15Okt2012 Ernesto Potthoff

Achter Jahrestag

Die Erinnerungswerkstatt Norderstedt feierte im November 2012 ihren 8. Geburtstag. Acht Jahre alt zu werden, bedeutet eigentlich nichts Besonderes, stellt ja auch keine auffallende Jahreszahl dar.

Jedoch für die freiwillig Mitwirkenden dieser Autoren- und Zeitzeugengemeinschaft bedeutet jedes Jahr vollendeter Arbeit Freude, Genugtuung und das Bewusstsein, den nachfolgenden Generationen einen Teil ihrer merkwürdigen Erlebnisse – meistens aus früherer Zeit - nahegebracht zu haben. Nicht weniger als 600 Beiträge stehen bereits online und werden weltweit monatlich mehr als 300tausend Mal angeklickt.

Vor acht Jahren gehörte ich dem Seniorenbeirat der Stadt Norderstedt an. Ich wurde von einem Kollegen angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, meine Erinnerungen aufzuschreiben, um sie über ein speziell angelegtes Netzwerk den Mitmenschen zukommen zu lassen. Es hätte ja schon einige dieser Initiativen gegeben, aber dies sei das erste Mal, dass ein modernes Medium wie das Internet benützt würde. Die Idee schien mir exzellent, nur bezweifelte ich, mich in der deutschen Sprache angemessen ausdrücken zu können. Keine Sorge, wurde mir zugesichert, diesen Teil übernehmen wir, Ihre Beiträge werden sorgfältig überarbeitet und die Empfänger bekommen einen einwandfreien Text zu lesen. Genügend Lebenserfahrung konnte ich mir ja zumuten, also: überredet!

Meine ursprünglichen Bedenken beruhten nämlich darauf , dass ich in Argentinien auf die Welt gekommen bin und mir die spanische Sprache viel geläufiger war als die deutsche. Bis zu meiner Einschulung in der Schiller Schule von Buenos Aires konnte ich allerdings nur Deutsch sprechen, da in meinem Elternhaus ausschließlich diese Sprache angewandt wurde. Meine Eltern, das Dienstpersonal, die Lieferanten, die Verwandten und Bekannten, die uns besuchten, alle sprachen nur Deutsch.

Also hatte ich in meiner Schulzeit anfangs große Schwierigkeiten, mich dem normalen Klassenniveau anzupassen. Schon vor acht Jahrzehnten musste ich dieselben Probleme wie heute überwinden, nur vice versa (Mit vertauschten Plätzen).

Später jedoch, in der Hochschule und in meiner ganzen Berufszeit, bediente ich mich nur der spanischen und der englischen Sprache, was mich wiederum bei meinem Neuanfang in Deutschland vor zwanzig Jahren in Bedrängnis brachte. Jedoch die kräftige Unterstützung meiner Gefährten gab mir den Mut, ein Erlebnis nach dem anderen niederzuschreiben. Im Laufe der Jahre schien es mir, als ob allmählich meine für die deutsche Sprache zuständigen Gehirnzellen wieder erwachten und mir die deutschen Redewendungen leichter einfielen. Meine Texte sind immer noch überarbeitungsbedürftig, aber ich werde mich bemühen, mein Ausdrucksvermögen in Deutsch zu verbessern, um demnächst einen angemessenen Leitartikel schreiben zu können.

Ernesto Potthoff, 15. Oktober 2012