09Nov2024

November — Schicksalsmonat der Deutschen?

Michael Malsch

Es ist wieder November. In Schweden legt man jetzt die Füße hoch und trinkt gemütlich einen Tee. Warum machen das die Deutschen nicht auch so? Sie machen lieber, wie gerade jetzt, eine Regierungskrise und fürchten das Ende der Demokratie. Ist der November ein Schicksalsmonat der Deutschen?

Historische Rückschau:

Ende September 1918 wird klar, dass der Erste Weltkrieg für Deutschland verloren ist. Trotzdem plant die deutsche Marineleitung noch einen Gegenangriff mit dem Rest der Flotte. Aber die Matrosen weigerten sich, es kommt zur Meuterei. Diese entwickelte sich innerhalb weniger Tage zur Revolution in ganz Deutschland. Am 9. November 1918 wurde in Berlin die Republik ausgerufen. Am 11. November endete der Erste Weltkrieg und Kaiser Wilhelms II. dankte ab.

Am 8. und 9. November 1923 versuchen Nationalsozialisten unter Hitler in München, sich an die Macht zu putschen. Sie wollten die Demokratie beseitigen und eine Diktatur errichten. Zehn Jahre später hatten sie Erfolg. Hitler errichtete sein Tausendjähriges Reich. Minderheiten, insbesondere die jüdischen Mitbürger, wurden systematisch verfolgt. In der Nacht vom 9. zum 10. November steckten die Nazis die Synagogen in Deutschland in Brand. Das war der Auftakt für die Ermordung von Millionen von Juden.

Dann kam der Zweite Weltkrieg.

Danach teilten die Siegermächte Deutschland in vier Zonen auf, aus denen bald die Bundesrepublik und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) wurden. Am 13. August 1961 baute die DDR eine Mauer zwischen den beiden Staaten. Aber 1989 hatten die DDR-Bürger die Nase von ihrer Regierung voll und begannen, friedlich zu demonstrieren. Das führte schließlich am 9. November 1989 zur Öffnung der Mauer.

Was geschah sonst noch am 9. November?

Am 9. November 1967 wurde an der Hamburger Universität der neue Rektor feierlich eingeführt. Während der Feier entfalteten Studenten ein Transparent mit der Aufschrift: Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren. Der Protest richtete sich gegen ehemalige Nazis, die in der Bundesrepublik wieder Hochschullehrer, Richter und Staatsanwälte werden konnten.

1969 gründete Dieter Kunzelmann in West-Berlin die Stadtguerilla Tupamaros. Am 9. November legte die Gruppe eine Bombe mit Zeitzünder im jüdischen Gemeindehaus. Sie sollte während der Gedenkfeier an die Novemberpogrome 1938 explodieren. Zum Glück explodierte Bombe nicht. Die Zündkapsel war zu alt.

1970 gründeten Ulrike Meinhof und Andreas Baader die Rote-Armee-Fraktion (RAF). Ein Mitglied dieser Gruppe, der Terrorist Holger Meins, starb am 9. November 1974 inm Gefängnis nach seinem Hungerstreik.

Noch ein wichtiges Ereignis gab es im November; die Erinnerungswerkstatt wurde am 2. November 2004 gegründet, damit die vielen Zeitzeugen des vergangenen Jahrhunderts ihre Erlebnisse nicht mit ins Grab nehmen müssen. Diesen November feiern wir das zwanzigjährige Bestehen der Erinnerungswerkstatt. Und wenn Sie mögen, machen Sie sich einen heißen Tee, kuscheln sich mit den drei Büchern, die wir mit Zeitzeugenberichten gefüllt haben, in den Sessel und lesen Sie, was die Menschen im letzten Jahrhundert erlebt haben. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass diese Zeiten nicht wiederkehren. Verhindern wir gemeinsam das Erstarken rechtsradikaler Kräfte in Europa. Michael Malsch, gekürzte Fassung, am 10. November 2024