bewohnern des Mope-Weilers hätten sie bereits mitgeteilt, dass unsererseits kein Interesse an deren Darbietungen bestehe.
Dieses Vorgehen brüskiert unsere Ethnologin persönlich, denn für ihre Studien benötigt sie selbstverständlich ein gutes Einvernehmen mit allen Gruppierungen des Sulkastammes. Unter ihrer Leitung setzt sich umgehend eine Delegation mit dem Pickup in den Weiler Mope Rara in Bewegung, um zu retten, was noch zu retten ist. Die Bewohner des Weilers können durch die Delegation wieder eingefangen werden. Doch sie sind nicht mehr bereit, zusammen mit den Gruppen um Sakle und Lalu zu tanzen. Sie laden uns nun in ihr Dorf ein.
Der dritte Tanz der rosa Maskenträger endet mit dem symbolischen Teil, in dem die Geister junge Männer mit Pflanzenwedeln kräftig schlagen, wozu diese ihren Oberkörper frei machen. Dieses ist ein typischer Teil der Initiationsriten, welcher hier nachgestellt wird. Nach diesem Abschluss verabschieden wir uns von unseren Gastgebern, entern unsere Pritschenwagen und fahren weiter nach Mope Rara. Auch viele der anderen Zuschauer verlassen mit uns zusammen plötzlich den Ort, einige wenige davon, um die Tänze in Mope Rara zu verfolgen.
Die Bewohner hatten bereits auf dem Vorplatz des Schulkomplexes, einem mit Gras bewachsenen großen Platz, die vorhandene Tribüne mit Pflanzenwedeln geschmückt und stellten Stühle für uns auf. Das führte dazu, dass wir wie die Kolonialdamen und -herren über dem Versammlungsplatz förmlich thronen. Die mit einem Holzboden versehene Bühne schützt ein Wellblechdach, das auf bunten Holzsäulen steht. In die Säulen sind Pflanzen und Früchte der Insel geschnitzt.
Am Rande des Platzes sammelt sich eine große Anzahl einheimischer Frauen und Kinder, die sich mit bunten Regenschirmen vor der Sonne schützen und ins Gras setzen, während die Männer und Knaben stehend warten. Sonst tut sich lange Zeit nichts, wirklich gar nichts.
Über das Schulgelände schlendernd komme ich mit einer Gruppe junger Männer ins Gespräch, die mir schließlich anbietet, dass einer von ihnen eine Palme besteigen und uns mit frischer Kokosmilch versorgen würde. Er hat eine mit farbigen Streifen gestrickte wollene Mütze auf.
Flugs brechen die Männer Zweige von Büschen ab, schälen die Rinde ab und drehen sie zu einem festen Seil. Seine Enden verknoten sie miteinander. Dieser Ring wird geschwind zu einer Acht gedreht und der junge Mann mit der wollenen Mütze steckt seine Füße durch die beiden Schlaufen. Dieses Seil gibt ihm Halt, um sich an der schlanken Palme festzuklammern und abwechselnd abzustoßen. Wie ein Klappmesser führt er die Beine an die den Stamm seitlich packenden Händen heran, bäumt sich, durch die Füße gestützt, hoch, erfasst den Stamm erneut, zieht die Beine nach und erreicht so in wenigen Sekunden die Krone der Palme. Hier zieht er geschwind die Füße aus dem Seil und bewegt sich geschickt, aufrecht gehend, über die Krone der Palme; dabei stößt er mit den Füßen die vertrockneten Wedel ab, dass sie nach unten fallen. Die Farben der Wollmütze rot, grün, gelb strahlen noch auf uns hinab, als er bereits die in etwa in 20 Meter Höhe hängenden Kokosnüsse erreicht. Mit den Füßen schlägt er nun eine reife Kokosnuss nach der anderen ab, indem er die Spitze der Palme einmal komplett umkreist.
Danach liegen am Boden mehr als zwanzig große, grüne Nüsse. Zwischenzeitlich haben die jungen Männer den kräftigen Ast eines Strauches auf ungefähr einen Meter mit der Machete zugeschnitten und auf beiden Enden angespitzt. Diesen rammen sie in die Erde. Nun dient er als Werkzeug, um die mit einer dicken Bastschicht umhüllten Kokosnüsse auf zu pieken und vom Bast zu befreien. Da üblicherweise jeder junge Mann mit einer Machete ausgerüstet ist, nutzen einige diese, um die Nüsse damit direkt zu schälen und die Spitze danach abzuschlagen, ohne die nur wenige Millimeter dicke, weiße Fleischschicht zu beschä digen. Zum Abschluss stoßen sie mit der scharfen Machetenspitze in das Kokosfleisch und schneiden mit drei bis vier Stichen eine Öffnung in die Nuss, um sie so vorbereitet uns zu überreichen. Gerne trinken wir den Saft, der die Qualität eines isotonischen Getränkes hat.
