2Jan2017

Betrachtungen einer Ostpreußin

Leser, bitte jleich, scheen breit und laut (nich still) das sich vorlesen

Hilde Heimerl

Das waren noch Zeiten, frieher! Ja, das waren noch Zeiten! Damals, als es noch nich de Colesterinchens gab.

Damals konnst noch essen, dass das Maulchen bloß so schäumte! Da konnst dir den Bauch vollschlagen und kein Colesterinche kimmert sich drum. Späck, Klunkersupp, Keilchen, Flinsen, Fläck immer rein damit, macht ja nuscht! Das Essen machte richtig Spaß – aber heite? Erbarmung! Da kann dir ja richtig graurich werden.

Zum Beispiel so e Klops'che! Keenigsberger oder e Bratklops. Die sehen doch scheen aus, so rund und saftig, nich zu zart und nich ze weich – hast deine Freid dran, bloß all beim hinkucken. Aber da haben se doch jetzt jesättichtes Fätt reingemacht. Jesättichtes! Schweinerei! Dänn in dem jesättichten Fätt haben sich nu de kleinen Colestrinchens jemietlich jemacht. Hucken da und lauern wie Aasjeier. Und wenn du nu de Kräten gejessen hast, dann lassen se sich so ganz langsam treiben in deinem Blut, de Beine rauf, de Arme runter — immer so heimlich still und leise – bis se so e ruhjes Äckche in dir jefunden haben, das ihnen jefällt.

Und da klammern sich de koddrijen Biester an deine Aderwände ran. Wegen nuscht und garnuscht, bloß so fier de Sälbstverwirklichung. Suchen vielleicht ihre eigne Identität, wie so viele fortschrittliche Mänschen heite. Na und das Scheenste is, du märkst nuscht davon, kein Durchfall, kein Kotzen, rein garnuscht.

Das is so wie mit de Bakteriens. Sind auch so kleine Dubasse. So klein, kannst se nich mal sehen. Haben kein Kopp nich, nich mal e kleines Zagelche. Und diese krätschen Äster huschen auch iberall auf dir rum. Iberall, nich bloß auf deinen Backen, obwohl se Bakterien heißen. Nei, auf deine Hände, Fieße, sogar in deinem Mund. Pfui Deiwel! Und wenn z.B. man einem e Kußche jiebt, dann springen so – na sagen wir mal – e Million von diese Dinger zu dir rieber und umjekährt. Aber weit und breit is kein Baktärche zu sehen. Was se da eijentlich so machen den ganzen Tach, weiß ich auch nich so richtig, se jucken nich und beißen nich.

Naja, was ich noch sagen wollte: De neumodschen Colesterinchens sind auch klein und still.
Und wenn du nun zu viele Klops'chen oder Spirkelchens isst, dann verwirklichen se sich immer mehr sälbst, drängen sich in große Klumpen an deine Aderwände ran und dann – mittemal – Prost Mahlzeit!! Krichst vielleicht Legastenie oder wie das heißt.

Deshalb äss ich jetzt was andres. Müsli heißt das Zeug. Sieht aus wie Schrot und Häcksel. Krichten friher bei uns in Ostpreußen die Färde. Müssen se wohl in Süddeutschland erfunden haben. Müsli – wänn du Plattdeutsch kennst, möchst denken das sind kleine Mäuse. Sieht aber auch e bisschen aus wie Mäusedreck. Aber in diesem Pampel is nu auch Fätt drin, aber passt auf: Ungesättichtes. Deshalb wirst auch nich richtig satt davon – dafir is aber auch kein einzijes Colesterinche drin. Und außerdem haben sie da noch Vitamine reinjemacht, aber die kannst auch nich sehen.

Ach ja, frieher das waren noch Zeiten. Wenn da einer im Dorf Jeburtstag had, wurd e Schwein jeschlachtet und drei Tage lang jefeiert, bis alle bedammelt waren. Aber heit jibt jeder einen Ämpfang. Als ob er der Fürst von Thurn wär, na ihr wisst schon, der mit dem Taxigeschäft und der värrickten Frau. Ja Ämpfang muss heite sein. Hast im Flur dem Schäckert ausjezogen, krichst erst mal e Schlubberche Sherry. Das is so e braune bittere Soß. Dann jibt es noch e Pastetche und e Schinkenrollche und natierlich Lachs mit Kaviar. Kennt ihr den? Als ich dem das erste Mal sah, dacht ich, das sind nasse Schrotkugeln ausse Jachtflint. Damit haben se bei uns de Haskes jeschossen. Aber nei, – das sind Fischeier!

Und zum Schluss jiebt es Weinbeerchens mit son Prickel auf e Stick Keese jesteckt. Schmäckt nich schlecht. Aber Vorsicht! Wenn du das Beerchen essen willst, musst vorher dem Prickel rausziehen, sonst kommst dir vor wie e Hecht am Angelhaken.

Ja,ja, das Ässen is heit e jefährliche Angelegenheit. Und nu huck ich jeden Tach vor so e Pampel Müsli. Mir is all ganz koddrig im Magen von diesem Färdefutter. Nu überleg ich, ob ich nich doch auf die Colesterinchens pfeifen und wieder was Verninftijes ässen soll.

Verfasser unbekannt. Vorjetrajen von Hilde Heimerl