5Juni2014

Gedenktage

Hartmut Kennhöfer

Bestimmte Jahreszahlen nehmen wir gerne zum Anlass einer Rückschau und zum Gedenken an herausragende Ereignisse. In diesem Jahr 2014 haben gleich mehrere davon einen runden Geburtstag.

Vor 100 Jahren ereignete sich die Urkatastrophe der neueren deutschen Geschichte. Im August jährt sich der Beginn des Ersten Weltkrieges. Aber ausgerechnet in dem Land, das im Zentrum der Katastrophe stand, wurde dieser Krieg vergessen. Durch eine vertrackte Reihe von Zufällen, Lügen, schlechten, guten und besten Absichten kam fast über Nacht ein Krieg in Gang, der das Deutschland des zwanzigsten Jahrhunderts mit voller Wucht aus der Bahn warf.

Vor 75 Jahren begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg, der seine Wurzeln auch im Ersten Weltkrieg hatte. Durch unbezahlbare Kriegsschulden, die Reparationsleistungen, die durch den Versailler Vertrag allein Deutschland aufgebürdet wurden, kam die Wirtschaft nicht in Gang und die junge Weimarer Demokratie (vor 95 Jahren trat die Weimarer Reichsverfassung in Kraft) scheiterte. Eine Hyperinflation, zahlreiche Umsturzversuche, Arbeitslosigkeit, Armut und Wirtschaftsflaute schafften das Klima, in dem national verbrämter Faschismus leichtes Spiel hatte. Als 1933 dann ein Führer an die Macht kam, der Deutschland wieder stark und mächtig machen wollte, war der Boden bereitet für die nächste Katastrophe, den Zweiten Weltkrieg.
Vor 70 Jahren, am 6. Juni 1944 landeten die alliierten Truppen in der Normandie (D-Day), damit begann die Wende an der Westfront und und das Ende von Nazidiktatur und des Zweiten Weltkrieges in Europa. Nicht zu vergessen der 20. Juli 1944, vor 70 Jahren, das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler durch deutsche Patrioten, wodurch der Krieg verlängert und weitere Millionen von Opfern forderte.

Vor 45 Jahren, am 21. Juli 1969 setzte der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond und vor 25 Jahren, am 9. November 1989 wurden aus zwei der drei Teile, in die Deutschland nach Kriegsende 1945 von den Siegermächten zerhackt wurde, wieder ein Land. 40 Jahre Teilung und Trennung der Menschen hatte zwei Deutschlands geschaffen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Vielleicht wird es noch mal so viel Zeit brauchen um auch die Menschen wieder zusammenzuführen.

Aber es gibt noch viele weitere Ereignisse, die schon fast vergessen sind und unsere Geschichte doch stark beeinflusst haben. Mach mir keine Fisimatenten sagten Hamburger Mütter zu ihren Töchtern während der Besetzung Hamburgs durch französische Soldaten. Diese versuchten die Deerns zum Zeitvertreib in ihr Lager zu locken mit der Aufforderung. «Visitez ma tente» (Besuchen Sie mein Zelt). Vor genau 200 Jahren ging die Franzosenzeit in Hamburg zu Ende. Zur Durchsetzung einer Wirtschaftblockade der britischen Inseln ließ Napoléon I die Freie und Hansestadt Hamburg am 19. November 1806 besetzen. Die Besatzer verboten den Handel mit Großbritannien und beschlagnahmten alle englischen Waren. In der Folge nahmen Arbeitslosigkeit und Armut in der Stadt und im Umland stark zu. Der Schmuggel mit dem dänischen Umland blühte. Am 30. Mai 1814 endete die Belagerung der Stadt durch hanseatische Kampfgenossen und russische Truppen. General Davout verließ die Stadt mit 25.000 Soldaten und 5.000 Pferden. Die Russischen Truppen wurden von der Hamburger Bevölkerung als Befreier gefeiert.

Vor 150 Jahren, am 18. April 1864 endete der Deutsch-Dänische Krieg mit der Entscheidungsschlacht und der Erstürmung der Düppeler Schanzen. Nach fast fünfwöchiger Belagerung erstürmten die Preußen unter Führung Prinz Friedrich Karl die befestigten Anlagen am Übergang zur Insel Alsen nach Sonderburg. Während der Schlacht erfolgte der erste Einsatz des Deutschen Roten Kreuzes in einem Krieg.

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Erwähnenswert ist auch der Beschluss und die Verkündung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vor 65 Jahren. Erstmals wird das Gleichheitsprinzip aller Menschen und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben.

Was dann mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951 begann und sich zu einem gemeinsamen Europa, bestehend aus 28 Mitgliedstaaten ausweitete, ist die Antwort auf unsere kriegerische Vergangenheit.
Auch wenn es Europamüde und -zweifler gibt, so geht doch kein Weg an diesem Staatenbund vorbei, als Antwort auf vergangene Kriegshandlungen und die Vernichtung von Menschen und Ressourcen. Wir, die Autorinnen und Autoren der Erinnerungswerkstatt – Norderstedt wollen auch weiterhin mit Zeitzeugenberichten an die Kriegs- und Nachkriegszeiten erinnern, damit die nachfolgenden Generationen die jüngere deutsche Geschichte besser verstehen lernen, denn ohne die Vergangenheit zu verstehen, kann es keine Zukuft in Frieden geben. Menschen, die ihre Erlebnisse aufgeschrieben haben, oder aufschreiben wollen, bieten wir deshalb gerne diese Autorenplattform zu Veröffentlichung an.

Übrigens feiert auch die Erinnerungswerkstatt einen runden Geburtstag, sie wird im November 10 Jahre alt. Aus diesem Anlass gibt es die Erinnerungswerkstatt nun auch als Buch mit dem Titel »Dennoch haben wir gelacht«, Kindheit und Jugend 1933 bis 1955, dass Sie ab 24. Juli 2014 direkt bei uns, über den Kadera-Verlag oder im Onlinebuchhandel erwerben können. Zusammen mit der Stadtteilbücherei Garstedt veranstalten wir wieder eine Autorenlesung unter diesem Motto, auf der wir unser Buch vorstellen und verschiedene Autoren daraus lesen werden. Es kann während der Veranstaltung auch dort erworben werden. Die Lesung findet statt am Dienstag, den 19. August 2014 um 15.00 Uhr in der Stadtteilbücherei Garstedt, Europaallee 36, 22850 Norderstedt.

Der Eintritt ist frei und wir freuen uns auf einen vergnüglichen Nachmittag mit zahlreichen Besucherinnen und Besuchern.

Hartmut Kennhöfer, 5. Juni 2014