Zwischenzeitlich treten die Geister aus einem über ein hundert Meter entfernten Wald heraus. Von Trommelwirbeln und hüpfenden Kindern werden sie begleitet. Die Gruppe bleibt auf dem Weg zur Tribüne mehrere Male stehen, um sich neu aufzustellen und wechselnde Rhythmen anzuschlagen. Die gesamte Gruppe wird von einem jungen Mann angeführt, der mit einem langen Stock, an dem Büschel aus Pflanzen angebracht sind, den Rhythmus anzugeben scheint. Er ist nur mit einer Turnhose bekleidet. Ein Band aus dunkelroten Blättern ziert seine Stirn. Sein großer Kopf mit seinen hervorstehenden Augen und seine gedrungene Körpergestalt scheinen ein Beweis, dass dieser junge Mann unter dem Down- Syndrom leidet. Trotz dieser Beeinträchtigung des jungen Mannes ist er in den Tanz dieser Gruppe – ich sah ihn am nächsten Tag auch noch als Taktangeber auf dem Maskenfestival von Kokopo – integriert und mit einer wichtigen Aufgabe betraut.
Die Mopegemeinschaft tanzt zwei verschiedene Tänze mit unterschiedlichen Masken. Ein übrigens typisches Merkmal der Sulka besteht darin, dass sie bei Veranstaltungen verschiedene Tänze präsentieren und während der Veranstaltungen unterschiedliche Masken und Kostüme zum Einsatz kommen, aber jeder Tanz nur durch einen Maskentyp dargeboten wird. Anders habe ich die Tänze der Baining wie auch der Tolai erlebt, bei denen in einem Tanz mehrere Maskentypen benutzt werden. Bei den Tolai vermischen sich die reinen Tumbuan-Tänze im Laufe der Zeitabläufe mit den Dukduk-Masken, die als Nachwuchs der Tumbuane eine Rolle spielen.
Im ersten Tanz treten drei Geister mit grünem Palmenblättergewand auf. Das Gewand ist mit einem rundum gehenden Kragen aus großen gelben oder roten lanzettförmigen Blättern versehen, auf denen zusätzlich ein etwas kürzerer Kranz aus weißen Blättern aufgesetzt ist. Die Abgrenzung zum Kopf erinnert mich an die weiße Halskrause der Pastoren des Sprengels Alt-Hamburg; nur dass es hier auf Neubritannien mit Sicherheit nichts mit Ratsherrenwürde zu tun hat. Auf der Krause sitzt ein weißer, sich nach oben leicht verjüngender Zylinder, der mit vielen roten, blauen und grünen, horizontalen Ringen an einen Bienenkorb erinnert. Diese Ringe können ebenso gut spiralig angeordnet sein. An den einander gegenüber stehenden Seiten sind überdimensionierte Ohren angebracht. Der Zylinder wird durch einen flachen, gefilzten, runden Deckel abgeschlossen, auf dem verschiedenfarbige Federn kreisförmig angeordnet sind. Im Zentrum ragen große Schwanzfedern in den Himmel, um deren Grund kleinere Federn büschelartig drapiert sind.
Diese Geister werden von zwei jungen Mädchen begleitet, die etwa sechs und vierzehn Jahre alt sind. Die Barfüßigen sind nur mit einem Rock aus Pflanzenblättern unterschiedlicher Farben bekleidet. Beide tragen Blätterschmuck in den Haaren. Die Größere trägt zusätzlich ein Halsband aus Pflanzenblättern und ein handbreites, weißes Stofftuch, um den Busen zu bedecken. Sie bewegen sich, jede auf einer Seite der Geister, im Takt des Turnhosenträgers.
Auch die nächste Geistergruppe verlässt in der Ferne den Wald und kommt in Begleitung mehrerer junger Männer auf die Tanzwiese. Sie wirbeln ihre Körper, drehen sich um ihre eigene Achse. Ihre Masken erinnern an die der Sulkagruppe. Der Grundton der Masken ist hier jedoch schwarz gehalten, auf dem sich die Farben Gelb, Weiß und Grün klar abheben. Die Zylinder schließen mit einer aus zwei Blättern geformten Krone ab.
[43] Der Ursprung ist polynesisch
[44] Siehe Literaturnachweis auf Seite 33: Mückler, Hermann - Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, Facultas.wuv, Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien, 2009
[45] Siehe Literaturnachweis auf Seite 33: Corbin, George A. - Die Kunst der Baining und Sulka im Museum für Völkerkunde Hamburg, Südsee, Expedition ins Paradies, 2003