8Okt2008 Das ist doch alles noch gar nicht so lange her… Fritz Schukat

Der eine geht auf die 50 zu, der andere schon seit fast zwei Jahren stark auf die 40!
Mit solch einer Feststellung kann man jeden verblüffen, wenn er am Beginn eines neuen Lebensjahrzehnts steht! Unsere Söhne sind knapp 10 Jahre auseinander, nähern sich der so genannten Midlife-Crisis oder müssten eigentlich schon mitten drin sein! Und sie haben uns noch nicht zu Großeltern gemacht, dafür sei noch reichlich Zeit, sagt der Jüngere.

Dabei hab ich noch im Ohr, wie der Ältere das erste Mal Eise-Bahn sagte - wir hatten es lange geübt, aber Ei-Bah war wohl bequemer! Und die Musicassetten mit dem Getrampel und dem Gekreische des Jüngeren höre ich mir gelegentlich mit Kopfhörer an und bin dann - wenn ich die Augen zumache - wie vor fast 30 Jahren mit einem Male wieder Vorlese-Papa, als wenn es erst vor ein paar Monaten gewesen wäre.

Ich weiß nicht, wieso das so ist, aber ich meine, früher dauerte alles viel länger als heute! Da wollte man endlich zur Schule, endlich eingesegnet werden, endlich in die Lehre, endlich eigenes Geld verdienen! Und das dauerte!

Selbst die Wissenschaft ist sich nicht klar darüber, ob Zeit nun eine Konstante ist, die 4. Dimension oder ob wir sie uns nur einbilden. Sie soll ja sogar dehnbar sein! Ich neige deshalb zu der letzteren Vorstellung, denn je älter ich werde, umso schneller vergeht sie. Und wenn man zurückblickt, kommen einem unweigerlich die Worte in den Sinn - he, das ist doch noch gar nicht so lange her!

Bild: Kinder 1939Wir kriegen in den nächsten Tagen Familienbesuch aus Bayern - genauer gesagt aus Franken. Mein Cousin mit Frau wird uns besuchen. Wir haben uns lange nicht gesehen und wollen einige Familienbilder austauschen. Dazu habe ich ein paar alte 6x9 s/w-Fotos mit gekringeltem Randschnitt herausgesucht und schon eingescannt - mit hoher Auflösung, damit man gute Vergrößerungen anfertigen kann. Auf einem Bild sind meine große Schwester, mein Cousin und ich zu sehen - die Große war gerade eingeschult worden. Es ist schon spannend, was man da auf der Vergrößerung alles sehen kann, Einzelheiten, die ich so noch nicht wahrgenommen hatte! Mein Cousin hat ein Teufelsmützchen auf, mich sieht man mit langen Wollstrümpfen, die ziemlich verrutscht sind, und ich weiß, dass sie fürchterlich kratzten. Ich war damals schon über 4 Jahre alt, erinnere mich daran, aber auch nur nebulös. Der Krieg hatte gerade begonnen. Für uns als Kinder war das aber völlig nebensächlich! Meine kleine Schwester fing an zu krabbeln, sie muss zu dieser Zeit etwa 9-10 Monate alt gewesen sein, und … aber ich will Sie jetzt nicht langweilen.

Kratzende Wollstrümpfe, Leibchen, bei denen manchmal am Strumpfhalter der Knopf abriss und durch einen Pfennig ersetzt wurde, Mütter, die uns Dreckflecken mit Taschentuch und Spucke abrieben, Bollen in den Strümpfen, die mühselig gestopft wurden, und die dazugehörenden aufgeschlagenen Kniescheiben, das alles ist doch noch gar nicht so lange her - oder? Na gut, es ist doch schon länger her, aber bei unseren Kindern - der gleiche Aufguss! Mutti, ich will diesen Pullover nicht anziehen, der kratzt so - und doch mussten sie!
Alles noch gar nicht so lange her!?

In diesem Jahr war Fasching schon in den ersten Februar-Tagen. Ostern war am 23./24. März, fast der früheste Termin, an dem Ostern überhaupt gefeiert werden kann. Dann Himmelfahrt am 1. Mai (auch das noch) und 50 Tage nach Ostern lag auch Pfingsten dermaßen früh, dass mir irgendwas in diesem Jahr fehlt. Wenn ich ehrlich bin, warte ich -jedenfalls gefühlsmäßig - noch auf ein Doppelfest mit feierlichem Montag dran, also so eine Art zweites Pfingstfest. Am 25. Mai hat mich meine Frau getröstet: wart nur ab, in sieben Monaten ist Weihnachten, dann gibt's schon wieder zwei hintereinander liegende Festtage!
Sieben Monate nur? Ist ja eigentlich gar nicht mehr lange!

Ich hatte das hier noch nicht zu Ende geschrieben, da kam Post - eine eMail von Sandra, die sich mit just diesem Thema befasste, angeregt durch den Beitrag meiner Frau: Küsschen, Knicks, Taschentuch mit Spucke, Sonntagskleidchen und rutschende Strümpfe. Auch hier die ungläubige Feststellung, eine Frage ist es ja doch nicht: …das ist doch noch gar nicht so lange her - oder doch?
Danke für den netten Brief - und wenn Sie wollen, können sie ihn im Gästebuch nachlesen!

Herzlichst Ihr
Fritz Schukat