Teil 4 - Leipzig, 1870 bis 1873
Kapitel 12:
Theater- und Konzertbesuche
Das Theater selbst habe ich besonders im ersten Semester fleißig besucht. Leipzig hatte damals verschiedene Berühmtheiten, vorab Friedrich HaaseFriedrich Haase (1825-1911) war Theaterschauspieler, -regisseur und -direktor. 1870 bis 1876 arbeitete er als Theaterleiter in Leipzig.Siehe Wikipedia.org [88], der damals Direktor war, und wenn er spielte, was freilich nicht sehr häufig vorkam, immer das Haus füllte.
Ich hab ihn als Alba im Egmont, als Marinelli in Emilia Galotti und in der Titelrolle von Richard III. gesehen. Neben ihm waren die bedeutendsten Schauspieler, KahleRichard Kahle (1842-1916) war ein deutscher Theaterschauspieler, der 1869 ans Leipziger Stadttheater kam.Siehe Wikipedia.org [89] den ich als Wrangel in Wallensteins Tod und Attinghausen in Wilhelm Tell, und Mitterwurzer, den ich als Max Piccolomini und als Geßler sowie in Emilia Galotti als Graf Appiani sah.
Die gefeiertste Schauspielerin war Fräulein BlandHermine Bland, eigentlich Hermine Steiner (1852-1919) war eine österreichische Schauspielerin mit dem Schwerpunkt Heldin und Liebhaberin in Tragödien. sie spielte in Leipzig von 1871 bis 1873.Siehe Wikipedia.org [90], die u. a. Emilia Galotti und Gretchen im Faust gab. Die Oper hatte als hervorragendste Kräfte den Bassisten KrolopFranz Krolop (1839-1897) war Opernsänger (Bassist).Siehe Wikipedia.org [91] und den Baritonisten GuraEugen Gura (1842-1906) war ein österreichischer Opernsänger. Er galt als einer der bedeutendsten Wagnersänger seiner Zeit.Siehe Wikipedia.org [92]. Primadonna war Frau Poschka-LeutnerMinna Peschka-Leutner, geborene Minna von Leutner, (1839-1890) war eine österreichische Opernsängerin (Sopran). Sie war von 1868 bis 1876 am Leipziger Stadttheater.Siehe Wikipedia.org [93], neben der als dramatische Sängerin Fräulein Mahlknecht glänzte. Als dritter Stern kam später Fräulein Gutzschbach hinzu, die uns Theologen besonders interessierte, weil sie die Tochter eines Chemnitzer Geistlichen und frühere Mitschülerin unseres Freundes Schnedermann war. Er erzählte, dass sie ihm manchmal seine Büchermappe getragen.
Sie hieß eigentlich Gutzschebauch, hatte aber wohl aus ästhetischen Gründen auf dem Theaterzettel ihren Namen ändern müssen. Ich habe sie als Tochter des Gefängniswärters in Fidelio gehört. Sie scheint aber doch an der Bühne nicht lange Befriedigung gefunden zu haben. Denn einige Jahre später las ich im Hannoverschen Sonntagsblatt ein Inserat des Pastors Gutzschebauch, in dem er eine Stelle für eine sehr musikalische junge Dame
suchte. Freund Schnedermann bestätigte mir, dass es sich um seine Jugendfreundin handele.
Musik hörte ich außerdem einmal in dem berühmten Gewandhause (Samson von Händel) und öfter in der Thomaskirche, wo regelmäßig an den Bußtagabenden und auch sonst Kirchenkonzerte gegeben wurden. Ich hörte Haydns Schöpfung, Händels Messias und Judas Makkabäus, Bachs Johannispassion und Mendelssohns Elias. Außerdem war ich die längste Zeit hindurch regelmäßiger Besucher der Motetten, welche jeden Sonnabend in der Thomaskirche von den Thomanern gesungen wurden. Betrübend war es nur, dass der weitaus größte Teil der Hörer beim Beginn des kurzen Vespergottesdienstes, der durch die Motette eingeleitet wurde, fluchtartig die Kirche verließ.
[89] Richard Kahle (1842-1916) war ein deutscher Theaterschauspieler, der 1869 ans Leipziger Stadttheater kam.
[90] Hermine Bland, eigentlich Hermine Steiner (1852-1919) war eine österreichische Schauspielerin mit dem Schwerpunkt Heldin und Liebhaberin in Tragödien. sie spielte in Leipzig von 1871 bis 1873.
[91] Franz Krolop (1839-1897) war Opernsänger (Bassist).
[92] Eugen Gura (1842-1906) war ein österreichischer Opernsänger. Er galt als einer der bedeutendsten Wagnersänger seiner Zeit.
[93] Minna Peschka-Leutner, geborene Minna von Leutner, (1839-1890) war eine österreichische Opernsängerin (Sopran). Sie war von 1868 bis 1876 am Leipziger Stadttheater.